Judenkirche

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Felsbogen Judenkirche

Die Judenkirche ist ein Felsbogen bei Tiefenbach im Markt Oberstdorf im Oberallgäu, der seit Juni 2007 als Naturdenkmal ausgewiesen ist. Das Tor besitzt die Ausmaße von etwa 15 Metern Breite und 5 Metern Höhe. Der Felsbogen ist ein bis zwei Meter breit und für Begehungen gesperrt. Er ist nahe der Breitachklamm am Hang des Ochsenberges auf 1060 m zu finden.

Über die Herkunft des eigenwilligen Namens besteht keine Klarheit. Es gibt jedoch eine Reihe von Veröffentlichungen, die sich an einer Deutung des Namens versuchen.

In der Kirche und Judenkirche in Sütterlinschrift im Vergleich: In der und Juden ähneln sich im Schriftbild
Judenkirche Schild

Nach Barbara Rösch etablierten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts Toponyme, die den Begriff ‚Jude‘ im Namen trugen. Sie enthielten „weniger Aussagen über eine tatsächliche historische Situation als vielmehr über Mentalität und Einstellung der nichtjüdischen Namensgeber“; nicht selten bewiesen sie „Diffamierungscharakter“. Dies gelte „auch für die Flur Judenkirche von Tiefenbach in den Allgäuer Alpen als Erklärung. Die dortige „seltsame Felsformation“ gleiche einem Tempelbogen, wobei ein Tempel früher landläufig mit Judenkirche gleichgesetzt“ worden sei.[1]

Laut Paul Schwendinger soll die Steinformation im Volksmund ursprünglich „In der Kirche“ geheißen haben, erst „durch ungenaue Aufschreibung“ (womöglich in Sütterlinschrift, siehe Abbildung rechts) sei hieraus später der Name Judenkirche entstanden.[2]

Die völkische[3] Politisch-anthropologische Monatsschrift sah 1919 als eigentliche Namensgeber des Felsentores Judenkirche die klangverwandten germanischen Stämme der Teuten und Jüten, die sich im Zuge der Völkerwanderung durch Mitteleuropa bewegt hatten.[4]

Ausblick von der Judenkirche

Der Felsbogen der Judenkirche ist eine ungewöhnliche Variante der Einsturz-Dolinenform. Die Besonderheiten sind, dass die Naturbrücke aus Kalkfels subhorizontal gebankt ist sowie eine seitliche Hohlform aufweist, die von unten her geöffnet und zugänglich ist.[5] Der schwach konvexe Kalksteinbogen überspannt die im Grundriss ovale Hohlform an ihrer Längsseite und liegt am Rand eines langgezogenen Steilhanges des Ochsenberges.

Da Einsturzdolinen durch den Einbruch eines Höhlendaches entstehen, ist anzunehmen, dass die Judenkirche ein Stück erhalten gebliebenes Höhlendach ist. Der seitliche Zugang entstand vermutlich erst durch denudative Hangabtragung nachträglich.[5][6]

Die Naturbrücke ist seit Juni 2007 vom Bayerischen Landesamt für Umwelt als bedeutendes und wertvolles Geotop (Geotop-Nummer: 780A025) ausgewiesen.[7] Im Jahr 2008 wurden die Bäume vor dem Bogen gefällt, da sie den Ausblick versperrten.[8]

Commons: Judenkirche – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Barbara Rösch: Der Judenweg: Jüdische Geschichte und Kulturgeschichte aus Sicht der Flurnamenforschung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 3-647-56998-4, S. 129 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Paul Schwendinger: Der Graf Christoff von Vojkffy Weg und die Judenkirche in Oberstdorf/Tiefenbach. In: Das schöne Allgäu. 1984, S. 10–11. Zitiert in:
    Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben. Band 75, Historischer Verein für Schwaben, Verlag Bücher Seitz, 1981, S. 187.
    Alex Rössle: Die Judenkirche bei Tiefenbach und der Graf-Vojkffy-Weg. 7. Mai 2016.
  3. Walter Jung: Ideologische Voraussetzungen, Inhalte und Ziele außenpolitischer Programmatik und Propaganda in der deutschvölkischen Bewegung der Anfangsjahre der Weimarer Republik – Das Beispiel Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund. In: Georg-August-Universität, Göttingen 2000, S. 24.
  4. Politisch-anthropologische Monatsschrift für praktische Politik: für politische Bildung und Erziehung auf biologischer Grundlage. Band 17, Politisch-Anthropologischer Verlag, 1919, S. 333.
  5. a b Hellmut Völk, Andreas Piekniewski, Iris Lippert: Geomorphologie des unteren Breitachtales bei Oberstdorf. Mit einer Spezialbetrachtung zur Breitachklamm-Entstehung. In: Vorarlberger Naturschau. Nr. 14. Dornbirn 2004, S. 50 (zobodat.at [PDF]).
  6. Heinz Groth, Dieter Seibert: Allgäuer Alpen: Gebietsführer für Wanderer und Bergsteiger. Bergverlag Rother GmbH, ISBN 978-3-7633-3647-0, S. 54.
  7. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Geotop Judenkirche NE von Tiefenbach (abgerufen am 8. Oktober 2017).
  8. Alex Rössle: Die Judenkirche bei Tiefenbach und der Graf-Vojkffy-Weg. 7. Mai 2016.

Koordinaten: 47° 25′ 40,2″ N, 10° 15′ 14,9″ O