Particle Tracking Velocimetry

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Beispiel für durch Particle Tracking Velocimetry ermittelte Pfade

Particle Tracking Velocimetry (PTV) ist eine Messmethode zur Ermittlung zeitaufgelöster, dreidimensionaler Pfade individueller Partikel in einer Strömung.[1] Es handelt sich um eine Form der Lagrangeschen Betrachtungsweise, da die PTV teilchenfest ist[2], was die Particle Tracking Velocimetry von der Particle Image Velocimetry (PIV) abgrenzt, welche die Strömung ortsfest in der eulerschen Betrachtungsweise beschreibt.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine der ältesten Formen der Strömungsvisualisierung ist die Verfolgung individueller Partikel über Bahnlinien. In den 1980er Jahren begannen Bestrebungen, die bis dato nur qualitativen Aussagen dieser Technik zu quantifizieren. Neben der parallel weiterentwickelten Particle Image Velocimetry erlaubten Computer 1988 erstmals die automatische Auswertung von Videos zu zweidimensionalen PTV-Vektorpfaden. Diese Verfahren lieferten 10 bis 30 Vektoren pro Bild.[4] In den 1990er Jahren kamen durch verbesserte Hardware und Algorithmen Verfahren auf, welche 3D-PTV Aufnahmen mit 1.000 Partikeln erzeugen konnten.[5] Seit 2009 gibt es Systeme, die PTV in Echtzeit auswerten können.[6]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundlegend wird zwischen 2D und 3D-PTV unterschieden. 3D-PTV ist wesentlich gebräuchlicher, bestimmte Anwendungsgebiete lassen aber die dafür notwendige Kameraanordnung nicht zu. Außerdem ist 2D-PTV günstiger.[7]

2D-PTV[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Anwendung von 2D-PTV wird ein Video eines Strömungsvorgangs genutzt, dessen Betrachtungsebene mit einem Laserlichtschnitt ausgeleuchtet wird.[8] Prinzipiell funktioniert die 2D-PTV wie die 3D-PTV, es werden jedoch nur zweidimensionale Geschwindigkeitsvektoren erfasst. Dadurch ist nur eine Kamera möglich. Der Bildausschnitt von 2D-PTV ist bei sonst ähnlichem Versuchsaufbau größer als bei 3D-PTV.[7]

Eine Abwandlung der 2D-PTV ist, mehrere Particle Image Velocimetry Aufnahmen hintereinander zu machen. Hierbei erfolgen zwei Einzelbilder sehr schnell aufeinander, anschließend gibt es eine längere Pause, bis das nächste Doppelbild gespeichert wird.[9]

3D-PTV[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Erfassung von zeitaufgelösten Bahnlinien im dreidimensionalen Raum kommen 3D-PTV Verfahren zum Einsatz, die mehrere Bildperspektiven auswerten.

Versuchsaufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 3D-PTV kann in Gasen oder Flüssigkeiten zum Einsatz kommen. In die zu untersuchende Strömung werden Tracerpartikel eingeführt.[10] Als Tracerpartikel in Wasser kommen Glashohlkugeln zum Einsatz[11], in Luft können heliumgefüllte Seifenblasen verwendet werden[12]. Diese Partikel werden genutzt, da sie dieselbe Dichte wie das Fluid haben[13]. Bei niedriger Teilchenkonzentration ist das Tracking trivial, die mittlere Verschiebung des Teilchens ist deutlich kleiner als der mittlere Partikelabstand. Die Auflösung der Ergebnisse ist schlecht. Ist die Teilchenkonzentration jedoch zu hoch (mittlere Teilchenabstand kleiner als mittlere Bewegung der Teilchen) wird das Tracking unmöglich. Es muss ein guter Mittelweg gefunden werden.[14] Das zu untersuchende Strömungsfeld muss optisch zugänglich sein, damit eine ausreichende Beleuchtung und die Anbringung mehrerer Kameras möglich sind. Zwar lässt sich im Idealfall mit zwei Kameras die Position jedes Tracerpartikels bestimmen, in der Praxis kommen jedoch drei bis vier synchronisierte Kameras zum Einsatz, da Verdeckungen von Partikeln sonst mehrdeutige Ergebnisse verursachen können. Besonders bei Aufnahmen von Gasströmungen müssen die Kameras eine hohe Bildfrequenz haben, um eine ausreichende zeitliche Auflösung zu gewährleisten. Aus wirtschaftlichen Gründen kann die Zahl der Kameras mit Strahlteilern reduziert werden, die über ein Spiegelsystem die Erfassung mehrerer Perspektiven mit einer Kamera ermöglichen.[10]

Kalibrierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Kalibrierung der PTV müssen innere und äußere Orientierung jeder Kamera bestimmt werden. Die innere Ordnung wird aus Bildhauptpunkt und Kamerakonstante gebildet, die äußere Ordnung geht aus Position und Ausrichtung der Kamera hervor. Die eigentliche Kalibrierung kann mittels Bündelblockausgleichung oder durch Aufnahme von Objektpunkten bekannter Koordinaten erfolgen.[14]

Auswertung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einer Messung erhält man eine Bilderserie, welche die Partikel intervallweise aus mehreren Perspektiven abbildet. Aus den Bildern wird zunächst der Hintergrund subtrahiert, damit nur noch die Partikel zu sehen sind.[10] In diesen Bildern werden Cluster heller Pixel gesucht. Daraus werden lokale Maxima gebildet, welche die Bildkoordinaten der Partikel bestimmen. Durch Verfahren der Epipolargeometrie werden die Bildkoordinaten der einzelnen Perspektiven zu den korrespondieren Partikeln in allen Perspektiven zugeordnet. Durch die Toleranzen ist die Epipolarlinie ein Band mit einer definierten Breite. Durch eine genaue Kalibrierung des Kamerasystems können so aus den Bildkoordinaten mehrerer Perspektiven Raumkoordinaten für jeden Partikel gebildet werden.[14]

Um aus den Koordinaten der Bildpartikel sinnvolle Aussagen über die Strömung treffen zu können, müssen die Partikel aus jedem Bild den Partikeln im Folgebild usw. zugeordnet werden. Dazu kann zum Beispiel das 3-Frame-Tracking zum Einsatz kommen (teilweise auch 4-Frame-Tracking). Hier werden zunächst zwei Bilder verglichen und mehrere mögliche Vektoren von einem Partikel zu Partikeln im Folgebild gebildet. Das dafür genutzte Suchvolumen wird begrenzt, indem eine Annahme zur maximalen Geschwindigkeit der Partikel getroffen wird. Diese Vektoren werden linear extrapoliert. Durch den Abgleich mit einem dritten Zeitpunkt und die Wahl sinnvoller Qualitätskriterien können so Vektoren ausgewählt oder verworfen werden.[14] Das Suchvolumen im dritten Zeitschritt kann weiter eingeschränkt werden, indem durch die Begrenzung der Beschleunigung ein Suchkonus erzeugt wird.[15] Zur Auswertung steht verschiedene Open-Source-Software zur Verfügung.[16]

Vergleich mit anderen optischen Strömungsmesstechniken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Particle Image Velocimetry ist in vieler Hinsicht ähnlich zur PTV, nimmt aber nur Momentaufnahmen von Strömungsfeldern auf. Durch die größere Partikelgröße von PTV im Vergleich zu PIV ist die Auflösung niedriger, außerdem folgen große Partikel turbulenter Strömung schlechter. Großer Vorteil der PTV ist die dreidimensionale Erfassung des Strömungszustandes und die Verfolgung einzelner Partikel als zeitlich aufgelöste Bahnlinie.[17] Inzwischen gibt es auch 3D-PIV.[18]

Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Particle Tracking Velocimetry ist besonders geeignet zur Erfassung von turbulenten instationären Strömungsvorgängen. Die Methode wird in Industrie und Forschung in Wasser- und Luftströmungen eingesetzt.[9] Des Weiteren kommt PTV zur Messung von Verbrennungsvorgängen[19] und Sedimentablagerungen[20] zum Einsatz. In der medizinischen Forschung wurde das Verfahren beim Einsatz im Röntgenspektrum in der Computertomographie erprobt.[21]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Th. Dracos: Particle Tracking Velocimetry (PTV). In: Three-Dimensional Velocity and Vorticity Measuring and Image Analysis Techniques. Band 4. Springer Netherlands, Dordrecht 1996, ISBN 978-90-481-4757-1, S. 155–160, doi:10.1007/978-94-015-8727-3_7 (springer.com [abgerufen am 24. September 2023]).
  2. Lagrangesche Betrachtungsweise. Abgerufen am 24. September 2023.
  3. A. Cenedese: Eulerian and Lagrangian velocity measurements by means of image analysis. In: Journal of Visualization. Band 2, Nr. 1, März 1999, ISSN 1343-8875, S. 73–83, doi:10.1007/BF03182553 (springer.com [abgerufen am 24. September 2023]).
  4. A. A. Adamczyk, L. Rimai: 2-Dimensional particle tracking velocimetry (PTV): Technique and image processing algorithms. In: Experiments in Fluids. Band 6, Nr. 6, Januar 1988, ISSN 0723-4864, S. 373–380, doi:10.1007/BF00196482 (springer.com [abgerufen am 24. September 2023]).
  5. H. G. Maas, A. Gruen, D. Papantoniou: Particle tracking velocimetry in three-dimensional flows: Part 1. Photogrammetric determination of particle coordinates. In: Experiments in Fluids. Band 15, Nr. 2, Juli 1993, ISSN 0723-4864, S. 133–146, doi:10.1007/BF00190953 (springer.com [abgerufen am 24. September 2023]).
  6. Mark Kreizer, David Ratner, Alex Liberzon: Real-time image processing for particle tracking velocimetry. In: ExFl. 48. Jahrgang, Nr. 1, 2010, ISSN 0723-4864, S. 105–110, doi:10.1007/s00348-009-0715-5, bibcode:2010ExFl...48..105K (englisch).
  7. a b Martin Henning, Volker Sahrhage, Bernd Hentschel: 3D-PTV – Ein System zur optischen Vermessung von Wasserspiegellagen und Fließgeschwindigkeiten in physikalischen Modellen. Hrsg.: Bundesanstalt für Wasserbau. Karlsruhe 2007 (baw.de [PDF]).
  8. DPTV VERSION 2. In: Loligo Systems. Abgerufen am 26. September 2023 (englisch).
  9. a b Nathanaël Machicoane, Peter D. Huck, Alicia Clark, Alberto Aliseda, Romain Volk, Mickaël Bourgoin: Recent Developments in Particle Tracking Diagnostics for Turbulence Research. In: Flowing Matter. Springer International Publishing, Cham 2019, ISBN 978-3-03023369-3, S. 178, doi:10.1007/978-3-030-23370-9_6 (springer.com [abgerufen am 26. September 2023]).
  10. a b c 3D Particle Tracking Velocimetry. Abgerufen am 24. September 2023.
  11. Mohammad Amin Kazemi,Reza Sabbagh, Lisa Kinsale, Hirad Soltani, David S. Nobes: 3D Flow measurement using particle tracking velocimetry (PTV) in porous media. In: 5 th International Conference on Experimental Fluid Mechanics – ICEFM 2018 Munich. München Juli 2018 (englisch, unibw-muenchen.de [PDF]).
  12. Yu Zhao, Xiaojun Ma, Chengbin Zhang, Haoyu Wang, Yuanhui Zhang: 3D real-time volumetric particle tracking velocimetry – A promising tool for studies of airflow around high-rise buildings. In: Building and Environment. Band 178, Juli 2020, S. 106930, doi:10.1016/j.buildenv.2020.106930 (elsevier.com [abgerufen am 24. September 2023]).
  13. LaVision GmbH: Time-Resolved 3D-Particle Tracking. Abgerufen am 24. September 2023 (englisch).
  14. a b c d Elka Lobutova: Entwicklung und Anwendung eines Particle-Tracking-Velocimeters zur Untersuchung von groß-skaligen Strukturen in thermischer Konvektion. Ilmenau 9. Februar 2010 (d-nb.info).
  15. Hans-Gerd Maas: Digitale Photogrammetrie in der dreidimensionalen Strömungsmeßtechnik. Zürich 1992, S. 119 (ethz.ch [PDF]).
  16. Lagrangian Particle Tracking - PTV Codes. Abgerufen am 26. September 2023.
  17. F. Alberini, L. Liu, E.H. Stitt, M.J.H. Simmons: Comparison between 3-D-PTV and 2-D-PIV for determination of hydrodynamics of complex fluids in a stirred vessel. In: Chemical Engineering Science. Band 171, November 2017, S. 189–203, doi:10.1016/j.ces.2017.05.034 (elsevier.com [abgerufen am 26. September 2023]).
  18. DFG - GEPRIS - Stereoskopisches PIV-System (3D Particle Image Velocimetry). Abgerufen am 26. September 2023.
  19. Fang Chen, Hong Liu: Particle image velocimetry for combustion measurements: Applications and developments. In: Chinese Journal of Aeronautics. Band 31, Nr. 7, Juli 2018, S. 1407–1427, doi:10.1016/j.cja.2018.05.010 (elsevier.com [abgerufen am 26. September 2023]).
  20. Stefano Simoncelli, Georgiy Kirillin, Aleksandr P. Tolomeev, Hans-Peter Grossart: A low-cost underwater particle tracking velocimetry system for measuring in situ particle flux and sedimentation rate in low-turbulence environments. In: ASLO. 2019 (geo-leo.de [PDF]).
  21. Simo A. Mäkiharju, Jan Dewanckele, Marijn Boone, Christian Wagner, Andreas Griesser: Tomographic X-ray particle tracking velocimetry. In: Experiments in Fluids. Band 63, Nr. 1, 23. Dezember 2021, ISSN 0723-4864, doi:10.1007/s00348-021-03362-w (springer.com [abgerufen am 26. September 2023]).