Parlamentswahl in Belgien 2024

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Palast der Nation in Brüssel

Die Wahl zur belgischen Abgeordnetenkammer soll am 9. Juni 2024[1] und damit am selben Tag wie die Europawahl stattfinden. Gleichzeitig werden auch das Flämische Parlament sowie die Parlamente Walloniens, der Region Brüssel-Hauptstadt und der Deutschsprachigen Gemeinschaft neu gewählt.[2]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sitzverteilung in der Belgischen Abgeordnetenkammer nach der Wahl 2019
            
Insgesamt 150 Sitze
Premierminister Alexander De Croo

Bei der letzten Parlamentswahl am 26. Mai 2019 waren Vertreter von insgesamt zwölf Parteien in die Abgeordnetenkammer und den Senat gewählt worden. Hauptgewinner waren in Flandern der rechtsnationalistische Vlaams Belang, die gesamtbelgische marxistische Partei der Arbeit Belgiens und die grünen Parteien in Flandern (Groen) und Wallonien (Ecolo). Die beiden erstgenannten galten den anderen Parteien aufgrund ihre extremen Programmatik als nicht koalitionsfähig. Da fast alle Parteien ihre Wählerbasis entweder in Wallonien oder in Flandern hatten, gab es entsprechend viele Partikularinteressen (vgl. flämisch-wallonischer Konflikt), und die Verhandlungen über eine neue Regierungsbildung zogen sich über viele Monate hin. Die amtierende Regierung Michel II blieb zunächst geschäftsführend im Amt. Nachdem Premierminister Michel zum Präsidenten des Europäischen Rates gewählt worden war, wurde die bisherige Haushaltsministerin Sophie Wilmès (MR) am 27. Oktober 2019 geschäftsführende Premierministerin. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie wurde die Notwendigkeit einer stabilen Regierung dringlicher, und am 17. März 2020 wurde die für eine Übergangszeit von sechs Monaten konzipierte Regierung Wilmès II vereidigt, der aufgrund der Krise besondere Vollmachten erteilt wurden. Nach erneuten längeren Verhandlungen wurde am 1. Oktober 2020 – 493 Tage nach der Wahl – die Regierung De Croo vereidigt. Die neue Regierung war eine Koalition aus Liberalen, Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grünen. Sie stützte sich auf eine sogenannte „Vivaldi-Koalition“ aus sieben Parteien: Open Vld, MR, PS, sp.a, CD&V, Ecolo und Groen.[3]

Die Regierung De Croo kam in einer schwierigen Zeit ins Amt. Die Wirtschaft hatte mit den Auswirkungen der weltweiten COVID-19-Pandemie zu kämpfen. Die ökonomischen Folgen der Pandemie konnten relativ gut in den Griff bekommen werden. In der Frage der Atomenergie waren die Koalitionsparteien gespalten. Die Grünen wollten am beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2025 festhalten. Die Liberalen wollten zwei Reaktoren länger am Netz behalten. Die an der Regierung nicht beteiligten flämischen Nationalisten sprachen sich grundsätzlich gegen den Atomausstieg und den dann erforderlichen Neubau von Gaskraftwerken aus. Uneinigkeiten zwischen Sozialisten und Liberalen und Christdemokraten gab es auch in Fragen der Renten- und Arbeitsmarktreform sowie der Haushaltssanierung.[4]

Am 24. Februar 2022 begann die russische Invasion der Ukraine, die aufgrund des gemeinsamen europäischen Beschlusses zur möglichst schnellen Beendigung der russischen Erdgas- und Erdöllieferungen in den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Probleme bei der Sicherung der Energieversorgung verursachte. Am 16. März 2022 präsentierte die grüne Energieministerin Tinne Van der Straeten einen Plan, der eine Laufzeitverlängerung der beiden jüngsten der sieben noch in Betrieb befindlichen Kraftwerksblöcke (Tihange 3 und Doel 4) vorsah – eine Kehrtwende grüner Energiepolitik.[5][6] Im November 2023 schloss Premierminister De Croo eine Laufzeitverlängerung auch weiterer Reaktoren nicht aus.[7] In einer Erklärung zur Lage Belgiens am 10. Oktober 2023 verteidigte der Premierminister die Bilanz seiner dreijährigen Koalitionsregierung. Er stellte in Aussicht, dass Belgien im Jahr 2024 das Maastricht-Kriterium von drei Prozent Neuverschuldung bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt einhalten werde. Allerdings bezog sich dies auf die Finanzen des Gesamtstaats. Unter Berücksichtigung aller Gebietskörperschaften wurde die zu erwartende Neuverschuldung auf bis zu fünf Prozent geschätzt. De Croo betonte, dass das Wirtschaftswachstum Belgiens in den letzten drei Jahren höher gewesen sei, als das Deutschlands oder Frankreichs. Er nannte die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und die Einführung einer Mindestrente von 1500 Euro pro Monat als Erfolge seiner Regierung. Die flämischen Parteien Vlaams Belang und die Neu-Flämische Allianz/N-VA kritisierten die Politik der Regierung als ein anhaltendes haushaltspolitisches Chaos, und die gesamtbelgische linkspopulistische PTB/PVDA warf der Regierung soziale Kälte und eine neoliberale Wirtschaftspolitik vor.[8] Kritisiert wurde die Wirtschaftspolitik der Regierung im Dezember 2023 auch vom Gouverneur der Belgischen Nationalbank Pierre Wunsch. Angesichts eines Haushaltsdefizits von 4,3 Prozent im Jahr 2024 und einer voraussichtlichen Staatsverschuldung von 106 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2025 bilde Belgien zusammen mit der Slowakei, Frankreich und Italien eine Gruppe von Ländern, die ihre Staatsfinanzen nicht unter Kontrolle bekämen.[9]

Wahlsystem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jede Provinz und die Region Brüssel-Hauptstadt, die seit 1995 keiner Provinz mehr angehört, bilden jeweils einen Wahlkreis. In jedem Wahlkreis werden die Sitze nach dem D’Hondt-Verfahren proportional verteilt. Es gibt eine 5-Prozent-Hürde. In den kleineren Wahlkreisen ist es jedoch möglich, dass auch eine Partei mit einem Stimmenanteil deutlich über 5 Prozent keinen Sitz erhält.

Die Bewohner von sechs zu Flämisch-Brabant gehörenden Gemeinden, den sogenannten Fazilitäten-Gemeinden rund um Brüssel, können ihre Stimme auch für eine Liste im Wahlkreis Brüssel abgeben.

Die Zahl der Abgeordneten je Wahlkreis wird nach der Verfassung alle zehn Jahre gemäß den Bevölkerungszahlen (einschließlich Ausländer) durch königlichen Erlass festgelegt. Da Brüssel einen weit überdurchschnittlichen Ausländeranteil hat, ist dort die Zahl der Wahlberechtigten je Sitz kleiner als im übrigen Land. Im Vergleich zur letzten Wahl 2019 ergaben sich durch Änderungen der Wählerzahlen in einigen Wahlkreisen Änderungen bei der Zahl der gewählten Abgeordneten. Brüssel und die Provinz Namur gewannen jeweils einen Abgeordneten, und die Provinz Lüttich sowie der Hennegau verloren einen.[10] Gemäß dem königlichen Erlass vom 30. Juli 2022 verteilen sich die Sitze wie folgt auf die Wahlkreise:[11]

Zahl der gewählten Abgeordneten pro Wahlkreis

Flandern: insgesamt 87 Sitze

Wallonien: insgesamt 47 Sitze (−1)

Jeder Wähler kann eine Liste wählen, indem er entweder die Liste als ganze wählt oder innerhalb einer Liste beliebig vielen Bewerbern jeweils eine Präferenzstimme gibt.

Parteien und Kandidaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Parteien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insgesamt treten 25 Parteien an, davon zwei landesweit. In mindestens fünf Wahlkreisen kandidieren folgende Parteien:[12]

Partei Ergebnis 2019 Wahlteilnahme
Stim-
men
in %
Sitze
N-VA 16,0 25 alle Wahlkreise
Vlaams Belang 11,9 18 flämische Wahlkreise und Brüssel
Vooruit 6,7 9 flämische Wahlkreise*
PS 9,5 20 wallonische Wahlkreise und Brüssel
Open VLD 8,5 12 flämische Wahlkreise*
MR 7,6 14 wallonische Wahlkreise und Brüssel
CD&V 8,9 12 flämische Wahlkreise*
Les Engagés 3,7 5 wallonische Wahlkreise und Brüssel
Groen 6,1 8 flämische Wahlkreise*
Ecolo 6,1 13 wallonische Wahlkreise und Brüssel
PTB/PVDA 8,6 12 alle Wahlkreise außer Luxemburg
DéFI 2,2 2 wallonische Wahlkreise und Brüssel
Collectif Citoyen 0,3 wallonische Wahlkreise und Brüssel
BUB 0,1 alle Wahlkreise außer Westflandern und Luxemburg
Blanco alle Wahlkreise
Voor U flänische Wahlkreise und Brüssel
Chez Nous wallonische Wahlkreise
* 
In Brüssel haben folgende flämische Parteien jeweils einen Kandidaten auf der Liste einer frankophonen Partei: Vooruit (auf PS-Liste), Open VLD (auf MR-Liste), CD&V (bei Les Engagés) und Groen (auf Ecolo-Liste).

Folgende weitere Parteien kandidieren in höchstens drei Wahlkreisen:

  • Agora: Brüssel, Wallonisch-Brabant, Namur
  • l‘Unie: Flämisch-Brabant, Brüssel, Wallonisch-Brabant
  • Volt Europa: Antwerpen, Brüssel
  • Lutte ouvrière: Brüssel, Hennegau
  • RMC: Wallonisch-Brabant, Lüttich
  • DierAnimal: Antwerpen
  • Team Fouad Ahidar: Brüssel
  • Gezond Verstand: Ostflandern

Spitzenkandidaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Vorfeld der Wahl nominierten die großen Parteien ihre Spitzenkandidaten.[13]

Umfragen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Flandern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wallonien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brüssel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Quand auront lieu les prochaines elections. In: IBZ Elections. Abgerufen am 7. Mai 2023 (französisch).
  2. Belga: Kogel is door de kerk: op zondag 9 juni 2024 trekken we naar de stembus. In: vrtnws.be. 17. Mai 2023, abgerufen am 26. Mai 2023 (niederländisch).
  3. Liberaler De Croo soll neuer Regierungschef von Belgien werden. In: Der Standard. 30. September 2020, abgerufen am 17. März 2024.
  4. Daniel Steinvorth: In Belgien regiert seit einem Jahr eine Ampel-plus-Koalition. Ihre Bilanz fällt gemischt aus. In: Neue Zürcher Zeitung. 6. Januar 2021, abgerufen am 29. März 2024.
  5. Charles Lieberherr: Energiepolitik in Belgien — Atomenergie: Steigt Belgien nun doch nicht aus? In: srf.ch. 17. März 2022, abgerufen am 19. Mai 2022.
  6. Marine Strauss: Belgian Greens make U-turn to consider nuclear plants extension. In: Reuters. 7. März 2022, abgerufen am 24. November 2022 (englisch).
  7. Belgiens Regierung schließt Verlängerung für Atommeiler nicht aus. In: Aachener Zeitung. 29. November 2023, abgerufen am 29. März 2024.
  8. De Croo verteidigt die Bilanz der Vivaldi-Koalition. In: belgieninfo.net. 10. Oktober 2023, abgerufen am 29. März 2024.
  9. Andreas Kockartz: Belgiens Wirtschaft im zu Ende gehenden Jahr um 1,5 % gewachsen, doch der Haushalt liegt im Argen. In: belgieninfo.net. 18. Dezember 2023, abgerufen am 29. März 2024.
  10. Brussel krijgt extra volksvertegenwoordiger bij verkiezingen 2024. In: bruzz.be. 23. November 2022, abgerufen am 29. März 2024 (niederländisch).
  11. Königlicher Erlass vom 30. Juli 2022
  12. Föderaler Öffentlicher Dienst Inneres: Gleichzeitige Wahlen vom 9. Juni 2024 - Stimmzettel
  13. Andreas Kockartz: Wahlen 2024: Die Spitzenkandidaten stellen sich auf – Wer will Premier werden? In: flanderninfo.be. 15. Januar 2024, abgerufen am 6. April 2024.