Karacaören (Kars)

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Karacaören
Wappen fehlt
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Karacaören (Kars) (Türkei)
Karacaören (Kars) (Türkei)
Basisdaten
Provinz (il): Kars
Koordinaten: 40° 33′ N, 43° 5′ OKoordinaten: 40° 33′ 30″ N, 43° 5′ 24″ O
Einwohner: 444[1] (2000)
Telefonvorwahl: (+90) 474
Postleitzahl: 36 xxx
Kfz-Kennzeichen: 36
Vorlage:Infobox Ort in der Türkei/Wartung/LandkreisOhneEinwohnerOderFläche

Karacaören (alter Name: Nowoestonskoje, „Neu-Estland“) ist ein Dorf im Landkreis Kars der türkischen Provinz Kars; es ist landesweit als das Deutsche Dorf in der Türkei (türkisch Türkiye'deki Alman köyü) bekannt, weil hier bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrheitlich von ihrer Umgebung als Deutsche angesehene Esten, mutmaßlich aber auch Deutsche lebten, die ursprünglich aus benachbarten Ansiedlungen kamen.[2] Heute leben hier überwiegend türkische Aleviten,[3] allerdings ist auch bis heute noch eine evangelisch-lutherische Familie estnischer Herkunft verblieben.[4]

Die Ortschaft Nowoestonskoje wurde während der ab 1878 bestehenden Herrschaft des Russischen Kaiserreiches durch die Ansiedlung von Familien aus dem Kreis Wierland im Nordosten des damaligen Gouvernements Estland im Mai 1886 gegründet. Eine Kirche wurde hierbei errichtet. Nach dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk 1918 wurde die Ortschaft vom Osmanischen Reich als Teil der Elviye-i Selâse annektiert, kam nach dem Waffenstillstand von Moudros im selben Jahr unter alliierte Besatzung und wurde im Vertrag von Sèvres 1920 an das zwischenzeitlich unabhängige Armenien (ab 1918 Demokratische Republik). Während des Türkisch-Armenischen Krieges wurde es mit der gesamten Region im Herbst 1920 von türkischen Truppen erobert und kam mit dem Vertrag von Kars 1921 auch de jure zur Türkei. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen einige Familien in die Sowjetunion. Durch das Anwerbeabkommen mit Westdeutschland am Anfang der 1960er Jahre wanderten viele der estnischen Einwohner zusammen mit anderen, darunter auch deutschstämmigen Personen aus den Provinzen Kars und Ardahan, türkischen Staatsbürgern in die Bundesrepublik Deutschland aus. Die estnische Volksgruppe im Dorf wurde 1966 vom schwedisch-estnischen Forscher Paavo Roos entdeckt und wissenschaftlich beschrieben; sein Bruder Aarand Roos zeichnete von 1967 bis 1974 die Situation des Dorfes auf.[5] Im 20. Jahrhundert wurde der Name der Ortschaft türkisiert und in Karacaviran[3] umbenannt. Der Musiker Barış Manço besuchte das Dorf in den 1990er Jahren und machte es der türkischen Öffentlichkeit bekannt.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aarand Roos: Jumalaga, Kars ja Erzurum: Türgi eestlaste ajalugu. 3. und aktualisierte Ausgabe: Kommunaalprojekt, Tallinn 1992, OCLC 31013229
  • Ulla Johansen: Die Esten in Anatolien. In: Peter A. Andrews (Hrsg.): Ethnic Groups in the Republic of Turkey. Reichert Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-89500-297-6, Band 1, S. 538–540.
  • Mutlu Er und Max Florian Hertsch: Ein Addendum zu den Kolonien bei Kars, Türkei. In: Max Florian Hertsch und Mutlu Er (Hrsg.): Deutsche im Kaukasus. Mit einem Addendum zu den Deutschen in Kars. Herausgegeben von M. Florian Hertsch und Mutlu Er. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2017, ISBN 978-3-8300-9185-1 (Schriftenreihe Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit. Band 94), S. 145–181, S. 160–167 zu Karacaören

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karacaören Merkez. In: YerelNET. 12. April 2020, abgerufen am 2. Juni 2020 (türkisch).
  2. Der Kaukasushistoriker Artur Zuzijew (Tsutsiev) zeichnet den Ort auf dieser einer ethnolinguistischen Karte Kaukasiens der Jahre 1886–1890 als deutsches Dorf nahe südwestlich von Kars ein. Artur Zuzijew (Tsutsiev): 1886–1890 Этнолингвстическая карта. In: Atlas der Ethno-Politischen Geschichte des Kaukasus. Wladikawkas, 2006, abgerufen am 2. Juni 2020 (russisch, Das deutsche Dorf ist durch ein blaues Hochkant-Rechteck markiert.).
    Englische Übersetzung: Artur Tsutsiev: Atlas of the Ethno-Political History of the Caucasus. Übersetzt von Nora Seligman Favorov. Yale University Press, New Haven / London, 2014, ISBN 978-0-300-15308-8 (Vorschau in Google Books).
  3. a b Sevan Nişanyan: Karacaören. In: nisanyanmap.com. Abgerufen am 23. Oktober 2018 (türkisch).
  4. Mutlu Er und Max Florian Hertsch: Ein Addendum zu den Kolonien bei Kars, Türkei. In: Max Florian Hertsch und Mutlu Er (Hrsg.): Deutsche im Kaukasus. Mit einem Addendum zu den Deutschen in Kars. Herausgegeben von M. Florian Hertsch und Mutlu Er. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2017, ISBN 978-3-8300-9185-1 (Schriftenreihe Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit. Band 94), S. 145–181, 160–167.
  5. Ulla Johansen: Die Esten in Anatolien. In: Peter A. Andrews (Hrsg.): Ethnic Groups in the Republic of Turkey. Reichert Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-89500-297-6, Band 1, S. 538–540, S. 538.
  6. Barış Manço Kars'ta Almanlar'ın yaşadığı köyü ziyaret ediyor auf YouTube, 25. Oktober 2019, abgerufen am 2. Juni 2020. (Video; 20:28 Minuten. Türkisch. „Barış Manço besucht das deutsche Dorf in Kars“).