Hermann Hubig

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Hermann Hubig (* 12. März 1912 in Völklingen; † 5. November 1999 in Überlingen) war ein deutscher SS-Sturmbannführer im Sicherheitsdienst der SS, Jurist, Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes und des Bundesnachrichtendienstes.

Leben bis 1939[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn des Grubensteigers Georg Hubig und seiner Frau Elisabeth ging in Völklingen/Saar zur Schule und studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg, Frankfurt und Tübingen. Bereits seit 1935 arbeitete er nach eigenen Angaben während des Studiums nebenamtlich für den SD in Stuttgart unter Gustav Adolf Scheel. 1937 wurde er als hauptamtlicher Mitarbeiter in den SD beim Oberabschnitt Stuttgart übernommen.[1] Der promovierte Wirtschaftsjurist trat zum 1. Mai 1933 der NSDAP (Mitgliedsnummer 2.709.693)[2] und am 1. Oktober 1936 der SS bei (SS-Nummer 290.303). 1939 arbeitete er beim Leitabschnitt Prag des Sicherheitsdienstes (SD).

Kriegszeit 1939 bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion gehörte Hubig den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD an. Hubig leitete ab September 1941 im Auftrag des Stabs der Einsatzgruppe A kleinere SD-Teilkommandos in Tosno, Loknja und Krasnogwardeisk.[3] Diese Kommandos hatten die Aufgabe für Sturmbannführer Rudolf Oebsger-Röder vom Stab der EG A die Lage um Leningrad zu erkunden. Unter der Führung von Sturmbannführer Otto Kraus und dann von Obersturmführer Heinrich Bosse wurden Gefangenenlager überprüft und Spähtrupps nach Leningrad entsandt. Die Einsatzgruppen waren die für Massenmorde an Zivilisten aus der politischen Intelligenz, an Kommunisten, Partisanen und als „rassisch minderwertig“ definierte wie Juden, „Zigeuner“ und „Asoziale“ verantwortlich. Im Zuge dieser Aktionen wurde Hubig Beteiligter an Kriegsverbrechen.[4] Das von Hubig geleitete Teilkommando hielt er enge Verbindungen zum Ic/Abwehroffizier Egon von Wackerbarth beim XVIII. Armeekorps der 18. Armee. Wackerbarth war nach dem Krieg Angehöriger der Organisation Gehlen.[5] Hubigs Aufgaben waren in Absprache mit der Wehrmacht die Erkundung und Überwachung des Einschließungsrings um Leningrad, in dem die dort lebende Zivilbevölkerung verhungern sollte, die Funkabwehr und der Kampf gegen Partisanen.[1]

In dieser Funktion war er am Mord an mehr als 200 geisteskranken Frauen in einer Anstalt des Klosters Makarevskaja [[Datei: St.Macarios monastery (Leningrad oblast).jpg I Miniatur I Kloster Makarevskaja ]] durch Stellen der Wehrmacht beteiligt.[6] Erhaltene Korrespondenz zwischen Stellen der Wehrmacht und dem von Hubig geführten Teilkommando belegt, dass die Frauen als „nicht lebenswertes Leben“ und möglicher Gefahrenherd angesehen wurden.[7] Die Wehrmacht war besonders vor Leningrad Teil der verbrecherischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion und arbeitete Hand-in-Hand mit dem SD.[8]

Nach der Neugliederung der Einsatzgruppe A war Hubig von Juni bis Oktober 1942 für das Einsatzkommando 1b verantwortlich. In Loknja erfolgten unter seiner Leitung weitere Mordaktionen.[9] Für seine Aktionen in der Partisanenbekämpfung erhielt er das EK I und weitere Auszeichnungen durch Generalmajor Erich Brandenberger, dem sein Kommando unterstellt war. Sein Nachfolger in Loknja war Manfred Pechau. Ende 1942 bis Anfang 1944 war in der Führerschule der der Sicherheitspolizei in Berlin und als Hilfsreferent in der Verwaltungsabteilung I B 3 des Reichssicherheitshauptamts tätig.[9]

Im März 1944 übernahm der im Januar 1944 zum Sturmbannführer beförderte Hubig die Leitung der beiden Teilkommandos des Unternehmens Zeppelin in der Ukraine. Leiter von Zeppelin war zu dieser Zeit Sturmbannführer Erich Hengelhaupt. Das Teilkommando Nord hatte damals seinen Sitz in Lemberg. Hier unterhielt er engsten Kontakt zur Heeresgruppe Nordukraine. Hauptziel war es, die ukrainischen Widerstandsgruppen in den Kampf gegen die Sowjetunion einzubinden. Von Sommer bis Oktober 1944 war mit derselben Zielsetzung beim Teilkommando Süd in Rumänien und Ungarn eingesetzt und hielt Verbindung zur Heeresgruppe Südukraine.[1]

Im Oktober 1944 kam Hubig zur Dienststelle VI B des SD in Frankreich unter Standartenführer Hermann Bickler und war Verbindungsoffizier zum Stab der 24. Armee und betreute pro-deutsche französische Gruppen um Vichy-Regierungschef Pierre Laval.[1]

Leben nach dem Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachrichtendienste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Kriegsende tauchte Hubig unter dem Falschnamen Hans Haller unter. Er war zwischen 1946 und 1959 zeitweise für den französischen Geheimdienst tätig.[10]

Nach seiner Entlassung aus französischen Diensten bewarb er sich beim Bundesnachrichtendienst (BND) und gelangte im November 1960 in die Gegenspionageabteilung unter Oskar Reile, in der auch der KGB-Agent Heinz Felfe arbeitete.[10] Nach der Bereinigung des BND als Folge der Felfe-Affäre musste auch Hermann Hubig den BND 1966 wieder verlassen. Er hatte falsche Angaben zu seiner Vergangenheit gemacht und wurde als Sicherheitsrisiko betrachtet. Bis 1969 wehrte sich der Mitt-Fünfziger, der wohl auf ein staatliches Ruhegehalt hoffte, mit allen juristischen Mitteln gegen seine Kündigung, ehe er resignierte und die Kündigung wirksam werden konnte.[11]

Ermittlungsverfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Generalfeldmarschall Georg von Küchler wurde 1949 im Nürnberger Prozess gegen das Oberkommando der Wehrmacht auch wegen der Tötung der geisteskranken Frauen zu 20 Jahren Haft verurteilt.[7] Der für das XVIII Armeekorps und dessen Ic/AO Egon von Wackerbarth verantwortliche Oberbefehlshaber der 18. Armee Küchler musste dann auch noch in einem Prozess gegen Hermann Hubig 1967 wegen der Morde vor Leningrad als Zeuge aussagen, wollte sich nicht erinnern und vermutete einen Irrtum in der überlieferten Darstellung seiner Ic-Abteilung.[12] Küblers Ic/AO bei der 18. Armee, Major Hans-Theodor Ahlmann, konnte dazu nicht befragt werden, denn er hatte schon 1943 Suizid begangen.

In den Vernehmungen bundesdeutscher Justizbehörden in den 1960er Jahren wegen der Morde in den Anstalten bei Leningrad erklärte Hubig, nur „gesprächshalber“ von einer „Anstaltsräumung“ gehört zu haben. Der ebenfalls vernommene Fahrer Hubigs konnte sich hingegen an einen Besuch der Anstalt erinnern: „Sie lagen in Betten und machten einen völlig verwahrlosten und irren Eindruck. Der Gestank war bestialisch. Der Raum strotzte vor Schmutz. Man kann das Bild gar nicht beschreiben.“[13] Die Staatsanwaltschaft Konstanz stellte das Verfahren am 3. Januar 1968 ein; auch in anderen Ermittlungen wurden Hubig außer Verfolgung gesetzt. Trotz etlicher Ermittlungsverfahren kam es nie zu einer Verurteilung von Hermann Hubig. Hubig arbeitete zuletzt in Überlingen am Bodensee als Wirtschaftsjournalist.

Erst 1996 tauchte ein Funkspruch von Rudolf Oebsger-Röder vom 13. Oktober 1943 in britischen Archiven auf, wonach Hubig vom EK 1b die genaue Lage von Massengräbern in Puschkin (Zarskoje Selo) kannte.[14] Auswirkungen auf Hubig hatte das nicht mehr, denn er ist kurz darauf 1999 verstorben.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ein Bild von Hermann Hubig ist hier zu finden.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Vernehmung Hermann Hubig am 10. April 1963 in Konstanz, Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen Kriegsverbrechen bei der Einsatzgruppe A, Az 141 AR 194/63.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/17140550
  3. Gerhard Sälter: NS-Kontinuitäten im BND. Ch. Links, Berlin 2022, ISBN 978-3-96289-131-2, S. 234.
  4. Chris Kraus, Das Kalte Blut (Familienchronik), 2014, S. 572–584.
  5. Gerhard Sälter, NS-Kontiniuitäten im BND, S. 395.
  6. Ernst Klee: Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 272.
  7. a b Ruth Bettina Birn: Wehrmacht und Wehrmachtsangehörige in den deutschen Nachkriegsprozessen. In: Rolf-Dieter Müller (Hrsg.): Die Wehrmacht. Mythos und Realität. Oldenbourg, München 1999, ISBN 3-486-56383-1, S. 1081–1099, hier S. 1087.
  8. Hans-Heinrich Wilhelm: Die Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des SD 1941/42. Peter Lang, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-631-49640-0, S. 282 ff.
  9. a b Gerhard Sälter, NS-Kontinuitäten im BND, S. 235.
  10. a b Gerhard Sälter, NS-Kontinuitäten beim BND, S. 236.
  11. Sabrina Nowack: Sicherheitsrisiko NS-Belastung. Ch. Links, Berlin 2016, ISBN 978-3-86153-923-0, S. 341–344.
  12. Johannes Hürter, Die Wehrmacht vor Leningrad, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Heft 3/2001, S. 435–436
  13. Vernehmung des Fahrers vom 22. Juli 1966, zitiert bei Birn, Wehrmacht, S. 1088.
  14. Andrej Angrick: Aktion 1005 - Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen 1942-1945. 2. Auflage. Wallstein, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8353-3268-3, S. 661.