Garabit-Viadukt

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Garabit-Viadukt
Garabit-Viadukt
Garabit-Viadukt
Offizieller Name Viaduc de Garabit
Nutzung Eisenbahnbrücke
Überführt Bahnstrecke Béziers–Neussargues
Unterführt Truyère
Ort Ruynes
Gesamtlänge 564,69 m
Längste Stützweite 165 m
Höhe 122 m
Fertigstellung 1884
Lage
Koordinaten 44° 58′ 31″ N, 3° 10′ 39″ OKoordinaten: 44° 58′ 31″ N, 3° 10′ 39″ O
Garabit-Viadukt (Cantal)
Garabit-Viadukt (Cantal)

Der Garabit-Viadukt (französisch Viaduc de Garabit) ist eine stählerne Eisenbahnbrücke, die in der Nähe der Stadt Saint-Flour im Inneren des französischen Zentralmassivs das Flusstal der Truyère überspannt. Er ist Teil der Bahnstrecke Béziers–Neussargues. Der Viadukt wurde von der Baugesellschaft Gustave Eiffels erbaut und 1884 fertiggestellt. Er war für 25 Jahre die höchste Eisenbahnbrücke der Welt. Die Bogenbrücke überspannt das Tal mit einer Länge von fast 565 Metern in 122 Metern Höhe. Die konstruktive Durchbildung und die statische Berechnung des einfach statisch unbestimmten Zweigelenkbogens[1] stammen von Maurice Koechlin und Émile Nouguier.

Name[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Name Viaduc de Garabit leitet sich von dem Namen der Region ab, einer zu der Zeit überwiegend landwirtschaftlich geprägte Gegend insbesondere der Rinderzucht. Die Tiere mussten durch das unwegsame Gelände gefahrvoll zu den Handelsplätzen getrieben werden: Treck der Rinder, französisch „Garde Boeuf“. Der Name Garabit ist eine mundartlich geprägte Abwandlung davon.

Vorgeschichte und Planung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Brücke wurde Teil der damals wichtigen und schnellen Bahnverbindung von Paris über Clermont-Ferrand und Millau im Zenralmassiv nach Béziers am Mittelmeer. Die Gegend um das Städtchen Saint-Flour (Département Cantal) in der Auvergne ist geprägt von tiefen Schluchten. Zur Überwindung der Truyère-Schlucht war ein aufwändiges Brückenbauwerk nötig.

Die Bewohner der Umgebung lebten im 19. Jahrhundert überwiegend von der Landwirtschaft, insbesondere der Rinderzucht. Es war schwierig, die Produkte der Gegend abzusetzen. Mit dem Bau der Bahnstrecke verbesserte sich ihre Situation, denn sie erhielten Anschluss an die großen Märkte. Mit dem Bauwerk hielt der Fortschritt in die unwirtliche Region Einzug.

Gustave Eiffel hatte zuvor bereits ein halbes Dutzend Brücken an verschiedenen Orten im Zentralmassiv gebaut. Sein bis dahin größtes Brückenbauwerk war in der Maria-Pia-Viadukt in Portugal.

Nach dem Vorbild dieser Brücke entwarf der 29-jährige Leon Boyer, Ingenieur aus Marvejols, den Viadukt von Garabit. 1878 führt er Vermessungen durch, um den Verlauf der Bahnlinie festzulegen. Im März März 1879 legte er der Verwaltung erste Pläne vor, im Juni des Jahres genehmigte das Department das Projekt.

Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

April 1884: abgespannter Freivorbau des Bogens noch vor dem Schluss

Im Januar 1880 begannen erste Bauarbeiten. Ausgeführt wurde das Vorhaben von der Brückenbauanstalt Eiffel & Compagnie aus Paris. Im August 1880 stellte Gustave Eiffel die endgültige Planung des Brückenbauwerks vor. Sowohl in Fachkreisen als auch in der breiten Öffentlichkeit erregte es größtes Interesse.

Im Juni 1883 begann die Montage des Bogens, der im abgespannten Freivorbau errichtet wurde. Die Fachwerkträger der Überbauten (Brückentrog) wurden von beiden Widerlagern aus eingeschoben. Im April 1884 war der Bogen geschlossen,[2] im Juni 1884 war der Vorschub des Brückentrogs beendet, die Brücke wurde noch in dem Jahr fertiggestellt. Auf der Baustelle waren bis zu 500 Arbeiter tätig. Einer von ihnen stürzte tödlich ab.

Im Mai 1887 wurden südliche Teile der Linie zwischen Marvejols und Saint-Chély-d’Apcher eröffnet. Im April 1888 fand ein erster Belastungstest des Viadukts mit einem 400-Tonnen-Zug statt. Im Mai 1888 erfolgte die Eröffnung des Streckenabschnittes Saint-Chély-d'Apcher – Saint-Flour, in dem die Brücke liegt, im November des Jahres die vollständige Inbetriebnahme der Bahnlinie.

Technische Details[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Brückenbauwerk überspannt das Tal der Truyère mit einer Länge von fast 565 Metern und in 122 Meter Höhe zwischen Bogenscheitel und Talsohle. Die Spannweite des Bogens beträgt 165 Meter. Der Bogen selbst ist einfach statisch unbestimmt gelagert. Damit unterscheidet sich der zweigelenkige Bogen von der optisch ansonsten sehr ähnlichen Müngstener Brücke (1897), deren gelenkloser Bogen bei fast gleichen Abmessungen dreifach statisch unbestimmt gelagert ist.

3169 Tonnen hochwertiges Schmiedeeisen, 41 Tonnen Stahl und 23 Tonnen Gusseisen wurden mit 678.768 Nieten verbaut. Das Gewicht der einzelnen Bauteile betrug transport- und baustellengerecht maximal 145 kg. Die Bogenfundamente und gemauerten Viaduktteile umfassen 20.409 Kubikmeter Mauerwerk. Der Anstrich deckt 51.000 m².[3] Die Brücke war ursprünglich in grauer Farbe gestrichen.

Güterzug auf der Brücke, gezogen von zwei Diesellokomotiven der SNCF-Baureihe BB 67400
Fußpunkt des Bogens
Brückentrog mit Oberleitung
Die illuminierte Brücke in der Blauen Stunde
Stahlfachwerk

Architektonische Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Garabit-Viadukt wurde schon kurz nach seiner Vollendung ein beliebtes Ausflugsziel. Viele Franzosen reisten am Wochenende nach Saint-Flour, um das Wunderwerk der Technik zu bestaunen. Es ist bis heute ein touristisches Ziel geblieben.

Der kreative Umgang mit dem Werkstoff Eisen brachte dem Konstrukteur und Unternehmer Gustave Eiffel neuen Ruhm ein. Man nannte ihn den „Eisenzauberer“. Der Erfolg beim Bau seiner Brücken trug dazu bei, dass er den Auftrag zur Errichtung des nach ihm benannten Eiffelturmes zur Weltausstellung in Paris 1889 erhielt.

Der Viadukt war für 25 Jahre die höchste Eisenbahnbrücke der Welt und zählt zu den bedeutendsten Brücken des 19. Jahrhunderts.[2] Im Jahr 1909 wurde er in der Höhe vom Viaduc des Fades bei Clermont-Ferrand übertroffen.

1965 wurde die Brücke in das Verzeichnis der französischen Monuments historiques eingetragen. Seit 2017 besteht die höherstufige Einordnung „Classé“.[4]

Weitere Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Höchstgeschwindigkeit auf dem Viadukt betrug zunächst 50 km/h und wurde später auf 40 km/h herabgesetzt. Ab 1904 fuhren auch Züge, die der Herausgeber der Zeitung L'Auvergnat de Paris für ausflugsbegesterte Pariser für Fahrten in die Auvergne organisierte. Sie waren auch von großer Bedeutung für die Auvergnaten, die in Paris lebten. Die Züge verkehrten bis 1939.

Von 1915 bis 1939 war ein Herr Valladier der Wärter des Viadukts. Er bestieg und inspizierte alle Bauteile regelmäßig – ohne Sicherungseinrichtungen.[5] Im Jahr 1932 wurde die Bahnstrecke durch die Compagnie des chemins de fer du Midi mit 1500 Volt elektrifiziert.

Von 1992 bis 1998 wurde die ursprünglich graue Farbe durch einen Anstrich in „rotem Gauguin“ ersetzt, der die Eleganz des Bauwerkes unterstreichten soll. Nachts wird der Viadukt illuminiert.

2009 führte die Entdeckung eines Risses zur vorübergehenden Schließung des Viadukts. Es konnte einige Wochen später mit einer begrenzten Geschwindigkeit von 10 km/h wiedereröffnet werden. 2011 wurde für größere Bauarbeiten am Viadukt die Strecke zwischen Neussargues und Saint-Chély-d'Apcher für fünf Monate geschlossen.

Derzeit befährt täglich ein Personenzugpaar die Strecke. Im November 2022 ist es der IC15940, der gegen 13:45 Uhr von Süden her die Brücke überquert. Gegen 15:15 Uhr kommt sein Gegenzug IC15941. Güterverkehr zur Versorgung des Stahlwerks in Saint-Chély findet mehrmals wöchentlich statt.

Es besteht die Befürchtung, dass der Abschnitt Saint-Chély-d’Apcher – Neussargues en Pinatelle im Dezember 2023 (Personenverkehr) bzw. Dezember 2024 (Güterverkehr) eingestellt wird.[6] Damit wäre der Viaduc de Garabit dauerhaft ohne jeglichen Schienenverkehr.

Bewerbung UNESCO-Welterbe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für das Garabit-Viadukt läuft zusammen mit dem Viaduc du Viaur (Aveyron, Frankreich), der Ponte Maria Pia und der Ponte Dom Luís I (beide in Portugal), der Ponte San Michele in Italien sowie der Müngstener Brücke in Deutschland eine Bewerbung als transnationales UNESCO-Welterbe unter dem Titel „Europäische Bogenbrücken des späten 19. Jahrhunderts“.[7]

Filmkulisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sommer 1964 machte der französische Regisseur Henri-Georges Clouzot an der Brücke Aufnahmen für den Film L’Enfer (‚Die Hölle‘) mit Romy Schneider und Serge Reggiani. Die Dreharbeiten wurden jedoch abgebrochen, als der Regisseur nach einigen Wochen einen Herzinfarkt erlitt. Der mit aufregenden visuellen Innovationen experimentierende Film wurde nie fertiggestellt. 2009 veröffentlichte der Filmhistoriker Serge Bromberg Teile des von ihm wiederentdeckten 14-stündigen Materials in dem Dokumentarfilm Die Hölle von Henri-Georges Clouzot, der bei den Filmfestspielen von Cannes präsentiert wurde und den französischen Filmpreis César erhielt. Auch in dem Weltkriegsdrama Ein Mann zuviel von 1967 und in dem Katastrophenthriller Treffpunkt Todesbrücke von 1976 spielte die Brücke eine Rolle.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dokumentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eiffels Superbauten – Giganten aus Stahl und Eisen. Dokumentation, Deutschland 2021, 43 min, Regie: Sigrid Clément; ZDFinfo Doku (Online in der ZDF-Mediathek abrufbar bis 31. Oktober 2025), min. 19–26

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Patricia Rochès: Viaduc de Garabit, un géant d'un autre temps, La Vie du Rail, 2007, ISBN 978-2-915034-71-4
  • Patricia Vergne-Rochès: Viaduc de Garabit, chef-d'œuvre de Gustave Eiffel, La Vie du Rail, 2012, ISBN 978-2-915034-71-4

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Garabit-Viadukt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karl-Eugen Kurrer: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Berlin: Ernst & Sohn 2018, S. 75ff., ISBN 978-3-433-03229-9.
  2. a b Gerhard Mehlhorn, Masaaki Hoshino: Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau. In: Handbuch Brücken, Gerhard Mehlhorn (Hrsg.), S. 47, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-29659-1
  3. Informationsblatt des Ecomusee de Margeride von 2008
  4. Le pays de Saint Flour: Viaduc de Garabit, oevre de Gustave Eiffel, abgerufen am 17. Mai 2024
  5. Informationsblatt des Ecomusee de Margeride von 2008
  6. WKZ, Quelle FNAUT, Amisgarabit (AMIGA): Frankreich: Gefahr der Schließung des Abschnitts Neussargues - St-Chély (Ligne des Causses). In: LOK Report. Lokomotive Fachbuchhandlung GmbH, Berlin, 23. Juni 2023, abgerufen am 23. Juni 2023.
  7. Infotafel Auf dem Weg zum Welterbe des „Welterbe Müngstener Brücke e. V.“ an der Müngstener Brücke; 16. August 2023.