Erweiterte Zufallsvariable

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Eine erweiterte Zufallsvariable ist eine Zufallsvariable mit Werten in den erweiterten reellen Zahlen. Eine erweiterte Zufallsvariable heißt auch numerische Zufallsvariable im Unterschied zu einer reellen Zufallsvariablen, die nur Werte in den reellen Zahlen annimmt.

Definition und Eigenschaften

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Für die erweiterten reellen Zahlen wird für alle vereinbart. bezeichne die borelsche σ-Algebra auf den erweiterten reellen Zahlen. sei ein Wahrscheinlichkeitsraum.

Eine Abbildung , die -messbar ist, heißt erweiterte Zufallsvariable[1] (engl. extended random variable[2]).
Eine erweiterte Zufallsvariable heißt auch erweiterte zufällige Größe[3] oder – analog zur Terminologie der numerischen Funktionnumerische Zufallsvariable[4][5][6].

  • Die -Messbarkeit von bedeutet, dass für alle gilt. Dabei bezeichnet das Urbild einer Menge . Somit ist die Wahrscheinlichkeit für alle definiert.
  • Insbesondere sind im Unterschied zu einer reellen Zufallsvariablen auch die beiden Wahrscheinlichkeiten und definiert und können positiv sein.
  • Durch
für alle
ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung der erweiterten Zufallsvariablen auf dem Messraum definiert, so dass ein Wahrscheinlichkeitsraum ist.
  • Eine erweiterte Zufallsvariable mit der Bildmenge ist eine reelle Zufallsvariable. Insofern sind reelle Zufallsvariablen spezielle erweiterte Zufallsvariablen.
  • Eine erweiterte Zufallsvariable mit der speziellen Eigenschaft unterscheidet sich wahrscheinlichkeitstheoretisch nicht von der durch
definierten reellen Zufallsvariable . Die Zahl 17 kann durch jede beliebige reelle Zahl ersetzt werden, da nach Konstruktion gilt. Es gilt
wobei die borelsche σ-Algebra auf bezeichnet.
  • Die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer erweiterten Zufallsvariablen kann durch deren Subverteilungsfunktion für charakterisiert werden. Dabei gilt und .
  • Die Klasse der erweiterten Zufallsvariablen ist abgeschlossen bezüglich der punktweisen Konvergenz. Es gilt folgender Satz: Es sei eine Folge erweiterter Zufallsvariablen auf demselben Wahrscheinlichkeitsraum mit der Ergebnismenge und für alle , dann ist ebenfalls eine erweiterte Zufallsvariable.[7]

Uneinheitliche Terminologie

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Die Begriffe Zufallsvariable, reelle Zufallsvariable und numerische Zufallsvariable werden uneinheitlich verwendet. Z. B. verwendet Klaus Schmidt den Begriff 'Zufallsvariable' für eine erweiterte oder numerische Zufallsvariable mit Werten in im Unterschied zu einer 'reellen Zufallsvariablen' mit Werten in .[8]

Unendliche Lebensdauer mit positiver Wahrscheinlichkeit

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Bei der Überlebenszeitanalyse modelliert eine nichtnegative Zufallsvariable die zufällige Lebensdauer. Dabei ist die so genannte Überlebensfunktion. Bei biometrischen Anwendungen ist eine übliche Annahme

,

bzw. dazu äquivalent

.

Diese Annahme ist plausibel, da sie ein – mit positiver Wahrscheinlichkeit – unendlich langes Leben ausschließt. Bei physikalischen Modellen ergibt sich eine andere Situation. Wenn man das Konzept der Überlebenszeitanalyse zum Beispiel auf eine Mischung stabiler und instabiler Kohlenstoff-Isotope anwendet, so ist

und somit auch

da die instabilen Isotope zerfallen und die stabilen Isotope dauerhaft überleben. Ein Modell für Überlebenszeiten kann in diesem Fall auf einer erweiterten Zufallsvariable mit der Eigenschaft basieren.

Zufällige Zeiten

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Stoppzeiten werden typischerweise als erweiterte Zufallsvariablen mit Werten in oder modelliert. Eine Stoppzeit mit heißt endliche Stoppzeit.

Teststatistik als erweiterte Zufallsvariable

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In der mathematischen Statistiken wird manchmal die Teststatistik (Prüfgröße) eines Tests als erweiterte Zufallsvariable und damit als messbare Funktion vom Stichprobenraum in die erweiterten reellen Zahlen definiert.[9]

Bedingte Erwartung als Zufallsvariable

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Der Erwartungswert einer Zufallsvariablen wird teils im engeren Sinn als reelle Zahl und teils im weiteren Sinn als erweiterte reelle Zahl definiert. Entsprechend führt das allgemeinere Konzept der 'bedingten Erwartung' zur bedingen Erwartung im engeren Sinn als reelle Zufallsvariable oder zur bedingten Erwartung im erweiterten Sinn als erweiterte Zufallsvariable.[10][11] Im ersten Fall werden bedingte Erwartungen gegeben eine reelle Zufallsvariable oder allgemeiner gegeben ein Ereignissystem als σ-Algebra nur für integrierbare Zufallsvariablen, im zweiten Fall allgemeiner für quasiintegrierbare Zufallsvariablen definiert.

Limes von Folgen reeller Zufallsvariablen

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Eine erweiterte Zufallsvariable kann als Limes einer Folge reeller Zufallsvariablen aufgefasst werden, die im üblichen wahrscheinlichkeitstheoretischen Sinn nicht konvergiert. Es sei eine Folge normalverteilter Zufallsvariablen mit Erwartungswert und Standardabweichung . Eine Zufallsvariable hat dann die Verteilungsfunktion , wobei die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichnet. Die Folge konvergiert in den üblichen wahrscheinlichkeitstheoretischen Konvergenzkonzepten für reelle Zufallsvariablen nicht gegen eine reelle Zufallsvariable, da

,

und

.

Für wachsendes weicht die Wahrscheinlichkeitsmasse auf beiden Seiten ins Unendliche aus. Offenbar kann die erweiterte Zufallsvariable mit als Limes der Folge interpretiert werden, der allerdings außerhalb der Klasse der reellen Zufallsvariablen liegt. Dieser intuitive Konvergenzbegriff deckt sich mit maßtheoretischen Konvergenzbegriffen, wenn die reellen Zufallsvariablen als Teilmenge der erweiterten Zufallsvariablen aufgefasst werden und Subverteilungsfunktionen verwendet werden. Es gilt nämlich

,

wobei für alle die Subverteilungsfunktion der erweiterten Zufallsvariablen ist. Es handelt sich bei der Konvergenz der Folge gegen um die vage Konvergenz von maßtheoretischen Verteilungsfunktionen, die für Subverteilungsfunktionen, da diese beschränkt sind, mit der schwachen Konvergenz von maßtheoretischen Verteilungsfunktionen zusammenfällt.

Rechnen mit erweiterten Zufallsvariablen

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Besondere Vorsicht ist bei allen Berechnungen und Umformungen mit erweiterten Zufallsvariablen erforderlich. Wenn und erweiterte Zufallsvariablen sind, wirft bereits die Bildung von mit reellen Koeffizienten und besondere Probleme auf.

  • Wenn und gilt, dann stellt die Frage, wie das Produkt zu bilden ist. Mit der in der Maßtheorie üblichen Vereinbarung gilt dann
und somit .
  • Wenn und gilt, dann gilt , falls vereinbart wird. Die ist aber keine übliche Vereinbarung.
  • Wenn und gilt, kann die reelle Zufallsvariable
mit gebildet werden. Damit dann aber die Gleichung gilt, muss an dieser Stelle vereinbart werden.
  • Wenn gilt, dann ergibt sich mit den üblichen Regeln und die Gleichung , ohne dass gilt.

Einzelnachweise

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  1. Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 2. Auflage. Band 2. Eig bis Inn. Springer Spektrum, Berlin 2017, ISBN 978-3-662-53503-5, S. 78, doi:10.1007/978-3-662-53504-2.
  2. Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52206-7, S. 35, 193, doi:10.1007/978-3-319-52207-4.
  3. A. N. Širjaev: Wahrscheinlichkeit (= Hochschulbücher für Mathematik. Band 91). VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988, ISBN 3-326-00195-9, S. 184, Definition 4.
  4. Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 2. Auflage. Band 4. Moo bis Sch. Springer Spektrum, Berlin 2017, ISBN 978-3-662-53499-1, S. 98, doi:10.1007/978-3-662-53500-4.
  5. Peter Gänssler, Winfried Stute: Wahrscheinlichkeitstheorie. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1977, ISBN 3-540-08418-5, S. 18.
  6. Heinz Bauer: Wahrscheinlichkeitstheorie. 5. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2002, ISBN 3-11-017236-4, S. 14.
  7. A. N. Širjaev: Wahrscheinlichkeit (= Hochschulbücher für Mathematik. Band 91). VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988, ISBN 3-326-00195-9, S. 185, Satz 2.
  8. Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, S. 194.
  9. Hermann Witting: Mathematische Statistik I. Parametrische Verfahren bei festem Stichprobenumfang. Teubner, Stuttgart 1985, ISBN 3-519-02026-2, S. 189, doi:10.1007/978-3-322-90150-7.
  10. A. N. Širjaev: Wahrscheinlichkeit (= Hochschulbücher für Mathematik. Band 91). VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988, ISBN 3-326-00195-9, S. 223, Definition 1.
  11. Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, Kap. 19. Zu beachten ist, dass bei Schmidt der Begriff 'Zufallsvariable' eine erweiterte Zufallsvariable bezeichnet.