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Vicarius Iesu Christi („Stellvertreter Jesu Christi“ oder „Sachwalter Jesu Christi“) ist nach dem Annuario Pontificio, dem Jahrbuch des Heiligen Stuhls, ein päpstlicher Titel. Im Annuario Pontificio von 2020 wird er nur noch als „historischer Titel“ geführt. Das gab Anlass zu Spekulationen, Papst Franziskus beanspruche diesen Titel nicht mehr.[1]

Der vicarius in außerchristlichen antiken Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der antiken Profan- und Rechtsliteratur war der vicarius jemand, der eine höhergestellte Person vertrat. So wurde der raum-zeitliche Abstand zwischen dem abwesenden Höhergestellten und der Öffentlichkeit, der gegenüber der vicarius auftrat, überbrückt. Dies geschah, um den Auftraggeber zu entlasten. Der Auftraggeber stattete den vicarius mit Vollmachten und Autorität aus; verglichen mit dem vice agens hatte der vicarius in der Wahrnehmung seines Auftrags mehr Eigenständigkeit. In der Regel wurden die Handlungen des vicarius als Handlungen des Höhergestellten gesehen, den er vertrat. Bedingung für die Tätigkeit des vicarius war die coniunctio zwischen Auftraggeber und Beauftragtem: Grundsätzlich mußte der Auftraggeber zustimmen, der Beauftragte konnte freiwillig oder (als Sklave) unfreiwillig oder aber aufgrund einer bestehenden Beziehung zum Auftraggeber, etwa als dessen Verwandter, als vicarius tätig werden; die Zustimmung der Öffentlichkeit, an die sich der vicarius wandte, war in der Regel nicht erforderlich.[2]

Vicarius Petri und Vicarius Christi[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In christlichen Texten der Spätantike und des Mittelalters wurden die Aufgaben und Befugnisse des vicarius Christi (oder vicarius Dei „Stellvertreter Gottes“) breit thematisiert und dabei auf unterschiedliche Personengruppen bezogen. Anthropologisch konnte jeder Mensch, da Ebenbild Gottes, als vicarius Dei bezeichnet werden. Solche Überlegungen waren aber relativ selten. Der Abstand zwischen Gott und Mensch schloss zwar nicht aus, dass Gott den Menschen beauftragt hätte, als sein Stellvertreter zu handeln. Aber eine raum-zeitliche Abwesenheit Gottes in der Welt wurde nicht gelehrt, folglich brauchte Gott nicht den Menschen als Stellvertreter.[3]

Cyprian von Karthago bezeichnete alle Bischöfe als „Stellvertreter des Petrus“ (vicarii Petri)[4]; Papst Leo I. nannte sich selbst vicarius Petri. „Dies ist der Titel, welchen die Päpste des 5. und 6. Jahrhunderts sich zulegen: sie erfüllen die Aufgaben des Petrus und sind seine Platzhalter.“[5] Im Jahr 495 akklamierte die Synode von Rom Papst Gelasius mit dem Ruf: „Wir sehen in dir den Stellvertreter Christi!“[6]

Im Hochmittelalter konnten sowohl Bischöfe und Päpste als auch Könige und Kaiser als vicarii Christi bezeichnet werden. Bei Bischöfen kam diese Titulatur noch bis ins 11. und 12. Jahrhundert vor, zunehmend nur noch für den Bischof von Rom. Dessen üblicher Titel blieb aber, etwa bei Anselm von Canterbury, „Stellvertreter des Petrus“ (vicarius Petri). Den Wechsel vom Stellvertreter des Petrus zum Stellvertreter Christi als bevorzugten Papsttitel bereitete Bernhard von Clairvaux vor. Papst Eugen III. soll sich als „Nachfolger Petri, Stellvertreter Christi“ bezeichnet haben. Ugoccio von Pisa präzisierte im ausgehenden 12. Jahrhundert, der Papst werde im Blick auf seine Vollgewalt (plenitudo potestatis) exklusiv Stellvertreter Christi genannt, in jeder anderen Hinsicht könne auch der einfache Priester Stellvertreter Christi sein. Innozenz III. bevorzugte den Titel Stellvertreter Christi gegenüber Stellvertreter Petri. Indem er sich als Stellvertreter Gottes bezeichnete, dehnte er seinen Anspruch auf Weltherrschaft noch weiter aus. Von den „großen Theoretikern der päpstlichen Gewalt“ wurde der Titel Stellvertreter Petri nun als unangemessen zurückgewiesen. Der Papst war Stellvertreter Christi und Gottes in einem, so Yves Congar, juristischen Sinn: Christus habe ihm für die Zeit seiner Abwesenheit eine Reihe von Vollmachten übertragen. Agostino Trionfo erläuterte im Jahr 1324, die Amtsvollmacht des Papstes ergebe sich unmittelbar aus seiner Stellung als Haupt der Kirche, die ihm als Stellvertreter Christi zukomme. Dass der Papst auch Bischof von Rom war, störte in der Argumentation Trionfos: es sei unnötig, eigentlich sogar unmöglich. Trionfos Extremposition war aber kein Konsens.[7]

„Wird der Papst, und nur er, als der eigentliche irdische vicarius dei aufgefaßt und zugleich vorausgesetzt, daß Gott selbst gar nicht unmittelbar, sondern nur durch einen vicarius auf Welt und Kirche bezogen ist, so verfügt er über einen singulären Vollmachtsanspruch. […] Gott kommt mehr als die die Macht des Papstes legitimierende Instanz in den Blick, als daß vom Papst weg auf den ihn ermächtigenden Gott verwiesen wird.“[8]

Zweites Vatikanisches Konzil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der 1964 promulgierten Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium zufolge hat der Bischof von Rom „kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi (vi muneris sui, Vicarii scilicet Christi)“ die volle, höchste und universale Gewalt über die ganze Kirche. Die Bischöfe hingegen leiten ihre Diözesen „als Stellvertreter und Gesandte Christi (vicarii et legati Christi)“; die Bischofsweihe konstituiert das bischöfliche Lehr-, Hirten- und Priesteramt „als dreifaches Christusamt.“[9] Lothar Lies zufolge präzisierte das Konzil, wie Christus in seiner Kirche gegenwärtig sei. Eine wichtige Form der Christus-Gegenwart ist demnach das Handeln des Klerikers in persona Christi; er sei „Christi Stellvertreter und sein Gesandter. Ja, der Amtsträger ist auf das Bild Christi geweiht.“[10]

Im Oktober 1970 empfahl die Internationale Theologenkommission fast einstimmig, missverständliche Titel in der Papstanrede, darunter vicarius Christi, zu vermeiden.[11]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Yves Congar: Titel, welche für den Papst verwendet werden. In: Concilium, Band 11 (1975), S. 538–544. (Digitalisat)
  • Franz-Reiner Erkens: Vicarius Christi - sacratissimus legislator - sacra majestas: religiöse Herrschaftslegitimierung im Mittelalter. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung, Band 89 (2003), S. 1–55.
  • Adolf von Harnack: Christus praesens - Vicarius Christi: eine kirchengeschichtliche Skizze. In: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1927), S. 415–446.
  • Lothar Lies: Einige Beobachtungen zu „Repraesentatio Christi“, „In persona Christi agere“ und Vicarius Christi“ innerhalb katholischer Ämtertheologie in Patristik, Scholastik und im Zweiten Vatikanischen Konzil. In: Silvia Hell, Andreas Vonach (Hrsg.): Priestertum und Priesteramt. Historische Entwicklungen und gesellschaftlich-soziale Implikationen (= Synagoge und Kirchen, Band 2). LIT, Münster 2012, S. 163–186.
  • Michele Maccarrone: Vicarius Christi: storia del titolo papale. In: Lateranum, Band 18 1/4 (1953)
  • Stephan Schaede: Stellvertretung: Begriffsgeschichtliche Studien zur Soteriologie (= Beiträge zur historischen Theologie, Band 126). Mohr Siebeck, Tübingen 2004.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vicarius Christi und Co.: Die Titel des Papstes und ihre Bedeutung
  2. Stephan Schaede: Stellvertretung, Tübingen 2004, S. 25 f.
  3. Stephan Schaede: Stellvertretung, Tübingen 2004, S. 28–32.
  4. Yves Congar: Titel, welche für den Papst verwendet werden, 1975, S. 540.
  5. Yves Congar: Titel, welche für den Papst verwendet werden, 1975, S. 541.
  6. Yves Congar: Titel, welche für den Papst verwendet werden, 1975, S. 541.
  7. Yves Congar: Titel, welche für den Papst verwendet werden, 1975, S. 541.
  8. Stephan Schaede: Stellvertretung, Tübingen 2004, S. 34.
  9. Lothar Lies: Einige Beobachtungen zu „Repraesentatio Christi“, „In persona Christi agere“ und Vicarius Christi innerhalb katholischer Ämtertheologie in Patristik, Scholastik und im Zweiten Vatikanischen Konzil, Münster 2012, S. 183.
  10. Lothar Lies: Einige Beobachtungen zu „Repraesentatio Christi“, „In persona Christi agere“ und Vicarius Christi innerhalb katholischer Ämtertheologie in Patristik, Scholastik und im Zweiten Vatikanischen Konzil, Münster 2012, S. 186.
  11. Yves Congar: Titel, welche für den Papst verwendet werden, 1975, S. 543; Wolfgang Klausnitzer: Der Primat des Bischofs von Rom: Entwicklung – Dogma – Ökumenische Zukunft. Herder, Freiburg/Basel/Wien 2004, S. 207.