Benutzer:Siehste/Avijja

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Avijjā (Sanskrit Avidyā) heißt "Unwissenheit". Es wird als die Hauptwurzel der Leidentstehung im bedingten Entstehen beschrieben[1] und bezieht sich auf das Nicht-Durchschauen der fünf Gruppen der Anhaftung oder Aneignung (Upadanaskandha: Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Willenstätigkeit, Bewusstsein), die die drei Daseinsmerkmale tragen, das heißt wandelbar (anicca), ohne Wesenskern (anatta) und auf Dauer unzulänglich sind (dukkha). Der buddhistische Begriff "Unwissenheit" bezieht sich also auf das Fehlen des "Wissens" (vijjā) im Sinne der Einsicht eines vollkommen Erlösten und dem Durchdringen der vier edlen Wahrheiten und meint kein allgemeines diskursives Wissen.

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Avijjā[1] ist Pali und stammt aus dem Sanskrit von dem Wort Avidyā ab. Es ist zusammengesetzt aus "a-" und "vid"[2]. Das "a-" ist ein Präfix und steht für eine Verneinung und das Verb "vid" kommt aus dem Vedischen und bedeutet "wissen" oder "erkennen". Im Deutschen wird meistens die Übersetzung "Unwissenheit" verwendet, manchmal auch "Nichtwissen" oder "Ignoranz". Im Englischen wird avijjā in der Regel mit "ignorance" übersetzt.

Vidya und der kulturelle Kontext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viele Begriffe (beispielsweise Karma, Brahman und Atman) wurden aus den Veden und teils auch aus anderen indischen Lehren, wie zum Beispiel dem Jainismus, übernommen und im Sinne der buddhistischen Ethik, Erkenntnis und Geistesschulung umgedeutet, anders dargelegt oder als Narrenlehre bezeichnet, so auch Avidyā und Vidyā. Vidyā bezog sich bei den Brahmanen auf ein breites Feld des Wissens: von Künsten, Handwerken, Wissenschaften, Geheimlehren bis hin zu Opferritualen.[3] Doch vieles davon hat Buddha abgelehnt und als falsche Ansicht bezeichnet, wie zum Beispiel in diesen Auszügen aus Dīgha-Nikāya 1. Der Abschnitt 22 handelt von sittlichem Verhalten und Abschnitt 35 und 36 von Ansichten über die Ewigkeit und ein Selbst. Das Sutra umfasst die Bereiche des brahmanischen "Wissens" (vidyā) und werden im Dialog dem "Wissen" (vijjā) und der Weisheit (paññā) des Erwachten gegenüber gestellt, wodurch aus buddhistischer Sicht dieses Wissen als unwissend angesehen wird, da es nicht zur gegenwärtigen klaren Bewusstheit und nicht zur Leidbefreiung führt:

„22. 'Mögen da auch einige ehrsame Asketen und Brahmanen, nachdem sie das aus Vertrauen gegebene Essen gegessen haben, sich mit solchen niedrigen Künsten beschäftigend ein falsches Leben führen - wie: Kenntnis von der Deutung der Merkmale der Edelsteine, der Stöcke, der Kleidung, der Schwerter, der Pfeile, der Bögen, der Waffen, der Frauen, der Männer, der Jungen, der Mädchen, der Diener, der Dienerinnen, der Elefanten, der Pferde, der Büffel, der Stiere, der Rinder, der Böcke, der Widder, der Hähne, der Wachteln, der Warane, der Hasen, der Schildkröten, der Landtiere. Der Asket Gotama hält sich fern vom Beschäftigen mit solchen niedrigen Künsten.' So, ihr Mönche, loben die gewöhnlichen Menschen den Vollendeten. [...]

Dies ist nur ein geringes Maß, ein kärgliches Maß, nur ein (gewisses) Maß von Sittlichkeit, das sie meinen, ihr Mönche, wenn die gewöhnlichen Menschen den Vollendeten loben.

35. Diese Asketen und Brahmanen, ihr Mönche, erklären die Lehre von der Ewigkeit und erklären das Selbst und die Welt als ewig aus vier Gründen. Diejenigen Asketen und Brahmanen, ihr Mönche, die die Lehre von der Ewigkeit erklären und das Selbst und die Welt als ewig erklären, alle diese tun es aus diesen vier Gründen oder einem von diesen vier, nicht gibt es außer diesen einen anderen.

36. Aber, ihr Mönche, dies weiß der Vollendete: Auf diesen Ansichten beharrend, diese ergreifend, diese festhaltend werden sie in solcher Existenz erscheinen, solche Fortexistenz haben. Dies weiß der Vollendete, und er weiß darüber hinaus. Dies wissend hält er nicht fest, loslassend verwirklicht er bei sich den Herzensfrieden, und das Entstehen und Vergehen der Gefühle, deren Annehmlichkeit, deren Nachteil und das Entkommen daraus erkennt der Vollendete der Wahrheit gemäß. An nichts anhaftend ist er befreit, ist er, ihr Mönche, der Vollendete.[4]

(D 1 Die Lehrrede Brahmajāla)“

„1.9 Die Jatila Asketen

Das Wasser reinigt keinen Seelenschaden,
Wie viele glauben, die hier eifrig baden.
Wer Recht und Wahrheit hochhält, der allein
Gilt als Brahmane, der ist wirklich rein.

(Dieses Udāna bezieht sich auf die Taufzeremonie einer Brahmanensekte, die, wie später Johannes der Täufer, die Sünden durch Untertauchen und Baden im Fluss abwaschen wollte).[5]

(Udana 1 Das Erwachen)“


Buddha störte sich nicht an anderen Religionen, auch nicht an den Brahmanen, aber er lehnte Wissen und Handlungen ab welche spekulativ waren oder den Ich-Wahn unterstützten, wie zum Beispiel die Karmavorstellungen des Kastensystems oder der Jainas. Oder Handlungen und Ansichten, die für geistiges Ausschweifen sorgen, Anhaftungen oder Fesseln des Geistes sind, der Sinneslust nachgehen oder sich und anderen Schaden zufügen, wie zum Beispiel Opferrituale oder Selbstkastei, und somit Unruhe und Anhaftungen im Geist erzeugen. Kurz: alles, was wegführt von dem Gegenwärtigsein und das klare Bewusstsein trübt (klesha). Weil es wiederum zu Leid führt und insofern unwissend ist in Bezug auf die Leidbefreiung (Nirvana).

Wissen und die Überwindung der Unwissenheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Unwissenheit wird beendet durch das Entfalten der Weisheit (paññā) und mit Hilfe des achtfachen Pfads (Tugend, Weisheit und Sammlung)[6]. Weisheit (paññā) und Wissen (vijjā) werden im Palikanon teilweise spezifisch verwendet wie bei te-vijjā, aber oft auch synonym[3], wie beispielsweise bei der direkten Gegenüberstellung von Unwissenheit und Wissen. Wenn es sich nicht auf falsche Ansichten über die Ewigkeit, ein Seele oder ein Selbst, usw. bezieht, dann bezieht es sich in der Regel auf die vier Pfeiler der Achtsamkeit (Satipatthana) und den drei Daseinsmerkmalen wie in S 35.53[7] oder S 22.126:

„3. Seitwärts sitzend sprach jener Mönch zum Erhabenen also: "Vom Nichtwissen spricht man, o Herr. Was nun, o Herr, ist Nichtwissen, und inwiefern ist man in Nichtwissen geraten?"

4. "Da, o Mönch, kennt ein unerfahrener Weltmensch die dem Entstehen unterworfene Körperlichkeit nicht der Wirklichkeit gemäß: 'Dem Entstehen unterworfen ist die Körperlichkeit.' Die dem Vergehen - dem Entstehen und Vergehen unterworfene Körperlichkeit kennt er nicht der Wirklichkeit gemäß: 'Dem Vergehen - dem Entstehen und Vergehen unterworfen ist die Körperlichkeit."

5.-8. (in gleicher Weise ausgeführt bei Gefühl ... bis Bewußtsein)

9. Dies, o Mönch, nennt man Nichtwissen, und insofern ist man in Nichtwissen geraten."

10. Nach diesen Worten sprach jener Mönch zum Erhabenen also: "Vom Wissen spricht man, o Herr. Was nun, o Herr, ist Wissen, und inwiefern ist man zum Wissen gelangt?"

11. "Da, o Mönch, kennt ein erfahrener, edler Jünger die dem Entstehen unterworfene Körperlichkeit der Wirklichkeit gemäß: 'Dem Entstehen unterworfen ist die Körperlichkeit.' Er kennt die dem Vergehen - dem Entstehen und Vergehen unterworfene Körperlichkeit der Wirklichkeit gemäß: 'Dem Vergehen - dem Entstehen und Vergehen unterworfen ist die Körperlichkeit.'

12.-15. (in gleicher Weise ausgeführt bei Gefühl ... bis Bewußtsein)


16. Dies, o Mönch, nennt man Wissen, und insofern ist man zum Wissen gelangt."[8]
S 22.126“


Die genannten Prozesse werden ausführlich im Satipatthana-Sutra beschrieben. Satipatthana sind die vier Pfeiler der Achtsamkeit. Das heißt die Achtsamkeit auf den Körper, die Gefühle, das Bewusstsein und die Geistesobjekte. Mit der Übung nimmt man zunehmend die beobachteten Prozesse zwar als individuell, aber unpersönliche und wandelbare Prozesse wahr und macht daraus nicht mehr "ich" und "mein" (upadana). Mit der nachlassenden Anhaftung lässt auch das Begehren (tanha) nach, das die Ursache für das Leidvolle (dukkha) ist. Folglich überwindet man mit den Ursachen auch das Leiden und erreicht die befreite Sicht des Erwachten, die als weise oder wissend gilt.

Die Bereiche des Wissens können noch weiter unterteilt werden, zum Beispiel nach der Art ihres Entstehens, wie in D 33. Sie weisen letztendlich aber ebenfalls auf die befreite Sicht hin.

„(43) Noch drei weitere Weisheiten. Die durch Denken entstandene Weisheit, die durch Gehörtes entstandene Weisheit, die durch meditative Praxis entstandene Weisheit.[6]
D 33“

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Avijja. The Pali Text Society's, abgerufen am 11. Dezember 2018.
  2. Vindati. The Pali Text Society's, abgerufen am 11. Dezember 2018.
  3. a b Vijjā. The Pali Text Society's, abgerufen am 11. Dezember 2018.
  4. Dīgha-Nikāya 1. Die Lehrrede Brahmajāla. palikanon.com, abgerufen am 11. Dezember 2018.
  5. Udana 1 Das Erwachen. palikanon.com, abgerufen am 11. Dezember 2018.
  6. a b Dīgha-Nikāya 33. Zusammenstellen und Rezitieren. palikanon.com, abgerufen am 12. Dezember 2018.
  7. S.35.53 Unwissen I - 1. Avijjāpahāna Sutta. palikanon.com, abgerufen am 11. Dezember 2018.
  8. S.22.126. Dem Entstehen unterworfen I - 13. Avijjā Vagga. palikanon.com, abgerufen am 12. Dezember 2018.

Kategorie:Buddhismus Kategorie:Philosophie