Benutzer:Macika/Magyaren Vorschlag

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Magyaren

Die Magyaren (von ung. ‘‘magyar‘‘) oder Ungarn (von altslaw. ‘‘ongre‘‘ aus turk. ‘‘onogur‘‘ ‚zehn Stämme‘) sind eine finnougrisch-sprachige Ethnie in Ostmitteleuropa, die, mit Ausnahme der Moldauer Tschango, vor allem in Gebieten leben, die zum ehemaligen Königreich Ungarn vor 1920 gehörten. Außerhalb der Republik Ungarn leben sie in größeren Gruppen in der Südslowakei, Karpatenukraine, in Siebenbürgen, im Banat, in der Vojvodina, im Drauwinkel, Murgebiet und Burgenland.

Bezeichnungen für die Magyaren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Magyar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort magyar (früher megyeri) ist heute die Selbstbezeichnung der Magyaren. Es taucht schon im 9. und 10. Jahrhundert in muslimischen Quellen auf. Es ist wahrscheinlich ein Kompositum aus magy (< ugrisch *mańćε = Mensch, Mann, Geschlecht) und er(i) (ebenfalls Mensch, Mann, Geschlecht). Die Magyaren waren ein Reitervolk aus der eurasischen Steppe. Allerdings ist zu beachten, dass das Wort anfangs nur die Bezeichnung eines von sieben (unterschiedlichen) nomadischen Stämmen war, die im 9. Jahrhundert und Anfang des 10. Jahrhundert räuberische Einfälle in Europa unternahmen. Die Stämme hießen Megyer, Tarján, Jenő, Kér, Keszi, Kürt-Gyarmat und Nyék (Formen sprachlich rekonstruiert). Gegen Ende des 10. Jahrhunderts ist es den Fürsten des Stamms der Megyer (Árpád und Nachfahren) gelungen, die restlichen Stämme unter ihrer Oberherrschaft zu vereinigen (hétmagyar, sieben Magyaren‘). So ging der partikulare Stammesname als pars pro toto auf die Stammesgemeinschaft über. Auf den alten muslimischen Quellen basierend findet sich diese Form heute u.a. im Persischen und Arabischen (مجر) sowie im Türkei-Türkischen wieder (macar). In der europäischen Geisteswissenschaft wird in Zusammenhang mit dem Ethnos zunehmend eine Bezeichnung basierend auf magyar verwendet (siehe z.B. italienisch magiari, spanisch magiares, englisch magyars, finnisch madjaari; griechisch Μαγυάρος). Bei einigen Nachbarvölkern der Magyaren wird ebenfalls ein solches Ethnonym zur Unterscheidung von staatlich-ungarisch (im Königreich Ungarn, ungarländisch) und ethnisch-ungarisch verwendet (u.a. slowakisch uhor – mad’ar; rumänisch ungur – maghiar; slowenisch vogrski – madžar). Diese Differenzierung ist vor allem das Ergebnis eines innerstaatlichen Prozesses im Zuge der nationalen Selbstfindung. Es schlägt sich auch in unterschiedlichen Bezeichnungen des ungarischen Staates vor dem Friedensvertrag von Trianon bzw. danach nieder.

Ungar, Hungarus, Ongre, Wenger[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort Ungar stammt mit slawischer Vermittlung aus einer Turksprache und war die Selbstbezeichnung des Turkstammes der Onoguren. Die frühen magyarischen Stämme lebten eine Zeit lang unter der Herrschaft der Onoguren, weswegen die mit ihnen in Kontakt stehenden Slawen das Endonym der herrschenden Gruppe übernahmen. In den slawischen Sprachen vollzog sich der Wandel *onogur > ongre > ungri. Auf dieser Bezeichnung basieren die Benennungen u.a. im Polnischen Węgier und Russischen венгр. Das litauische Vengras ist eine slawische Entlehnung. So gelangte das Wort auch nach Westeuropa und damit u.a ins Deutsche (Ungar), Norwegische/Dänische (Ungarer) und Italienische (ungherese). Auf germanischer Vermittlung basiert das Finnische unkarilainen. Die in den meisten Sprachen Europas gebräuchliche Form mit Anfangs-h ist das Ergebnis einer Assoziation mit den Hunnen sowie auf den Schreibfehler eines mittelalterlichen französischen Mönchs (vgl. Róna-Tas 1999) zurückzuführen (da das h nicht ausgesprochen wurde, herrschte bei der Anwendung Konfusion). So entstehen aufgrund lateinischer Vermittlung (hungarus) die lange Zeit und bis heute üblichen Formen z.B. im Englischen (Hungarian), Französischen (hongrois), Portugiesischen/Spanischen (húngaro) und Niederländischen (hongaren). Außereuropäische Sprachen verwenden ebenfalls eine hierauf basierende Form (u.a. japanisch Hangarī-jin; koreanisch Heonggari saram). Eine Abweichung davon bilden die Sprachen mehrheitlich islamischer Völker in Asien (siehe unter Magyar).


Türken, Baschkiren und sonstige[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im De administrando imperio von Konstantin VII. Porphyrogennetos werden die Magyaren als „turkoi“ bezeichnet. Laut Róna-Tas (1999) war dies das griechischsprachige Exonym, das darauf basiert, dass die Magyaren nur eine Gruppe unter den zumeist turksprachigen Völkern der eurasischen Steppe waren, sie dementsprechend nicht unterschieden wurden. Auch ist zu dieser Zeit ein turkisch-ungarischer Biligualismus anzunehmen; zudem übernahmen die magyarischen Stämme zahlreiche kulturelle Konzepte der Turken. Das eigentlich turkische Ethnonym baškir wurde in einigen muslimischen Quellen sogar noch im 12. Jahrhundert verwendet. Es bezeichnete sowohl die magyarische Bevölkerung im Karpatenbecken als auch die sog. Wolga-Magyaren (siehe Geschichte). Andere Bezeichnungen (Skythen, Hunnen) sind das Ergebnis einer Gleichsetzung mit früheren Vorbildern. Diese Namen waren in der antiken und spätmittelalterlichen Ethnographie häufige und gängige Topoi.

Geschichte der Magyaren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die frühen Magyaren werden erstmals in muslimischen und byzantinischen Quellen des frühen Mittelalters erwähnt. Für die vorherige Zeit stehen keine schriftlichen Aufzeichnungen zur Verfügung. So werden die frühesten Stufen der Entstehung und Herausbildung der Magyaren über die Sprachwissenschaft (Finnougristik bzw. Uralistik, sowie Turkologie) erschlossen. Die heutigen Hypothesen werden dabei durch Ergebnisse der Archäologie gestützt. Kennzeichnend für die Geschichte des magyarischen Ethnos und späteren Nation ist der ständige Wandel der ethnischen Zusammensetzung. Die halbnomadischen Stämme in der eurasischen Steppe waren polyethnische Einheiten, die zwar zahlreiche kulturelle Elemente von den Nachbarn übernahmen, aber nichtsdestotrotz ihre im Kern finnougrische Sprache beibehalten konnten. Es ist zudem klar zwischen Sprachträgern und genetischer Verwandtschaft zu unterscheiden. Nach neuesten genetischen Untersuchungen ist die heutige magyarische Bevölkerung nur zu ca. 10% mit den landnehmenden magyarischen Stämmen verwandt. Dies deutet auf eine starke genetische Vermischung auch im Karpatenbecken. Eine Kontinuität zwischen den frühen und heutigen Magyaren besteht also hauptsächlich nur bei der Betrachtungsweise einer „Geschichte der Sprachträger“.

Urgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund sprachwissenschaftlicher Untersuchungen nimmt man an, dass sich um ca. 2500 v.Chr. die finnougrische Sprachgemeinschaft im Gebiet des Uralgebirges in einen finnisch-permischen und einen ugrischen Zweig aufgelöst hat. Parallel dazu stellt die Archäologie den Zerfall der sog. Ural-Kama-Kultur und das Auftreten neuer archäologischer Kulturen fest. Die ugrische Sprachgemeinschaft blieb zunächst in Westsibirien und zog danach in südliche sowie südöstliche Richtung. In der Archäologie wird diese Kulturgemeinschaft mit der sog. Andronovo-Kultur gleichgesetzt, die auf die Zeit von 1900/1800 bis 800 v.Chr. datiert werden kann. Der Zerfallsprozess der ugrischen Gemeinschaft fand um etwa 1000 bis 500 v.Chr. statt und hatte zum Ergebnis, dass zwei Gruppen von Sprechern entstanden: südlich die Vorfahren der Magyaren und östlich davon die Vorfahren der heutigen obugrischen Völker der Wogulen und Ostjaken. Die Vorfahren der Magyaren gerieten in die eurasische Steppe, wo sie dem kulturellen Einfluss der Nomadenvölker ausgesetzt waren. So wurden aus den ursprünglichen Waldbewohnern viehzüchtende Steppennomaden.

Zeit als Steppennomaden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Später zogen sie westwärts durch die südrussische Steppe nördlich des Schwarzen Meeres und ließen sich zwischen der Flüssen Donau und Dnepr (Zwischenstromland; ungarisch Etelköz) in der heutigen südlichen Ukraine nieder, wo sie ein Fürstentum gründeten. Das Volk und die Führung dieses Fürstentums waren jedoch gemischt. Neben den zwei bulgarischen Völkern, den Onoguren (wovon die Bezeichnung Ungarn abgeleitet ist) und den Kavaren zählten die zahlreichen ugrischen Magyaren zu der Bevölkerung des Fürstentums. Nach der anfänglichen Oberherrschaft der Chasaren konnten Magyaren die Region unterwerfen. In den Byzantinisch-Bulgarischen Kriegen griffen sie überraschend als Verbündete von Byzanz an. 895 leisteten sie erneut Waffenhilfe, als sie das Erste Bulgarische Reich unter Zar Simeon I. angriffen. Mit Hilfe der byzantinischen Flotte überquerten sie die Donau und siegten gegen kleinere bulgarische Verbände bei Dorostol (der größere Teil der bulgarischen Armee befand sich in Thrakien, wo Simeon I. einen Feldzug gegen Byzanz vorbereite). Simeon I. ersuchte zunächst um Frieden, verbündete sich 896 mit den östlich der Magyaren lebenden Petschenegen und schlug sie in Etelköz vernichtend. Nach dieser Niederlage verließen die Magyaren für immer ihre Gebiete in Bessarabien und zogen weiter in Richtung Westen, wo sie sich im oberen Theiß-Gebiet niederließen.[6]

Landnahme im Karpatenbecken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste wichtige Zäsur ist die Zeit nach der magyarischen Landnahme im Karpatenbecken (also 10. Jahrhundert), in der sich die in Ansätzen agrarisch geprägte nomadische Reiterkultur in eine sesshafte landwirtschaftliche Kultur mit frühfeudalen Strukturen wandelte. Ausgelöst durch den Angriff der Petschenegen flüchteten die magyarischen Stämme 895/96 nach Südwesten. Der Prozess der Landnahme dauerte bis ca. 905 (endgültige Eroberung Transdanubiens). Das ursprüngliche Siedlungsgebiet der magyarischen Stämme kann dank der Ortsnamen, die Namenselemente von Stämmen bzw. Fürsten enthalten, rekonstruiert werden. Dies deutet auf ein Gebiet in ganz Transdanubien, in der heutigen Südslowakei sowie entlang der Theiß. Im Szeklerland in Zentralsiebenbürgen gibt es drei hierauf verweisende Ortsnamen. In der anschließenden Zeit – v.a. aber nach der entscheidenden Niederlage am Lechfeld 955, mit der die Plünderungszüge durch Europa beendet und die Sesshaftwerdung eingeleitet wurde – wurden zahlreiche Bewohner des Karpatenbeckens assimiliert, darunter u.a. die Plattensee-Slawen, Awaren, Donaubulgaren sowie weitere ethnische Elemente. Durch die ungarische Staatsgründung 1000/1, die das Resultat der Übernahme christlich-feudaler Administrationsstrukturen und kultureller Motive vom ostfränkischen Reiches (römischer Katholizismus) sowie – in Ansätzen (das Ausmaß ist zwischen ungarischer und slowakischer Forschung umstritten) – des Nitraer Fürstentums war, wurden die Magyaren zwar zu einer von mehreren, allerdings zur politisch bestimmenden Volksgruppe des neuen Königreichs Ungarn. Das Hochmittelalter ist geprägt durch die Ansiedlung zahlreicher flüchtender Ethnien im Königreich Ungarn turkischer (Petschenegen, Kumanen) und alanischer, d. h. nordiranischer (Jaszen oder Jazygen) Herkunft sowie die Anwerbung und Ansiedlung von Siedlern (hospites) v. a. aus deutschsprachigen und slawischsprachigen Gebieten sowie einigen aus dem heutigen Wallonien und Italien.

Bevölkerungsverluste, Ansiedlungen und Migrationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch mehrere radikale Bevölkerungsverluste (Tatarensturm 1241/42 sowie osmanische Besetzung 1526 bis 1699) wurden mehrere Landstriche des Königreichs Ungarn entvölkert, woraufhin Siedler zur Wiederbevölkerung sowohl aus dem Ausland als auch aus den Randgebieten angeworben wurden. Dazu kamen flüchtende serbische Gruppen aus dem Süden sowie einwandernde rumänischsprachige Gruppen nach Siebenbürgen (historisch belegbar seit dem 13. Jahrhundert; deren frühere Anwesenheit dort ist Gegenstand von Diskussionen; siehe Abschnitt: Konkurrierende Theorien zur Ethnogenese und Nationenbildung der Nachbarvölker). Ebenfalls Gegenstand von Diskussionen ist, ob das Gebiet Oberungarns – die heutige Slowakei – kontinuierlich durch eine slawische/slowakische Bevölkerung besiedelt worden ist oder ob die slawische Bevölkerung Oberungarns das Ergebnis einer Vermischung autochthoner Gruppen sowie Migranten aus böhmischen, mährischen, polnischen und russischen Gebieten war, die zu einer slawischen Bevölkerungszunahme führte. Die im Königreich Ungarn generell niedrige Besiedlungsdichte, ein relativer Reichtum an Ressourcen sowie eine siedlerfreundliche Politik der ungarischen Herrscher werden von ungarischen Forschern als Begründung für die massenhafte Ansiedlung von bis zu zwei Dutzend ethnischen Gruppierungen gesehen. Bis ins 13. Jahrhundert kann die Verleihung zahlreicher Privilegien und territorialer Autonomierechte an einzelne siedelnde Gruppen nachgewiesen werden. Im Zuge der Machtverschiebung von der zentralen Königsgewalt zur geistlichen und weltlichen Elite des Staates (Regionalisierung, Kleinkönigtum) waren die (fortan regionalen) Privilegien nicht mehr so weitreichend wie die königlichen; allerdings entstand durch das Recht auf freie Umsiedlung eine erhöhte Mobilität unter den ethnischen Gruppen, die sich mehr und mehr aus den großen Blöcken herauslösten; dadurch entstand ein ethnischer „Flickenteppich“. In einem Prozess von Assimilierung ging ein Großteil der über zwei Dutzend zugezogenen Ethnien in den Magyaren auf. Dieses wurde – v.a. in religionspolitischer Hinsicht – von den ungarischen Herrschern unterstützt. Sowohl Italiener, Wallonen und Ismaeliten (Muslime; ung. böszörmény) verschwanden. Ihre eigene Identität konnten diejenigen bewahren, die entweder dank ihrer Privilegien oder ihrer Bevölkerungsgröße (ethnische Blöcke) nicht von der Assimilation betroffen waren. So hielten sich südsiebenbürgische und Zipser Sachsen sowie Kumanen. Zu den anderen Ethnien bildeten sich feste (Magyaren u. Kroaten) bzw. bewegliche (Magyaren u. Slowaken sowie Rumänen) ethnische Grenzen; die von ihnen besiedelten Gebiete wurden nach ihnen bezeichnet („Slawonien“ südlich der Drau, „Slowakei“ in Oberungarn, „Blechischfeld“ für die Rumänen im Fogarascher Land, später auch Gebiete in den Komitaten Krassó und Temes). Während sich also bis zum Ende des 13. Jahrhunderts eine Ausbreitung des magyarisch dominierten Gebietes unter Assimilation kleinerer zuwandernder Gruppen feststellen lässt, ändert sich die Situation im 14. und 15. Jahrhundert grundlegend. Laut der Meinung zeitgenössischer ungarischer Forscher findet nun eine spontane Assimilation in die andere Richtung statt, da die Zahl der Slowaken und Rumänen stark zunimmt; dieses wird durch eine massenhafte Einwanderung begründet. Es ist methodisch gesehen extrem diffizil, eine Annahme über das Verhältnis Magyaren zu Nicht-Magyaren im mittelalterlichen Königreich Ungarn wagen. Aufgrund vorsichtiger Annahmen vermutet der ungarische Historiker G. Kristó (2008) einen Anteil von ca. 60 bis 70% Magyaren zu Ende des 15. Jahrhunderts, unter der Prämisse von insgesamt 3,3 Millionen Gesamteinwohnern. Das Königreich Ungarn hatte also bereits im späten Mittelalter den Charakter eines Vielvölkerstaates, was durch weitere Migrationsbewegungen und die josephinische Ansiedlungspolitik im 18. Jahrhundert weiter verstärkt wurde.

Das Entstehen der magyarischen/ungarischen Nation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff „Nation“ ist mit zahlreichen Kontroversen behaftet, weswegen der Gebrauch auch von der jeweiligen wissenschaftlichen Auffassung abhängig ist. Nach Anthony D. Smith (1992) existieren in der Fachliteratur drei Auffassungen hinsichtlich der Natur und Ursachen der Nation. Die „Perennialisten“ nehmen die Nation als „ewig existierend“ an, als eine Art Grundfaktor der Geschichte. Diese Einschätzung wird von Nationalisten geteilt („Primordialismus“). Nach den „Modernisten“ wurzelt die Idee der Nation im Prozess der Modernisierung, zu der die Industrialisierung, Urbanisierung, politische Mobilisierung, Säkularisierung usw. gehören. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass neben modernen Komponenten (zentralistische Wirtschaft, vereinheitlichende Rechtsstruktur) auch prämoderne Elemente wie alte Mythen, historische Erinnerungen, eine relativ einheitliche Kultur und/oder ein gemeinsames Vaterland vorkommen. Eine dritte Gruppe sieht eine komplexe symbolische Erklärung, derzufolge bestimmte „Anlagen“ – etwa Symbole, Mythen, Denkmäler – moderner Nationen aus prämoderner Zeit geschöpft werden. Es wird auf einen Beginn der Formierung der Nationen Frankreichs, Spaniens, Englands, der Niederlande, Schwedens und Russlands im 11. Jahrhundert hingewiesen, während die Ideologie, der Nationalismus, zunächst im revolutionären Frankreich Ende des 18. Jahrhunderts erschien. Akzeptiert man diese strukturellen Gleichheiten aber auch Unterschiede zwischen mittelalterlichen und modernen Nationen, so kann die Geburt der magyarischen Nation auf das 13. Jahrhundert datiert werden. Sowohl bei der modernen als auch bei der prämodernen Nation geht es um eine bewusste, gefühlsmäßige und immaterielle Beziehung von Menschengruppen. In diesem Sinne ist das Entstehen der magyarischen/ungarischen Nation das Ergebnis einer Übernahme ursprünglich französischer Konzepte (Zugehörigkeits- und Solidaritätsgefühl einerseits, Abgrenzung und Fremdenhass andererseits). Identitätsfindung und Xenophobie sind grundlegende Merkmale und Kriterien des in Westeuropa entstehenden Nationsbegriffs im 12. Jahrhundert. Durch Territorialisierung des Verbundenheitsgefühls entstand die (fiktive) Vorstellung von Vaterland und gemeinsamer Abstammung. Uralte Bewusstseins- und Gefühlserscheinungen wurden umgedeutet und in neue Dimensionen verlagert. Diese neuen Ideen gelangten über ausländische Schulungen (Peregrini) nach Ungarn und fanden ihren Ausdruck in den mittelalterlichen Gesta, dessen älteste noch vorhandene die des Anonymus ist. Er schafft in seinem Werk eine magyarische Vorgeschichte sowie ein eigenes Selbstbewusstsein und führt die Xenophobie ein; das Ergebnis ist die erste greifbare ungarisch-magyarische staatsnationale Konzeption, in der alle Untertanen „Ungarn“ sind. Simon von Kéza baut zwar Ende des 13. Jahrhunderts auf dieser Konzeption auf und führt erstmals in der ungarischen Latinität den Begriff natio ein. Er unterscheidet allerdings deutlich nach sprachlichen bzw. „rassischen“ Kriterien, womit er Untertanen nicht-ungarischer Zunge und Herkunft eindeutig ausgrenzt (also Nicht-„Magyaren“). Herrschend und bestimmend wurden ab dieser Zeit sind diese zwei Konzeptionen: die inkludierende staatsnationale (Hungarus) sowie die exkludierende sprachnationale Konzeption.

Hungarus-Konzeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die grundlegende Idee zur Integration der Völker des ungarischen Königreichs war die sog. Hungarus-Konzeption. Nach der dieser staatsnationalen Vorstellung gehörten alle Bevölkerungsgruppen des Königreichs Ungarn samt ihrer ethnischen und kulturellen Merkmalen der Natio hungarica an. Auf einer höheren Ebene stand diesem ständischen Patriotismus die habsburg-dynastische Auffassung eines unteilbaren Reiches gegenüber (indivisibiliter ac inseparababiliter). Ein erster Ausgleich fand sich in der Pragmatischen Sanktion (Gesetz im Königreich Ungarn: 1722/23), in dem Staatsauffassungen von ungarischem Adel und der Habsburger-Dynastie festgelegt wurden. Dieser staatspolitische Kompromiss wurde bis zum Beginn des bürgerlichen Zeitalters – mehr oder weniger – einvernehmlich aufrechterhalten.

Nationalismus und Ethnisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgelöst durch die Ideen der Aufklärung sowie der Französischen Revolution verbreitete sich die moderne Nationsidee auch im Königreich Ungarn. Die nicht-ungarischsprachigen Ethnien grenzten sich nun auch ideologisch gegenüber den ungarischsprachigen Gruppen ab, was zur nationalen Erweckung von Slowaken, Ruthenen, Rumänen, Serben und Kroaten (deren Staat seit 1204 in relativer Autonomie vom ungarischen König regiert wurde) im 19. Jahrhundert führte und ihren ersten deutlichen Ausdruck in der Revolution und Freiheitskampf von 1848/49 fand, in dem sich die Minderheiten des Königreichs Ungarn gegen die separastischen Magyaren stellten (besonders prominent in der Person Josip Jelačićs für die Kroaten). Die ungarischsprachigen Magyaren verstanden sich wiederum als die „Staatsnation“. Die staatsnationale Hungarus-Konzeption wurde durch sprachnationale Elemente überlagert, was dazu führte, dass in dieser Idee die Integrierung und Assimilierung der ethnisch-kulturellen Minderheiten impliziert wurde. Das Zeitalter des österreichisch-ungarischen Dualismus nach dem Ausgleich 1867 stellte also den Versuch einer Einigung in der Vielfalt dar. Die mit Kroatien und Siebenbürgen gemeinsame Reichshälfte („Transleithanien“) vertrat politisch gesehen eine doppelte Strategie: Auf der oberen Integrationsebene wurde eine supranationale Großstaatlichkeit vertreten, während innenpolitisch eine Verbürgerlichung der Hungarus-Konzeption angestrebt wurde, um so das theoretische Konstrukt eines einheitlichen Nationalstaates in die Praxis umzusetzen. In der deutschen Forschung wird die Auffassung der ungarischen Geschichtswissenschaft vertreten, wonach zwei Arten von Assimilierungen zu unterscheiden sind: Einerseits die durch den erheblichen wirtschaftlichen Fortschritt geförderte freiwillige sowie andererseits eine staatlich gesteuerte Magyarisierung. Die Assimilierungen waren dieser Auffassung nach in hohem Maße „natürliche Begleiterscheinungen“ der zunehmenden Verbürgerlichung und Modernisierung gewesen. Die Nationalitätenprobleme sowie gesellschaftlichen Konflikte verschärften sich, da es der Hungarus-Konzeption nicht gelang, die Gegenkonzeptionen der nationalen Minderheiten in die Schranken zu weisen. In der zweiten Hälfte des Dualismus findet sich die Ethnisierung (als prägende Form des Nationalismus dieser Epoche) vor allem vonseiten der ungarischen Staatlichkeit wieder, obwohl traditionell die ungarische Politik und Gesetzgebung eine individualrechtliche, liberale Handschrift trug (individuelle Rechte als ungarischer Staatsbürger statt kollektiver Gruppenrechte). Magyaren und Nicht-Magyaren kehrten dieser liberalistischen Vorstellung den Rücken und wandten sich einer kollektiven, national begründeten Politik zu. Ideologisch waren sowohl die führenden Gruppen der Nationalitäten als auch die der Magyaren bzw. des Königreichs Ungarn in ihrer zeitgenössischen ideologischen Vorstellungen nicht verschieden. Der Unterschied bestand in den zur Verfügung stehenden Mitteln zur Durchsetzung der eigenen Ideen – die Magyaren nahmen eine ungleich dominantere Position ein. Diese Machtbalance änderte sich in der letzten Phase des Ersten Weltkriegs unter diplomatischem und militärischem Druck zugunsten der ungarländischen Nationalitäten. Ihren Ausdruck fand sie in der Gründung der Nationalstaaten (Tschechoslowakei, Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) bzw. deren Ausweitung (Rumänien) auf de iure ungarisches Staatsgebiet 1918. Durch die rechtliche Bestätigung der neuen Grenzen infolge des Friedenvertrags von Trianon 1920 wurde die großstaatliche Integrationspolitik Ungarns beendet. Das Resultat dieser Prozesse zeigte sich in den Ergebnissen der (umstrittenen) Volkszählungen von 1890 und 1910, zwischen denen die Zahl der sich zum magyarischen Volk Bekennenden um ca. 10% von 45 auf 55% stieg (es werden auch andere Gründe wie Emigration vieler Nichtmagyaren angeführt, doch scheinen staatlich forcierte sowie ökonomisch begründete Assimilation ausschlaggebend gewesen zu sein).


Der Vertrag von Trianon und seine Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ungarische großstaatliche Assimilations- und Integrationspolitik fand ihr Ende mit dem Ausgang des Ersten Weltkriegs. Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn zerfiel, und 1918 bildeten die nationalen Minderheiten auf dem Gebiet des Königreichs Ungarn Nachfolgestaaten (Tschechoslowakei; Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen), und beanspruchten diese Gebiete für sich. Rumänische Truppen besetzten Siebenbürgen. 1920 wurde im Rahmen der Pariser Vorortverträge der Friedenvertrag von Trianon geschlossen, in dem durch die Staatsgründungen vorweg genommenen Gebietsabtretungen bestätigt wurden: Das Königreich Ungarn verlor mehr als 71% des Staatsgebietes und ein Drittel jener Bevölkerung, die sich zur magyarischen Nation bekannt hatte (3,5 Millionen). Obwohl die Nationalstaatsidee und das Recht der Selbstbestimmung Leitmotive der Entscheidungen sein sollten (Woodrow Wilson), entstanden aufgrund internationaler strategischer Überlegungen (Eindämmung des expandierenden Bolschewismus repräsentiert durch die ungarische Räterepublik unter Béla Kun 1919; Revanchismus der ungarländischen Nationalitäten; französisch-rumänische Affinität aufgrund der Latinität) im Ergebnis keine homogenen Nationalstaaten (auch im Falle Rest-Ungarns). Alte Minderheiten wurden durch neue ersetzt, denn das Gebiet des ehemaligen Königreichs war ethnisch gesehen weiterhin ein Flickenteppich mit einigen größeren Blöcken (Slowaken im Norden, Rumänen im Partium und Siebenbürgen, Serben in der Südvojvodina, Magyaren im mittleren Ungarn und Westpartium sowie im Szeklerland). Irredentismus und Revisionismus wurden zur Staatsdoktrin des neuen Königreichs Ungarn (Miklós Horthy|Horthy-Regime]] nach 1920. Während innerhalb der neuen ungarischen Grenzen die zentralistische Einheitsstaat-Konzeption vertreten wurde, ist diese aber außenpolitisch kritisiert worden, da sie die Dissimilierung der magyarischen Bevölkerung in den Nachbarstaaten bedeutete. Die Gebietsgewinne durch die Wiener Schiedssprüche (Südslowakei, Nordsiebenborgen, Vojvodina, Murgebiet) führten aber nicht zu einer Homogenisierung des ungarischen Staates, da in den zugewonnen Gebieten auch beträchtliche nicht-magyarische Bevölkerungsgruppen wohnten. Der Vertrag von Paris 1947 stellte die Landesgrenzen von Trianon wieder her. Bevölkerungsaustausche zwischen den Staaten (Ungarn und Tschechoslowakei) sowie Flüchtlingsbewegungen und Massenvertreibungen (u.a. Ungarndeutsche, slowakische Magyaren) veränderten die ethnische Zusammensetzung Ungarns und der Nachbarstaaten in Richtung größerer ethnischer Homogenisierung.

Ungarn und die magyarischen Minderheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Außenpolitik des Post-Trianon-Ungarns ist durch eine ethnozentrische Sichtweise geprägt. Basis ist die Vorstellung von der „Einheit der magyarischen Nation“ diesseits sowie jenseits der staatlichen Grenzen. Ungarn verhält sich wie ein Mutterstaat und versucht dazu beizutragen, die politische, rechtliche, wirtschaftliche und kulturelle Lage der außerungarischen Minderheiten zu verbessern und den magyarisch-magyarischen Kontakt lebendig zu gestalten. Insofern lässt sich der Revisionismus der Zwischenkriegszeit als der Wunsch nach Reintegration der Magyaren sehen, der im Zuge einer politischen Annäherung an das Dritte Reich auch durch gewaltbereite Art erfüllt werden sollte. Da Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf den vormaligen Gebietsstand verkleinert wurde und in die politische Einflusssphäre der Sowjetunion geriet, vollzog sich ein radikaler Wechsel in der Minderheitenpolitik. Die Zwangsintegrierung in den kommunistischen Block führte zu einer Unterordnung der Minderheitenproblematik zugunsten einer internationalistisch-sozialistischen Brüderlichkeit. Sie endete mit der politischen Wende und dem Zusammenbruch der sozialistischen Regimes in Ostmittel- und Osteuropa; nunmehr begann im demokratischen Kontext eine Wiederbesinnung auf nationale Werte und Vorstellungen, die das „Wiederentdecken“ der Magyaren jenseits der Grenze einschloss. In diesem Sinne zeigte sich die Außenpolitik Budapests als demokratisch, die sowohl die magyarisch-magyarischen Belange als auch die nachbarschaftlichen Beziehungen untrennbar miteinander verband. Durch die 1989 novellierte Verfassung der Republik Ungarn sind die Regierungen verpflichtet, sich für „das Schicksal der außerhalb der Grenzen“ lebenden Magyaren einzusetzen. Im Gegensatz zur Zwischenkriegszeit zielen die heutigen Bestrebungen der Magyaren in Ungarn und in der Minderheit nicht mehr auf eine Revision der Grenzen, sondern entlehnen Lösungsvorschläge von innerstaatlicher Autonomie aus anderen europäischen Beispielen. Dabei vertreten die Minderheiten den Standpunkt, dass durch eine Ausweitung der Selbstverwaltungsrechte statt ihrer Assimilierung ihre Integration in den Heimatstaat gefördert werde. In der grenzübergreifenden Kooperation zwischen Regionen läge demnach auch eine Chance zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Umstände. Exemplarisch für die Möglichkeiten einer solchen Kooperation ist die Euroregion Donau-Kreisch-Marosch-Theiß. Innerhalb der Bevölkerung Ungarns lebt die Idee des „Großstaats“ in Form von Großungarn-Karten und -Autostickern weiter („Länder der Stephanskrone“). Dies ist nicht Ausdruck eines militärischen Grenzrevisionswunsches, sondern vielmehr einer ideellen Vorstellung einer Reintegration aller Magyaren in einem Staatsverbund. Sie bildet auch einen Kontrast zur heutigen moralisch-wirtschaftlich desolaten Lage „Kleinungarns“. Nationalistisch-chauvinistische und revanchistische Bestrebungen erfahren in jüngster Zeit – v.a. aufgrund der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise – einen gewissen Zulauf.

Dissimilation in den Nachbarstaaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Nachkriegszeit ist in den Nachbarstaaten Ungarns die tendenzielle Abnahme der Bevölkerung, die sich zur magyarischen Nation bekennt, dominierend. Dieses kann einerseits durch Assimilationsdruck (v.a. im Rumänien Ceauşescus, in dem die Autonomie der Szeklermagyaren aufgehoben wurde) und natürliche Assimilation (u.a. bikulturelle Ehen) erklärt werden. Der hohe Anteil an Magyaren konnte sich besonders in solchen Regionen halten, in denen sie die absolute und dominierende Mehrheit stellen (Südslowakei, Szeklerland, Nordost-Vojvodina). Nach der politischen Wende 1990 wurden den magyarischen Minderheiten zahlreiche Rechte garantiert. Gleichzeitig ist die Zeit nach 2000 durch eine Zunahme ethnischer Konflikte geprägt. Gründe hierfür sind u. a. die Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen Chauvinismus und Nationalismus im gesamten Gebiet Ostmitteleuropas aufkeimen.

Assimilation in Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Vertreibung des Großteils der ungarndeutschen Minderheit und den Bevölkerungsaustauschen ist der ungarische Staat ethnisch gesehen stärker homogen geworden. Die zahlenmäßig immer kleiner werdenden nationalen Minderheiten Ungarns sind seit der politischen Wende 1989 durch Minderheitengesetze geschützt, besitzen sog. „Minderheitenselbstverwaltungen“ und genießen Vorteile im Bildungswesen; im Endeffekt sind die Bemühungen aber nicht effektiv genug, um diese Minderheiten dauerhaft zu bewahren. Viele Personen eigentlich nicht-magyarischer Zugehörigkeit bekennen sich in den Volkszählungen zur „Staatsnation“, wodurch die geschätzte Zahl der Minderheiten sich erheblich von den offiziellen Statistiken unterscheidet (z.B. bei den Ungarndeutschen oder den Ungarnslowaken).

Besondere Gruppierungen in Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Juden in Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits seit dem 11. Jahrhundert lebten vereinzelt jüdische Gemeinschaften auf dem Gebiet des Königreichs Ungarn. Im 15. Jahrhundert kam es zu einer ersten größeren Einwanderungswelle, deren Ergebnis das Entstehen der ersten „historischen Glaubensgemeinschaften“, den jüdischen Gemeinden in Buda, Óbuda, Tata, Esztergom und Sopron, war. Lange Zeit lebten die ungarländischen Juden friedlich im Rahmen des Königreichs Ungarn. Im 18. Jahrhundert wanderten massenweise aschkenasische Juden aus den deutschen und böhmischen Gebieten ein. Sie ließen sich v. a. in den Städten nieder. Da das ungarische Judentum im Verhältnis zu den anderen ost- und ostmitteleuropäischen Juden ökonomisch und rechtlich bessergestellt war, boten sich denen Anreize zu einer weiteren massenhaften Immigrationsbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1914 machten die Juden bereits knapp 4,5% der Gesamtbevölkerung, beinahe eine Million, des Königreichs Ungarn aus. Im Sinne der Nationalstaatspolitik wurde ihre Assimilation besonders erleichtert: Sie stellten lediglich eine besondere religiöse Gemeinschaft dar, galten aber staatspolitisch als Magyaren. Dadurch waren sie eine der am besten integrierten jüdischen Minderheiten in Europa. Durch die zunehmend judenfeindliche Politik in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts verschlechterte sich das Klima, zahlreiche ungarische Juden wanderten aus. Während des Holocausts in Ungarn wurden 70% aller Juden – d.h. ungefähr 600.000 Menschen – getötet. Heute leben schätzungsweise 80 bis 200.000 Juden in Ungarn, besonders in der Hauptstadt Budapest. Sie bezeichnen sich als „israelitische Glaubensgemeinschaft“, was ihre dominierende kulturelle Identität als Magyaren jüdischen Glaubens widerspiegelt.

Roma in Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Roma in Ungarn

Eine besondere ethnische Gruppe bilden die Roma in Ungarn. Die ersten leben seit dem 15. Jahrhundert auf dem Gebiet des Königreichs Ungarns und die meisten haben ihre Muttersprache im Laufe der Zeit zugunsten der ungarischen Sprache aufgegeben. Sie kennzeichnet oftmals ein typischer Roma-Soziolekt. Die Roma des heutigen Ungarn sind keine homogene Gruppe, sondern bestehen aus vielen verschiedenen Gruppierungen. Die alteingesessenen Roma (Romungro/ ung. magyarcigány), stellen mit 70% den größten Anteil. Sie sind seit dem 15./16. Jahrhundert in Ungarn ansässig. Ihre Muttersprache, Romanes, wandelte sich unter europäischem Einfluss und es entstand eine eigene Musizier-Kultur. Während 1893 noch 30% ihre Muttersprache beherrschten, liegt 1983 diese Zahl bei lediglich 10%, und aufgrund der Tendenz müsste sie heute noch niedriger liegen. Die Oláhzigeuner oder Vlax (ung. oláhcigány) wanderten in der zweiten Hälfte des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts aus dem Moldaugebiet ein und sprechen sowohl Romanes als auch einen Dialekt. Die einen archaischen rumänischen Dialekt sprechenden Beás kamen Ende des 19. Jahrhunderts in den ungarischen Bergbau. Entgegen der westlichen Gruppen bilden die Sinti nur eine sehr kleine Gruppierung. Sie sind heute nach einer vergleichsweisen erfolgreichen wirtschaftlichen Integration während des Sozialismus einer besonderen sozialen Stigmatisierung ausgesetzt und wirtschaftlich sowie bildungsmäßig benachteiligt. Aufgrund des allgemein sehr niedrigen Bildungsstandes der Roma-Bevölkerung waren sie in der kapitalistischen Umstrukturierungen und wirtschaftlichen Transformationsprozess die am meisten leidtragende Bevölkerungsgruppe. Aufgrund von Massenentlassungen wuchs die Arbeitslosigkeit massiv, heute beträgt sie je nach Region zwischen 50 und 90 %, in manchen Dörfern sogar 100%. Obwohl sie zu 90% Ungarisch-Muttersprachler sind, werden sie nicht zu den Magyaren gezählt. In Volkszählungen geben sie zumeist magyarisch als Nationalität an, obwohl sie eine anerkannte ethnische Minderheit in Ungarn sind. Nach neuesten Projektionen werden 2020 ca. 20% der Staatsbürger Ungarns Roma sein.

Besondere Gruppierungen außerhalb Ungarns[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Szekler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Szekler

Tschango[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tschango


Magyarische Bevölkerungsgruppen außerhalb der Republik Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

STATISTIKEN EINFÜGEN

Konkurrierende Theorien zur Ethnogenese und Nationenbildung der Nachbarvölker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Slowakische Migration contra Großmähren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Großmähren; Slowaken

Dass die landnehmenden magyarischen Stämme eine slawische Vorbevölkerung im Karpatenbecken vorfanden, kann und konnte nicht bestritten werden, dazu ist die Vielzahl der unterschiedlichen Quellen diesbezüglich zu eindeutig. Im Zuge der nationalen Selbstfindung wurden in slowakischen Kreisen die im tschechisch-deutschen Kontext formulierte Auffassung von einer slawischen Autochthonie und früheren Nationalstaatlichkeit aufgegriffen und versucht, diese auf die Verhältnisse Oberungarns zu adaptieren. Allerdings konnte sich die slowakische Geschichtsforschung mangels universitärer Grundlage und kleinerer Intelligenzija schwer gegen magyarisch-ungarische Gegenargumente verteidigen. Bereits im 16. Jahrhundert vertrat der polnische Humanist Martin Kromer die These, der Ursitz der Slawen hätte sich in sarmatischen Gebiet im Karpatenbecken befunden. Diese Idee wurde im 18. Jahrhundert durch Samuel Timon, Adam František Kollár und Juraj Papánek weiter aufgegriffen und beständig weiterentwickelt. Im Buch „Slawische Altertümer“ von Pavol Jozef Šafárik ist diese Theorie am stärksten ausgearbeitet worden. Das slowakische Kulturinstitut Matica Slovenská sowie die slowakischen Historiker schlossen sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts dieser Auffassung an. Auf magyarischer Seite wurde durch Pál Hunfalvy eine Gegenposition etabliert, wonach bei der magyarischen Landnahme nur in Transdanubien Slawen gelebt hätten und die heutige Slowakei unbevölkert gewesen sei. Diese Position lässt sich heute keineswegs halten, war aber die Grundlage für die Grundhaltung der folgenden magyarisch-ungarischen Geschichtsforschung. Trotzdem war noch 1870 die längere Anwesenheit von Slawen/Slowaken im Karpatenbecken kein Problem gewesen, wie der Auszug aus einem zeitgenössischen Schulbuch zeigt. Die forcierte Magyarisierung – die auch die Schließung zahlreicher slowakischer Schulen, Kindergärten und aller drei Mittelschulen zur Folge hatte – führte zu einer Revision der Schulbücher sowie des Unterrichtsfaches Geschichte im Königreich Ungarn, die der magyarischen Geschichtsvorstellung Alleingeltung verschaffen sollte. Bis zum heutigen Tage gibt es einen Disput zwischen slowakischen und magyarischen Historikern: Während von magyarischer Seite (so auch in zahlreichen adaptierten westlichen, v.a. deutschen Forschungsmeinungen) die Existenz slawischer Gruppierungen im damaligen Oberungarn zwischen dem 10. bis 13. Jahrhundert nicht mehr negiert und eine große Migrationsbewegung von Einwanderern aus böhmischen, polnischen und russischen Gebieten als Ursache für die Bildung eines slowakischen ethnischen Bewusstseins angenommen wird, und die nationale Integration der Slowaken durch die Festlegung einer einheitlichen Literatursprache erst im 18. Jahrhundert durch L’udovit Štúr begründet worden sei, sehen andererseits slowakische Forscher eine Kontinuität slawisch-slowakischer Bevölkerung seit der Landnahme der Magyaren und davor und datieren die Entstehung eines slowakischen ethnischen Bewusstseins dementsprechend in eine frühere Periode. Desweiteren wird die maßgebliche Rolle des slawischen Fürstentums Nitra bei der ungarischen Staatsbildung betont.

Migrationstheorie contra Dako-romanische Kontinuitätsthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dako-romanische Kontinuitätsthese

Ähnlich wie bei den Slowaken besteht auch bei der Streitfrage um Siebenbürgen die Frage, ob die rumänische Bevölkerung autochthon sei oder nicht. Laut der Geschichtsforschung im Königreich Ungarn des 19. Jahrhunderts habe es bei der Landnahme der Magyaren keine rumänischen Volksgruppen im heutigen Siebenbürgen gegeben. Da die Rumänen erst nach dem 13. Jahrhundert im mittleren und nördlichen Teil Siebenbürgens historisch fassbar werden, nimmt die ungarisch-magyarische Geschichtsforschung eine Migration aus den südlichen Gebieten an. Insofern sei die heutige rumänische Besiedlung Siebenbürgens das Ergebnis eines jahrhundertelangen Immigrationsprozesses. Von der rumänischen Geschichtsforschung wurde dem eine Theorie dakisch-rumänischer Kontinuität entgegengehalten, die so im 19. Jahrhundert erstmals formuliert wurde. Danach wären die Vorfahren der heutigen Rumänen romanisierte Daker gewesen, die dieses Gebiet seit der Räumung Dakiens durch die Römer ohne Unterbrechung besiedelt hätten. Die landnehmenden Magyaren wären auf eine rumänische Hirtenbevölkerung und/oder auf ein rumänisches Fürstentum getroffen. Bereits während des Dualismus stieß die Theorie im Königreich Ungarn auf erheblichen Widerstand, die Schulbuchzensur verbot die weitere Verbreitung der These. Noch heute stellt sie einen Streitpunkt zwischen rumänischen und magyarischen Historiker dar.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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