Benutzer:Hufeisen69/Islamisierung Deutschlands

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Islamisierung Deutschlands ist ein politisches Schlagwort und soll einen vorgeblich wachsenden Einfluss des Islam in verschiedenen Bereichen der deutschen Gesellschaft bezeichnen. Der Ausdruck wird unter anderem von rechtspopulistischen Bewegungen wie Pegida[1] verwendet,[2] bleibt in seiner genauen Bedeutung aber diffus und trägt somit Züge einer Leerformel. Auch als „Verschwörungsfantasie“ oder Verschwörungstheorie wird die „Islamisierung Deutschlands“ eingeordnet.[3][4]

Verwendung und Begriffsgeschichte

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Die Verwendung des Ausdrucks „Islamisierung“, der ursprünglich die territoriale Ausbreitung der islamischen Religionsgemeinschaft bezeichnete, impliziert eine schleichend voranschreitende, aber geplante „Machtübernahme“ durch einen als monolithischer Block dargestellen Islam, schließt suggestiv an die reale Bedrohung durch islamistischen Terrorismus an und bedient damit unkritische Ressentiments. Muslime werden durch Kontrastierung mit einer diffusen kulturellen Homogenität nichtmuslimischer Deutscher zum Fremdkörper erklärt. Obwohl der prominente Bezug auf die muslimische Religion es suggeriert, bezieht diese Gegenüberstellung sich keineswegs nur auf religiöse Aspekte, sondern deutet „den Islam“ als eine – gegnerische – politische Ideologie oder Doktrin, die analog zum Kommunismus während des Kalten Kriegs als totalitär und in der Folge als Bedrohung inszeniert wird.[2] Die Gemeinsamkeit mit der Bekämpfung des Kommunismus beschränkt sich nicht auf die Wahrnehmung einer westlichen Gesellschaft als durch subversive Aushöhlung und Zersetzung nicht nur von außen, sondern auch von innen bedroht; es besteht auch eine organisatorische Kontinuität vom Antikommunismus zur Islamfeindlichkeit.[5]

Seit wann der Ausdruck „Islamisierung Deutschlands“ im politischen Diskurs verwendet wird, ist unklar. Belegen lässt er sich seit Ende der 1970er-Jahre,[6] seine aktuelle Verwendung wird meist mit einer Schlagzeile[7] des Magazins Der Spiegel aus dem Jahr 2007 in Verbindung gebracht, auf dessen Titelseite das Bild eines über dem Brandenburger Tor schwebenden Halbmonds mit der Überschrift „Mekka Deutschland“ und dem Untertitel „Die stille Islamisierung“ versehen war.[8][9][10] Bereits 2006 warnte Edmund Stoiber vor einer „schleichenden Islamisierung Deutschlands“.[11] Vorbehalte gegen Einwanderer aus muslimisch geprägten Kulturkreisen, prototypisch Gastarbeiter aus der Türkei, wurden in Deutschland bereits 1973 öffentlich artikuliert, der Islam spielte in diesen Stereotypen jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Erst nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verschob sich die Wahrnehmung von „Ausländern“ und rückte die Eigenschaft, Muslim zu sein, gegenüber anderen ethnischen und kulturellen Unterschieden in den Vordergrund. Die Auffassung, dass man von Immigranten eine Integration in die deutsche Gesellschaft erwarten könne, diese von einigen Gruppen (wieder prototypisch den Türken) aber abgelehnt werde, war bereits in den 1990er-Jahren im Zuge der Asyldebatte entstanden.[8] Die Vorstellung schlecht oder gar nicht integrierter – muslimischer – Zuwanderer, die in Parallelgesellschaften leben, entwickelte sich zum vorherrschenden Topos im politischen Diskurs.[12]

Die Angst vor den vom Begriff „Islamisierung Deutschlands“ kolportierten gesellschaftlichen Veränderungen wird insbesondere im Dunstkreis rechtspopulistischer Bewegungen gezielt instrumentalisiert, um auf einer emotionalen, nicht sachbezogenen Ebene gegen als unerwünscht wahrgenommene Konzessionen an Muslime und ihre Ausübung des Islam in Deutschland zu agitieren. Prominent verwendet den Ausdruck „Islamisierung“ das Bündnis Pegida,[1] das ihn sogar im Namen trägt; bereits Jahre vorher sprachen allerdings schon die Bürgerbewegungen Pro Köln[3] und Pro Deutschland[13] von „Islamisierung Deutschlands“. Mit der Gefahr einer solchen „Islamisierung Deutschlands“ wird, auch im Sinne eines Dammbrucharguments, etwa für Kopftuch- oder Minarettverbote[14] und andere Härten gegenüber Muslimen und gegen die Befreiung muslimischer Schülerinnen von Schwimmunterricht oder Klassenfahrten[10] argumentiert. Auch bekannt gewordene Fälle von Zwangsehen[3] und sogenannten Ehrenmorden[10] werden in diesem Zusammenhang als Symptome einer „Islamisierung“ gedeutet.

Hinzu kommt eine demografische Argumentation. Weil die Geburtenraten in muslimischen Familien höher sind als im bundesdeutschen Durchschnitt, gehen Extrapolationen von erheblichen Zuwächsen des Anteils der Muslime an der deutschen Bevölkerung aus (zum Beispiel Verdopplung im Jahr 2030 gegenüber 2007[10] oder Anstieg des Bevölkerungsanteils von 5,4 % bis 5,7 % im Jahr 2015 auf 8,7 % bis 19,7 % im Jahr 2050[4]).[3] Das Stereotyp vom kinderreichen Moslem bemüht auch Thilo Sarrazin in seinem Buch Deutschland schafft sich ab.[14]

Ein ebenfalls nennenswerter Aspekt ist auch, dass (seit etwa 2012) im Diskurs der Islam zur Gefahr für eine „christlich-jüdische Kultur“ stilisiert, also nicht nur dem weitgehend säkularisierten Christentum Deutschlands, sondern auch dem Judentum gegenübergestellt wird, obwohl ein nennenswerter Einfluss jüdischer Traditionen auf das deutsche Kulturprofil angesichts der von Nazi-Deutschland betriebenen Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden – wenngleich diese nicht religiös, sondern rassistisch motiviert war – zumindest als zweifelhaft gelten kann. Dabei bedient sich die Polemisierung selbst gewisser aus dem Antisemitismus bekannter Argumentationsstrategien, die „nach dem Muster der Talmud-Hetze Religion und Kultur des Islam als inhuman denunzieren“.[14] Laut Bundeszentrale für politische Bildung ist eine „Islamisierung“ Deutschlands in diesem Sinne statistisch aber nicht belegbar.[4]

Dass, wie von Verwendern des Schlagworts „Islamisierung Deutschlands“ unterstellt, Zuwanderer aus mehrheitlich muslimischen Ländern eine Gefahr für die deutsche Gesellschafts- und Werteordnung darstellen, gilt jedoch aus verschiedenen Gründen als unwahrscheinlich. In den Haupt-Herkunftsländern im Nahen Osten herrschte oder herrscht religiöse und/oder ethnische Vielfalt vor, in Damaskus beispielsweise bis vor dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs Araber, Kurden, Armenier, Aramäer, Griechen, Türken und andere, die verschiedenen Strömungen des Islams (Sunniten, Alawiten), dem Drusen- und Judentum sowie unterschiedlichen christlichen Konfessionen angehörten. Das Zusammenleben dieser Ethnien und Glaubensrichtungen hatte bis dato einwandfrei friedlich und tolerant funktioniert. Zudem sind ein Viertel der Flüchtlinge Kinder und können durch das Aufwachsen in einer westlichen Gesellschaft deren Werte vermittelt bekommen. Die im Nahen Osten und speziell im Islam kulturell tief verankerte Gastfreundschaft, die auch Respekt des Gastes vor dem Gastgeber und seinen Gepflogenheiten fordert, lässt darüber hinaus ebenfalls eine Bereitschaft zur Anpassung an westliche Werte (statt umgekehrt) vermuten. Radikalisierung findet in der Regel in der zweiten oder dritten Generation statt, nicht in der einwandernden Generation, die vielmehr ein Gefühl der Dankbarkeit dem aufnehmenden Land gegenüber empfindet.[15]

Einzelnachweise

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  1. a b Vorländer, Hans; Herold, Maik; Schäller, Steven: Inhalte und Positionen. In: Vorländer, Hans; Herold, Maik; Schäller, Steven (Hrsg.): PEGIDA. Entwicklung, Zusammensetzung und Deutung einer Empörungsbewegung. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-10981-3, doi:10.1007/978-3-658-10982-0_4.
  2. a b Kopke, Christoph: Verschwörungsmythen und Feindbilder in der AfD und in der neuen Protestbewegung von rechts. In: Neue Kriminalpolitik. Band 29, Nr. 1, 2017, S. 49–61, doi:10.5771/0934-9200-2017-1-49 (semanticscholar.org [PDF; 106 kB; abgerufen am 17. Dezember 2019]).
  3. a b c d Häusler, Alexander; Killguss, Hans-Peter: Einleitung. In: Feindbild Islam. (mbr-koeln.de [PDF; 823 kB; abgerufen am 17. Dezember 2019]).
  4. a b c Stern, Jenny: Verschwörungstheorie „Islamisierung“. In: Bundeszentrale für politische Bildung. 6. Juni 2018, abgerufen am 17. Dezember 2019.
  5. Wäckerling: Vernetzte Islamfeindlichkeit. S. 111–131, 389 (siehe Literatur).
  6. Islamisierung Deutschlands. In: Google Ngram Viewer. Google LLC, abgerufen am 17. Dezember 2019.
  7. Mekka Deutschland. Die stille Islamisierung. In: Der Spiegel. 26. März 2007, S. 22.
  8. a b Ramm, Christoph: The Muslim Makers. How Germany ‘Islamizes’ Turkish Immigrants. In: Interventions. International Journal of Postcolonial Studies. Band 12, Nr. 2, 2010, S. 183–197, doi:10.1080/1369801X.2010.489692 (englisch).
  9. Bielefeldt, Heiner: Das Islambild in Deutschland. Zum öffentlichen Umgang mit der Angst vor dem Islam. Deutsches Institut für Menschenrechte, 2007, ISBN 978-3-937714-47-9 (tirol.gv.at [PDF; 209 kB; abgerufen am 17. Dezember 2019]).
  10. a b c d Schumacher, Jörn: Das „christliche Abendland“ packt ein. In: Dippel, Andreas; Prill, Egmond (Hrsg.): Die schleichende Islamisierung? Beiträge, Fakten und Hintergründe. hänssler, Holzgerlingen 2007, ISBN 978-3-7751-4771-2 (scm-haenssler.de [PDF; 72 kB; abgerufen am 17. Dezember 2019]).
  11. Stoiber warnt vor „Islamisierung“ Deutschlands. In: Financial Times Deutschland. 14. Oktober 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Oktober 2009; abgerufen am 17. Dezember 2019.
  12. Çaglar, Ayse: Constraining metaphors and thetransnationalisation of spaces in Berlin. In: Journal of Ethnic and Migration Studies. Band 27, Nr. 4, Oktober 2001, ISSN 1369-183X, S. 601–613, doi:10.1080/13691830120090403 (englisch).
  13. Baumgärtner, Maik: Rechtspopulismus in Hamburg. In: Arbeit und Leben Hamburg. Hamburg (arbeitundleben.de [PDF; 633 kB; abgerufen am 17. Dezember 2019]).
  14. a b c Benz, Wolfgang: Deutschlands Muslime im Spiegel des Antisemitismus. Anmerkungen zur Entstehung und Tradition des Feindbildes Islam. In: Schneiders, Thorsten Gerald (Hrsg.): Verhärtete Fronten. Der schwere Weg zu einer vernünftigen Islamkritik. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-531-18140-0, doi:10.1007/978-3-531-94220-9_2.
  15. Fischer, Justina: Und Angela Merkel hat doch Recht: Der Flüchtlingsstrom als Chance für eine Erneuerung der Gesellschaft Deutschlands. Mannheim 18. Oktober 2015 (uni-muenchen.de [PDF; 144 kB; abgerufen am 17. Dezember 2019]).

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