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Zar Peter I. eroberte 1710 Estland von Schweden

Die Russen in Estland spielten in der gesamten Geschichte Estlands eine prägende Rolle. Das Gegen-, Neben- und Miteinander von Esten und Russen hat die estnische Gesellschaft seit frühester Zeit geprägt.

1710 eroberte der russische Zar Peter I. Estland von Schweden. Nach zweihundert Jahren löste sich Estland 1918 aus dem Russischen Reich und blieb bis zur Einverleibung durch Stalin 1940 eine unabhägige Republik. 1991 konnten die Esten ihre staatliche Unabhängigkeit von Moskau wiedererlangen.Die Republik Estland ist seitdem Nachbarland der Russischen Förderation.

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit frühester Zeit siedelten ostseefinnische Völker auf dem Gebiet des heutigen Estland.

Bereits während des frühen Mittelalters entstanden zahlreiche Kontakte zwischen slawischen, ostseefinnischen und baltischen Völkern. Rege Handelsbeziehungen förderten einen gegenseitigen Warenaustausch und zwischenmenschliche Begegnungen.

Die slawischen Sprachen, zu denen Russisch gehört, und die finnougrischen Sprachen, zu denen das Estnische zählt, sind linguistisch nicht miteinander verwandt. Slawische Kultureinflüsse hinterließen allerdings Spuren im Estnischen. Einige ostslawische Wörter wurden ins Estnische übernommen, darunter Begriffe wie turg („Markt“) und rist („Kreuz“).

Neben der friedlichen Koexistenz kam es im Laufe des Mittelalters zu religiösen und machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Esten einerseits und Russen andererseits. 1030 eroberte Jaroslaw der Weise die südestnische Festung Tarbatu und ließ sie niederbrennen. Er gründete an derselben Stelle die Stadt Jurjew, das heutige Tartu (deutsch Dorpat). Während Jaroslaws Regierungszeit wurden auch die ersten christlichen Kirchen auf dem Gebiet des heutigen Estlands gegründet. Die Esten blieben allerdings in ihrer überwiegenden Mehrheit heidnisch. 1061 eroberten sie Jurjew von den Russen zurück.

Die Christianisierung Estlands gelang erst durch die Ostkreuzzüge aus dem katholischen Westen Europas ins Baltikum. Die Gebiete im heutigen Estland und Lettland wurden während des 13. Jahrhunderts durch Dänemark sowie den Deutschen Orden erobert und christianisiert. 1219 unterwarf der Dänenkönig Waldemar Atterdag die estnische Festung auf dem Domberg von Tallinn (deutsch Reval). Es entstand das sogenannte Alt-Livland, das bis zur Reformation im 16. Jahrhundert Teil der katholischen, nicht orthodoxen Glaubenswelt war.

Der Deutsche Orden war bestrebt, den politischen russischen Einfluss und die Orthodoxie in den eroberten Gebieten im Baltikum soweit wie möglich zurückzudrängen. Im April 1242 kam es zur Entscheidungsschlacht auf dem zugefrorenen Peipussee. Der Nowgoroder Heerführer Alexander Jaroslawitsch Newski konnte den Vormarsch des Schwertbrüder-Ordens nach Osten stoppen. Die Grenze Livlands an der Nahtstelle zwischen römischem und orthodoxem Christentum blieb für die kommenden Jahrhunderte ein machpolitischen Spannungsfeld zwischen Ost und West.

Die Orthodoxie brachte dabei auch Märtyrer hervor. Der Heilige Isidor von Tartu und 72 seiner orthodoxen Glaubensbrüder wurden 1472 in Eislöchern auf dem zugefrorenen Emajõgi (Embach) ertränkt. Sie hatten sich geweigert, den Katholizismus anzunehmen.

1481 belagerte Iwan III. die Festung Viljandi und konnte kurzzeitig einige Landstrichen im Osten Livlands besetzen, bevor er militärisch zurückgedrängt wurde.

Trotz der Glaubensspaltung blieben vor allem die Handelsverbindungen mit russischen Städten intensiv. Tallinn, Tartu, Viljandi und Narva gehörten ebenso der Hanse an wie die russischen Städte Pskov und Nowgorod. Einige russische Händler erhielten die Erlaubnis, sich dauerhaft in livländischen Städten anzusiedeln. In den Grenzgebieten war die Landbevölkerung teilweise estnisch-russisch gemischt.

Livländischer Krieg und schwedische Herrschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der machtpolitische Aufstieg Moskaus im 16. Jahrhundert war einer der Auslöser für den Livländischen Krieg, der die Region erneut zum Schauplatz eines militärischen Konflikts mit Russland werden ließ. Zwischen 1558 und 1582 konnte Iwan der Schreckliche große Teile Alt-Livlands unter seine Herrschaft bringen. Sein Ziel einer dauerhaften russischen Eroberung Livlands scheiterte jedoch am militärischen Widerstand der beiden großen Gegenspieler Iwans, Polen und Schweden.

Im Laufe des 16. Jahrhunderts drängte das militärisch aufstrebende Schweden Russland und anschließend das polnische Königreich immer weiter aus aus den Gebieten zurück. Es konnte schließlich die Region unter die vollständige Kontrolle der schwedischen Krone bringen. Auch die kurzzeitige Eroberung des östlichen Livlands, insbesondere der Städte Tartu und Vasknarva, durch Zar Alexei I. zwischen 1656 und 1661 konnte von Schweden rückgängig gemacht werden.

Mit den Verheerungen des Livländischen Krieg und den folgenden Pestepidemien war auch die russischsprachige Bevölkerung in Estland stark zurückgegangen. Erst mit der Konsolidierung der weitgehend toleranten und liberalen schwedischen Herrschaft nahm die Zahl der Russen in Estland Ende des 17. Jahrhunderts wieder zu. Nicht nur russische Händler zogen in die estnischen Städte. Allein im Gebiet von Alutaguse im Nordosten Estlands verzeichneten zeitgenössische Landkarten mehrere dutzend Dörfer mit russischen Namen.

Auch am Ufer des Peipussees, des Grenzsees zwischen Estland und Russland, siedelten sich zahlreiche Russen an. Darunter waren mehrere hundert Altgläubige, die im schwedischen Staat Schutz vor religiöser Verfolgung in Russland suchten. Allerdings schätzen Historiker den Bevölkerungsanteil der Russen in Estland Ende des 17. Jahrhunderts auf weniger als ein Prozent.

Eroberung durch Russland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Gründung der neuen Hauptstadt Sankt Petersburg als russischem Tor zur Ostsee rückten für den machtbewussten Zaren Peter den Großen die schwedischen Besitzungen in Estland[1], Ingermanland und Livland erneut ins geopolitische Blickfeld.

Im Nordischen Krieg konnte der Zar 1710 Estland von Schweden erobern. Im Frieden von Nystad musste die Regierung in Stockholm 1721 den Verlust der Gebiete auch völkerrechtlich anerkennen.

Allerdings machte der Zar Estland und Livland weitreichende Zugeständnisse, um sich der Loyalität des dortigen deutschbaltischen Adels zu versichern. Beide Gebiete wurden innerhalb des russischen Reiches einem Sonderregime unterworfen. Der Zar beließ die politischen Vorrechte der deutschbaltischen Oberschicht in den eroberten Gebieten, bestätigten die Stellung des Deutschen als Verwaltungssprache und sicherte die Freiheit des lutherischen Glaubens sowie des heimischen Erziehungssystems zu. An eine Russifizierung dachte er nicht. Diese Privilegien blieben bis Ende des 19. Jahrhunderts von den russischen Behörden weitgehend unangetastet. Die Bauernbefreiung geschah in Estland bereits 1816, in Kurland 1817, in Livland 1819, in Russland allerdings erst 1861.

Wenngleich ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts einige russische Beamte und Militärs in die estnischen und livländischen Städte zogen, kam es zu keiner Verschiebung der bestehenden Bevölkerungsbalance. Der Zar förderte im Gegenteil die Stellung des Deutschen als Gerichts-, Verwaltungs- und Bildungssprache. 1802 ließ Alexander I. die 1632 vom schwedischen König gegründete heutige Universität Tartu als deutschsprachige Universität wiedereröffnen. Die Kaiserliche Universität zu Dorpat war die einzige deutschsprachige Universität im russischen Reich. Sie sollte als russisches Bildungs- und Wissenschaftsfenster nach Westen dienen. Auch eine Abteilung für russische Sprache und Literatur nahm dort ihre Arbeit auf. Später kam eine Einrichtung für slawische Sprachwissenschaft hinzu. Verglichen mit anderen Teilen des Zarenreiches herrschte in Tartu ein freiheitlicher wissenschaftlicher Geist, der sich mehr nach Westen als nach Osten orientierte.

Seit dem Ende der 1830er Jahre forcierte die russische Regierung den Bau orthodoxer Kirchen in Ost-Estland. Verstärkt kamen jetzt auch russisch-orthodoxe Missionare ins Land, ohne allerdings auf große Resonanz unter der lutherischen estnischen Landbevölkerung zu stoßen. Während der zweiten Hälften des 19. Jahrhunderts traten einige estnische Bauern zum orthodoxen Glauben über. Der Zar hatte ihnen für diesen Schritt Land in Aussicht gestellt. Allerdings blieb dieses Versprechen uneingelöst. Mitte des 19. Jahrhundert wurden in Livland die orthodoxe Diözese Riga und ein Priesterseminar gegründet. Zur selben Zeit entstand das bedeutende orthodoxe Nonnenkloster in Kuremäe (Pühtitsa) im heutigen Südwesten Estlands.

Russifizierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Thronbesteigung des Zaren Alexanders III. 1881 endete die in Estland und Livland weitgehend durch Toleranz und Liberalität geprägte russische Herrschaft. Der neue Zar propagierte eine weitgehende Vereinheitlichung des Landes unter dem Primat von russischer Sprache, orthodoxem Glauben und slawischer Kultur. Als erster Zar bestätigte er nicht mehr ausdrücklich die im Frieden von Nystad 1721 gewährten Privilegien für die deutschbaltische Oberschicht.

Die nunmehr einsetzende Russifizierung traf Estland und Livland mit voller Wucht. Russisch wurde zur Amts- und Unterrichtssprache in den Schulen und an der Universität Tartu erklärt. Deutschbaltische und estnische Lehrer, die des Russischen nicht mächtig waren, wurden entlassen. Es kam zu einem großen Zuzug russischer Lehrer und Beamter. 1893 wurde die Stadt Tartu offiziell in Юpьeв (Jurjew) umbenannt.

Als Zeichen eines machtvolleren Auftretens wurde zwischen 1894/1895 und 1900 die imposante Alexander-Newski-Kathedrale auf dem Domberg (Tallinn)Domberg der estnischen Hauptstadt Tallinn errichtet. Das weithin sichtbare Symbol des neuen orthodoxen Machtanspruchs liegt in unmittelbarer Nähe der mittelalterlichen evangelisch-lutherischen Domkirch, der Hauptkirche des deutschbaltischen Adels.

Gleichzeitig mit der Durchsetzung machtpolitischer Interessen des Hofes in Sankt Petersburg bereicherten russische Intellektuelle die Kulturszene Estlands und Livlands, besonders in Tartu. Die Eröffnung der wichtigen Bahnstrecke zwischen dem westestnischen Ostseehafen Paldiski über Tallinn nach Sankt Petersburg Anfang der 1870er Jahre verstärkte den wirtschaftlichen und zwischenmenschlichen Austausch zwischen dem Baltikum und Russland weiter. Zahlreiche Kulturschaffende, Wissenschaftler und Politiker machten fortan an der estnischen Ostseeküste Urlaub, gelegentlich auch Angehörige der Zarenfamilie. Die zunehmende Industrialisierung Estlands zog zur selben Zeit auch russische Arbeiter an, die sich vor allem in Tallinn und im ostestnischen Narva niederließen.

Dennoch blieb der russische Anteil an der estländischen Bevölkerung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs gering. Nach der russischen Volkszählung von 1867 lebten 8.500 Russen im Gouvernement Estland. 1881 waren es mit 16.000 nur etwa zwei Prozent der Gesamtbevölkerung.

Während des 19. Jahrhunderts erstarkte das estnische Nationalgefühl. Die nationale Emanzipationsbewegung war dabei weniger gegen die Russen oder das Zarenreich als vielmehr gegen die in Estland seit dem Mittelalter tonangebende deutschbaltische Oberschicht in Estland gerichtet. Die in Estland lebenden Russen wurden oftmals als Verbündete der Esten gesehen, um die Macht des deutschbaltischen Adels und der deutschbaltischen Großgrundbesitzer zurückzudrängen.

Erster Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während des Ersten Weltkriegs kämpften tausende Esten und Deutschbalten in der zaristischen Armee gegen die Mittelmächte. Das Machtvakuum in Estland nach der Februarrevolution in Russland und dem Rückzug der zaristischen Truppen aus dem Baltikum nutze Estland im Februar 1918 zur Loslösung Russland. Am 24. Februar 1918 wurde die unabhängige Republik Estland ausgerufen. Viele Russen verließen daraufhin aus Angst vor einem Sieg der deutschen Truppen und estnischem Nationalismus das Land.

Republik Estland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während des Estnischen Freiheitskriegs von 1918 bis 1920 verteidigte Estland seine staatliche Unabhängigkeit militärisch gegen Sowjetrussland. Die bolschewistische russische Regierung in erkannte im Frieden von Tartu am 2. Februar 1920 die staatliche Souveränität Estlands „auf alle Zeit“ völkerrechtlich an. Russland musste die Stadt Narva mit ihrer großen russischen Minderheit sowie Gebiete im südwestlichen Estland um Petseri und Isborsk mit ihrem überwiegenden russischen Bevölkerungsanteil an den jungen estnischen Staat abtreten.

1922 lebten in Estland 92.000 Russen. Dies entsprach 8,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. 40 Prozent von ihnen lebten im Kreis Petseri im Südosten Estlands, der wegen seiner russischsprachigen Bevölkerung, dem vorherrschenden orthodoxen Glauben und seiner gewachsenen Bindungen zu Russland in der gesamten Zwischenkriegszeit ein schwer zu integrierender Teil der Republik Estlands war. Weitere 26 Prozent der Russen lebten in oder um die Stadt Narva beziehungsweise am Ufer des Peipusssees. Zwanzig Prozent wohnten in den übrigen Städten Estlands. Nur sehr wenige Russen siedelten auf dem Land.

Zur autochtonen russischsprachigen Bevölkerung Estlands kamen Migranten aus Russland hinzu. Viele waren vor dem Terror der Bolschewiki geflohen. Auch ehemalige Angehörige der Nordwest-Armee der Weißen blieben als Asylanten in Estland. In Narva, Vaivara und Haapsalu gründeten sie Gymnasien für Emigranten. Daneben entstanden zahlreiche russische Vereine im gesamten Land.

Eine liberale Minderheitenpolitik sowie die Gewährleistung von Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit im demokratischen Estland der Zwischenkriegszeit ließen auch den russischen Emigranten Raum für eine politische Betätigung. Zahlreiche Exilorganisationen versuchten von Estland aus, weiterhin Einfluss in der Sowjetunion auszuüben. 1922 richteten russische Emigranten in Tallinn und Narva ein Hilfsbüro für die sowjetischen Hungeropfer ein. Die russische Partei der Esser und ihr Führer Viktor Tschernow agierten in den 1920er Jahren von Estland aus gegen die sowjetische Regierung, ebenso die russischen Monarchisten und die Sawinkow-Partei. Exilrussische Zeitungen und politische Literatur wurden in Estland herausgegeben und über die schwer zu kontrollierende estnisch-sowjetische Grenze geschmuggelt.

Auch im politischen und gesellschaftlichen Leben Estlands in der Zwischenkriegszeit spielte die russischsprachige Bevölkerung eine bedeutende Rolle. 1920 wurde die Russische Nationalunion als politische Vertretung der Russen in Estland gegründet. Sie entsandte regelmäßig Abgeordnete ins estnische Parlament (Riigikogu). 1923 schlossen sich die russischen Kulturvereine in Estland zu einer landesweiten Vereinigung zusammen. Russischsprachige Schulen und Gymnasien entstanden im gesamten Land. 1922 gründete sich der Verein der russischen Studenten in Estland, der vor allem in Tallinn und Tartu aktiv war. Die beiden russischsprachigen Zeitungen Vesti dnja und Russki vestnik erschienen landesweit.

Wegen der anhaltenden Verfolgung der russisch-orthodoxen Kirche in der Sowjetunion lösten sich die Orthodoxen in Estland vom Moskauer Patriarchat. Sie unterstellten sich 1923 dem Patriarchen in Konstantinopel. Gleichzeitig führten die orthodoxe Geistlichkeit in Estland den julianischen Kalender ein. 1940 gab es fünfzig orthodoxe Kirchengemeinden in Estland, denen sowohl russischsprachige als auch estnischsprachige Gläubige angehörten. Hinzu kamen neun orthodoxe Kirchengemeinden der Altgläubigen.

1925 erließ das estnische Parlament ein liberales Gesetz, das die Kulturautonomie der nationalen Minderheiten garantierte. Es gehörte zu den fortschrittlichsten seiner Zeit. Neben den Deutschbalten, Schweden und Juden erhielten auch die Russen das Recht auf Kulturautonomie.

Sowjetische Besetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als direkte Folge des Hitler-Stalin-Pakts vom 23. August 1939, der in seinem geheimen Zusatzprotokoll unter anderem Estland der sowjetischen Interessenssphäre zugeschlagen hatte, besetzte die Rote Armee im Juni 1940 Estland und übernahm die Macht im Land. Estland wurde als Teil der Sowjetunion annektiert. Ein großer Teil der russischen Migranten hatte das Land bereits mit der von Hitler angeordneten Umsiedlung der Deutschbalten Ende 1939 verlassen. Viele Zurückgebliebenen fielen wie die Esten dem einsetzenden stalinistischen Terror mit Verhaftungen willkürlichen Erschießungen und Deportationen zum Opfer.

Die bestehenden russischen Vereine und Zeitungen wurden von den sowjetischen Behörden entweder verboten oder gleichgeschaltet. Im März 1941 wurde die orthodoxe Kirche in Estland wieder dem Patriarchen von Moskau unterstellt. Die mehrheitlich russischsprachigen Gebiete östlich von Narva um Iwangorod und die Region um (estnisch Petseri, deutsch Petschur) und Isborsk (das historische Süd-Setumaa) wurden von der Estnischen SSR abgetrennt und der Russischen SFSR zugeschlagen.

Während der deutschen Besetzung Estlands von 1941 bis 1944 fielen die verbliebenen Russen der nationalsozialistischen Terror zum Opfer. Viele Kommunisten und Sowjetfunktionäre und (vermeintliche) Kollaborateure wurden von den Nazis und ihren estnischen Helfern umgebracht. Zu denOpfern zählen auch die Russen, die die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs aus anderen Teilen der Sowjetunion als Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter nach Estland brachten. Viele überlebten die Zeit nicht.

Mit der Rückeroberung Estlands durch die Rote Armee 1944 kehrte der stalinistische Terror ins Baltikum zurück. Die sowjetische Politik zielte zwischen 1945 und 1980 auf die planmäßige und massenhafte Ansiedlung slawischsprachiger Bürger aus anderen Teilen der Sowjetunion in estnische und lettische Städte.

Den früheren Einwohnern der Stadt Narva war es verboten, in ihre Stadt zurückzukehren. Narva wurde im Stil der sowjetischen Stadtplanung wieder aufgebaut und ebenso die die nordostestnischen Städte Kohtla-Järve und Sillamäe fast ausschließlich mit Russen neubesiedelt. Um Platz für die Ansiedlung von Russen in Tallinn zu schaffen, errichteten die sowjetischen Planer die Trabantensiedlungen von Mustamäe, Väike-Oismäe und Lasnamäe. Sie wurden weitgehend Schlafstädte im Plattenbaustil, vor allem in Mustamäe und Lasnamäe mit mangelnder Infrastruktur. Hinzu kam eine große Zahl sowjetischer Militärangehöriger, die in Estland stationiert wurden. Viele blieben auch nach Pensionierung in der Estnischen SSR, die einen höheren Lebensstandard als andere Teile der Sowjetunion aufzuweisen hatte.

Die die Deportation der Estland und die Ansiedlungspolitik Moskaus erhöhte sich die Anzahl der Russen in Estland von acht Prozent 1940 auf vierzig Prozent 1990. Russisch wurde neben Estnisch de facto Amtssprache in der Estnischen SSR Die Russen leben hauptsächlich in den Städten Narva, Kohtla-Järve und Sillamäe, wo sie die Mehrheit stellten, sowie in der Hauptstadt Tallinn. Daneben gibt es die autochtonen Dörfer der Altgläubigen am Westufer des Peipusssees.

Im freien Estland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Wiederlangung der estnischen Unabhängigkeit 1991 wurde Estnisch wie vor der sowjetischen Besetzung 1940 alleinige Amts- und Verwaltungssprache. Die Republik Estland setzte de facto auch ihr altes Staatsangehörigkeitsgesetz aus der Zwischenkriegszeit in Kraft. Estnischer Staatsangehöriger war danach, wer von einem Vater oder einer Mutter mit estnischem Pass abstammte (Abstammungsprinzip, ius sanguinis). Die zwischen Juni 1940 und August 1991 nach Estland gezogenen Russen, Ukrainer und Weißrussen erhielten zwar eine Aufenthaltsgarantie, nicht aber automatisch die estnische Staatsangehörigkeit. Sie können sich in Estland einbürgern lassen, wenn sie Grundkenntnisse der estnischen Sprache und der estnischen Geschichte nachweisen. Von dieser Möglichkeit haben seit 1991 XXXX Gebrauch gemacht.

Andere in Estland lebende Russen haben für die Staatsangehörigkeit eines der GUS-Staaten optiert, insbesondere für die russische oder die ukrainische. Heute gibt es noch XXX Menschen, die keine der beiden Möglichkeiten gewählt haben. Sie besitzen einen Staatenlosen-Pass. Allerdings genießen sie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Estland, brauchen aber für Reisen in die meisten Länder ein Visum. Seit XXX gilt im estnischen Staatsangehörigkeitsrecht das Ius soli-Prinzip. Danach erhalten alle nach XXX in Estland geborene Kinder auf Antrag beider Eltern automatisch die estnische Staatsangehörigkeit. Dies soll die Zahl der Staatenlosen weiter vermindern.

Während bei estnischen Kommunalwahlen jeder Einwohner Estlands ungeachtet der Staatsangehörigkeit das aktive und passive Wahlrecht genießt, sind bei den Wahlen zum estnischen Parlament (Riigikogu) nur estnische Staatsangehörige wahlberechtigt.

Alle in Estland lebenden Menschen genießen uneingeschränkt das Recht auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Das estnische Schulsystem ist weiterhin zweigeteilt. Es gibt daher estnischsprachige und russischsprachige Schulen. Allerdings ist in allen russischsprachigen Schulen Estnisch verpflichtendes Lehrfach.

Mit der Wiederlangung der estnischen Unabhängigkeit kam es auch zum erneuten Schisma in der estnischen Orthodoxie. Die orthodoxen Gläubigen in Estland hatten sich 1923 dem Patriarchen von Konstantinopel unterstellt, die Zuwanderer aus der Sowjetunion nach 1940 jedoch weiterhin dem Patriarchen von Moskau. Während der sowjetischen Besetzung Estlands wurde der gesamte orthodoxe Kirchenbesitz allerdings dem Patriarchen von Moskau unterstellt. Die endgültige Aufteilung der orthodoxen Gotteshäuser und des Kirchenvermögens bleibt weiterhin Streitpunkt zwischen beiden Kirchen. Zu den berühmtesten Russen aus Estland gehörte der frühere Moskauer Patriarch Alexei II. (XXX-XXX), der in Tallinn unter dem Namen Alexei Rüdiger geboren wurde.

Die Integration der russischsprachigen Bevölkerung in Estland stellt die Regierung weiterhin vor große Herausforderungen. Sie hat dazu XXX gegründet. Esten und Russen leben allerdings weiterhin mehr nebeneinander als miteinander. Die Russen haben ihre eigenen Medien und Clubs. Beide Volksgruppen gehen im sozialen Umfeld oft getrennte Wege.

Die Spannungen entluden sich vor allem am sogenannten Denkmalsstreit. Im XXX kam es in Tallinn zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen russischsprachigen Jugendlichen und der estnischen Polizei. Auslöser war die Verlegung eines sowjetischen Ehrenmals, das an zentraler Stelle vor der Estnischen Nationalbibliothek an die Befreiung Tallinns durch die Rote Armee 1944 erinnerte. In der Verlegung des Denkmals auf einen sowjetischen Soldatenfriedhof durch die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Ansip sahen Teile der russischsprachigen Bevölkerung einen Angriff auf ihr Geschichtsverständnis. Vor allem die historische Bewertung des sowjetischen Besetzung Estlands, die die Grundlage für die Ansiedlung der russischen Bevölkerung in Estland darstellt, und die Stellung der russischen Sprache in Estland spalten Russen und Esten weiterhin.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. der Ausdruck bezeichnete damals nur den Norden des heutigen Estland; das heutige Südestland gehörte damals zu Livland.