Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Luisenstädtischer Kanal

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. Juni 2005 um 10:06 Uhr durch Geos (Diskussion | Beiträge) (Lesenswert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Datei:Stmichaelskirche.JPG
Luisenstädtischer Kanal mit dem Engelbecken und der St.-Michaels-Kirche im Hintergrund, von der Waldemarstraße aus fotografiert

Der Luisenstädtische Kanal in der Luisenstadt in den Berliner Stadtteilen Kreuzberg und Mitte wurde 1852 als Wasserweg eröffnet, der den Landwehrkanal mit der Spree verband. 1926 wurde er teilweise zugeschüttet und in eine Gartenanlage umgestaltet. Mit dem Mauerbau 1961 verlief bis 1989 entang des nördlichen Teils des Kanals die Berliner Mauer. Seit 1991 wird die Gartenanlage rekonstruiert, die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen (Stand: April 2005).

Planung

1825 erstellte Oberbaurat Johann Carl Ludwig Schmid einen Bebauungsplan für das Köpenicker Feld, den Südteil der Luisenstadt. Schon in diesen ersten Planungen, die nie realisiert wurden, war ein Nord-Süd-Kanal zur Entwässerung und als Wasserweg vorgesehen. Nachdem 1840 Friedrich Wilhelm IV. preußischer König wurde, wurden die städtebauliche Planung Berlins dem Landschaftsarchitekten und Stadtplaner Peter Joseph Lenné übertragen.

Aufbauend auf Schmids Plänen konzipierte Lenné den Entwurf eines Bebauungsplanes, der die Flächenbedarfe von Industrie- und Eisenbahnflächen besser berücksichtigte und sozial ausgewogener sein sollte. Er wollte den Landwehrkanal schiffbar machen und den schon bei Schmid vorgesehenen Verbindungskanal vom Landwehrkanal zur Spree übernehmen. Für Lenné hatten die sozialen Aufgaben der Stadtplanung einen hohen Stellenwert - Grünflächen zur Naherholung und Straßen und Plätze mit hohem Aufenthaltswert betrachtete er als notwendig für ein funktionierendes Stadtquartier.

Ganz in diesem Sinne sollte der Luisenstädtische Kanal mehr als nur ein Wasserweg sein, er sollte vielmehr als ein als Schmuckzug gestalteter Straßenzug die gestalterische Mitte des neuen Stadtviertels bilden. So legte Lenné entsprechend Verlauf und Gestaltung des Luisenstädtischen Kanals in seinem 1839/40 veröffentlichten Werk Projektirte Schmuck und Grenzzüge von Berlin mit nächster Umgebung fest.

Verlauf

Der Kanal beginnt am damaligen Urbanhafen und verläuft in nordöstlicher Richtung parallel zum Straßenraster. Gegliedert wird der Kanal durch den Wassertorplatz, an dem sich ein kleineres Becken befand, den Oranienplatz, die gusseiserne Waldemarbrücke im Zuge der Waldemarstraße und ein größeres Wasserbassin, das Engelbecken. Benannt wurde es vermutlich nach dem Erzengel St. Michael. In der Flucht des Kanals steht an der Stirnseite die St. Michaels-Kirche, heute infolge des Zweiten Weltkrieges eine Ruine. Am Engelbecken zweigt der Kanal rechtwinklig nach Osten ab und verläuft dann im Bogen nach Nordosten zur Spree.

Die markante Linienführung mit den rechtwinkligen Biegungen am Urbanhafen und am Engelbecken war aus Sicht der Schifffahrt wenig sinnvoll, sondern vor allem dem Städtebau geschuldet. Der Kanal entstand zusammen mit den an seinen Uferstraßen errichteten spätklassizistischen Gebäuden und bildete mit ihnen auch ein städtebauliches Ensemble. Er ist insofern von stadtplanerischer Bedeutung, als es sich hier um den einzigen gelungenen Versuch in Berlin handelt, Wasser als städtebauliches Gestaltungselement zu nutzen.

Bau

Der Bau des Luisenstädtischen Kanals begann 1848, zwei Jahre nach Fertigstellung des Landwehrkanals. Der Kanal sollte als Transportweg für Baumaterial dienen, als Stadtentwässerung und die Überschwemmungen der Spree kanalisieren. Vor allem aber diente der Bau als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, rund 5.000 Arbeiter waren damit ohne größere technische Hilfsmittel beschäftigt. Im Oktober 1848 kam es zu blutigen Ausschreitungen der Arbeiter aus Furcht, ihre Arbeitsplätze an Baumaschinen zu verlieren.

Der Kanal hat eine Länge von 2,3 Kilometer, eine Breite von 22,5 Meter und bei mittlerem Wasser war er 1,5 Meter tief. Die für Berlin untypischen Klinker-Ufermauern überragten den Wasserspiegel um rund drei Meter. Er wies nur eine minimale Steigung auf und war für Schiffe bis zu einer Tragfähigkeit von 175 Tonnen schiffbar. Die Uferpromenade wurde mit Kaiserlinden bepflanzt.

Grünanlage

Barths Kunstgriff

Datei:Luisenstaedtischerkanal1928.jpg
Der Luisenstädtische Kanal 1928

Der Kanal wurde am 15. Mai 1852 eröffnet. Eine große Bedeutung für die Wasserwirtschaft hat er nie erlangt. Aufgrund des kaum vorhandenen Verkehrs und des geringen Gefälles stand das Wasser im Kanal, was zu starken Geruchsbelästigungen für die Bevölkerung geführt hat. Aus diesen Gründen beschloss der Berliner Magistrat am 16. Januar 1926, den Kanal wieder verfüllen zu lassen - auch bei dieser Maßnahme handelte es sich um ein Programm zur Arbeitsbeschaffung. Zur Verfüllung des Kanals wurde Aushubmaterial vom Bau der Gesundbrunnen-Neukölln-U-Bahn (GN-Bahn, heute U 8) verwendet, deren Bauarbeiten in der nahen Reichenberger Straße, am Moritzplatz und in der Neanderstraße (heute Heinrich-Heine-Straße) im Gang waren.

Im Sinne von Lennés Vorstellung wohnortnahen Grüns für den dicht besiedelten Stadtteil wurde der Kanal unter Leitung des frisch ernannten Stadtgartendirektors von Groß-Berlin, Erwin Barth und Leo Kloss zu einer Grünfläche umgestaltet. Die Schwierigkeit einer lang gezogenen und nur 22 m breiten Grünfläche löste er mit einem Kunstgriff: er ließ den Kanal nicht bis zum Straßenniveau verfüllen, sondern nur bis knapp über die ursprüngliche Wasserlinie. Die Ufermauern aus Backsteinen blieben erhalten und Barth ließ ihnen Brüstungen aufmauern. Um die Grünanlage abwechslungsreich zu gestalten, teilte er sie in zehn Abschnitte mit eigenständigem Charakter auf. Er schuf Sitzecken, Veranden, Kinderspielplätze und Brunnen, sogar schmale Wasserrinnen - das Thema Wasser war bestimmend für Barths Planungen. Dazwischen gab es befestigte Wege, Rasenflächen, Blumenbeete, Blütensträucher, Gehölze und verschiedene Ziergärten mit Dahlien- Rosen-, Wald- und Alpenpflanzungen.

Das Engelbecken blieb als Wasserfläche erhalten, rundherum entstanden Laubengänge, im Becken selbst gab es sechzehn Fontänen, die abends illuminiert wurden. Die Grünanlage wurde 1932 fertig gestellt - aus Kostengründen aber nicht im ursprünglich geplanten Umfang. Insbesondere der südliche Abschnitt entsprach nicht vollständig den ursprünglichen Planungen.

Nachkriegszeit

Datei:Luisenstaedtischerkanal.jpg
Der Luisenstädtische Kanal 2000

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste viel Schutt aus der Stadt entfernt werden und man versuchte neben der Aufschüttung mehrerer Trümmerberge, soviel wie möglich in der Stadt abzulagern. Deshalb wurden die tiefer gelegenen Teile des Kanals mit Trümmerschutt verfüllt.

In der Nachkriegszeit verlief zwischen der Spree und der Waldemarstraße südlich des Kanals (auf Westberliner Seite) die Grenze zwischen Ost- und Westberlin, der südlich der Waldemarstraße gelegene Teil gehörte zu Westberlin. Im Zuge des Mauerbaus 1961 wurden der Kanal und das Becken komplett verfüllt und planiert, auf der Fläche entstand der Todesstreifen der Berliner Mauer.

Für die Internationale Bauausstellung (IBA) 1984 in Kreuzberg wurde der südliche Teil der Gartenanlage wieder hergestellt und in die Form gebracht, die er auch heute noch weitgehend hat.

Kurz nach dem Mauerfall 1989 und der Wiedervereinigung Berlins gab es Bestrebungen, die beiden Hälften des Luisenstädtischen Kanals wieder zu vereinheitlichen und die alte Gestaltung der Vorkriegszeit wieder herzustellen. Im Rahmen von gartenarchäologischen Untersuchungen wurden Probebohrungen vorgenommen, und unerwartet wurde festgestellt, dass die Kaimauern und die Gartenanlagen nur wenig beschädigt waren; sogar Reste der Vegetation waren zu finden. Seit 1991 wird die Grünanlage unter Leitung des Büros Schumacher wieder hergestellt und wird seitdem in Abschnitten der Öffentlichkeit übergeben. Im April 1993 wurde der immergrüne Garten wieder eröffnet und im Juni 1995 der Rosengarten zwischen Engelufer und Waldemarbrücke. 1999 begann man mit der Ausbaggerung des Engelbeckens. Wegen Finanzierungsproblemen kam die Rekonstruktion des Engelbeckens seitdem ins Stocken, das Becken ist teilweise mit Regenwasser voll gelaufen. Der Luisenstädtische Kanal ist als schützenswertes Gartendenkmal in die Landesdenkmalliste Berlins aufgenommen.

Literatur

  • Herbert Schwenk: Lexikon der Berliner Stadtentwicklung, Haude & Spener Verlag Berlin 2002, ISBN 3775904727
  • Werner Natzschka: Berlin und seine Wasserstraßen, Duncker & Humblodt Verlag Berlin, 1971, ISBN 3428023749