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Edignalinde

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Die Edignalinde

Die Edignalinde (auch Tausendjährige Linde genannt) ist eine Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) auf dem Friedhof neben der Kirche Sankt Sebastian in Puch, einem Stadtteil von Fürstenfeldbruck. Sie ist nach unterschiedlichen Schätzungen 500 bis 1200 Jahre alt und als Naturdenkmal ausgewiesen. Der Name stammt von Edigna, der Tochter Heinrichs I. von Frankreich, die hier im 11. Jahrhundert auf der Flucht vor ihrer Eheschließung Unterschlupf gesucht hat. Sie hat angeblich als Eremitin im Inneren des hohlen Baumes 35 Jahre lang gelebt und dabei Ruhe, Seelenfrieden und die Erfüllung ihres Lebens gefunden. Von der Linde gibt es zurück bis ins 17. Jahrhundert zahlreiche Abbildungen, wobei Edigna meist erhöht über ihr im Himmel oder im hohlen Stamm sitzend dargestellt wird.

Standort

Nordansicht

Puch liegt drei Kilometer nordwestlich von Fürstenfeldbruck und etwa 25 Kilometer westlich von München. Die Linde steht in der Ortsmitte auf etwa 550 Meter Höhe über Normalnull neben der Kirche Sankt Sebastian. Der Abstand ist so gering, dass Äste der Linde die Kirche berühren. Nördlich führt die Bundesstraße 2 vorbei, südlich die Staatsstraße nach Landsberg am Lech. Puch und die Linde liegt auf einem Altmoränenwall aus der Risseiszeit.

Beschreibung

Zeichnung der Edignalinde aus dem Jahre 1883 – Th. Grätz, in Gartenlaube

Von der ursprünglichen Linde ist nur noch ein Teil des Stammes vorhanden, die einstige Hauptkrone, gebildet durch mehrere Hauptäste, besteht nicht mehr. Der Stamm ist zerfallen, so dass seine frühere Größe nicht mehr erkennbar ist. Nachdem ein Teil des Stammes 1947 gefällt wurde, fehlt auch der Hohlraum, in dem angeblich Edigna lebte; innere Stammteile wurden zur Außenschicht. Der verbliebene Stamm ist stark gefurcht und zeigt deutliche Altersnarben. Von sechs Meter Höhe bis zum Boden ist er mit Knollen, Beulen und Wucherungen übersät. Trotz des hohen Alters brachen aus dem verbliebenen Stamm bis zu 20 Meter hohe junge Triebe hervor, die im Sommer dicht belaubt sind.[1] Diese Sekundärkrone hat einen Durchmesser von 17 Metern.[1]

Stammumfang

Der Reststamm der Linde ist, bedingt durch die eingewachsene Kapelle, schwer messbar. Er hatte im Jahre 2005 einen Umfang von ungefähr 10,5 Metern.[1] Hans Joachim Fröhlich, Initiator des Kuratoriums Alte liebenswerte Bäume in Deutschland gab im Jahre 1990 einen Stammumfang von neun Metern an, auf 1,3 Meter Höhe gemessen.[2] Die Linde liegt mit diesen Maßen nach dem Deutschen Baumarchiv, dem der Stammumfang in einem Meter Höhe als wichtigstes Auswahlkriterium dient, über dem unteren Grenzwert der national bedeutsamen Bäume (NBB).[3] Eine Zeichnung der Linde aus dem Jahre 1883 zeigt, dass der Stamm damals, obwohl schon halb zerfallen, viel dicker war.[4]

Alter

Da das älteste Holz aus dem Zentrum des Stammes fehlt, ist weder eine Jahresringzählung[5] noch eine Radiokohlenstoffdatierung[6] möglich. Das tatsächliche Alter der Linde kann deshalb nur grob geschätzt werden. Ein Vertreter des Deutschen Baumarchivs schätzte im Jahr 2008 ihr Alter auf 500 bis 700 Jahre[3]; mehrmals wurde aber auch ein Alter von etwa 1000 [7][2] oder 1200 Jahren[4][1] vermutet. Damit wäre sie eine der zehn ältesten Linden in Deutschland.[8]

Umgebung

Edignalinde im Jahre 1900

Ein etwa 1,5 Meter hoher Eisenzaun umgibt stammnah die Linde, an der ein Glasbehälter für Andachts- und Opferkerzen steht. Daneben befindet sich in einem kleinen Häuschen, ähnlich einer Kapelle, eine bemalte Holzfigur der seligen Edigna. Die Linde hat einen Teil dieser Kapelle umschlossen, so dass beide wie zusammengewachsen erscheinen. An der Südseite der Linde befindet sich ein großes Holzkreuz mit Jesus von Nazaret, welches auf einer Steinmauer steht. Auf einer im Jahre 1969 an der Kapelle angebrachten Tafel, die inzwischen teilweise vom Stamm der Linde überwachsen ist, steht folgende Inschrift:

Edigna-Linde
„Tausendjährige Linde“
Im hohlen Stamm dieser Linde (und in
der klause daneben) lebte (1074–1109)
die selige Edigna
Tochter Kaiser Heinrich I. v. Frankreich
Förderverein Puch 1969

Geschichte

Ankunft der Edigna im 11. Jahrhundert in Puch – Kupferstich von Raffael Sadler

Nach der Legende kam Edigna, Tochter des französischen Königs Heinrich I. und der Prinzessin Anna von Kiew, auf ihrer Flucht mit ihrem Ochsenkarren im Jahre 1074 durch den Ort Puoche, heute Puch. Die Ochsen blieben unterhalb der Anhöhe Puchs, auf der sich schon damals eine Kapelle und eine Linde befanden, stehen. Zudem soll der Hahn, den sie dabei hatte, gekräht haben und die Glocke in ihrem Gepäck ohne menschliches Zutun geläutet haben. Sie sah darin ein Zeichen Gottes, ließ sich dort 35 Jahre lang nieder und richtete sich im hohlen Stamm der Linde eine Wohnung ein. [9]

Westansicht

Eine Kirche wurde neben der Linde auf den Fundamenten eines älteren Gotteshauses gebaut. Die Linde wurde nach dem Tod Edignas 1109 auf ihren Namen geweiht. Der überlieferte Todestag der heiligen Edigna, der 26. Februar, wurde zum offiziellen katholischen Gedenktag Edigna erhoben.[10] Einer Legende zufolge „floss bald nach ihrem Tod ein heiliges Öl aus der Linde, das versiegte, als man es aus Gewinnsucht verkaufen wollte.“[10] Ebenso sollen Blätter der Linde, die zur Mitternachtsstunde gepflückt werden und mit denen die Milchgeschirre gereinigt werden, eine wundersame Eigenschaft haben. Die Milch setzt in den gereinigten Töpfen angeblich doppelt so viel Rahm an wie üblich.[4] Am Gedenktag der Edigna finden seit 1959 alle zehn Jahre die Edigna-Festspiele statt, wobei in einem Theaterstück ihr Leben und Wirken dargestellt wird. Die letzten Festspiele fanden im Jahre 2009 zum 900. Todestag Edignas statt.[11]

Südseite
Ostseite

Die Gebeine Edignas wurden etwa um 1600 erhoben und hinter Glas dem Volke zur Schau gestellt. Aus den umliegenden Dörfern setzten Wallfahrten ein. Elisabeth von Lothringen, die erste Gemahlin Maximilians I. von Bayern, unternahm bis zu ihrem Tode im Jahre 1633 jährlich eine Wallfahrt nach Puch. Die Wallfahrer brachen oft Blätter und Zweige ab, so dass die Linde im 19. Jahrhundert durch einen Lattenzaun geschützt werden musste. Eine Beschreibung der Linde aus dem Jahre 1874 findet sich in der statistischen Beschreibung des Erzbistums München-Freising:[12]

„Noch steht vor der Kirche die alte Linde, ein starker, in zwei Hauptästen sich verzweigender Stamm, in größtem Umfang 33fi Fuß messend, etwa 50–60' [Fuß] hoch. Ein Teil des Stammes ist ganz hohl, so dass man sich in selbem verbergen kann. Wohl zwölf Wallfahrtszüge kommen alljährlich hierher, worunter auch einer der Tändlerinnen in München. Es finden sich dort viele Votivtafeln. Bemerkenswert ist das Bild auf dem Edigna-Altare von Barth in München, dann die Reliquien der Heiligen, teils auf demselben Altare, teils in einem Ostensorium, besonders auch die Monstrans mit der Darstellung Edignas in ihrer Baumwohnung, deren Zweige das Allerheiligste in ihrer Mitte tragen. Noch jetzt zeigt man die Glocke in der Kirche; sie ist ohne den hölzernen Griff 5" [Zoll], mit demselben 10" hoch.“

Im Jahre 1880 brach bei einem Unwetter einer der beiden großen Hauptäste ab. Die verbliebene Krone wurde um die Jahrhundertwende mit Holzbalken gestützt. Im Jahre 1909 wurde berichtet, dass der Baum durch Untermauerungen gestützt wurde. 1947 wurde der morsche Teil des Stammes gefällt. Die Linde wurde 1983 als Naturdenkmal ausgewiesen und ist bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Fürstenfeldbruck gelistet.[13] Beim Bayerischen Landesamt für Umwelt ist die Linde mit der Bezeichnung ND-00702 gelistet.[14] Noch Mitte des 20. Jahrhunderts gaben Bauern dem Vieh geweihtes Laub der Edignalinde zu fressen. Die Wallfahrten zur Linde haben im ausgehenden 20. Jahrhundert etwas nachgelassen. Jährlich kommen noch drei Pfarrgemeinden aus der Umgebung zu Edigna und zur Linde.

Literatur

  • Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5.
  • Michel Brunner: Bedeutende Linden: 400 Baumriesen Deutschlands. Haupt Verlag AG, Bern/Stuttgart/Wien 2007, ISBN 978-3-258-07248-7.
  • Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3.
  • Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Cornelia Ahlering Verlag, Buchholz 2000, ISBN 3-926600-05-5.
  • Hans Joachim Fröhlich: Band 2, Bayern. In: Wege zu alten Bäumen. WDV-Wirtschaftsdienst, Frankfurt 1990, ISBN 3-926181-09-5.
  • Brigitta Klemenz (Hrsg.): Edigna zu Puch. Festschrift aus Anlaß der 5. Edigna-Festspiele. Fürstenfeldbruck 1999.
  • Ekkart Sauser: Edignalinde. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 16, Bautz, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-079-4, Sp. 431–432.
  • Friedrich Stützer: Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild. Piloty & Löhle, München 1900.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 45.
  2. a b Hans Joachim Fröhlich: Band 2, Bayern. In: Wege zu alten Bäumen. WDV-Wirtschaftsdienst, Frankfurt 1990, ISBN 3-926181-09-5, S. 156.
  3. a b Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5, S. 295.
  4. a b c Michel Brunner: Bedeutende Linden: 400 Baumriesen Deutschlands. Haupt Verlag AG, Bern/Stuttgart/Wien 2007, ISBN 978-3-258-07248-7, S. 84.
  5. Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 22.
  6. Michel Brunner: Bedeutende Linden: 400 Baumriesen Deutschlands. Haupt Verlag AG, Bern/Stuttgart/Wien 2007, ISBN 978-3-258-07248-7, S. 316.
  7. Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 308.
  8. Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5.
  9. Ekkart Sauser: Edigna von Puch. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), 26. Februar 2002, abgerufen am 6. April 2009.
  10. a b Uwe Kühn, Stefan Kühn, Bernd Ullrich: Bäume die Geschichten erzählen. BLV Verlagsgesellschaft, München 2005, ISBN 3-405-16767-1, S. 112.
  11. Edigna-Spiele 2009 zum 900. Todestag. Edigna in Puch, abgerufen am 5. April 2009.
  12. Friedrich Stützer: Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild. Piloty & Löhle, München 1900, S. 157.
  13. Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 47.
  14. Grüne Liste Naturdenkmale. Bayerisches Landesamt für Umwelt, 17. März 2009, abgerufen am 4. April 2009 (Excel-Datei: 1,0 MB).

Koordinaten: 48° 11′ 14,6″ N, 11° 13′ 16″ O