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St. Michael (Berlin-Mitte)

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Die 1851 erbaute Sankt-Michaelskirche gehört neben der 17471773 erbauten Sankt-Hedwigskathedrale zu den ältesten katholischen Berliner Kirchbauten und wurde während des Zweiten Weltkriegs teilweise zerstört. Theodor Fontane bezeichnete sie in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" als Berlins schönste Kirche. Die auf der Grenze zwischen Berlin-Mitte und Kreuzberg gelegene Kirche gilt als eine brillante Umsetzung des für Karl Friedrich Schinkel typischen Rundbogenstils durch seinen Schüler Johann August Carl Soller. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Datei:Stmichaelskirche.JPG
Luisenstädtischer Kanal mit dem Engelbecken und der Sankt-Michaelskirche im Hintergrund, von der Waldemarstraße aus fotografiert

Lage

Datei:Karte Michaelskirche2.JPG
Die Sankt-Michaelskirche im Pharus-Plan Berlin von 1902 ist mit dem Pfeil markiert. Der rote Streifen zeigt den späteren Mauerverlauf, der grüne Punkt die Lage der West-Berliner Sankt-Michaelskirche

Die Sankt-Michaelskirche liegt auf dem Michaelkirchplatz am Engelbecken, das zum Luisenstädtischen Kanal gehört. Nachdem der 1926 teilweise zugeschüttete Kanal, durch dessen Rundbogen bis zur Wende die Berliner Mauer verlief, wieder zur Grünfläche und Flanierstrecke umgewandelt wurde, bot sich aus südlicher Richtung ein wunderbarer Ausblick zur Sankt-Michaelskirche. Doch erst der Fall der Mauer öffnete die Sichtachse wieder, so dass die Kirche heute ihre ursprüngliche städtebauliche Idee wieder erfüllt und den Akzentpunkt des Luisenstädtischen Kanals bildet. Vom Michaelkirchplatz zur Spree über die sehr alte Köpenicker Straße verläuft die Michaelkirchstraße. In unmittelbarer Nähe stehen das ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Verbandshaus der Gewerkschaften und das St.-Marien-Stift. Der Michaelkirchplatz gehört zum Stadtbezirk Berlin-Mitte.

  • Adresse: Michaelkirchplatz 15, 10179 Berlin
  • Verkehrsverbindung: Bus 147 oder U8 Heinrich-Heine-Straße
Datei:GrundrissMichaelskirche4.JPG
Historischer Grundriss der Sankt-Michaelskirche: Schön zu sehen ist die dreischiffige Langhalle, die in die drei halbrunden Altarnischen (Apsis) mündet. Hellblau ist der neu eingelassene Flachbau markiert. Zwischen Flachbau und Querschiff ist auf der Höhe des zweiten Geschosses ein kleiner Lichthof.
Datei:KissMichael.jpg
Der Erzengel Michael von August Kiss

Architektur

Aussehen

Die dreischiffige Backsteinkirche ist 55 m lang und 30 m hoch. Die drei Langschiffe werden jeweils durch eine Apsis abgerundet, was eher ungewöhnlich ist. In den zwei Seiten-Apsiden standen früher ein Marien- und ein Josefsaltar. In der mittleren Apsis befand sich ein Bild des Erzengels Michael im Kampf mit Luzifer in Drachengestalt und im Halbrund darüber Christus als Pantokrator. Heute sieht man in der Kirche nur wenige nach der Restaurierung wiederhergestellte Verzierungen und Bilder.

Überragt wird die Kirche noch heute von der 56 m hohen Bronzekuppel, die auf dem mit Rundbogenarkaden verzierten Tambour thront, der sich über die Vierung erhebt. Auf den Eckpfeilern der Vierung standen vor der Zerstörung Statuen der vier Evangelisten auf hohen Postamenten.

Das Querschiff ist mit Tonnengewölben überdeckt. Die Kirche ist eine Hallenkirche, das heißt, die drei Langschiffe waren vor der Zerstörung gleich hoch. Soller plante die Kirche zwischenzeitlich als Zentralbau. Diese Idee übernahm er in der Basilika und überkuppelte jedes einzelne Joch, so dass es als Folge aneinander gereihter Zentralbauten erschien.

Über der turmlosen Frontseite befindet sich ein Glockengeschoss mit drei Rundbogenfenstern. Der Bau ist mit Strebepfeilern, Friesen und Figuren und zweifarbigen Backsteinen verziert. Infolge der Zerstörung finden die Gottesdienste heute im Querschiff statt, wobei der östliche Seiteneingang nun der Haupteingang ist, über dem sich die Sauerorgel auf der Orgelempore auftut. Das Westende des Querschiffs dient als Chorersatz, hier steht der Altar. In den Langbau ist heute ein zweigeschossiger Flachbau eingelassen, der bis zur letzten Säule vor dem Querbau reicht. Der Rest des zerstörten Langbaus ist heute ein Garten.

Architektonische Einordnung

Die Kirche gilt als gelungene Synthese zwischen klassizistischer und mittelalterlicher Architektur. In historistischer Manier bedient sich Soller vielfältig vergangener Stilepochen. Stilprägend sind jedoch vor allem norditalienische Kirchen aus Padua und Venedig aus der Zeit des Mittelalters und der Renaissance. Soller unternahm 1845, unmittelbar vor seinen ersten Entwurfsarbeiten, eine fünfmonatige Studienreise nach Italien. Venedig war ihm auch für das Zusammenspiel von Wasserfläche und Architektur Inspiration. Die Fassade mit dem filigranen Erzengel an der Spitze erinnert an die venezianische Kirche San Giorgio Maggiore. Der Grundriss hingegen, mit seinen drei Apsiden und dem ausgedehnten Langhaus, orientiert sich stark an der Kirche San Salvador in Venedig. Die Verbindung von Zentralbau und Langhaus war entwicklungsgeschichtlich bedeutsam für mehrere Berliner Nachfolgebauten der zweiten Generation der Schinkelschule. Die Kirche traf den Nerv der Zeit, selbst Kritiker der Schinkelschule erkannten ihre gelungene Ausführung an.

Geschichte

Planung (1846–1850)

Datei:Michaelskirche1880.JPG
Sankt-Michaelskirche 1880 vor der Zerstörung
Datei:St.Michaelseite.JPG
Sankt-Michaelskirche von der Seite, mit der Kuppel
Datei:Sollertafel.jpg
Grabinschrift des in der Kirche beigesetzten August Soller

Der protestantische König Friedrich Wilhelm IV. genehmigte den Bau der zweiten katholischen Kirche Berlins, die am Anfang vor allem als Garnisonskirche geplant war. Sie sollte den in Berlin lebenden katholischen Soldaten eine religiöse Heimat geben und die Sankt-Hedwigskathedrale entlasten. Die ersten Entwürfe für die Kirche fertigte Soller schon im Jahre 1846 an. Durch eine geplante Doppelturmfront brachte Soller gotische Elemente in den Entwurf ein, auf die er später wieder verzichtete. Auch den Plan, die Kirche als Zentralbau zu entwerfen, verwarf er später. Durch den Verzicht auf die Doppeltürme an der Front fehlte der Kirche nun ein weit sichtbarer baulicher Akzent. Diesen konnte das ursprünglich, statt der Kuppel geplante, geometrisch strenge Oktogonzeltdach nicht bieten. So entschied sich Soller 1848 den Wünschen Friedrich Wilhelms IV. und den damaligen architektonischen Vorlieben entsprechend für den Kuppelbau mit dem langgezogenen Tambour.

Bau (1851–1859)

Der Weihung der Kirche auf den Erzengel Michael geht auf den architekturinteressierten König Friedrich Wilhelm IV. zurück, der schon die Michaelstraße (heute: Michaelkirchstraße) benannt hatte und so die Baukommision zu dem Entschluss brachte, auch die Kirche nach dem Erzengel Michael – dem Schutzpatron des Kriegsheeres – zu taufen. Drei Jahre vor der Fertigstellung des Baus im Jahre 1856 starb Soller und wurde in der von ihm entworfenen Kirche beigesetzt. Nachdem die Finanzierung der Kirche zwischenzeitlich ins Stocken geraten war, vollendeten Andreas Simons, Richard Lucae und Martin Gropius den Bau in seinem Sinne. Die Michaelfigur auf der Eingangsfassade stammt von August Karl Eduard Kiss (* 1802, † 24. März 1865). Sie ist jedoch eine Replik und wurde nicht speziell für die Sankt-Michaelskirche entworfen.

Von der Militär- zur Zivilgemeinde

Nach Einweihung der Kirche 1861 wurde eine Militärgemeinde für 3000 katholische Soldaten gegründet. Zwei Jahre später kam eine Zivilgemeinde hinzu, die immer mehr wuchs, bis die Kirche 1877 schließlich ganz in deren Besitz überging. 1888 wurde die Zivilgemeinde zur Pfarrei erhoben. Mit der Besiedlung der Umgebung der Kirche, die bei Baubeginn 1851 noch weitgehend Heideland war, prosperierte die Gemeinde. Waren es bei Gründung der Zivilgemeinde noch 6000 Mitglieder, gehörten ihr zur Jahrhundertwende schon 20.000 Katholiken an, die sich Michaeliten nannten.

Soziale Konflikte und soziales Engagement

Die Luisenstadt genannte Gegend um die Sankt-Michaelskirche mit ihren vielen Mietskasernen war damals ein sozialer Brennpunkt. So kam es am 26. Februar 1892 zu Ausschreitungen und Plünderungen durch Arbeitslose, die Geschäfte überfielen. Wohlhabende Gemeindemitglieder bemühten sich um die Gründung von Hilfsvereinen, um die Probleme zu dämpfen. 1888 kamen Marienschwestern aus Breslau in die Gemeinde und gründeten 1909 das Marienstift, das sie bis 1995 betreuten. Zu dem Marienstift gehörten auch soziale Einrichtungen wie eine ambulante Krankenpflege, ein Kindergarten sowie Unterkünfte für Dienstmädchen. Der seliggesprochene Bernhard Lichtenberg war von 19031905 Kaplan an St. Michael. Das soziale Engagement der Kirche wurde 19171926 von Maximilian Kaller ausgebaut. Er band unter dem sogenannten Laienapostolat auch Gemeindemitglieder in die Seelsorgearbeit ein.

Ein Freibad vor der Kirche?

Als der Luisenstädtische Kanal 1926 wieder zugeschüttet wurde, sollte das nach der Michaelfigur auf der Kirche benannte Engelbecken in ein Freibad verwandelt werden. Dies empörte Berlins Katholiken, die durch den bevorstehenden Badespaß vor ihrer Tür die Störung ihrer Andacht fürchteten. Mit Hilfe der Zentrumspartei wurde der Plan im Preußischen Landtag schließlich verhindert und das Engelbecken zu einem Schwanenteich mit Grünanlage ausgebaut.

Kriegszerstörung

Im letzten Kriegsjahr des Zweiten Weltkriegs, am 3. Februar 1945, wurde die Luisenstadt durch Bombenangriffe und Brände schwer zerstört. Die Sankt-Michaelskirche wurde durch Brand- und Sprengbomben schwer getroffen. Dabei wurde auch die Orgel vernichtet, die als eine der schönsten und größten Orgeln in einer katholischen Kirche Berlins galt. Durch den Brand wurde die Innenausstattung größtenteils zerstört. Die Umfassungsmauern und die Kuppel sowie die Front blieben jedoch weitgehend erhalten.

Mit den Gottesdienst wich man nun in das Marienstift aus. Unter dem Pfarrer Franz Kusche wurden die Apsis, die Sakristei und das Querschiff wiederaufgebaut, so dass 1953 erstmals wieder Gottesdienste gehalten wurden. Über dem Altar stand die vielsagende Inschrift „Wer ist wie Gott“, eine Übersetzung des hebräischen Namens Michael. 1957 wurden drei neue Glocken und 1960 nach dem Bau einer Orgelempore eine neue Orgel eingeweiht.

Mauerbau und Teilung der Gemeinde

Datei:FlachbauMichael.jpg
Das Pfarrhaus als neugebauter Flachbau mit Garten

Mit dem Bau der Mauer 1961, der quasi vor der Tür stattfand, wurde die Gemeinde in die Ostmichaeliten und die nun heimatlosen Westmichaeliten zerrissen. Die West-Berliner Gemeinde erhielt eine eigene Sankt-Michaelskirche in der Waldemarstraße (Alfred-Döblin-Platz) direkt am Mauerstreifen, die nach der erhofften Wiedervereinigung dann als Gemeindesaal dienen sollte. Nach der Wiedervereinigung hatten sich jedoch beide Gemeindeteile sehr unterschiedlich entwickelt: Hatten sich die Westmichaeliten der Stadtteilarbeit geöffnet und sich stärker auf jüngere Christen eingestellt, blieben die Ostmichaeliten eher bei traditioneller Seelsorge und Kirchenarbeit. So gehören die Ostmichaeliten heute zur Gemeinde St. Hedwig, die Westmichaeliten zur Gemeinde St.-Marien-Liebfrauen. Das hundertjährige Kirchenweihjubiläum im Oktober 1961 wurde getrennt gefeiert. 1984 zog das Pfarrhaus aus der Michaelkirchstraße aus und in das 19851988 in der Kirchruine als Flachhaus gebaute Pfarrhaus ein.

Nach der deutschen Wiedervereinigung

Datei:St.Michaelskirchevorne.JPG
Die Hauptfassade der Sankt-Michaelskirche von vorne mit der Rundbogennische. Weil das Dach zerstört wurde, ist durch das Portalfenster die Kuppel zu sehen. Darüber das dreifenstrige Glockengeschoss. Ganz unten ist das Mosaik mit der Verkündigung zu sehen. Wegen des überstehenden Eingangs hat es die Zerstörungen teilweise überstanden.


Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde der Glockenturm saniert und die restaurierte Figur des Erzengels Michael wieder auf den Turm gesetzt. Das Mosaik über dem Portal wurden 1999 restauriert. Es stellt den Erzengel Gabriel und Maria bei der Verkündigung da. Dennoch bleibt das Längsschiff bis heute (2004) ohne Dach. Gottesdienste werden im Querschiff abgehalten. Am 7. März 2001 wurde der „Förderverein zur Erhaltung der katholischen Kirche St. Michael Berlin-Mitte e.V.“ gegründet, der die Erhaltung der Kirche und die mit ihr verbundenen Aktivitäten unterstützen soll. Am 31. Oktober 2003 wurde auf Beschluss der Bistums Berlin die Pfarrei St. Michael, die zu diesem Zeitpunkt 800 Mitglieder zählte, aufgelöst und in die Pfarrei St. Hedwig eingegliedert. Die Kirche ist somit keine Pfarrkirche mehr, Gottesdienste finden jedoch noch immer statt. Die Kirche wird neben den deutschen Gottesdiensten auch von einer polnischen Gemeinde für Gottesdienste in polnischer Sprache genutzt.


Gottesdienstzeiten (2004):

  • dienstags: 9:00 Uhr
  • freitags: 18:30 Uhr
  • sonntags: 9:30/18:00 Uhr (polnisch)

Literatur

  • Sabine Bohle-Heintzenberg: Architektur und Schönheit. Die Schinkel-Schule in Berlin und Brandenburg. Transit, Berlin 1997, ISBN 3887471210
  • Frank Eberhardt, Stefan Löffler u. a.: Die Luisenstadt. Edition Luisenstadt, Berlin, ISBN 3-89542-034-9
  • Manfred Klinkott: Die Backsteinbaukunst der Berliner Schule. Gebr. Mann Verl., Berlin, ISBN 3-7861-1438-2
  • Eva Börsch-Supan: Berliner Baukunst nach Schinkel. Prestel-Verlag München, ISBN 3-7913-0050-4

Weblinks