Solow-Modell

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Das Solow-Modell (auch Solow-Swan-Modell) ist eine 1956 von Robert Merton Solow und Trevor Swan entwickelte mathematische Beschreibung (ökonomisches Modell) des Wachstums einer Volkswirtschaft. Es bildet die Grundlage der neoklassischen Wachstumstheorie.

Das Solow-Modell erklärt Wachstum als Prozess der Akkumulation von Kapital hin zu einem langfristigen Gleichgewicht, dem Steady State. Eine Volkswirtschaft, die zu Beginn über wenig Kapital verfügt, wird in dem Modell zusätzliches Kapital ansparen und dadurch wachsen – anfangs mit hohen, mit zunehmender Kapitalakkumulation dann mit niedrigeren Wachstumsraten –, bis das langfristige Gleichgewicht erreicht wird. Im langfristigen Gleichgewicht ist die Wachstumsrate der Pro-Kopf-Produktion Null. Weiteres Wachstum ist nur durch nicht im Modell erklärten, exogenen technologischen Fortschritt möglich.

Das Modell

Annahmen

Die Volkswirtschaft wird im Solow-Modell als eine Aggregatseinheit angesehen (sozusagen als ein einziger Haushalt), die jegliche Produktions- und Konsumaktivität vornimmt. Die Volkswirtschaft besitzt zu jedem Zeitpunkt t gewisse Mengen an Kapital (K(t)), Arbeit (L(t)) und Technologie (T(t)), aus denen zusammen gemäß einer Produktionsfunktion F ein Output Y produziert wird:

.[1]

Das Produkt wird dabei als „effektive Arbeit“ bezeichnet. Für die Produktionsfunktion F wird angenommen, dass sie „neoklassisch“ ist, also folgende drei Eigenschaften aufweist:

  1. Konstante Skalenerträge bzw. Homogenität vom Grad 1 in effektiver Arbeit und Kapital: Werden effektive Arbeit und Kapital jeweils mit einem Faktor multipliziert, so erhöht sich auch die gesamte Produktion um diesen Faktor: .
  2. Die Grenzerträge von Kapital und effektiver Arbeit sind positiv, sinken aber mit zunehmendem Einsatz des jeweiligen Faktors: Wird also beispielsweise mehr effektive Arbeit verwendet, so steigt die Produktion, aber sie steigt weniger, wenn bereits viel effektive Arbeit eingesetzt wird. Mathematisch bedeutet dies, dass die ersten partiellen Ableitungen der Produktionsfunktion nach effektiver Arbeit und Kapital positiv, die jeweiligen zweiten Ableitungen aber negativ sind.
  3. Die sogenannten Inada-Bedingungen[2] müssen erfüllt sein:

In seiner einfachsten Form bezieht sich das Solow-Modell außerdem auf eine geschlossene Volkswirtschaft ohne Staatstätigkeit. Einkommen und Produktion müssen sich in einer solchen Volkswirtschaft entsprechen, die Produktion kann deswegen entweder für Konsum oder für Investitionen ausgegeben werden:

.

Die Investitionen entsprechen im Gleichgewicht außerdem genau dem, was die Volkswirtschaft spart: . In einer geschlossenen Volkswirtschaft ist somit Das Sparverhalten der Volkswirtschaft wird durch eine konstante Sparquote s modelliert: , wobei s zwischen 0 und 1 liegt. Die Volkswirtschaft spart also in jeder Periode einen gewissen Prozentsatz der gesamten Produktion. Diese über die Zeit konstante Sparquote s wird als ein nicht im Modell bestimmter, exogener Parameter angenommen.

Zwei weitere Annahmen betreffen Kapital und Arbeit: Hinsichtlich Kapital wird angenommen, dass in jeder Periode ein gewisser Prozentsatz des bestehenden Kapitals unbrauchbar wird (Abschreibungen), während die arbeitende Bevölkerung mit einer konstanten Wachstumsrate n exponentiell wächst.[3]

Der Wachstumsprozess

Zur Analyse von Volkswirtschaften mit wachsender Bevölkerung und zur besseren Vergleichbarkeit von Volkswirtschaften unterschiedlicher Größe werden die Modellgrößen nicht absolut, sondern pro Kopf ausgedrückt, wobei Kleinbuchstaben für Pro-Kopf-Größen verwendet werden. Man definiert demgemäß:

,

wobei die zweite Gleichung aus der Annahme konstanter Skalenerträge folgt.

Unter der Annahme einer konstanten Technologie T(t) kann dann mit dem Pro-Kopf-Kapital die Pro-Kopf-Produktionsfunktion definiert werden als

.[4]

Diese gibt für jeden Pro-Kopf-Kapitalbestand k an, wie viel Output pro Kopf hergestellt wird. Für die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens ist also der Pro-Kopf-Kapitalbestand entscheidend.

Dessen Entwicklung wird durch drei Faktoren bestimmt:

  1. In jeder Periode spart die Volkswirtschaft einen Teil ihres Pro-Kopf-Einkommens, .
  2. In jeder Periode wird ein Teil des Pro-Kopf-Kapitalstocks k unbrauchbar.
  3. In jeder Periode wächst die Bevölkerung mit einer Rate n, sodass mehr Arbeiter mit Kapital ausgestattet werden müssen, um das Pro-Kopf-Kapital konstant zu halten.

Damit ist die Veränderung des Pro-Kopf-Kapitalstocks jeder Periode gegeben als

.

Wenn positiv ist, wächst der Pro-Kopf-Kapitalstock und damit das Pro-Kopf-Einkommen. Ist negativ, so schrumpfen Pro-Kopf-Kapital und -Produktion. Im langfristigen Gleichgewicht – dem „Steady State“-Niveau der Volkswirtschaft – muss gelten, dass die Investitionen genau den Abschreibungen (unter Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums) des Kapitalmodells entsprechen:

Der Pro-Kopf-Kapitalstock k, der diese Gleichung erfüllt, ist der Steady-State-Kapitalstock der Volkswirtschaft.[5] Die oben genannten Annahmen an die Produktionsfunktion (konstante Skalenerträge, positive, abnehmende Grenzerträge und die Inada-Bedingungen) garantieren die Existenz eines eindeutigen Steady-State-Gleichgewichts.[6]

Abbildung 1: Graphische Darstellung des Solow-Modells

Graphisch kann dies in einem Diagramm mit Pro-Kopf-Kapital auf der horizontalen und Pro-Kopf-Einkommen auf der vertikalen Achse dargestellt werden: f(k) ist gemäß der Annahmen eine konkave Funktion, ebenso die volkswirtschaftliche Sparfunktion sf(k). ist eine Gerade, die angibt, wie viel gespart werden muss, um den Pro-Kopf-Kapitalstock gerade konstant zu halten und wird deswegen auch als Investitionsbedarfslinie oder requirement line bezeichnet. Der Schnittpunkt zwischen Sparfunktion und Investitionsbedarfslinie bestimmt das langfristige Gleichgewichtsniveau (steady state) des Kapitalstocks, bei dem gerade so viel gespart wird, dass der Kapitalstock trotz Abschreibungen und Bevölkerungswachstum konstant bleibt. Wenn dieser Kapitalstock erreicht wird, ist die Wachstumsrate null und Pro-Kopf-Produktion, -Einkommen und -Kapital sind über die Zeit konstant.[7]

Falls das Pro-Kopf-Kapital unter dem langfristigen Gleichgewichtsniveau liegt, wird die Volkswirtschaft wachsen und das langfristige Gleichgewicht schließlich asymptotisch erreichen. Die Wachstumsrate geht dabei mit steigendem Kapitalstock immer weiter zurück – eine Implikation der Annahme, dass die Grenzerträge des Kapitals abnehmen.[8] Das Solow-Modell sagt also voraus, dass, ceteris paribus, Volkswirtschaften mit niedrigerem Pro-Kopf-Kapitalstock schneller wachsen als solche mit hoher Kapitalausstattung.[9]

Änderungen exogener Parameter

Abbildung 2: Effekt einer größeren Bevölkerungswachstumsrate auf das langfristige Gleichgewicht

Der langfristige Steady-State-Kapitalstock wird, wie oben ausgeführt, bestimmt durch

.

Dabei werden die Sparquote s, die Abschreibungsquote und das Bevölkerungswachstum n als exogene, nicht im Modell bestimmte Parameter angesehen. Änderungen dieser Parameter haben jedoch Auswirkungen auf das langfristige Gleichgewicht der Volkswirtschaft.

Bevölkerungswachstum und Abschreibungen

Ein schnelleres Bevölkerungswachstum (größeres n) oder größere Abschreibungen (größeres δ) haben im Modell die gleichen Auswirkungen auf das langfristige Gleichgewichtsniveau: Sie erhöhen die Steigung der Investitionsbedarfslinie und senken dadurch Pro-Kopf-Kapitalstock und -Einkommen: In jeder Periode müssen mehr Arbeiter mit Kapital ausgestattet (bzw. muss mehr Kapital ersetzt) werden, sodass bei gleichem Sparverhalten und gleicher Produktionstechnologie weniger Pro-Kopf-Kapital gebildet wird.[10] Abbildung 2 zeigt graphisch, wie das langfristige Gleichgewicht auf ein erhöhtes Bevölkerungswachstum reagiert: Die grüne Sparfunktionslinie bleibt unverändert, die Investitionsbedarfslinie mit Steigung rotiert von der ursprünglichen schwarzen in die blaue Linie. Das neue langfristige Gleichgewicht B resultiert aus dem Schnittpunkt der veränderten Investitionsbedarfslinie mit der Sparfunktion und ist durch ein geringeres Pro-Kopf-Kapital und -Einkommen charakterisiert als das vorherige Gleichgewicht A. Da die neue Investitionsbedarfslinie beim Kapitalbestand höher liegt als , wird zu wenig Kapital angespart – die Wirtschaft schrumpft. Dieser Prozess setzt sich fort, bis das neue Gleichgewichtsniveau in Punkt B mit und asymptotisch erreicht wird.

Sparquote und Goldene Regel der Akkumulation

Abbildung 3: Effekt einer größeren Sparquote auf das langfristige Gleichgewicht

Eine Erhöhung der Sparquote schiebt die Sparkurve der Volkswirtschaft nach oben, was dazu führt, dass der Steady-State-Pro-Kopf-Kapitalstock ansteigt und damit auch das Pro-Kopf-Einkommen. Abbildung 3 veranschaulicht dies graphisch: Die Erhöhung der Sparquote verschiebt die Sparfunktion von ihrer ursprünglichen Lage (grün) nach oben (blau), während die Investitionsbedarfslinie (schwarz) unverändert bleibt. Das neue Gleichgewicht B ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Investitionsbedarfslinie mit der neuen Sparfunktion und weist pro Kopf einen größeren Kapitalstock und höheres Einkommen auf.

Der Effekt einer solchen Erhöhung auf den Konsum ist aber nicht eindeutig: Einerseits wird im langfristigen Gleichgewicht mehr produziert, andererseits ist mit höherer Sparquote aber der Pro-Kopf-Konsum niedriger. Graphisch entspricht der Pro-Kopf-Konsum für gegebenes Pro-Kopf-Kapital dem vertikalen Abstand zwischen der Produktionsfunktion und der Sparfunktion am gleichen Pro-Kopf-Kapital; In Abbildung 2 ist dies zunächst der vertikale Abstand zwischen der roten und der grünen Linie, später jener zwischen der roten und der blauen Linie. Dies zeigt, warum der Effekt auf den Konsum grundsätzlich unbestimmt ist: Zwar weist das neue Gleichgewicht in Punkt B eine höhere Produktion pro Kopf auf, die neue Sparfunktion liegt jedoch auch näher an der Produktionsfunktion.

Die Goldene Regel der Akkumulation beschreibt diejenige Sparquote in einer Volkswirtschaft, durch die der Konsum maximiert wird. Für jede Sparquote s muss im langfristigen Gleichgewicht gelten, dass . Gleichzeitig ist das zum Gleichgewicht gehörige Konsumniveau gegeben durch . Aus diesem Grund kann der gleichgewichtige Konsum als Funktion der Sparquote beschrieben werden:

Dies kann dann über s maximiert werden und ergibt die Bedingung erster Ordnung:

,

wobei , sodass die Bedingung vereinfacht werden kann zu . Der Kapitalstock , der diese Gleichung erfüllt und die zugehörige Sparquote maximieren den langfristigen Gleichgewichts-Konsum der Volkswirtschaft.[11] Obwohl die auf diese Art gefundene Sparquote den Gleichgewichts-Konsum maximiert, ist nicht klar, ob dies aus der Sicht einer Volkswirtschaft wünschenswert ist. Für eine Volkswirtschaft, die sich mit in einem Gleichgewicht befindet, bedeutet eine Erhöhung der Sparquote auf zwar ein langfristig höheres Konsumniveau, dies aber erst, wenn das neue Gleichgewicht erreicht wird. In den ersten Perioden nach der Erhöhung der Sparquote würde sich der Konsum aber zunächst reduzieren (da die Sparquote erhöht wird, aber noch nicht genug Kapital für den neuen Steady State gebildet wurde und dadurch die Produktion im Vergleich zum neuen Steady State noch niedrig ist). Je nachdem, wie viel Gewicht die Volkswirtschaft auf heutigen gegenüber zukünftigem Konsum legt, könnte es also nicht wünschenswert sein, die Sparquote heute zu erhöhen, um dafür in der langen Frist ein neues Gleichgewicht mit höherem Konsum zu erreichen. Anders liegt der Fall, wenn die derzeitige Sparquote ist. In diesem Falle könnte ein Gleichgewicht mit höheren Konsum erreicht werden, indem die Sparquote reduziert, also mehr konsumiert würde. Die Volkswirtschaft würde dadurch im neuen Gleichgewicht und auch in den Perioden davor immer mehr konsumieren. Eine Situation mit wird deswegen als „dynamisch ineffizient“ bezeichnet.[12]

Abbildungen 4 und 5 zeigen graphisch, wie sich unterschiedliche Veränderungen in der Sparquote auswirken können. In Abbildung 4 erhöht sich die Sparquote ausgehend von einem ursprünglichen, dynamisch effizienten Gleichgewicht. Die Erhöhung führt zu positivem Kapitalwachstum und damit steigendem Kapital und Einkommen pro Kopf. Das Kapitalwachstum nimmt mit zunehmender Kapitalakkumulation ab und geht asymptotisch gegen null, die Volkswirtschaft erreicht ein neues Gleichgewicht mit höherem Kapital, Einkommen und Konsum pro Kopf. Zu Beginn des Prozesses muss dieses langfristig höhere Niveau jedoch mit niedrigerem Konsum „erkauft“ werden. Ob eine solche Änderung der Sparquote aus Sicht der Volkswirtschaft wünschenswert ist, hängt also davon ab, wie der frühe Konsumverlust gegenüber dem späteren Konsumgewinn bewertet wird. In Abbildung 5 wird die Sparquote ausgehend von einer dynamisch ineffizienten, also zu hohen Sparquote gesenkt. Die Senkung führt zu negativem Kapitalwachstum und damit sinkendem Kapital und Einkommen pro Kopf. Die Kapitalverringerung nimmt mit zunehmender Kapitalakkumulation ab und geht asymptotisch gegen null, die Volkswirtschaft erreicht ein neues Gleichgewicht mit niedrigerem Kapital und Einkommen pro Kopf. Der langfristige Konsum pro Kopf ist jedoch höher, da weniger gespart wird. Der zentrale Unterschied zur dynamisch effizienten Situation ist, dass der Konsum nicht nur langfristig höher ist, sondern in jeder Periode ab der Erhöhung. Die Volkswirtschaft kann durch eine Senkung der Sparquote also nicht nur langfristig mehr konsumieren, sondern sofort. Unabhängig von der Bewertung frühen gegenüber späteren Konsums ist bei einer Sparquote oberhalb der „Goldenen“ Sparquote eine Senkung der Sparquote aus Sicht der Volkswirtschaft also auf jeden Fall wünschenswert.

Technologischer Fortschritt

Technologischer Fortschritt verschiebt die Produktionsfunktion und damit auch die Sparfunktion im k-y-Diagramm nach oben; der neue Schnittpunkt mit der Investitionsbedarfslinie befindet sich damit bei einem höheren Pro-Kopf-Kapital und -Einkommensniveau. Technologischer Fortschritt kann damit also auch im langfristigen Gleichgewicht zu Wachstum führen.[13]

Mit technologischem Fortschritt, der den Produktionsfaktor Arbeit multipliziert, und unter den in Abschnitt 1.1 dargestellten Annahmen kann die Produktionsfunktion durch den Faktor geteilt werden. Dies ergibt anstatt der bisher verwendeten Pro-Kopf-Produktion die Produktion pro effektiver Arbeitseinheit in Abhängigkeit vom Kapitalstock pro effektiver Arbeitseinheit:

Der Investitionsbedarf pro effektiver Arbeitseinheit ergibt sich wie bisher aus der Abschreibungsrate und dem Wachstum der Bevölkerung; nun muss aber zusätzlich auch die infolge technologischen Fortschritts gestiegene Arbeitsproduktivität ausgeglichen werden: Technologischer Fortschritt führt zu einem Anstieg der effektiven Arbeitseinheiten (das Produkt steigt), das Kapital pro effektiver Arbeitseinheit sinkt also ceteris paribus. Unter der Annahme eines exponentiellen Technologiewachstums mit Wachstumsrate ergibt sich die Investitionsbedarfslinie für Kapital pro effektiver Arbeitseinheit als . Die Bewegungsgleichung für das Kapital pro effektiver Arbeitseinheit lautet damit:

Das langfristige Gleichgewicht ist erreicht, wenn der Kapitalstock pro effektiver Arbeitseinheit konstant ist, wenn also

.

Der Kapitalstock und damit auch das Einkommen pro effektiver Arbeitseinheit wachsen damit im langfristigen Gleichgewicht nicht. Das Pro-Kopf-Einkommen ist jedoch gegeben durch . Es wächst also mit der gleichen Rate wie die Technologie der Volkswirtschaft, . Ein Wachstum der Pro-Kopf-Größen im langfristigen Gleichgewicht ist also möglich, allerdings nur aufgrund von exogenem technologischem Fortschritt.[14]

Beispiel: Solow-Modell mit Cobb-Douglas-Produktionsfunktion

Eine mögliche Produktionsfunktion, die die oben dargestellten Annahmen erfüllt, ist die Cobb-Douglas-Funktion: , wobei ist. Nach Teilen durch die Bevölkerungsgröße ergibt sich die Pro-Kopf-Version: . Die Bewegungsgleichung des Pro-Kopf-Kapitalstockes ist dann gegeben durch . Das langfristige Gleichgewicht ergibt sich, wenn diese Veränderung null beträgt und folglich

,

und damit dann

.

Da führen eine größere Sparquote und ein höheres Technologieniveau zu einem höheren gleichgewichtigen Kapitalstock, schnelleres Bevölkerungswachstum und eine größere Abschreibungsrate dagegen zu einem niedrigeren Gleichgewicht.

Empirische Anwendungen

Growth Accounting

Eng mit dem Solow-Modell verbunden ist die sogenannte „Wachstumsbuchhaltung“ (Growth Accounting[15]), die von Moses Abramovitz[16] und Robert Solow[17] vorangetrieben wurde.[18] Dabei wird untersucht, welcher Anteil des Wirtschaftswachstums durch Kapital, Arbeit und andere Faktoren erklärt werden kann. Für eine allgemeine Produktionsfunktion der Form kann gezeigt werden[19], dass das Wachstum der Gesamtproduktion aufgeteilt werden kann mittels

,

wobei die Elastizität der Produktion in Bezug auf Kapital angibt. Auf diese Weise kann das Wirtschaftswachstum pro Kopf aufgeteilt werden in Pro-Kopf-Wachstum aufgrund von Pro-Kopf-Kapitalakkumulation und einen weiteren Term R(t), das sogenannte Solow-Residuum. Dieses wird manchmal als Beitrag des technologischen Fortschritts zum Wachstum gedeutet, ist aber tatsächlich ein Sammelterm für alle Faktoren, die zu Wirtschaftswachstum führen und nicht bereits durch die Kapitalakkumulation abgedeckt sind.[20]

Konvergenz

Falls sich die Volkswirtschaft noch unter dem langfristigen Gleichgewichtsniveau befindet und wächst, ist ihre Wachstumsrate höher, je niedriger der Pro-Kopf-Kapitalstock ist. Eine Volkswirtschaft mit ursprünglich wenig Pro-Kopf-Kapital wird gemäß dem Solow-Modell also zunächst sehr hohe Wachstumsraten aufweisen, die dann mit zunehmender Kapitalakkumulation abnehmen und schließlich gegen 0 tendieren. Für zwei Volkswirtschaften mit gleicher Technologie und gleichen exogenen Parametern (Abschreibungsquote, Sparquote, Bevölkerungswachstum) und damit gleichem langfristigen Gleichgewicht, aber unterschiedlicher ursprünglicher Kapitalausstattung, sagt das Modell voraus, dass die ursprünglich ärmere Volkswirtschaft schneller wachsen und damit gegenüber der ursprünglich reicheren Volkswirtschaft „aufholen“ wird. Dieser Prozess wird auch als „Konvergenz“ bezeichnet. Das Solow-Modell sagt jedoch keine „absolute Konvergenz“ vorher, bei der alle armen Länder gleichermaßen aufholen und gegen dasselbe langfristige Gleichgewicht konvergieren; Die Hypothese des Solow-Modelles ist stattdessen die der „bedingten Konvergenz“, wonach Länder umso schneller wachsen, je weiter sie sich von ihrem spezifischen langfristigen Gleichgewicht entfernt befinden. Eine Vorhersage des Modelles wäre also nicht, dass arme Länder schneller wachsen als reiche, sondern dass unter „ähnlichen“ Ländern die ursprünglich ärmeren höhere Wachstumsraten aufweisen. Tatsächlich besteht zwischen den OECD-Ländern eine negative Korrelation zwischen ihrem Pro-Kopf-Einkommen 1960 und der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate zwischen 1960 und 2000. Eine noch deutlichere negative Korrelation besteht zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen der Bundesstaaten der USA 1880 und ihren jährlichen Wachstumsraten zwischen 1880 und 2000.[21]

Ein weiterer Test für Konvergenz wurde von N. Gregory Mankiw, David Romer und David N. Weil 1992 durchgeführt.[22] Basierend auf einer Stichprobe von 98 Ländern zeigten sie, dass es keine Korrelation zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen 1960 und der Wachstumsrate zwischen 1960 und 1985 gab, also keine absolute Konvergenz. Wenn aber für die Investitionsquote und das Bevölkerungswachstum statistisch kontrolliert wird, zeigt sich ein negativer Effekt des ursprünglichen Einkommensniveaus, was die Hypothese bedingter Konvergenz unterstützt. Das Standard-Solow-Modell überschätzt dabei indes die Geschwindigkeit der Konvergenz, das tatsächliche Aufholen geschieht langsamer als vom Modell vorhergesagt. Mankiw, Romer und Weil konnten allerdings zeigen, dass ein um Humankapital als dritten Produktionsfaktor erweitertes Solow-Modell in etwa jene Konvergenzgeschwindigkeit vorhersagt, die auch in den Daten sichtbar ist. In diesem erweiterten Modell weist die Produktionsfunktion auch den Faktor Humankapital H aus und lautet

mit . Das Humankapital pro effektiver Arbeitseinheit entwickelt sich nach einer Bewegungsgleichung ähnlich jener für das Kapital pro effektiver Arbeitseinheit: , wobei die (ebenfalls exogene) Investitionsquote für Humankapital bezeichnet. Im Steady State sind dann Kapital und Humankapital pro effektiver Arbeitseinheit konstant.

Internationale und historische Einkommensunterschiede

Gemäß dem Solow-Modell gibt es zwei mögliche Gründe für Pro-Kopf-Einkommensunterschiede zwischen Volkswirtschaften: Einen unterschiedlichen Pro-Kopf-Kapitalstock oder unterschiedliche Arbeitsproduktivität. Tatsächlich kann jedoch der Pro-Kopf-Kapitalstock die großen Einkommensunterschiede zwischen armen und reichen Ländern heute oder zwischen entwickelten Ländern früher und heute nicht erklären. Das Pro-Kopf-Einkommen industrialisierter Länder ist heute etwa zehnmal größer als ein Jahrhundert zuvor; die natürlichen Logarithmen der Pro-Kopf-Einkommen heute und vor 100 Jahren unterscheiden sich also um . Mit der Definition der Elastizität des Pro-Kopf-Einkommens in Bezug auf das Pro-Kopf-Kapital, , folgt . Mit folgt, dass der Pro-Kopf-Kapitalstockunterschied

betragen muss. Empirische Studien legen nahe, dass rund ein Drittel beträgt. Wenn das Pro-Kopf-Kapital die einzige Quelle für Pro-Kopf-Einkommensunterschiede wäre, müsste das Pro-Kopf-Kapital in den letzten Jahren also etwa um einen Faktor 1000 gewachsen sein, um ein Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens um den Faktor 10 zu erklären. Tatsächlich ist das Pro-Kopf-Kapital aber nur um etwa einen Faktor 10 gewachsen. Das Wachstum des Pro-Kopf-Kapitals kann den Umfang des Wirtschaftswachstums über die vergangenen 100 Jahre also nicht erklären.[23]

Entstehungsgeschichte

Robert Merton Solow (2008)

Solow und Swan entwickelten voneinander unabhängig ähnliche Versionen ihres Wachstumsmodells; Solow veröffentlichte seinen Beitrag im Februar 1956 im Quarterly Journal of Economics, Swans Artikel erschien im November in Economic Record. Während zu Beginn auch Swans Artikel auf große fachliche Rezeption stieß – der Beitrag wurde mehrmals in Sammelbände aufgenommen, und Swan wurde als Gastprofessor an verschiedene Universitäten eingeladen – setzte sich langfristig Solows Version des Modelles und insbesondere die von ihm gewählte graphische Darstellung durch.[24]

Das Solow-Swan-Modell war eine Kritik und Weiterentwicklung des zu dieser Zeit vorherrschenden Wachstumsmodells nach Harrod-Domar. Wie das Solow-Modell nahm auch das Harrod-Domar-Modell eine konstante, exogene Sparquote an. Das Modell beruhte aber auch auf einer konstanten Grenzproduktivität des Kapitals und auf einer Produktionsfunktion mit geringer bzw. nicht existenter Substituierbarkeit zwischen Arbeit und Kapital. Das Harrod-Domar-Modell erlaubt mehrere verschiedene Steady States: In einem möglichen Szenario wächst Kapital, ohne benutzt zu werden, in einem anderen wächst die Arbeitslosigkeit. Nur in einer Parameterkonstellation ergibt sich ein Steady State, in dem alle verfügbaren Produktionsfaktoren benutzt werden.[25]

Kritik und Weiterentwicklungen

Das grundlegende Solow-Modell geht von einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staatstätigkeit aus. Eine Miteinbeziehung des Staatssektors und internationaler Kapitalflüsse ist allerdings möglich.[26]

Eine zentrale Annahme des Solow-Modells ist jedoch die exogen vorgegebene, über die Zeit konstante Sparquote. Diese bedeutet, dass eine Volkswirtschaft unabhängig vom Niveau ihres Einkommens immer den gleichen Prozentsatz desselben spart. Das Sparverhalten wird also nicht modelliert, und deswegen kann auch nicht untersucht werden, wie die Volkswirtschaft auf Änderungen des Zinssatzes oder des Kapitalsteuersatzes reagiert. Darüber hinaus deuten empirische Untersuchungen auch darauf hin, dass die Sparquote mit steigendem Einkommen steigt. Eine wichtige Erweiterung des Solow-Modelles ist es deswegen, die Sparquote in Abhängigkeit vom Einkommen zu formulieren, was eine explizite Modellierung des Sparverhaltens der Haushalte erfordert. Eine solche wurde bereits von Ramsey 1928 eingeführt und dann von Cass (1965) und Koopmans (1965) weiterentwickelt.[27] Das resultierende Modell wird deswegen oft als Ramsey- oder Ramsey-Cass-Koopmans-Modell bezeichnet.

Das Solow-Modell erklärt nicht weiter, was unter „Technologie“ oder „Arbeitsproduktivität“ zu verstehen ist. Es handelt sich dabei um einen Sammelbegriff für alle Faktoren, die das Pro-Kopf-Einkommen beeinflussen und nicht schon in Kapital und Arbeit inbegriffen sind. Dazu könnten unter anderem die Ausbildung der arbeitenden Bevölkerung, die Infrastruktur, aber auch politische Institutionen wie Eigentumsrechte gehören. Darüber hinaus nimmt das Modell diese für das Modell zentrale Wachstumsdeterminante als exogen gegeben an.[28] Während das Ramsey-Cass-Koopmans-Modell die Endogenisieriung der Sparquote schaffte, behielt es die Annahme exogenen technologischen Fortschritts bei. Die Kritik an dieser Annahme führte Ende der 1980er Jahre zur Entwicklung sogenannter endogener Wachstumsmodelle (endogenous growth models), zu denen unter anderem Paul Romer, Philippe Aghion und Peter Howitt sowie Gene M. Grossman und Elhanan Helpman wichtige Beiträge verfassten. In diesen Modellen wird der technologische Fortschritt nicht als von außen vorgegeben Größe betrachtet, sondern bestimmt sich endogen innerhalb des Modelles.[29]

Literatur

→ deutsche Übersetzung: H. König (Hrsg.): Ein Beitrag zur Theorie des wirtschaftlichen Wachstums. In: Wachstum und Entwicklung der Wirtschaft, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1968, S. 67–96.
→ deutsche Übersetzung der ersten Auflage (übersetzt von Walter Buhr): Wirtschaftswachstum, Oldenbourg Verlag, München 1998, ISBN 978-3-486-23535-7
  • Lucas Bretschger: Wachstumstheorie. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Oldenbourg Verlag, München 2004, ISBN 3-486-20003-8, Kapitel 3, Seite 25–40.
  • Manfred Gärtner: Macroeconomics, 2. Auflage, Pearson Education, Harlow 2006
  • David Romer: Advanced Macroeconomics, 3. Auflage, McGraw-Hill/Irwin, New York 2006.

Anmerkungen

  1. Denkbar wäre auch eine allgemeinere Produktionsfunktion der Form . Tatsächlich ist aber nur technologischer Fortschritt, der den Produktionsfaktor Arbeit erhöht (sogenannter labour augmenting oder Harrod-neutraler Fortschritt) mit der Existenz eines langfristigen Gleichgewichts mit kontinuierlichem technologischem Fortschritt mit konstanter Rate vereinbar. Siehe Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 52f. und 78ff.
  2. Nach Ken-Ichi Inada, der sie in seinem 1963 erschienenen Artikel On a Two-Sector Model of Economic Growth: Comments and Generalization (Review of Economic Studies 30.2, S. 119-127) formulierte
  3. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 23–28
  4. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 28, Gärtner, Macroeconomics, S. 246
  5. Gärtner, Macroeconomics, S. 246f.
  6. Daron Acemoglu: Introduction to Modern Economic Growth, Princeton University Press, Princeton 2009, S. 29, 33 und 39
  7. Gärtner, Macroeconomics, S. 238f., S. 246f.
  8. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 38f.
  9. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 44.
  10. Gärtner, Macroeconomics, S. 247
  11. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 34f.
  12. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 36f.
  13. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 43, Gärtner, Macroeconomics, S.248f.
  14. Gärtner, Macroeconomics, S. 248f.
  15. Für den deutschen Begriff siehe Bretschger, Wachstumtstheorie, S. 40
  16. Moses Abramovitz: Resource and Output Trends in the United States since 1870, American Economic Review 46 (Mai 1956), S. 5–23
  17. Robert M. Solow: Technical Change and the Aggregate Production Function, Review of Economics and Statistics, 39.3 (1957), S. 312–320
  18. Romer, Advanced Macroeconomics, S. 29
  19. Romer, Advanced Macroeconomics, S. 29
  20. Romer, Advanced Macroeconomics, S. 29f.
  21. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 45ff.
  22. N. Gregory Mankiw, David Romer, David Weil: A Contribution to the Empirics of Economic Growth. In: Quarterly Journal of Economics, Band 107, Nr. 2, 1992, S. 407–437.
  23. Romer, Advanced Macroeconomics, S. 26ff.
  24. siehe hierzu auch Robert W. Dimand und Barbara J. Spencer: Trevor Swan and the Neoclassical Growth Model, NBER Working Paper 13950, April 2008
  25. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 71–74
  26. Siehe Gärtner, Macroeconomics, Kapitel 10.1 und 10.2
  27. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 85. Die zugrundeliegenden Arbeiten sind: Frank P. Ramsey, A Mathematical Theory of Saving, Economic Journal 38 (152), S. 543–559; David Cass: Optimum Growth in an Aggregative Model of Capital Accumulation, Review of Economic Studies, 32.3, S. 233-240; Tjalling C. Koopmans: On the concept of optimal economic growth, in: (Study Week on the) Econometric Approach to Development Planning, Kapitel 4, S. 225–87, North-Holland Publishing Co., Amsterdam
  28. Romer, Advanced Macroeconomics, S. 28
  29. Barro und Sala-i-Martin, Economic Growth, S. 19f.