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Byzantinisches Reich

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Byzantinischer Reichsadler
Byzantinischer

Reichsadler

Das Byzantinische Reich ist der östliche Teil des römischen Reiches (Oströmisches Reich, Ostrom), der nach dem Fall des Westreichs im Jahr 476 weitere 1000 Jahre Bestand hatte, bis zur Eroberung seiner Hauptstadt Konstantinopel durch die Osmanen 1453. Das Kaiserreich, das sich selbst immer als römisches verstand, wird im Westen seit dem 18. Jahrhundert allgemein als byzantinisches Reich bezeichnet - nach dem ursprünglichen Namen seiner Hauptstadt, Byzanz.

Der römische Kaiser Konstantin der Große baute die bis dahin eher kleine altgriechische Koloniestadt Byzanz im Jahr 330 um, nannte sie Konstantinopel (heute heißt sie Istanbul) und machte sie zur Hauptstadt des römischen Reiches. Nach dem Tod des Kaisers Theodosius 395 wurde das Reich in eine östliche und eine westliche Hälfte unter seinen beiden Söhnen Honorius und Arcadius aufgeteilt. Solche Reichsteilungen hatte es schon früher gegeben, aber diesmal war sie endgültig: Arcadius, der in Konstantinopel residierte, gilt daher als erster Kaiser des Byzantinischen Reiches.

Die Byzantiner betrachteten sich selbst als Römer ("Rhomaioi"), aber die allgemein vorherrschende nationale Identität des oströmischen Reiches war griechisch. Griechisch war nicht nur die Amtssprache, sondern auch die Sprache der Kirche, der Literatur und aller Handelsgeschäfte. Das byzantinische Reich war zwar ein multi-ethnischer Staat , der außer Griechen, auch Armenier, Juden, Ägypter, Syrer, Illyrer und Slawen einschloss, aber die meisten Gebiete, über die er sich erstreckte, waren seit Jahrhunderten hellenisiert, also dem griechischen Kulturkreis angeschlossen. Hier lagen bedeutende Zentren des Hellenismus wie Konstantinopel, Antiochia, Ephesus, Thessalonike und Alexandria, und hier bildete sich auch die griechisch-orthodoxe Form des Christentums heraus.

Im späten 4. Jahrhundert, zur Zeit der beginnenden Völkerwanderung war zunächst die östliche Reichshälfte Ziel germanischer Stämme, wie der West- und der Ostgoten. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts richteten sich deren Angriffe aber zunehmend auf das ökonomisch und militärisch schwächere Westreich. 410 wurde Rom zum ersten Mal von den Westgoten erobert. Während der letzte weströmische Kaiser Romulus Augustulus im Jahr 476 von dem germanischen König Odoaker abgesetzt wurde, erstarkte das Ostreich zusehends. Im 6. Jahrhundert unter KaiserJustinian I. eroberten die beiden byzyntinischen Feldheren Belisar und Narses sogar große Teile der weströmischen Provinzen - Italien, Nordafrika und Teile von Spanien - zurück und stellten damit das Römische Reich für kurze Zeit fast in seiner alten Größe wieder her. Während der Regierungszeit Justinians, in den 530er Jahren, wurde auch die Hagia Sophia erbaut, für lange Zeit die größte Kirche der Christenheit.

Justinian hinterließ seinen Nachfolgern jedoch leere Kassen, und sie waren nicht imstande, mit den neuen Angreifern fertig zu werden, ab der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts an den Grenzen auftraten. Die Langobarden besetzten Italien, die Slawen überrannten große Teile des Balkans und die Neuperser oder Sassaniden erlangten die Herrschaft über die meisten östlichen Provinzen. Sie wurden zwar durch Kaiser Herakleios zurückerobert, der das Sassanidenreich 629 vernichtend schlug. Nach dieser Anstrengung jedoch waren die Kräfte des Reichs erschöpft. Der plötzlichen Expansion der von ihrem neuen, muslimischen Glauben angetriebenen Araber hatte es nichts mehr entgegen zu setzen. In der Schlacht am Jarmuk am 20. August 636 unterlagen die Byzyntiner einem Heer des 2. Kalifen Omar und der ganze Süden des Reichs, einschließlich Syriens und Palästinas gingen verloren.

Was das Reich an Gebieten verlor, gewann es an Gleichförmigkeit. Die südlichen Provinzen unterschieden sich erheblich vom Norden in der Kultur und gehörten seit dem 5. Jahrhundert mehrheitlich den orientalisch-orthodoxen, monophysitischen Kirchen an, die mit der griechisch-orthodoxen Kirche der nördlichen Provinzen im Streit lagen. Dieser Streit war einer der Gründe für die baldige Akzeptanz der neuen muslimischen Herren Syriens. Der Norden gelangte so aber zu größerer Geschlossenheit und höherer Kampfbereitschaft. Zur Zeit des Herakleios wurde das Reich in ein System von Militärprovinzen, so genannten Themen aufgeteilt, um den ständigen Angriffen und dem Sinken des städtischen Lebens außerhalb der Hauptstadt zu begegnen, während Konstantinopel wuchs und die größte Stadt der Welt wurde. Mehrfache Versuche, Konstantinopel zu erobern - unter anderem durch die Araber und die Rus - schlugen alle fehl angesichts der überlegenen byzantinischen Flotte und ihres Monopols, der geheimnisumwitterten brandstiftenden Waffe, des griechischen Feuers. Danach begann das Reich sich zu erholen.

Der militärisch erfolgreiche Kaiser Leo III. der Isaurier entfachte 730 den Bilderstreit, der zu einem während eines Jahrhunderts immer wieder aufflackernden Bürgerkrieg führte.

Das Reich erreichte seinen Höhepunkt unter den Makedonischen Kaisern des 10. und frühen 11. Jahrhunderts. Durch die im Jahre 987 vollzogene Heirat der Schwester von Kaiser Basileos II. mit dem russischen Großfürsten Wladimir breitete sich der orthodoxe Glaube allmählich in Russland aus. Die russische Kirche unterstand dem Patriarchen von Konstantinopel. Basileos II. eroberte in jahrelangen Kämpfen das donaubulgarische Reich, was ihm den Beinamen Bulgaroktonos ("Bulgarentöter") einbrachte. Im Jahre 1018 wurde Donaubulgarien byzantinische Provinz, was einen weiteren Höhepunkt in der Geschichte des Byzantinischen Reiches darstellt.

Wie Rom zuvor, fiel es trotzdem bald in eine Periode von Schwierigkeiten, die in hohem Grade durch das Wachstum des Landadels verursacht wurden, der das Themensystem untergrub. Mit seinen alten Feinden, dem Heiligen Römischen Reich und dem Abbasidenkalifat konfrontiert, hätte es sich vielleicht erholen können, aber um die gleiche Zeit erschienen neue Eindringlinge auf der Szene, die wenig Grund hatten sein Ansehen zu respektieren - die Normannen, die Italien eroberten und die Seldschuken, die hauptsächlich an Ägypten interessiert waren, aber auch Raubzüge nach Kleinasien, dem wichtigsten Rekrutierungsgebiet für die byzantinische Armee, unternahmen. Mit der Niederlage von Kaiser Romanos IV. 1071 bei Mantzikert gegen Alp Arslan, dem seldschukischen Sultan, waren die meisten dieser Provinzen verloren.

Die letzten Jahrhunderte der byzantinischen Geschichte wurden durch einen Usurpator, Alexios I. Komnenos, geprägt, der anfing, die Armee auf Basis eines Feudalsystems (Pronoia) wieder herzustellen und es gelangen ihm bedeutende Fortschritte gegen die Seldschuken. Sein Aufruf um westliche Hilfe brachte den ersten Kreuzzug hervor, der ihm half Nicäa zurück zu erobern, aber sich bald vom Reich entfremdete. Spätere Kreuzzüge entwickelten sich zunehmend feindlich. Alexios gewährte venezischen Händlern Zugang zu vielen byzantinischen Häfen, doch die Republik Venedig -- paradoxerweise einst selbst ein Vorposten byzantinischer Kultur im Westen -- wurde zu einer ernsten Bedrohung für das Reich. Unter dem Einfluss Venedigs eroberte der vierte Kreuzzug 1204 Konstantinopel, gründete ein kurzlebiges, lateinisches Königreich und schwächte die byzantinische Macht dauerhaft.

Drei Nachfolgestaaten von Byzanz wurden gegründet - Nicäa, wo Kaiser Theodor I. Lascaris im Exil die byzantinische Tradition aufrecht erhielt, Epirus und Trapezunt. Dem ersteren gelang die Rückeroberung Konstantinopels (1261) und sie besiegten unter der Palaiologendynastie Epirus und erneuerten so das Reich, richteten ihre Aufmerksamkeit jedoch auf Europa, als Asien die Hauptsorge war. Für eine Weile überlebte das Reich einfach, weil die Muslime zu zerstritten waren, um anzugreifen, aber schließlich überrannten die Osmanen das ganze Gebiet bis auf eine Handvoll Hafenstädte. Konstantinopel wurde zuerst nicht als der Mühe wert betrachtet, aber mit dem Aufkommen von Kanonen fiel es am 29. Mai 1453 nach knapp zweimonatiger Belagerung an Mehmed II. Bis zum Ende des Jahrhunderts wurden auch die restlichen Städte - wie Trapezunt und Mistra - ebenfalls erobert.

Das byzantinische Reich führte die Kultur und das Wissen der Antike bis ins späte Mittelalter fort und gab es nach seiner Eroberung an die islamische Welt weiter. Byzantinische Flüchtlinge brachten die alten Schriften der griechischen Philosophen in die italienischen Städte und lösten dort -- zusammen mit dem etwa gleichzeitig erfundenen Buchdruck -- die Renaissance aus. Am stärksten bestand die byzantinische Kultur auf dem damals noch venezianischen Kreta fort, das erst 1699 von den Osmanen erobert werden konnte

Bis heute wirkt die Byzantinische Kultur fort in der östlich-orthodoxen Kirche. Durch byzantinische Missionsarbeit verbreitete sich das orthodoxe Christentum bei vielen slawischen Völkern, wie den Russen und ist bis in die Gegenwart die vorherrschende Konfession in Osteuropa und Griechenland. Die byzantinische Kultur und Denkweise hat alle orthodoxen Völker tief geprägt.

Die Anfangs- und Enddaten der Unabhängigkeit der Hauptstadt, 395 und 1453, waren die ursprünglichen zeitlichen Grenzen des Mittelalters.

Zeittafel

Siehe auch:

Literatur

  • Ralph-Johannes Lilie: Byzanz - Das zweite Rom, Berlin 2003.
  • Georg Ostrogorsky: Byzantinische Geschichte, ISBN 340639759X
  • Steven Runciman: Die Eroberung von Konstantinopel, ISBN 3406025285

Weblinks