„Abseilen“ – Versionsunterschied

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→‎Einleitung: einleitende Definition präzisiert; Hinweis auf die beiden grundsätzlichen Seilnutzungsarten erg.; außerdem Hinweis auf das Aufsteigen am Seil als gegensätzliche Bewegungstechnik und auf das Selbstablassen als Mischform hinsichtlich Ablassen; deplazierten Hinweis auf Intransitivität des engl. Verbs 'to abseil' entfernt
Ein "frei" herabhängendes Seil ohne Felskontakt wird wohl in den seltensten Fällen vorkommen. Formulierungen (vereinfacht) ..
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[[Datei:Abseil rappell pano.jpg|mini|hochkant|Abseilen am Fels]]
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'''Abseilen''' ist das selbsttätige Absteigen einer Person von einem Berg, Fels oder einer anderen Anhöhe an einem Seil, das zu diesem Zweck an einem Fixpunkt befestigt bzw. aufgehängt ist und im Allgemeinen frei nach unten herabhängt. Das Abseilen wird im Sport beim [[Klettern]], [[Canyoning]] und [[Caving]], bei der Befahrung von [[Höhle]]n, für bestimmte Berufe (zum Beispiel für Montagearbeiten an Masten oder für Rettung und Bergung) oder auch im militärischen Bereich benötigt. Von der Art der Seilnutzung kann grundsätzlich zwischen Abseilen am fixierten, einfachen Seilstrang und Abseilen am umgelenkten, doppelten Seilstrang unterschieden werden. Auch für die umgekehrte Bewegungsrichtung, das Aufsteigen am frei herabhängenden Seil, gibt es verschiedene Techniken (vergleiche z. B. [[Jümarn]]).
'''Abseilen''' ist das selbsttätige Absteigen einer Person von einem Berg, Fels oder einer anderen Anhöhe an einem Seil, das zu diesem Zweck an einem Fixpunkt befestigt ist und nach unten herabhängt. Das Abseilen wird im Sport beim [[Klettern]], [[Canyoning]], [[Caving]], bei der [[Höhlenbefahrung]] sowie von bestimmten Berufsgruppen (Rettung, Bergung, Service- und Montagearbeiten an hohen Bauwerken) und im militärischen Bereich praktiziert.
Unterschieden wird das Abseilen am fixierten, einfachen Seilstrang vom Abseilen am umgelenkten, doppelten Seilstrang. Auch für das Aufsteigen am frei herabhängenden Seil gibt es verschiedene Techniken, z. B. das [[Jümarn]].


Der Schweizer Bergführer [[Alois Pollinger]] ist der Erfinder des bis heute im Berg- und Klettersport üblichen Abseilens am umgelenkten, doppelten Seilstrang. Auf einer größeren Tour setzte Pollinger diese Technik zum ersten Mal am 25. und 26. August 1884 beim Abstieg über den steilen Westgrat der [[Dent Blanche]] ({{Höhe|4357|CH}}) ein.<ref>{{Literatur |Autor=Christian Imboden |Titel=Berge: Beruf, Berufung, Schicksal |Verlag=[[Rotten Verlag]] |Ort=Visp |Datum=2013 |ISBN=3-907624-48-3}} Seiten 120 und 85: ''Erfinder der modernen Abseiltechnik''</ref>
Der Schweizer Bergführer [[Alois Pollinger]] ist der Erfinder des bis heute im Berg- und Klettersport üblichen Abseilens am umgelenkten, doppelten Seilstrang. Auf einer größeren Tour setzte Pollinger diese Technik zum ersten Mal am 25. und 26. August 1884 beim Abstieg über den steilen Westgrat der [[Dent Blanche]] ({{Höhe|4357|CH}}) ein.<ref>{{Literatur |Autor=Christian Imboden |Titel=Berge: Beruf, Berufung, Schicksal |Verlag=[[Rotten Verlag]] |Ort=Visp |Datum=2013 |ISBN=3-907624-48-3}} Seiten 120 und 85: ''Erfinder der modernen Abseiltechnik''</ref>


Im Laufe der Jahrzehnte sind beim [[Bergsteigen]] und Klettern verschiedene Abseiltechniken entwickelt worden, um die für ein kontrolliertes Abseilen erforderliche Bremswirkung zu erzielen. Zunächst wurde das Seil in verschiedenen Formen um den Körper geführt, seit den 1970er Jahren wurden zunehmend eigens entwickelte Bremsgeräte und [[Karabinerhaken]] verwendet. Allen Methoden ist aber gemeinsam, dass sie zur Bremsung die Reibungswirkung ausnutzen, die durch ein- oder mehrfache Windungen des Seils entweder um den Körper des Kletterers selbst oder am mit dem Kletterer verbundenen Bremsgerät entsteht.
Im Laufe der Jahrzehnte wurden beim [[Bergsteigen]] und Klettern verschiedene Techniken entwickelt, um die für ein kontrolliertes Abseilen erforderliche Bremswirkung zu erzielen. Zunächst wurde das Seil in verschiedener Weise um den Körper geführt. Seit den 1970er Jahren wurden zunehmend eigens entwickelte Bremsgeräte und [[Karabinerhaken]] verwendet. Bei allen Methoden wird zur Bremsung die [[Reibung]]swirkung der ein- oder mehrfachen Windung des Seils am Körper des Kletterers oder am Bremsgerät genutzt.


Vom ''Abseilen'' zu unterscheiden ist das ''[[Ablassen (Klettern)|Ablassen]]'', bei dem eine andere Person das Bremsen übernimmt und das Seil in der Länge der Ablassstrecke durch einen Umlenkpunkt läuft.<ref name="Panorama3-99">[http://www.alpenverein.de/chameleon/public/11177/panorama99_03_11177.pdf ''Ablassen und Abseilen – ein gewaltiger Unterschied.''] (PDF) In: ''Panorama'' 3/1999, S. 70&nbsp;f.</ref> Eine nur in seltenen Anwendungsfällen gebräuchliche Mischform zwischen Abseilen und Ablassen stellt das Selbstablassen am umgelenkten Seil dar.<ref>{{Internetquelle | titel=Selbstablassen| url=https://www.petzl.com/DE/de/Sport/Selbstablassen| werk=petzl.com| abruf=2021-07-08}}</ref>
Vom ''Abseilen'' zu unterscheiden ist das ''[[Ablassen (Klettern)|Ablassen]]'', bei dem eine andere Person das Seil bremst, welches in der Länge der Ablassstrecke durch einen Umlenkpunkt läuft.<ref name="Panorama3-99">[http://www.alpenverein.de/chameleon/public/11177/panorama99_03_11177.pdf ''Ablassen und Abseilen – ein gewaltiger Unterschied.''] (PDF) In: ''Panorama'' 3/1999, S. 70&nbsp;f.</ref> Eine seltene Mischform zwischen dem Abseilen und Ablassen stellt das Selbstablassen am umgelenkten Seil dar.<ref>{{Internetquelle | titel=Selbstablassen| url=https://www.petzl.com/DE/de/Sport/Selbstablassen| werk=petzl.com| abruf=2021-07-08}}</ref>


Im englischen Sprachraum ist das [[Lehnwort]] ''abseil'' geläufig,<ref>Eintrag [https://www.merriam-webster.com/dictionary/abseiling ''abseil''] im [[Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary|Merriam-Webster]].</ref> wobei im US-amerikanischen Englisch stattdessen häufiger ''rappelling'' (vom Französischen ''rappel'') verwendet wird.
Im englischen Sprachraum ist das [[Lehnwort]] ''abseil'' geläufig,<ref>Eintrag [https://www.merriam-webster.com/dictionary/abseiling ''abseil''] im [[Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary|Merriam-Webster]].</ref> wobei im US-amerikanischen Englisch stattdessen häufiger ''rappelling'' (vom Französischen ''rappel'') verwendet wird.
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== Technik ==
== Technik ==
=== Fixpunkte ===
=== Fixpunkte ===
Zum Abseilen bedarf es eines zuverlässigen [[Fixpunkt (Alpinismus)|Fixpunkts]]. Zur Sicherheit werden häufig mehrere Fixpunkte zugleich genutzt, z.&nbsp;B. zwei [[Felshaken]]. Am Fixpunkt wird meist eine Abseilöse, ein Ringhaken oder ein Karabiner eingesetzt. Beim Abseilen an [[Sauschwanz|Sauschwänzen]] war es zu Unfällen durch Seilaushängen gekommen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.alpenverein.at/portal/news/aktuelle_news/2014/2014_07_03_abseilen-am-sauschwanz.php |titel=Achtung beim Abseilen am „Sauschwanz“! |zugriff=2015-04-09}}</ref>


Zum Abseilen bedarf es eines zuverlässigen [[Fixpunkt (Alpinismus)|Fixpunkts]]. Zur Sicherheit werden häufig mehrere Fixpunkte zugleich genutzt, z.&nbsp;B. zwei [[Felshaken]]. Am Fixpunkt wird meist eine Abseilöse, ein Ringhaken oder ein [[Karabinerhaken|Karabiner]] eingesetzt. Beim Abseilen an [[Sauschwanz|Sauschwänzen]] war es zu Unfällen durch Seilaushängen gekommen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.alpenverein.at/portal/news/aktuelle_news/2014/2014_07_03_abseilen-am-sauschwanz.php |titel=Achtung beim Abseilen am „Sauschwanz“! |zugriff=2015-04-09}}</ref>
Da das Seil beim Abseilen nicht unter Last durch den Haltepunkt gezogen wird, können auch Reepschnüre oder Bandschlingen verwendet werden. Dies ist etwa beim [[Alpinklettern|Alpin-]] und [[Eisklettern]] ([[Eissanduhr]]en) üblich, da so kein Karabiner zurückgelassen werden muss.

Das [[Ablassen (Klettern)|Ablassen]] erfolgt dagegen nur über einen [[Topropehaken]], eine Abseilöse oder einen Karabiner. Ablassen über eine Reepschnur oder Seilschlinge produziert wegen der Reibung des Seils am Fixpunkt Hitze, die durch [[Schmelzverbrennung]] zum Riss der Reepschnur und damit zum Absturz führen kann.<ref>{{Literatur |Autor=Robert Renzler |Hrsg=[[ÖAV]], [[Deutscher Alpenverein|DAV]] |Titel=Die 12 (Kletter-)Gebote – Die Kletterregeln des Alpenvereins |Sammelwerk=[[bergundsteigen]] |Band=Teil 2 |Nummer=2 |Ort=Innsbruck |Datum=2000 |Seiten=11 |Online=http://www.bergundsteigen.at/file.php/archiv/2000/2/11-15%20(die%2012%20klettergebote,%20teil%202).pdf |Format=PDF |KBytes= |Abruf=2009-02-17}}</ref><ref name="Panorama3-99" />
Da das Seil beim Abseilen nicht unter Last durch den Haltepunkt gezogen wird, kann es auch direkt durch [[Reepschnur|Reepschnüre]] oder [[Bandschlinge]]n gezogen werden, wie es etwa beim [[Alpinklettern|Alpin-]] und [[Eisklettern]] ([[Eissanduhr]]en) üblich ist.
Zum [[Ablassen (Klettern)|Ablassen]] wird hingegen die Gleitfläche eines metallischen [[Topropehaken]]s, einer Abseilöse oder eines Karabiners benötigt. Das Ablassen über eine Reepschnur oder Seilschlinge würde durch Reibungswärme des durchlaufenden Seils zu [[Schmelzverbrennung]] und Riss des textilen Materials führen.<ref>{{Literatur |Autor=Robert Renzler |Hrsg=[[ÖAV]], [[Deutscher Alpenverein|DAV]] |Titel=Die 12 (Kletter-)Gebote – Die Kletterregeln des Alpenvereins |Sammelwerk=[[bergundsteigen]] |Band=Teil 2 |Nummer=2 |Ort=Innsbruck |Datum=2000 |Seiten=11 |Online=http://www.bergundsteigen.at/file.php/archiv/2000/2/11-15%20(die%2012%20klettergebote,%20teil%202).pdf |Format=PDF |KBytes= |Abruf=2009-02-17}}</ref><ref name="Panorama3-99" />


=== Abseilgeräte ===
=== Abseilgeräte ===
Die beim Klettern am weitesten verbreitete Abseiltechnik benutzt den [[Abseilachter]]. Zum Einbinden werden bei Verwendung des Seils im Doppelstrang beide Seile durch die größere Öffnung der Abseilacht und anschließend hinter die kleinere Öffnung gelegt.


Die beim Klettern am weitesten verbreitete Abseiltechnik benutzt den [[Abseilachter]]. Zum Einbinden werden bei Verwendung des Seils im Doppelstrang beide Seile durch die größere Öffnung der Abseilacht gezogen und anschließend hinter die kleinere Öffnung gelegt.
Die [[Halbmastwurf]]sicherung (HMS) wurde vom Schweizer [[Werner Munter]] bekannt gemacht. Dabei wird die [[Reibung|Bremswirkung]] des über einen [[Karabinerhaken|Karabiner]] laufenden Seils zum Abseilen genutzt. Besonders dafür geeignete Karabiner werden als [[Karabinerhaken#HMS-Karabiner|HMS-Karabiner]] bezeichnet. Dabei stellt die starke [[Krangel]]bildung des Seils allerdings ein Problem dar.

Die [[Halbmastwurf]]sicherung (HMS) wurde vom Schweizer [[Werner Munter]] bekannt gemacht. Dabei wird die [[Reibung|Bremswirkung]] des über einen [[Karabinerhaken|Karabiner]] laufenden Seils zum Abseilen genutzt. Speziell hierzu gedachte Karabiner werden als [[Karabinerhaken#HMS-Karabiner|HMS-Karabiner]] bezeichnet. Durch die starke Verwindung des im Halbmastwurf geführten Seils kann es zur [[Krangel]]bildung kommen.


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Zur Standardausrüstung gehören dabei neben dem Abseilachter oder einem anderen Abseilgerät ein [[Kletterseil]], ein [[Klettergurt]] und Karabinerhaken mit Verschlusssicherung. Beim Abseilen wird normalerweise das Seil im Doppelstrang an einem [[Fixpunkt (Alpinismus)|Fixpunkt]] eingehängt. Dabei ist darauf zu achten, dass beide Seilenden bis zum Boden oder zum nächsten [[Stand (Klettern)|Standplatz]] reichen. Mit einem Seil von 50 Meter Länge kann als Doppelstrang also maximal 25 Meter abgeseilt werden. Vor dem Auswerfen des Seils sollten die Seilenden mit einer [[Endacht]] abgeknotet werden, um Unfällen durch Abseilen über das Seilende hinaus vorzubeugen. Alternativ kann auch am Einfachseil abgeseilt werden, dieses wird dazu mittels Knoten und Karabiner an Ring oder Öse oder natürlichen Sicherungspunkten befestigt. Wird das Seil mit einer Klemmschlaufe befestigt, so lässt sich an dem einen Seilstrang abseilen, an dem anderen kann das Seil dann nach dem Abseilen abgezogen werden.<ref>Gerald Krug: ''Hexen und Exen.'' Geoquest Verlag, Halle/Saale, 2. Auflage 2011, ISBN 978-3-00-020535-4, S. 221.</ref>


Zur Standardausrüstung gehören dabei neben dem Abseilachter oder einem anderen Abseilgerät ein [[Kletterseil]], ein [[Klettergurt]] und Karabinerhaken mit Verschlusssicherung. Beim Abseilen wird das Seil gewöhnlich im Doppelstrang an einem [[Fixpunkt (Alpinismus)|Fixpunkt]] eingehängt. Es ist darauf zu achten, dass beide Seilenden bis zum Boden oder zum nächsten [[Stand (Klettern)|Standplatz]] reichen. Mit einem Seil von 50 Meter Länge kann im Doppelstrang also bis zu 25 Meter abgeseilt werden. Vor dem Auswerfen des Seils sollten die Seilenden mit einer [[Endacht]] abgeknotet werden, um dem Abseilen über das Seilende hinaus vorzubeugen. Alternativ kann auch am Einfachseil abgeseilt werden, das mit Knoten und Karabiner an Ring, Öse oder natürlichen Sicherungspunkten befestigt wird. Wird das Seil mit einer Klemmschlaufe befestigt, so lässt sich an dem einen Seilstrang abseilen, während das Seil am anderen Strang nach dem Abseilen abgezogen werden kann.<ref>Gerald Krug: ''Hexen und Exen.'' Geoquest Verlag, Halle/Saale, 2. Auflage 2011, ISBN 978-3-00-020535-4, S. 221.</ref>
Das Seil wird im Doppel- oder Einfachstrang in das Abseilgerät eingelegt. Dieses wird anschließend mit einem Karabiner, am besten einem [[HMS-Karabiner]] (HMS = Halbmastwurfsicherung, s.&nbsp;u.), am Klettergurt befestigt. In jedem Fall sollte eine weitere Sicherung in Form einer [[Prusikschlinge]] oder einer Bandschlinge mit [[FB-Kreuzklemm]] verwendet werden; diese werden unterhalb des Abseilgeräts um den Doppelstrang des Seils gelegt und mit einem Karabiner in der Beinschlaufe des Hüftgurts befestigt. Dabei sollten Prusikschlinge oder FB-Kreuzklemm nicht zu lang sein, sonst besteht die Gefahr, dass sie in das Abseilgerät hineingezogen werden.

(Nur) beim Canyoning wird nicht mit zusätzlichem Klemmknoten abgeseilt bzw. hintersichert.
Das Seil wird im Doppel- oder Einfachstrang in das Abseilgerät eingelegt. Dieses wird anschließend mit einem Karabiner, am besten einem [[HMS-Karabiner]] (HMS = Halbmastwurfsicherung, s.&nbsp;u.), am Klettergurt befestigt. In jedem Fall sollte das Durchrauschen des Seils durch eine weitere Sicherung in Form einer [[Prusikschlinge]] oder einer Bandschlinge mit [[FB-Kreuzklemm]] verhindert werden. Diese werden unterhalb des Abseilgeräts um den Doppelstrang des Seils gelegt und mit einem Karabiner in der Beinschlaufe des Hüftgurts befestigt. Prusikschlinge oder FB-Kreuzklemm dürfen dabei nicht so lang sein, dass sie in das Abseilgerät hineingezogen werden können.
(Nur) beim Canyoning wird gelegentlich auf den zusätzlichem Klemmknoten zur Hintersicherung verzichtet.


== Historische Entwicklung ==
== Historische Entwicklung ==

Version vom 9. Juli 2021, 14:54 Uhr

Abseilen am Fels

Abseilen ist das selbsttätige Absteigen einer Person von einem Berg, Fels oder einer anderen Anhöhe an einem Seil, das zu diesem Zweck an einem Fixpunkt befestigt ist und nach unten herabhängt. Das Abseilen wird im Sport beim Klettern, Canyoning, Caving, bei der Höhlenbefahrung sowie von bestimmten Berufsgruppen (Rettung, Bergung, Service- und Montagearbeiten an hohen Bauwerken) und im militärischen Bereich praktiziert.

Unterschieden wird das Abseilen am fixierten, einfachen Seilstrang vom Abseilen am umgelenkten, doppelten Seilstrang. Auch für das Aufsteigen am frei herabhängenden Seil gibt es verschiedene Techniken, z. B. das Jümarn.

Der Schweizer Bergführer Alois Pollinger ist der Erfinder des bis heute im Berg- und Klettersport üblichen Abseilens am umgelenkten, doppelten Seilstrang. Auf einer größeren Tour setzte Pollinger diese Technik zum ersten Mal am 25. und 26. August 1884 beim Abstieg über den steilen Westgrat der Dent Blanche (4357 m ü. M.) ein.[1]

Im Laufe der Jahrzehnte wurden beim Bergsteigen und Klettern verschiedene Techniken entwickelt, um die für ein kontrolliertes Abseilen erforderliche Bremswirkung zu erzielen. Zunächst wurde das Seil in verschiedener Weise um den Körper geführt. Seit den 1970er Jahren wurden zunehmend eigens entwickelte Bremsgeräte und Karabinerhaken verwendet. Bei allen Methoden wird zur Bremsung die Reibungswirkung der ein- oder mehrfachen Windung des Seils am Körper des Kletterers oder am Bremsgerät genutzt.

Vom Abseilen zu unterscheiden ist das Ablassen, bei dem eine andere Person das Seil bremst, welches in der Länge der Ablassstrecke durch einen Umlenkpunkt läuft.[2] Eine seltene Mischform zwischen dem Abseilen und Ablassen stellt das Selbstablassen am umgelenkten Seil dar.[3]

Im englischen Sprachraum ist das Lehnwort abseil geläufig,[4] wobei im US-amerikanischen Englisch stattdessen häufiger rappelling (vom Französischen rappel) verwendet wird.

Technik

Fixpunkte

Zum Abseilen bedarf es eines zuverlässigen Fixpunkts. Zur Sicherheit werden häufig mehrere Fixpunkte zugleich genutzt, z. B. zwei Felshaken. Am Fixpunkt wird meist eine Abseilöse, ein Ringhaken oder ein Karabiner eingesetzt. Beim Abseilen an Sauschwänzen war es zu Unfällen durch Seilaushängen gekommen.[5]

Da das Seil beim Abseilen nicht unter Last durch den Haltepunkt gezogen wird, kann es auch direkt durch Reepschnüre oder Bandschlingen gezogen werden, wie es etwa beim Alpin- und Eisklettern (Eissanduhren) üblich ist. Zum Ablassen wird hingegen die Gleitfläche eines metallischen Topropehakens, einer Abseilöse oder eines Karabiners benötigt. Das Ablassen über eine Reepschnur oder Seilschlinge würde durch Reibungswärme des durchlaufenden Seils zu Schmelzverbrennung und Riss des textilen Materials führen.[6][2]

Abseilgeräte

Die beim Klettern am weitesten verbreitete Abseiltechnik benutzt den Abseilachter. Zum Einbinden werden bei Verwendung des Seils im Doppelstrang beide Seile durch die größere Öffnung der Abseilacht gezogen und anschließend hinter die kleinere Öffnung gelegt.

Die Halbmastwurfsicherung (HMS) wurde vom Schweizer Werner Munter bekannt gemacht. Dabei wird die Bremswirkung des über einen Karabiner laufenden Seils zum Abseilen genutzt. Speziell hierzu gedachte Karabiner werden als HMS-Karabiner bezeichnet. Durch die starke Verwindung des im Halbmastwurf geführten Seils kann es zur Krangelbildung kommen.

Abseilen mit dem Tre Sirius

Seit den 1990er Jahren wurden weitere technische Abseil- und Bremsgeräte entwickelt, die meist für bestimmte Anwendungszwecke optimiert wurden. Beispiele dafür sind das Tre Sirius, das Grigri, Reverso, oder das ATC (die beiden letzteren gehören zur Gruppe der Tube-Geräte). Die genannten Geräte haben den klassischen Abseilachter inzwischen weitgehend abgelöst, da sie teilweise auch zum Sichern des Partners besser geeignet sind.

Durchführung

Zur Standardausrüstung gehören dabei neben dem Abseilachter oder einem anderen Abseilgerät ein Kletterseil, ein Klettergurt und Karabinerhaken mit Verschlusssicherung. Beim Abseilen wird das Seil gewöhnlich im Doppelstrang an einem Fixpunkt eingehängt. Es ist darauf zu achten, dass beide Seilenden bis zum Boden oder zum nächsten Standplatz reichen. Mit einem Seil von 50 Meter Länge kann im Doppelstrang also bis zu 25 Meter abgeseilt werden. Vor dem Auswerfen des Seils sollten die Seilenden mit einer Endacht abgeknotet werden, um dem Abseilen über das Seilende hinaus vorzubeugen. Alternativ kann auch am Einfachseil abgeseilt werden, das mit Knoten und Karabiner an Ring, Öse oder natürlichen Sicherungspunkten befestigt wird. Wird das Seil mit einer Klemmschlaufe befestigt, so lässt sich an dem einen Seilstrang abseilen, während das Seil am anderen Strang nach dem Abseilen abgezogen werden kann.[7]

Das Seil wird im Doppel- oder Einfachstrang in das Abseilgerät eingelegt. Dieses wird anschließend mit einem Karabiner, am besten einem HMS-Karabiner (HMS = Halbmastwurfsicherung, s. u.), am Klettergurt befestigt. In jedem Fall sollte das Durchrauschen des Seils durch eine weitere Sicherung in Form einer Prusikschlinge oder einer Bandschlinge mit FB-Kreuzklemm verhindert werden. Diese werden unterhalb des Abseilgeräts um den Doppelstrang des Seils gelegt und mit einem Karabiner in der Beinschlaufe des Hüftgurts befestigt. Prusikschlinge oder FB-Kreuzklemm dürfen dabei nicht so lang sein, dass sie in das Abseilgerät hineingezogen werden können. (Nur) beim Canyoning wird gelegentlich auf den zusätzlichem Klemmknoten zur Hintersicherung verzichtet.

Historische Entwicklung

Abseilen im Dülfersitz
Abseilmethoden
1. Dülfersitz
2. Karabinersitz

Die ersten Alpinisten seilten sich ab, indem sie die Reibung des Seils am Körper nutzten. Zunächst wurde dazu der sogenannte Kletterschluss verwendet.

„[…] führt man das Seil an der Innenseite des einen Kniees, dann an der Wade, an der Außenseite des Fußknöchels entlang und über die Fußspanne desselben Beines; den Fuß beugt man dabei stark nach oben. Dann tritt man mit dem anderen Fuß an der Stelle wo es über die Fußspanne läuft, darauf. Der aufgesetzte Fuß muss das Seil möglichst nach der Spanne des anderen Fußes hin (von dessen Zehen weg) drücken.“

Rudolf Fehrmann: Der Bergsteiger in der Sächsischen Schweiz, Dresden 1908.

Eine Weiterentwicklung war der Dülfersitz, bei dem das Seil um einen Oberschenkel und über die Schulter läuft. Seit Erfindung des Abseilachters sind diese Methoden nicht mehr gebräuchlich.

Der Karabinersitz wird – zwar selten – im Gegensatz zum Dülfersitz auch heute noch verwendet, wenn kein Abseilachter oder ein anderes zum Abseilen geeignetes Sicherungsgerät zur Verfügung steht. Dülfersitz und Karabinersitz sind Methoden, die vor dem Aufkommen von Sitz- oder Komplettgurt angewandt wurden.

Siehe auch

Literatur

  • Chris Semmel: Abwärts – aber sicher. Typische Unfallmuster beim Abseilen vermeiden. In: DAV Panorama. Nr. 3, 2008, S. 75–77 (alpenverein.de [PDF; 358 kB]).
  • Christoph Hummel: Abseilen/Die Methode - Das richtige Setup. In: Deutscher Alpenverein (Hrsg.): Panorama-Magazin DAV. Nr. 4, Juli 2020, S. 60–61 ([1] [abgerufen am 25. Juli 2020]).
Commons: Abseilen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Abseilen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Christian Imboden: Berge: Beruf, Berufung, Schicksal. Rotten Verlag, Visp 2013, ISBN 3-907624-48-3. Seiten 120 und 85: Erfinder der modernen Abseiltechnik
  2. a b Ablassen und Abseilen – ein gewaltiger Unterschied. (PDF) In: Panorama 3/1999, S. 70 f.
  3. Selbstablassen. In: petzl.com. Abgerufen am 8. Juli 2021.
  4. Eintrag abseil im Merriam-Webster.
  5. Achtung beim Abseilen am „Sauschwanz“! Abgerufen am 9. April 2015.
  6. Robert Renzler: Die 12 (Kletter-)Gebote – Die Kletterregeln des Alpenvereins. In: ÖAV, DAV (Hrsg.): bergundsteigen. Teil 2, Nr. 2. Innsbruck 2000, S. 11 (bergundsteigen.at [PDF; abgerufen am 17. Februar 2009]).
  7. Gerald Krug: Hexen und Exen. Geoquest Verlag, Halle/Saale, 2. Auflage 2011, ISBN 978-3-00-020535-4, S. 221.