Idealismus

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Idealismus (abgeleitet von, gr. ιδέα, Idee, Urbild, Aussehen, Beschaffenheit) bezeichnet in der Philosophie unterschiedliche Strömungen, die (sehr grob zusammengefasst) gemein haben, dass in ihren Augen das eigentlich Wirkliche die Ideen sind; was wir wahrnehmen, seien nur Abbilder davon.

  • Der erkenntnistheoretische (auch: ontologische) Idealismus: dessen Vertreter sehen in jeder Form von Materie sowie auch in menschlichen Handlungen (und damit in der gesamten Geschichte) nur ein Abbild von Ideen. Sein Gegenbegriff ist der erkenntnistheoretische Materialismus (ebenso der sich damit überschneidende historische bzw. ökonomische Materialismus). Als weiterer Gegenbegriff wird gelegentlich der erkenntnistheoretische Realismus bezeichnet, was missverständlich ist, da auch idealistische Strömungen (seit dem Mittelalter) diesen Begriff für sich in Anspruch nahmen.
  • Der ethische Idealismus: Dieser auch im alltäglichen Sprachgebrauch übliche Begriff bezeichnet eine Lebenseinstellung, bei der ein Mensch altruistischen Ideen bzw. Idealen folgt und nicht egoistisch nach materiellen Gütern strebt. Der entsprechende Gegenbegriff ist der ethische Materialist, der annimmt, dass die Menschen egoistisch nur das eigene materielle Wohlergehen anstreben.

Von Platons Ideenlehre bis zur Leibnizschen Harmonie

Der Beginn des Idealismus wird meist bei Platon festgemacht. In seiner Schrift Politeia entwickelt er eine Ideenlehre, die u.a. mit dem Höhlengleichnis und an die Mathematik anknüpfend, in der er sich Ideen als Ur-Modelle bzw. Pläne von Dingen und Handlungen vorstellt. Wer diese Ideen verwirklicht, der könne auch das Gemeinwesen regieren.

Gottfried Wilhelm Leibniz greift etwa zwei Jahrtausende später darauf zurück, wenn er sagt, dass Platon (und er) die Seele nicht als Materie begreift. Leibniz ersetzt das mechanische Modell Newtons durch eine organische Dynamik der Monaden, die aufeinander in einer prästabilierten Harmonie abgestimmt sind.

Der subjektive Idealismus bei Fichte und Kant

Im Subjektiven Idealismus beruht die Realität auf unseren Ideen und unserer Vorstellungskraft (George Berkeley). Die transzendentalen Erkenntnisformen ordnen a priori allererst unser Erkennen (Kant) und ohne sie ist objektive Erkenntnis nicht möglich. Kant hat es jedoch abgelehnt als Vertreter des Idealismus verstanden zu werden, da er selbst das Sein voraussetzte. Der Subjektive Idealismus wird gelegentlich für einen Vorläufer des philosophischen Konstruktivismus' gehalten.

Der ästhetische Idealismus bei Schiller und Winckelmann

In den Werken Friedrich Schillers und Johann Joachim Winckelmanns wird das Streben nach der idealen Form propagiert.

In seiner klassischen Periode setzte Schiller das Programm der ästhetischen Erziehung des Menschen durch den Ausgleich von Verstand und Gefühl um. Er sah im ästhetischen Menschen und im vernünftigen Staat ein Gegenprogramm zur Französischen Revolution wie auch zur zeitgenössischen Politik, in der er nur rohe Kräfte am Werk sah. Ebenso prägte Winckelmann durch seine Schriften über die Nachahmung der Griechischen Werke ein Streben nach idealen Formen. Das Ziel dieses Strebens ist die ästhetische Bildung der Menschen. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“ sagt Goethe in der Hymne Das Göttliche.

Der Schriftsteller Bertolt Brecht persifliert diesen Idealismus in dem Gedicht „Erinnerungen an Marie A.“ (erste Strophe):

An jenem Tag im blauen Mond September / Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe / In meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns im schönen Sommerhimmel / War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben / Und als ich aufsah, war sie nimmer da.

Der absolute Idealismus bei Hegel und Schelling

Wohl schon im Tübinger Stift entstand das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus. Es stammt von dem Dichter Hölderlin, von Schelling oder von Hegel selbst, dessen Handschrift es trägt.

In einem absoluten (von Schelling sogar gegen Kant als Objektiven Idealismus bezeichneten) Idealismus wurde in der deutschen Philosophie des 19. Jahrhunderts versucht den subjektiven Idealismus, der eine Subjekt-Objekt-Spaltung beinhaltet, zu überwinden. Hegel hebt in seiner Dialektik diesen Dualismus an und für sich auf.

Die geistige Welt der Ideen und die materielle objektive Welt der Fakten und Gegenstände werden zu einer Einheit durch den geschichtlichen Begriff der Vernunft. Der Idealismus hebt dadurch quasi sich selbst in die Realität auf.

Kritik am Idealismus

Einsetzend bei Sören Kierkegaard wird im Existentialismus der Idealismus insofern kritisiert, als der objektive Geltungsanspruch der Ideen abgelehnt wird. Die eigenständige Lebensführung wird dem gegenüber besonders betont.

Teilweise im Anschluss an Ludwig Feuerbach wird bei Karl Marx die Hegelsche Dialektik zwar aufgenommen, aber umgedreht. Marx lehnt den Idealismus ab und kehrt ihn in einen Materialismus um. „Hegel wird vom Kopf auf die Füße gestellt“ heißt es. Im dialektischen Materialismus sind die ökonomischen Bedingungen Grundlage für die (gesellschaftliche) Wirklichkeit und nicht der Geist oder die Ideen.

Max Stirner kritisiert wiederum an Feuerbach, dass er „nur den Materialismus seiner ‚neuen Philosophie‘ mit dem bisherigen Eigentum des Idealismus, der ‚absoluten Philosophie‘, zu bekleiden“ wusste.

Literatur

  • Oswald Schwemmer: Idealismus, in: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2, Bibliographisches Institut, Mannheim u.a. 1984
  • Vittorio Hösle: Philosophiegeschichte und objektiver Idealismus, München 1996
  • Otto Willmann: Geschichte des Idealismus, Band I (1973), Band II (1975) und Band III (1979), Aalen. ISBN 3-511-03709-3