Pius XI.

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Pius XI., 1930
Unterschrift von Pius XI. unter dem Reichskonkordat
Unterschrift von Pius XI. unter dem Reichskonkordat

Pius XI. (* 31. Mai 1857 in Desio (Lombardei); † 10. Februar 1939 in Rom) – bürgerlicher Name Achille Ambrogio Damiano Ratti – war Papst von 1922 bis 1939. Pius XI. widmete sich nach Leo XIII. der Soziallehre und prägte diesen Begriff. In der Enzyklika Quadragesimo anno widmete er sich der Frage der Sozialbindung des Eigentums.

Leben

Bis zum Pontifikat

Achille Ratti als Kardinal, 1921

Der Theologe Achille Ratti studierte seit seinem zehnten Lebensjahr im Erzbischöflichen Seminar von Mailand und wurde von dem damaligen Erzbischof Luigi Nazari di Calabiana gefördert. Er wurde am 20. Dezember 1879 zum Priester geweiht und als dreifach promovierter Gelehrter (Dr. jur., Dr. theol. und Dr. phil.) 1882 zum Professor in Mailand berufen. Während der Zeit in Mailand war Ratti auch aktiver Bergsteiger und stand unter anderem auf dem Mont Blanc, dem Matterhorn und der Dufourspitze.[1] 1888 wurde er Bibliothekar an der Biblioteca Ambrosiana in Mailand und im Jahr 1907 deren Präfekt, aber schon 1911 von Papst Pius X. nach Rom berufen. Dort wurde er im Februar 1912 Vizepräfekt und am 1. September 1914 Präfekt der Vatikanischen Bibliothek.

Im Jahr 1918 ernannte ihn Papst Benedikt XV. (trotz fehlender diplomatischer Erfahrung) zum Apostolischen Visitator im Regentschaftskönigreich Polen, dann 1919 zum apostolischen Nuntius in Warschau und Titularerzbischof von Naupactus. Die Bischofsweihe erfolgte in Warschau. Als einziger akkreditierter Diplomat blieb der Nuntius in der polnischen Hauptstadt während der drohenden Belagerung durch die Rote Armee im Polnisch-Sowjetischen Krieg. Er gewann dadurch große Achtung unter Diplomaten und die Liebe der Polen. 1920 wurde Ratti zusätzlich Päpstlicher Kommissar für die Abstimmungsgebiete Oberschlesien, Ostpreußen und Westpreußen. In dieser Funktion verärgerte seine Objektivität sowohl die deutsche als auch die polnische Seite, so dass er im Juni 1921 abberufen wurde, um Erzbischof von Mailand und kurz darauf Kardinal mit der Titelkirche Santi Silvestro e Martino ai Monti zu werden. Nach dem überraschenden Tod des Papstes wurde der Mailänder Kardinal bereits am 6. Februar 1922 nach viertägigem Konklave im 14. Wahlgang zum Papst gewählt und am 12. Februar 1922 gekrönt. Im Konklave standen sich, wie so oft im Kardinalskollegium in der jüngeren Papstgeschichte, fromme Eiferer (zelanti, insbesondere Merry del Val) und eher diplomatische „Politiker“ („politicanti“, insbesondere Pietro Gasparri) gegenüber. Die eindrucksvolle Persönlichkeit des Kardinals Ratti überzeugte dann beide Seiten, insbesondere die Gruppe um den bisherigen Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri, die Rattis Wahl zu Papst Pius XI. vorantrieb. Durch Indiskretionen hat die Kirchengeschichtsforschung von diesem Konklave genaue Aufzeichnungen zur Verfügung, wie auch über das Konklave von 1914.

Pontifikat

Pius XI. am Beginn seines Pontifikates
Wappen Pius’ XI.

Mit seiner Antrittsenzyklika Ubi arcano Dei vom 23. Dezember 1922 verkündete der neue Papst sein Programm: pax christi in regno christi, der Friede Christi im Reich Christi. Er machte sich ausdrücklich die pastoralen und politischen Anliegen seiner beiden Vorgänger zu eigen, verurteilte den „sozialen Modernismus“ und entwickelte positive Leitlinien für eine friedfertige Gesellschaftsordnung auf dem Fundament der katholischen Religion.

Unter Pius XI. gelang die Lösung der „Römischen Frage“ nach der Souveränität des Kirchenstaates. Am 11. Februar 1929 schloss er mit Benito Mussolini die Lateranverträge, durch welche die Vatikanstadt die Unabhängigkeit erlangte. Außerdem wurde in den Lateranverträgen auch der Katholizismus zur Staatsreligion erklärt (bis 1984), Religionsunterricht obligatorisch und antikirchliche Propaganda verboten. Die Beziehungen zur faschistischen Regierung verschlechterten sich aber zusehends. Dies führte 1931 zur Veröffentlichung der Enzyklika Non abbiamo bisogno. Er schloss zahlreiche Konkordate ab und verfasste Enzykliken, beispielsweise die Sozialenzyklika Quadragesimo anno (1931), in der er, beeinflusst vor allem von Gustav Gundlach und Oswald von Nell-Breuning SJ, zur allgemeinen sozialen Anwendung des Subsidiaritätsprinzips aufforderte.

Sein bedeutendstes Konkordat ist neben den Lateranverträgen wohl das Reichskonkordat mit dem Deutschen Reich vom 10. September 1933. Oft wird Pius XI. und auch seinem Nachfolger Pius XII. vorgeworfen, sich nicht deutlich genug gegen den Nationalsozialismus gewandt zu haben. Früh wurde er von Edith Stein auf die Judenverfolgung hingewiesen. Verteidiger weisen jedoch darauf hin, dass die 1937 erschienene auf Deutsch verfasste Enzyklika Mit brennender Sorge (lat. Ardente cura), die in Deutschland im Geheimen verteilt werden musste, sehr wohl die nationalsozialistische Ideologie verurteilte. Darin heißt es:

„Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.“

Pius XI: Enzyklika Mit brennender Sorge, 1937[2]

Ging diese Enzyklika vor allem auf den Bruch des Reichskonkordats durch die Nationalsozialisten ein, sollte in der danach geplanten Enzyklika Humani generis unitas („Die Einheit des Menschengeschlechts“; teilweise auch als Societatis Unio zitiert) direkt die nationalsozialistische Rassenideologie verurteilt werden. Der Papst beauftragte seinen deutschen Berater Gustav Gundlach sowie zwei weitere Jesuiten mit einem Entwurf. Es kam allerdings nicht zur Veröffentlichung der Enzyklika, denn die Arbeiten an dem Text konnten nicht mehr zu Lebzeiten des Papstes abgeschlossen werden. Zudem waren die Auswirkungen einer Veröffentlichung ungewiss. Teile des Konzeptes der „verborgenen Enzyklika“ verwendete allerdings später Pius XII., nämlich in der Enzyklika Summi pontificatus. Auch nach der Enzyklika verurteilte Pius XI. die Judenverfolgung scharf. Zu Tränen gerührt, sagte er im September 1938 zu belgischen Pilgern, dass „kein Christ irgendeine Beziehung zum Antisemitismus haben darf“.[3]

Noch 1937 wurde eine weitere Enzyklika, Divini redemptoris, veröffentlicht. Sie prangerte den Kommunismus sehr viel deutlicher an als den Nationalsozialismus und ergriff angesichts der Kirchenverfolgung auch Partei gegen die „Gräuel des Kommunismus in Spanien“[4]. Allerdings wird Pius XI. seit der Öffnung der vatikanischen Archive für die Zeit seines Pontifikats im Herbst 2006 nach Forschungen des Historikers Vincente Cárcel Ortí „eine Distanz (…), wenn nicht gar Opposition des Papstes gegen den Generalísimo“ zugeschrieben. Es sei jedenfalls „falsch (…), den Ratti-Papst als Verbündeten Francos hinzustellen“.[5] Der Theologe Hubert Wolf stellte im September 2011 in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Haltung Pius’ XI. zum Franco-Regime erneut dar.[6]

Pius XI. plante seit Sommer 1938 ein Lehrschreiben gegen den Rassismus und Antisemitismus, zu dem er weder das zuständige Heilige Offizium noch Pacelli beauftragte. Zudem wollte er am 11. Februar 1939, dem Zehnjahrestag der Lateranverträge, die Leugnung der nationalsozialistischen Judenverfolgung in der italienischen Presse und die italienischen Rassengesetze vom Juli 1938 als Bruch des Italienkonkordats öffentlich anprangern. Pacelli dagegen wollte diesen Konfrontationskurs vermeiden, um das Konkordat nicht zu gefährden und Mussolini als Vermittler gegenüber Hitler zu behalten.[7] Als Pius XI. einen Tag zuvor, am 10. Februar 1939 starb, ließ Pacelli die schon gedruckten Exemplare der geplanten Papstrede vernichten, wie es seine Aufgabe als Camerlengo war.[8]

Pius XI. nahm zahlreiche Heiligsprechungen vor, unter anderem kanonisierte er Albertus Magnus, Thomas Morus, Petrus Canisius, Konrad von Parzham, Maria Magdalena Postel und Don Bosco. Hervorzuheben ist seine starke Verehrung der Hl. Thérèse Martin „vom Kinde Jesu“; er unterstützte den Bau der großen Basilika in Lisieux. 1925 fand unter Pius zudem das erste Heilige Jahr des 20. Jahrhunderts statt. Pius XI. führte auch das Christkönigsfest ein. Auf dem Sterbebett verfügte er, dass eine Flasche seines besten Weines aufgehoben werden sollte, „für meinen Nachfolger im Jahre 2000“. Es ist nicht bekannt, ob Johannes Paul II. jemals diese Flasche erhalten hat.

Büste des Papstes Pius XI. des Adolfo Wildt, ausgestellt in den vatikanischen Museen

Werke (Auswahl)

  • Antrittsenzyklika Ubi arcano Dei, 23. Dezember 1922. Über den Frieden Christi im Reiche Christi (Anregung zur Katholischen Aktion)
  • Apostolisches Rundschreiben Rerum Ecclesiae, 28. Februar 1926. Über Pflicht und Art der Förderung der Heiligen Missionen.
  • Apostolisches Rundschreiben Rite expiatis, 30. April 1926. Über den heiligen Franziskus von Assisi zu seinem 700. Todestag.
  • Apostolisches Rundschreiben Mortalium animos, 6. Januar 1928. Über die Pflicht zur Sorge um die echte Einheit in der Religion.
  • Apostolisches Rundschreiben Casti connubii, 31. Dezember 1930. Über die christliche Ehe in Hinsicht auf die gegenwärtigen Verhältnisse, Bedrängnisse, Irrtümer und Verfehlungen in Familie und Gesellschaft.
  • Apostolisches Rundschreiben Ingravescentibus malis, 29. September 1937. Über das Gebet des Rosenkranzes als Zuflucht der Kirche.

Literatur

Commons: Pius XI. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Il papa alpinista: Achille Ratti - der Bergsteiger, der Papst wurde und Hitler trotzte (Memento vom 29. Mai 2016 im Internet Archive), 22. September 2013
  2. Enzyklika Mit brennender Sorge, 1937, abgerufen am 14. April 2015.
  3. Hans Kühner-Wolfskehl: Von Pius XI., Die Zeit, 14. Juni 1963, abgerufen am 14. April 2015.
  4. Randziffer 20 der Enzyklika Über den atheistischen Kommunismus, aus Materialien und Informationen zur Zeit, 1980, H. 4, Website des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten, abgerufen am 14. April 2015.
  5. Nikolaus Nowak: Neue Quellen über Papst Pius XI. und Francos Krieg, Die Welt, 28. Januar 2008, S. 29. Cárcel Ortí gibt an, neben vergeblichen Telegrammen des Papstes an Franco über die Einhaltung eines Waffenstillstands über Weihnachten auch Listen der Namen von 12.000 Basken gefunden zu haben, deren Rückkehr nach Spanien der Vatikan über mehrere europäische Nuntiaturen betrieb; ferner auf den Einsatz des Papstes für Einzelpersonen auf Schreiben der Angehörigen hin, um lediglich in einigen Fällen die Antwort zu erhalten, dass die betreffende Person bereits exekutiert worden sei.
  6. Hubert Wolf: Francos Putsch und Papstes Segen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. September 2010, S. Z3, abgerufen am 14. April 2015.
  7. Gerhard Besier: Der Heilige Stuhl und Hitlerdeutschland. Die Faszination des Totalitären. München 2004, S. 286.
  8. Hubert Wolf: Papst und Teufel. Die Archive des Vatikan und das Dritte Reich. München 2009, S. 234–237.
VorgängerAmtNachfolger
Benedikt XV. Papst
1922–1939
Pius XII.
Papst Benedikt XV. Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem
1922–1939
Papst Pius XII.
Andrea Carlo FerrariErzbischof von Mailand
1921–1922
Eugenio Tosi