Niederspannungsnetz

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Niederspannungsnetze sind ein Teil des Stromnetzes zur Verteilung der elektrischen Energie an den größten Teil der elektrischen Endverbraucher, der aus Niederspannungsgeräten besteht. Um Spannungsverluste zu vermeiden, sind Niederspannungsnetze in der räumlichen Ausdehnung auf einen Bereich von einigen 100 m bis zu einigen wenigen Kilometern beschränkt. Sie werden daher regional über Transformatorenstationen aus einem übergeordneten Mittelspannungsnetz gespeist. Niederspannungsnetze sind im Unterschied zu den anderen Spannungsebenen nicht als Drei-, sondern als Vierleitersysteme aufgebaut, um den Anschluss einphasiger Verbraucher zu ermöglichen. Sie werden in Europa üblicherweise mit einer Netzspannung zwischen 230 V / 400 V (einphasig/ dreiphasig) bis zu 1000 V betrieben. Die Bemessungsleistungen einzelner Ortsnetztransformatoren liegen bei 250, 400 oder 630 kVA.

Arten

Dachständer mit Freileitungen, Teil des Niederspannungsnetzes

Die Arten der in Europa gebräuchlichen Netzausführung für Dreiphasenwechselstrom sind von der International Electrotechnical Commission (IEC) festgelegt und unterteilen sich in:

  • TN-System (frz. Terre Neutre): Es ist in Mitteleuropa die gebräuchlichste Ausführung, besitzt einen starr geerdeten Sternpunkt, und in verschiedenen Teilausführungen wird der Schutzleiter bzw. gemeinsam der Neutral- und Schutzleiter als sogenannter PEN-Leiter von der Transformatorenstation bis zu den einzelnen Unterverteilungen geführt. Damit sind fünf bzw. vier parallele Leiter notwendig. Das TN-System unterteilt sich je nach konkreter Ausführung des Schutzleiters bzw. Neutralleiters und deren Kombinationen in das TN-C-System, TN-S-System und das gebräuchlichste, das TN-C-S-System.
  • TT-System (frz. Terre Terre): Der Sternpunkt beim Trafo wie auch der beim Verbraucher ist mit der Erdungsanlage galvanisch verbunden. Es existiert aber zwischen Verbraucher und Transformatorstation keine gemeinsame Schutzleiterverbindung, die Verbindung des Schutzleiters erfolgt ausschließlich über das Erdreich. Dieses System ist kostengünstiger als das TN-System, da dabei der zusätzliche Leiter für den Schutzleiter im Bereich der Hauptverteilung entfallen kann. Allerdings setzt es geringe Erdungswiderstände voraus, die nicht immer gewährleistet werden können.
  • IT-System (frz. Isolé Terre): Sogenanntes isoliertes Netz. Verwendung in meist kleinräumigen Industrienetzen und in Spitälern. Als Besonderheit ist in diesem Netz der Sternpunkt nicht geerdet. IT-Netze haben den Vorteil, dass ein einfacher Erdschluss nicht sofort zu einem Ausfall führt. Der Fehler wird von einem Isolationsüberwachungsgerät angezeigt und kann dann unter Umständen ohne Unterbrechung behoben werden. An der Fehlerstelle fließt ein geringer Blindstrom. Die Höhe des Stromes ist von der Kapazität der in dem Netzbereich zusammengeschalteten Netzkabel abhängig. Der Einsatz von Fehlerstromschutzschaltern ist in diesem Netz nur bei Zwei- oder Mehrfachfehlern zur sofortigen Abschaltung möglich.

Außerhalb von Europa sind auch noch weitere Niederspannungsnetze üblich. Im nordamerikanischen Raum und teilweise im asiatischen Raum ist das Einphasen-Dreileiternetz und das darauf aufbauende Red-Leg Delta System verbreitet.

Topologie

Hauptverteilung mit NH-Sicherungen

Niederspannungsnetze sind ausgehend vom Bereich der Hauptverteilung üblicherweise in mehrere Kabelstränge unterteilt, welche einzelne Häuser oder Häusergruppen in der näheren Umgebung versorgen. Die Stränge werden meist sternförmig realisiert, wobei im Bereich des Hausanschlusses über einen so genannten Schleifenkasten die Abzweigungen zu den Unterverteilung erfolgen. Bei den in ländlichen Gegenden noch üblichen Freileitungen erfolgt die Ausspeisung über Dachständer. In Sonderfällen kann ein Niederspannungsnetz auch als Ring aufgebaut sein und von mehreren Stellen gespeist sein.

Im Bereich der Unterverteilung erfolgt eine sternförmige Speisung der einzelnen Verbraucher und Steckdosen. In England und in manchen ehemaligen englischen Kolonien kommen auch ringförmige Verteilungen im Rahmen der Norm BS 1363 in Wohnungen vor. Die Ringtopologie hat den Vorteil, dass bei gleicher Leistung geringere Leiterquerschnitte verwendet werden können, allerdings ist der Installationsaufwand höher.

Speisung

Transformator im Inneren einer Transformatorenstation zur Speisung eines Niederspannungsnetzes aus dem übergeordneten Mittelspannungsnetz

Niederspannungsnetze werden aus dem Mittelspannungsnetz durch lokale Transformatorenstationen gespeist. Manchmal wird ein etwas kostengünstigerer Trafo mit der Schaltgruppe Yy0 (Stern-Stern 0) verwendet, wobei die Sekundärseite der Wicklungen an einem Ende zum Sternpunkt zusammengeschaltet sind. Besser als die Sternschaltung ist die Schaltgruppe Yz5 (Stern-Zickzack 5), bei der durch die Verteilung des unsymmetrischen Außenleiterstromes auf je 2 Schenkelhälften eines Trafos die Unsymmetrie weitestgehend ausgeglichen wird. Geschieht dieser Ausgleich nicht, dann werden die einzelnen Außenleiterspannungen beim Verbraucher ungleich hohe Spannungswerte aufweisen und Schieflasten sind die Folge.

Auf der Niederspannungsseite wird der Sternpunkt des Ortstransformators starr geerdet. Dabei ist ein Erdungswiderstand von gewöhnlich RE unter 2 Ω gefordert. Ist dieser Wert durch Alterung, Beschädigung, Bodentrockenheit oder anderen Umständen höher, kann es im Fehlerfall zu unzulässig hohen Berührungsspannungen oder Schrittspannungen kommen.

Leiterbezeichnungen

  • Außenleiter (L1, L2, L3): Bezeichnung für das hohes Potential führende Ende der Trafowicklung. Drei um 120° phasenverschobene versetzte Außenleiter im Drehstromsystem. Umgangssprachlich wird der Außenleiter auch als Phase bezeichnet. Ein Außenleiter gegen Neutralleiter wird umgangssprachlich als Lichtstrom und das Drehstromsystem als Kraftstrom bezeichnet.
  • Neutralleiter (N): Dies beschreibt den ausgleichenden Sternpunktleiter im Drehstromsystem. Bei einem symmetrisch belasteten Drehstromsystem heben sich die Ströme in den Außenleitern auf. In dem mitgeführten Sternpunkt (Neutralleiter) fließt kein elektrischer Strom. Erst wenn durch einen 230-V-Verbraucher eine unsymmetrische Last entsteht, gleicht der Strom im Neutralleiter die Unsymmetrie aus.
  • Schutzleiter (PE): Dies beschreibt den Leiter, der ausschließlich zum Schutz vor gefährlichen Berührungsspannungen an leitenden Oberflächen verwendet wird. Er ist immer grün/gelb gekennzeichnet und an den metallisch leitenden Gehäusen der Elektrogeräte angeschlossen.
  • PEN-Leiter (PEN): Ein Neutralleiter aus dem TN-C-Netz, der die Schutzleiterfunktion mit wahrnimmt. Diese Ausführung ist problematisch, weil im Fehlerfall die Außenleiterspannung an leitenden Oberflächen anliegen kann. Die Rückleitung im unsymmetrischen Drehstromnetz würde im Fehlerfalle fehlen und die Spannung auch auf den Gehäusen anliegen.
  • Erdung: Wenn von geerdet oder Erdung gesprochen wird, so ist immer eine leitende Verbindung zur Erde gemeint. Diese wird durch einen Erder hergestellt. Üblich sind Fundamenterder im Hausfundament, Staberder bis 20 m Tiefe oder Bandeisenerder, die 15 m lang 1 m tief eingegraben werden. Die Erder der Trafostationen sollen nicht mehr als 2 Ω Widerstand haben. Alle anderen Erder sind meist wesentlich schlechter und stark vom Boden und dem Wetter abhängig.
  • Potentialausgleich: Man schließt damit leitende Oberflächen an den Erder an, die normalerweise keinen Stromanschluss besitzen. Dies betrifft zum Beispiel Duschwannen, Badewannen, Heizungsrohre, Wasserrohre und Gasrohre.

Die Bahn muss unter ihren Fahrleitungen alle metallischen Teile in den Potenzialausgleich einbeziehen, auch Geländer, Uhren und Verkleidungen. Im Rissbereich der Fahrleitung müssen die Leitungen sogar 25 kA/1 s thermische Kurzschlussströme aushalten. Der elektrische Spannungsabfall durch Fahrleitungskurzschlüsse würde sonst zu hohe Spannungen erzeugen.

Farbgebung

Zur Unterscheidung der Außenleiter und des Neutralleiters sind bei Kabelsystemen für Niederspannung je nach Region einheitliche Farben festgelegt. In der EU ist die Farbgebung durch die Norm IEC 60446 (EN 60446) festgelegt.[1] In anderen Ländern werden auch davon abweichende Farbschemata verwendet. Einige übliche Farbgebungen in Dreiphasensystemen sind:

Land L1 L2 L3 Neutralleiter
N
Erde/
Schutzerde
Europäische Union [* 1] Braun Schwarz Grau Blau Grün-Gelb
Deutschland[2][3] Braun
Schwarz
Schwarz [* 2]
Schwarz
Braun
Braun[* 2]
Grau
Schwarz
Braun[* 2]
Blau
Blau
 
Grün-Gelb
Grün-Gelb
Rot
Schweiz Braun
Schwarz[* 2]
Schwarz
Rot[* 2]
Grau
Weiß[* 2]
Blau
Gelb[* 2]
Grün-Gelb
Rot-Gelb[* 2]
Österreich Schwarz
Schwarz
Schwarz
Braun
Grau
Braun
Blau
 
Grün-Gelb
Rot[* 2]
Frankreich Braun Schwarz Schwarz Blau Grün-Gelb
Vereinigtes Königreich Braun
Rot[* 3]
Schwarz
Rot[* 3]
Schwarz
Rot[* 3]
Blau
Rot[* 3]
Grün-Gelb
Rot[* 3]
Vereinigte Staaten [* 4] Schwarz
Braun
Rot
Orange
Violett
Blau

Grün-Gelb
Grün
Blankes Kupfer
Kanada [* 5] Rot Schwarz Blau Weiß Grün-Gelb
Blankes Kupfer
Australien und Neuseeland [* 6] Rot Weiß Dunkelblau Schwarz Gelb
China [* 7] Weiß Grün Rot Hellblau Gelb

Anmerkungen zur Farbtabelle:

  1. Bevorzugte Farben; Umfasst alle Länder, welche den CENELEC Standard IEC 60446 anwenden.
  2. a b c d e f g h i Nur bei Altinstallationen
  3. a b c d e Vor dem 31. März 2004, festgelegt im British Standard BS 7671
  4. Nicht einheitlich festgelegt. Farben sind teilweise im NEC festgelegt.
  5. Verpflichtend von der Canadian Standards Association festgelegt
  6. Festgelegt im Standard AS/NZS 3000:2007
  7. Festgelegt im Standard GB 50303-2002 Abschnitt 15.2.2

Sonderformen

Masttransformator von 960 V auf 400 V für die Versorgung abgelegener Häuser in ländlichen Gebieten

Niederspannungsnetze mit Nennspannungen von 690 V werden unter anderem im Industrieanlagen oder Kraftwerken zur Versorgung von größeren Elektromotoren für den Antrieb von Pumpen, Förderbändern und dergleichen mehr mit Leistungen von einigen 100 kW bis zu einigen Megawatt verwendet.

Eine weitere spezielle Anwendung höherer Niederspannungen sind ausgedehnte Niederspannungsnetze in ländlichen Gebieten in Europa mit 960 V als Zwischenspannung um den Spannungsabfall zwischen der Transformatorenstation und dem Endkundenanschluss mit 400 V innerhalb der zulässigen Grenzen zu halten. Dabei wird in unmittelbarer Nähe zum Endkundenanschluss, typischerweise sind dies abgelegene Gehöfte oder einzelne abgelegene Landhäuser, ein zusätzlicher Transformator von 960 V auf 400 V im Leistungsbereich einiger 10 kVA vorgesehen. Die Transformatorstation, die mit Mittelspannung betrieben wird, kann sich einige Kilometer entfernt befinden. Der Vorteil der Zwischenspannung besteht neben einer Reduktion der Spannungsschwankungen infolge einer langen Niederspannungszuleitung darin, dass keine von der Isolierung her aufwändige und teure Mittelspannungsleitung bis zu den entlegenen Gebäuden notwendig ist. Es können die bis 1 kV zugelassenen Niederspannungsleitungen und Elektroinstallationseinrichtungen verwendet werden.

Weitere Anwendungen

Niederspannungsnetze werden nicht nur zur elektrischen Energieversorgung verwendet, sondern auch zur Nachrichtenübertragung. Insbesondere erfolgen über Niederspannungsnetze die Übertragung von Steuersignalen der Rundsteuertechnik und in manchen Länder auch höherfrequente Datensignale mittels Trägerfrequenzmodems (engl. powerline). Hierbei gab es auch Versuche bzw. Anwendungen mit Drahtfunk.

Literatur

  • Adolf J. Schwab: Elektroenergiesysteme - Erzeugung, Transport, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie, Springer Verlag 2006, ISBN 3-540-29664-6

Einzelnachweise

  1. Harmonised Colours and Alphanumeric Marking, in IEE Wiring Matters, Frühjahr 2004
  2. laut VDE 0293
  3. Informationen zur Harmonisierung der Aderfarben

Siehe auch