Scheibenbremse

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Innenbelüftete Scheibenbremse
Bremse gelöst
Bremse betätigt
Perimeterbremse an einem Buell XB-Modell
Mehrscheibenbremse aus Kohlenstoff des Airbus A330/A340
Wellenbremsscheiben mit Bremszangen eines Stadler KISS

Die Scheibenbremse ist eine Bauform von Bremsen, bei der die Verzögerung durch eine auf der Radnabe befestigte Bremsscheibe und den im Bremssattel liegenden Bremsklotz mit Bremsbelägen erzeugt wird. Sie ist noch vor der Trommelbremse die häufigste Bauart in Kraftfahrzeugen und wird zunehmend auch als Fahrradbremse eingesetzt.

Geschichte

Als Erfinder der Scheidenbremse gilt der Brite Frederick W. Lanchester, der 1902 ein Patent erhielt.[1] Die Lanchester-Scheibenbremse wurde ab 1905 in die Personenwagen von Lanchester eingebaut, die Betätigung erfolgte mechanisch.[2]

Es dauerte jedoch noch rund 50 Jahre, bis die Scheibenbremse serienmäßig in Kraftfahrzeugen eingebaut wurde. Das weltweit erste serienmäßig hergestellte Kraftfahrzeug mit einer Scheibenbremse war der deutsche Tiger-Panzer des Zweiten Weltkriegs. Als erster Pkw kam 1948 der Tucker Torpedo mit vier Scheibenbremsen auf den US-Markt. In Europa erhielt 1952 der Rennsportwagen Jaguar C-Type (C für Competition = Wettbewerb) vier Dunlop-Scheibenbremsen, 1955 folgte dann der Citroën DS mit innenliegenden Scheibenbremsen vorn. Das erste europäische Serienfahrzeug mit Scheibenbremsen an allen Rädern war der Roadster Austin-Healey 100S.

Wirkungsweise

Beim Bremsen wird die kinetische Energie des Fahrzeuges mittels Reibung in Wärme umgewandelt. Die Energiemenge ist abhängig von der Masse des Fahrzeugs und von der Geschwindigkeit; bei der Berechnung der Energie hat die Fahrzeugmasse einen linearen und die Geschwindigkeit einen quadratischen Einfluss. Bei gleicher Masse führt die Verdoppelung der Geschwindigkeit somit zu einer Vervierfachung der benötigten Bremsenergie. Der Abrieb in Form von Bremsstaub ist eine tribologische Verschleißerscheinung.

Aufbau

Eine Scheibenbremse besteht aus einer mit der Radnabe verbundenen Bremsscheibe und dem Bremsträger, an dem der Bremssattel befestigt ist. Der Bremssattel (auch Bremszange) umfasst die Bremsscheibe und enthält die Bremsbeläge und die Bremskolben, welche die Bremsbeläge axial gegen die Scheibe drücken.

In den meisten Fällen ist die Bremsscheibe direkt an der Radnabe angebracht. Sie kann aber auch innen, bei angetriebenen Achsen am Differential angebracht sein (Citroën, Alfa Romeo, einige DKW und Audi, NSU Ro 80, Jaguar XJ). Bei nicht angetriebenen Achsen wird das Bremsmoment mit Bremswellen übertragen. Diese Bauform nennt man innenliegende Bremse. Vorteile sind die geringeren ungefederten Massen und die Drehachse des Achsschenkels in der Mitte der Reifenaufstandsfläche. Dadurch bleibt das Auto auch bei unterschiedlicher Griffigkeit der Fahrbahn beim Bremsen in der Spur. Nachteilig ist die hohe Belastung der Antriebswelle durch das Bremsmoment. Ein weiterer Nachteil sind die aufgrund der Einbaulage mitunter hohen Reparaturkosten beim Auswechseln von Bremsscheiben.

Perimeterbremse

Eine markante Sonderform für Motorräder und Automobile[3] ist die sogenannte Perimeterbremse, bei der die Bremsscheibe statt innen an der Radnabe außen an der Felge angebracht ist und vom Bremssattel von innen umgriffen wird. Dadurch kann der wirksame Durchmesser der Bremsscheibe fast so groß wie der Felgendurchmesser werden und das Bremsmoment muss nicht über die Felge übertragen werden.

Eine ähnliche Konstruktion mit von innen umfassten Bremsscheiben ist bei einigen Modellen von Audi (z. B. V8, 200 20V und 100 S4) sowie Porsche (z. B. 356 Carrera 2) verbaut. Bei diesen ist der Außenrand der Bremsscheibe jedoch nicht an der Felge befestigt, sondern über einen speziellen Nabenträger mit der Radnabe verbunden.

Konstruktion

Da die Bremsscheibe rein dem Bremsen dient, kann der Werkstoff der Scheibe ganz auf die Anforderungen der Bremse ausgelegt werden. Der Durchmesser der Scheibe bestimmt das Bremsmoment und somit die Bremsleistung maßgeblich. Bei leistungsstarken Kfz limitiert der Raddurchmesser den Innendurchmesser der Felge und damit den Bremsscheibendurchmesser. Um Bremsscheiben möglichst groß dimensionieren zu können, müssen also möglichst große Felgen eingesetzt werden oder Bremssättel mit mehreren Kolben und dadurch größeren Bremsklötzen verwendet werden.

Teil- und Vollbremsscheiben

Es wird zwischen Teil- und Vollscheibenbremsen unterschieden: Entweder steht nur ein Teil oder die gesamte Fläche der Scheibe als Reibfläche zur Verfügung. Vollscheibenbremsen kommen beispielsweise in Panzern, Flugzeugen oder Landmaschinen zum Einsatz. Sie sind robust und abriebsstark und wegen ihrer großen Masse auch relativ temperaturstabil, was bei seltener Benutzung eine Kühlung unnötig macht.

Flugzeugbremsen bestehen je nach Größe des Flugzeugs aus mehreren Bremsscheiben und -belägen, ähnlich wie eine Mehrscheibenkupplung. Die Bremskolben sind radial im Bremsgehäuse eingebaut. Stahlbremsen sind für Temperaturen bis 1000 °C, Bremsen aus Kohlenstoff bis 2000 °C ausgelegt.

Bremssatteltypen

Man unterscheidet weiter zwischen Ein- und Mehrkolbensätteln sowie zwischen Fest- und Schwimmsattelbremsen. Der Bremskolben wird von einer speziell geformten Dichtung im Bremssattel rückgestellt .

Einkolbensättel

Einkolbenschwimmsättel haben nur einen Bremskolben, sie sind vor allem bei PKW sowie kleinen motorisierten Zweirädern oder bei Sportfahrrädern zu finden. Um den Anpressdruck gleichmäßiger über die Reibfläche zu verteilen und die Betätigungskräfte zu senken, werden Sättel mit mehreren Kolben eingebaut. Motorräder, ohne Bremskraftverstärker, haben daher meist 4-, bei Sportmodellen auch 6- und 8-Kolben-Bremsen. Mit Einzelbelägen für mehrere Kolben können Wirkung und Bremsverhalten weiter optimiert werden.

Festsattelbremsen

Bei der Festsattelbremse ist das Gehäuse des Festsattels gleichzeitig der Bremsträger, er ist unbeweglich und die Bremskolben befinden sich auf beiden Seiten der Bremsscheibe. Eine Festsattelbremse hat somit doppelt so viele Kolben wie eine Schwimmsattelbremse. Bremsen für hohe Belastungen sind in der Regel Festsattelbremsen, bei denen der Sattel aus einem Teil gegossen oder gefräst wird, auch Monoblock-Bremse genannt.

Schwimmsattelbremsen

Im Gegensatz zu einer Festsattelbremse hat die Schwimmsattelbremse nur einen Bremsträger, der am Radlagergehäuse angeschraubt ist. An diesem Träger ist der bewegliche Schwimmsattel befestigt, der sich aus dem einseitig angebrachten Bremszylinder und einer Umlenkvorrichtung zusammensetzt, die den gegenüberliegenden Bremsbelag betätigt. Man unterscheidet dabei die (heute veraltete) Schwimmrahmenbremse und die (aktuelle) Faustsattelbremse.

Radialbremsen

Radialbremse (Yamaha R6)

Bei der sogenannten Radialbremse handelt es sich um eine Scheibenbremse, bei der die Bremssättel radial verschraubt sind und dadurch der Abstand zur Radachse variiert werden kann. Diese Bauform stammt aus dem Rennsport, wo je nach Strecke, Witterung, Temperatur und weiteren Einflüssen Bremsscheiben mit verschiedenen Durchmessern montiert werden. Radial verschraubte Bremssättel lassen sich an den Durchmesser der verwendeten Bremsscheibe anpassen. Dazu wird der Abstand zwischen Radachse und Bremssattel durch Unterlegscheiben zwischen dem Bremssattel und der Bremssattelaufnahme an der Vorderradgabel variiert. So müssen die Bremssättel und Beläge nicht getauscht werden. Dies spart Zeit und erleichtert das Umrüsten, da keine Montage an der Hydraulik erforderlich ist.

Betätigung

Hydraulische Scheibenbremse
Mechanische Scheibenbremse

Weil der Arbeitsweg der Bremsbeläge meist nur wenige Millimeter beträgt und die verwendeten Materialien sehr hart sind, bietet es sich an, die Bremse über eine Übersetzung zu betätigen. Diese kann hydraulisch oder mechanisch erreicht werden.

Hydraulik

Da bei der Scheibenbremse wegen der fehlenden Selbstverstärkung (C* = 0,76) eine höhere Anpresskraft als bei einer Trommelbremse benötigt wird, ist die hydraulische Übersetzung zwischen Hauptbremszylinder und Radbremszylinder größer. Daher gehören seit Ende der 1980er Jahre Bremskraftverstärker auch schon bei leichteren PKW zur Serienausrüstung.

Mechanik

Aus Kostengründen kommen an Fahrrädern manchmal seilzugbetätigte Scheibenbremsen zum Einsatz. Man spricht oft auch von vereinfachend mechanische Scheibenbremsen. Die nötige Übersetzung wird dabei dadurch erreicht, dass die Bremsbeläge durch ein Gewinde an die Bremsscheibe herangeführt werden. Ein Hebel erhöht das Übersetzungsverhältnis weiter und erzeugt viel Bewegung, die nötig ist, um den Abrieb im Bowdenzug niedrig zu halten und Verkeilen zu verhindern.

Handbremse

Bei Fahrzeugen mit vier Scheibenbremsen wirkt die Handbremse meistens auf die Hinterräder. Dabei werden zwei unterschiedliche Bauarten verwendet. Einmal werden die Bremsbeläge über ein Hebelsystem am Bremssattel an die Bremsscheibe gepresst, und somit eine Bremswirkung erzielt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die hinteren Bremsscheiben mit einer kleinen, innenliegenden Bremstrommel ausgebildet sind und darin eine konventionelle Trommelbremse mit Bremsbacken eingebaut ist.

Beeinträchtigungen der Bremsleistung

Generell erlauben gute Kühlung und hoher Anpressdruck, mit Scheibenbremsen große Verzögerung zu erzeugen. Die maximale Bremskraft hängt dabei von den Reibwerten der verwendeten Materialien, der aktuellen Temperatur und dem Druck, mit dem die Bremsklötze auf die Scheibe gedrückt werden, ab. In der Praxis spielen auch Verunreinigungen wie Staub, Nässe oder Ölrückstände eine Rolle.

Bei häufigen leichten Bremsungen mit leicht verschmutzten Bremsscheiben kann es zu Glasbildung auf den Scheiben und Belägen kommen. Diese äußert sich dann mit schlechterem Bremsverhalten. Um die Bremsanlage zu pflegen, werden bei modernen Personenwagen während der Fahrt die Bremsbeläge automatisch von Zeit zu Zeit mit geringen Druck an die Bremsscheibe angelegt, um die Schicht mit den Verunreinigungen zu entfernen. Geschieht dies nicht und ist eine Verglasung bereits eingetreten, müssen die Verschleißteile erneuert werden oder die Schicht abgebremst werden.

Kühlung

Edelstahlbremsscheibe eines Fahrrads mit Verfärbungen (Anlauffarbe) durch Erwärmung
Stark gelochte Bremsscheibe an einem modernen Motorrad

Wie bei allen Reibungsbremsen wird auch bei der Scheibenbremse beim Bremsen die kinetische Energie des Fahrzeugs vollständig in Wärme umgewandelt. Diese Wärmeenergie wird zunächst hauptsächlich in der Bremsscheibe gespeichert, wodurch sich diese stark erwärmt. Bei Scheibenbremsen liegen die Bremsflächen frei und können daher die Wärme schnell wieder an die Umgebungsluft abgeben. Zur besseren Wärmeabfuhr kann die Bremsscheibe innenbelüftet ausgeführt werden. Hingegen erlauben Trommelbremsen wegen der im Verhältnis zum Volumen geringeren Oberfläche nur eine mäßige Wärmeabfuhr.

Eine beispielhafte Berechnung zur Erwärmung einer Bremse findet sich im Artikel Bremsscheibe.

Innenbelüftung

So genannte Innenbelüftete Bremsscheiben haben innenliegende radiale Kühlluftkanäle. Damit wird die Fläche zur Abgabe der Wärme an die Luft vergrößert und bei Drehung durch die Zentrifugalkraft ein Luftstrom erzeugt (Prinzip eines Radiallüfters). Dadurch wird die Gefahr nachlassender Bremswirkung (Bremsfading) infolge steigender Temperatur reduziert. Nachteile sind die größere Baubreite und benötigte Festigkeit des Bremssattels und das höhere Gewicht, das die ungefederten Massen erhöht. Eine höhere Masse der Bremsscheibe ist jedoch nicht nur nachteilig, da dadurch eine größere Wärmemenge aufgenommen und gespeichert werden kann.

Lochung

Bremsscheiben für höhere Anforderungen, beispielsweise im Motorsport, sind häufig gelocht, das heißt, sie sind mit kleinen Bohrungen in der gesamten Bremsfläche versehen. Dies hat einen positiven Effekt auf das Ansprechverhalten bei Nässe, da sich zwischen Bremsklotz und Bremsscheibe kein Dampfpolster durch das verdampfende Wasser aufbauen kann. Auch die thermischen Spannungen im Material durch den Wärmeeintrag bei einer Bremsung sind damit besser beherrschbar als bei Vollscheiben. Diese Vorteile werden allerdings mit einem erhöhten Belagverschleiß erkauft: Durch den hohen Anpressdruck führt die Kompressibilität des Belages vor allem bei hohen Temperaturen zu erhöhtem Verschleiß an den Bohrungen. Bei Porsche-Bremsen werden die Löcher nicht gebohrt, sondern aus Stabilitätsgründen mit der Scheibe direkt gegossen.

Schlitzung

Geschlitzte Scheibenbremsen tragen auf der Scheibenoberfläche schräg nach außen (bei Vorwärtsfahrt) verlaufende Nuten, um zum einen eine bessere Belüftung, zum anderen einen verbesserten Abtransport von Nässe und Bremsbelagabrieb zu erzielen. Sie sind zusätzlich in gelochter Ausführung erhältlich.

Moderne Werkstoffe

Keramikverbundbremse an einem Porsche Carrera GT
LKW-Scheibenbremse

Bei der Compound-Bremse ist der Reibring aus Grauguss nur durch eingegossene Edelstahlstifte mit dem aus Aluminium gefertigten Topf der Bremsscheibe verbunden. Sie ist leichter als eine gleich große Graugussscheibe, wegen der geringeren ungefederten Masse verbessern sich die Federungseigenschaften des Fahrwerks.

In hochmotorisierten und teuren PKW der Luxus- und Sportwagenklasse werden inzwischen Bremsscheiben aus Carbon-Keramik (CMC) angeboten, einem keramischer Faserverbundwerkstoff aus Kohlenstofffasern und Siliciumcarbid. Diese Scheiben haben durch geringeren Verschleiß und bessere Korrosionsbeständigkeit eine höhere Lebensdauer. Bei steigender Betriebstemperatur zeigt die CMC-Bremse weniger Fading. Sie sind 40 % leichter als Metallscheiben, auch hier verbessert sich das Fahrverhalten wegen der geringeren ungefederten Massen. Keramikscheiben sind um ein Vielfaches teurer als Grauguss-Scheiben, was eine Massenanwendung derzeit verhindert.

Ein ähnliches Material, nämlich mit Kohlenstofffasern verstärkter Kohlenstoff (CFC), wird schon länger wegen seines geringeren Gewichtes für Bremsscheiben von Passagierflugzeugen und im Automobilrennsport eingesetzt. Das teure und sehr leichte Material zeigt jedoch schlechtes Kaltbremsverhalten und ist damit für den Straßenverkehr nicht geeeignet. Die Kohlenstoffoberflächen haben einen etwas höheren Reibungskoeffizienten als Grauguss.[4]

Einzelnachweise

  1. Olaf von Fersen (Hrsg.): Ein Jahrhundert Automobiltechik. Personenwagen. VDI Verlag 1986, ISBN 3-18-400620-4., S. 410
  2. Olaf von Fersen (Hrsg.): Ein Jahrhundert Automobiltechik. Personenwagen. VDI Verlag 1986, ISBN 3-18-400620-4., S. 411
  3. Patent Nr. DE102008023327 für eine Automobilbremse mit an der Felge befestigter Bremsscheibe und innenliegendem Bremssattel, abgerufen am 19. Juli 2013
  4. Michael Trzesniowski: Rennwagentechnik. Vieweg+Teubner Verlag, 2. Auflage 2010. ISBN 978-3-8348-0857-8., S. 432–433

Literatur

  • Bert Breuer, Karlheinz H. Bill: Bremsenhandbuch: Grundlagen, Komponenten, Systeme, Fahrdynamik. Vieweg+Teubner, 2006, ISBN 978-3-8348-0064-0
  • MAN Nutzfahrzeuge Gruppe: Grundlagen der Nutzfahrzeugtechnik Kirschbaum Verlag, 2004, ISBN 3-7812-1640-3
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Wiktionary: Scheibenbremse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen