Horst W. Blome

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Horst W. Blome (* 24. November 1937 in Bremen) ist ein deutscher Kabarettist und Schauspieler. Er war ein führender Aktivist der Außerparlamentarischen Opposition in Nürnberg und wurde durch zahlreiche Aktionen und Polit-Happenings bundesweit bekannt.

Leben

Wegen der drohenden Einberufung zum Militär (erster Wehrpflichtigen-Jahrgang) meldete sich Horst W. Blome freiwillig als Offiziersanwärter zur Bundeswehr, führte dort aber antimilitaristische Aktionen durch. Einer Verhaftung entging er durch die Flucht in die Kasernenkapelle. Vor Gericht wurde er zunächst in zwei Instanzen wegen Fahnenflucht verurteilt, später aber – vertreten von Rechtsanwalt Heinrich Hannover – vor dem Bundesverwaltungsgericht als erster Kriegsdienstverweigerer in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt. Für das damals auch in Deutschland erscheinende Magazin Wiener gehörte er deshalb 1989 zu den „100 Deutschen, die uns groß gemacht haben“.[1]

Parallel zu einem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (Soziologie, Philosophie, Theaterwissenschaft) und mehrjährigem Sprech- und Schauspielunterricht engagierte sich Blome gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik. Unter anderem war er zeitweilig Mitarbeiter von Hans Werner Richter im Münchner Komitee gegen Atomrüstung.

Nach kleineren Engagements und ersten Kabarettversuchen gründete Blome 1962 das Ensemble-Kleintheater Neues Theater in Nürnberg, aus dem das Kabarett Die Hintertreppe hervorging. Dieses wurde ab 1966 zum Ausgangsort politischer Aktivitäten im Rahmen der Außerparlamentarischen Opposition. Zahlreiche Politaktionen und Happenings wurden auch außerhalb des Theaters im öffentlichen Raum durchgeführt. Für sein letztes Soloprogramm Ist der Marx noch bewohnbar bekam Blome mehrerer Anzeigen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, denn er vollführte während der Verlesung von antisemitischen Texten des englischen Schriftsteller Houston Stewart Chamberlain auf der Bühne einen kompletten Striptease.[2] Das Kabarett „Die Hinterteppe“ wurde von der Stadt verboten. Es werde dort keine Kunst geboten, sondern genehmigungspflichtige politische Veranstaltungen durchgeführt.[3] Nach Aktionen anlässlich der zentralen westdeutschen 450-Jahrfeier der Reformation (Blome heftete 95 satirische Thesen ans Portal der St. Sebaldus-Kirche.[4]) wurde er wegen Religionsbeschimpfung, Verbreitung unzüchtigen Schrifttums und Verbreitung jugendgefährdender Schriften verurteilt.

Blome engagierte sich weiter unter anderem gegen den Vietnamkrieg, gegen die Notstandsgesetze und gegen die NPD. 1968 war er Mitinitiator zur Gründung des Republikanischen Clubs in Nürnberg, dem zeitweilig bis zu 3000 Bürger angehörten.[5] Anlässlich mehrerer Gerichtsverfahren und Verurteilungen saß Blome mehrfach tageweise in Untersuchungshaft.[6] Aufgrund einer Teilamnestie kam er aber ohne längeren Gefängnisaufenthalt davon. Aus der SPD wurde er ausgeschlossen und engagierte sich fortan in der DKP.[7] Blome, der sich schon früh auch für Kindertheater (Mitspieltheater, anti-autoritäres Kindertheater) engagierte, war 1968 in Nürnberg auch Mitgründer des ersten süddeutschen Kinderladens.

1970 eröffnete er das linke Libresso-Buchzentrum in Nürnberg, das bis 2008 unter wechselnder Leitung bestand. 1973 gründete er zusammen mit anderen in der Nürnberger Südstadt das Theater am Kopernikusplatz (TAK) – ein Gastspielhaus mit breiter Förderung lokaler und regionaler Kultur-Aktivitäten. Nach der Schließung der TAK arbeitete Blome als Publizist, Rundfunksprecher, Schauspieler und Dozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen. Eine Tätigkeit als Lehrbeautrager am Theaterwissenschaftlichen Seminar der Universität Erlangen-Nürnberg wurde durch Berufsverbot im Zuge des Radikalenerlasses beendet. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist Blome als Sprecher-Ausbilder und –Berater für Öffentlich-Rechtliche und für private Sender sowie für entsprechende Lehrinstitute tätig.

Literatur

  • Stichwort Die Hintertreppe, in: Klaus Budzinski/Reinhard Hippen: Metzler Kabarett Lexikon. Metzler-Verlag Stuttgart 2000
  • Heinz Greul: Bretter, die die Zeit bedeuten. Die Kulturgeschichte des Kabaretts, Band 2, Deutscher Taschenbuch Verlag, München
  • Werner Schuder (Hg.): Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1967, Berlin 1967

Einzelnachweise

  1. Alles Gute, Deutschland. Die Bestenliste: Die 100 Deutschen, die uns groß gemacht haben. Wiener, Mai 1989, S. 41.
  2. Klaus Budzinski/Reinhard Hippen: Metzler Kabarett Lexikon. Metzler-Verlag Stuttgart 2000.
  3. Siegfried Zelnhelfer: Der Protest kam über die „Hintertreppe“, Nürnberger Nachrichten 1993.
  4. Nürnbergs Super-Dutschke, Die Zeit, Hamburg 15. Dezember 1967
  5. Dietmar Bruckner: Was war los in Nürnberg 1950-2000. Sutton Verlag, Erfurt 2002
  6. Der Spiegel, Hamburg, Ausgabe 31/1968, S. 30.
  7. Lothar Strogies: Die Außerparlamentarische Opposition in Nürnberg und Erlangen. Verlag Palm & Enke, Erlangen und Jena 1996, S.278