„Krieg in Afghanistan“ – Versionsunterschied

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== Weiterführende Literatur ==
== Weiterführende Literatur ==


* [[Johannes M. Becker]] / [[Herbert Wulf]] (Hrsg.): ''Afghanistan. Ein Krieg in der Sackgasse'' (=Schriftenreihe zur Konfliktforschung, Bd. 25). Lit Verlag, Berlin - Münster 2010, ISBN 978-3-643-10460-1.<ref>Rezension von [[Franziska Augstein]] unter dem Titel „Der falsche Krieg. Afghanistan – auch ein Opfer westlicher Politik“. In: [[Süddeutsche Zeitung]] Nr. 270 vom 22. November 2010, S. 36.</ref>
* [[Gilles Dorronsoro]]: ''La révolution afghane: des communistes aux tâlebân''. Éd. Karthala, Paris 2000, ISBN 2-8458-6043-9 (engl. ''Revolution unending: Afghanistan, 1979 to the present'', aus dem Französischen übersetzt von John King, Columbia University Press, New York 2005, ISBN 978-0-231-13626-6).
* [[Gilles Dorronsoro]]: ''La révolution afghane: des communistes aux tâlebân''. Éd. Karthala, Paris 2000, ISBN 2-8458-6043-9 (engl. ''Revolution unending: Afghanistan, 1979 to the present'', aus dem Französischen übersetzt von John King, Columbia University Press, New York 2005, ISBN 978-0-231-13626-6).
* [[Antonio Giustozzi]]: ''War, Politics and Society in Afghanistan, 1978-1992''. Georgetown University Press 2000, ISBN 0-878-40758-8.
* [[Antonio Giustozzi]]: ''War, Politics and Society in Afghanistan, 1978-1992''. Georgetown University Press 2000, ISBN 0-878-40758-8.

Version vom 12. Januar 2011, 14:43 Uhr

Der Krieg in Afghanistan umfasst eine Reihe von zusammenhängenden bewaffneten Konflikten, die seit 1978 in Afghanistan andauern. Der Konflikt begann im April 1978 mit einem Staatsstreich durch die kommunistische Volkspartei, der einen Aufstand weiter Teile der Bevölkerung nach sich zog. Im Dezember 1979 intervenierte die Sowjetunion militärisch in dem Konflikt und setzte eine neue kommunistische Führung ein. Mit der sowjetischen Invasion begann ein zehn Jahre andauernder Konflikt zwischen sowjetisch gestützter Zentralregierung und Widerstandsgruppen der Mudschahidin, der weite Teile des Landes verwüstete. Nach dem sowjetischen Abzug im Frühjahr 1989 folgte dem Zusammenbruch des Regimes 1992 ein innerafghanischer Bürgerkrieg, in dem die Talibanbewegung bis 1996 die Kontrolle über den größten Teil des Landes übernahm. Im Herbst 2001 wurde die Talibanregierung durch eine US-geführte Intervention zugunsten der verbliebenen bewaffneten Opposition gestürzt und der Weg zu einer demokratisch legitimierten Regierung geebnet. Die Führungsebene der Taliban konnte sich durch Rückzug nach Pakistan halten und führt seit dem Jahr 2003 mit zunehmender Intensität einen Aufstand gegen die neue afghanische Regierung an.

Saur-Revolution 1978

Militärpräsenz am Präsidentenpalast in Kabul am 28. April 1978, einen Tag nach dem Staatsstreich

Die aus der Spaltung der Demokratischen Volkspartei (DVPA) hervorgegangenen rivalisierenden Fraktionen der afghanischen Kommunisten, die von Nur Muhammed Taraki und Hafizullah Amin geführten, paschtunisch geprägten Chalqis und die Partschamis unter Babrak Karmal, hatten sich im Jahr 1977 auf sowjetischen Druck wiedervereinigt und arbeiteten seitdem durch Penetration des Armeekorps auf einen Staatsstreich gegen das Regime Mohammed Daouds hin. Daoud verfolgte seit 1975 eine auf Blockfreiheit ausgerichtete Außenpolitik, die ihm die Feindschaft der sowjetischen Führung einbrachte.[1]

Zum Auslöser des Putsches wurde die Ermordung von Mir Akbar Chaibar, einem kommunistischen Ideologen des Partschamflügels, am 24. April 1978 durch bis heute nicht identifizierte Attentäter. Chaibars Beerdigung wurde zu einer Demonstration gegen die Regierung und die Vereinigten Staaten. Die Führer der Proteste wurden festgenommen, doch drei Tage später putschten DVPA-Offiziere in der Armee, ließen Daoud und seine Familie ermorden und riefen die Demokratische Republik Afghanistan aus. Die Beteiligung der Sowjetunion an dem Staatsstreich, die eine massive Unterstützung des neuen Regimes verkündete, ist nicht abschließend geklärt.[2]

Bald nach dem Putsch, den die DVPA nach dem afghanischen Monat Saur-Revolution benannte, traten die Konflikte innerhalb der Volkspartei wieder zu Tage. Die Chalqis gewannen den innerparteilichen Machtkampf und säuberten die Partei von Angehörigen des Partschamflügels. Das Regime, unter alleiniger Kontrolle der nun von Amin geführten Chalqis, versuchte mit brutalen Mitteln eine revolutionäre Transformation des Landes, insbesondere der Landwirtschaft, durchzuführen. Das radikale, von staatlichem Terror begleitete Programm rief Aufstände in weiten Teilen der afghanischen Bevölkerung hervor, die den Zerfall des ohnehin angeschlagenen Staatsapparates beschleunigten.[3]

Die Weigerung Amins, seine Politik zu mäßigen, führte zum Verlust seines Rückhalts in der sowjetischen Führung. Ein sowjetischer Plan, Amin durch eine Koalition von Taraki und Karmal abzulösen, schlug fehl. Amin ließ Taraki umbringen und sandte in der Folge positive Signale an die Vereinigten Staaten. Vom wachsenden Chaos in Afghanistan alarmiert und einen wieder wachsenden Einfluss Amerikas fürchtend, beschloss die Sowjetunion eine Invasion des Landes. Die Rote Armee marschierte im Dezember 1979 in Afghanistan ein; eine KGB-Spezialeinheit stürmte den Präsidentenpalast und tötete Amin.[4]

Sowjetisch-Afghanischer Krieg von 1979 bis 1989

Islamistische Kämpfer in einem zerstörten afghanischen Dorf im Jahr 1986

Die Sowjetunion setzte Babrak Karmal als neuen Präsidenten ein und erklärte – angelehnt an die sowjetische Intervention in der ČSSR im Jahr 1968 –, ihre Truppen nach der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung binnen weniger Monate wieder abzuziehen. Tatsächlich markierte der Einmarsch den Beginn einer zehnjährigen Besatzung, die etwa eine Million Afghanen das Leben kostete und vier Millionen Menschen in die Nachbarländer Iran und Pakistan fliehen ließ.[5]

Als Reaktion auf den sowjetischen Einmarsch erlangte der Widerstand eine Massenbasis, der Volksaufstand gegen die kommunistische Regierung wurde zum ideologischen Dschihad gegen die sowjetischen Besatzer. Obwohl die Opposition zur sowjetischen Invasion eine weite Bandbreite unterschiedlicher Gruppen umfasste – Royalisten, Nationalisten und auch nicht mit der DVPA assoziierte Linksparteien –, wurde der militärische Widerstand von islamistischen Gruppen dominiert, die nur über wenig Rückhalt in der Bevölkerung verfügten. Sie allein hatten Zugang zu den vorwiegend amerikanischen und saudischen Finanz- und Waffenhilfen, die einen Wert von bis zu einer Milliarde Dollar im Jahr erreichten. Die Lieferungen wurden vom pakistanischen Geheimdienst ISI nach Afghanistan geschleust, der sie ausschließlich an islamistisch ausgerichtete, sunnitische Parteien weitergab, die bereits vor dem sowjetischen Einmarsch als pakistanische Klienten aufgebaut worden waren.[6]

Die sowjetische Führung reagierte mit militärischer Eskalation ohne Rücksicht auf die weiter steigende Unpopularität ihrer Besatzung, doch gelang es trotz Flächenbombardements und der Entvölkerung weiter Teile des ländlichen Afghanistans nicht, den Widerstand der sich Mudschahidin nennenden islamistischen Guerillas auszuschalten. Umgekehrt waren die Aufständischen nicht in der Lage, die Regierung zu stürzen, so dass sich Mitte der 1980er Jahre eine blutige Pattsituation entwickelt hatte.[7]

Unter der neuen Führung von Michael Gorbatschow nahm die Sowjetunion Abstand von einer rein militärischen Lösung des Konflikts und versuchte in Verhandlungen mit Führern der Mudschahiddinparteien zu treten. Gleichzeitig bereitete Gorbatschow den Abzug der sowjetischen Truppen vor. Babrak Karmal wurde durch Muhammid Nadschibullāh ersetzt, dessen zentrale Rolle die Vorbereitung des Abzuges und der Zeit danach unter dem Schlagwort der Nationalen Aussöhnung war. Im November 1987 nahm eine Loya Dschirga eine neue Verfassung an und benannte den Staat zurück in Republik Afghanistan. Die im April 1988 von Afghanistan, Pakistan, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten unterzeichneten Genfer Abkommen legten schließlich einen vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen bis zum Februar 1989 fest.

Bürgerkrieg von 1989 bis 2001

Zerstörungen in Kabul im Jahr 1993

Die Genfer Abkommen wurden unter Ausschluss der Mudschahiddinparteien ausgearbeitet und sahen keinen Mechanismus einer Machtübertragung an eine lagerübergreifende Regierung vor. Nach dem Abschluss des sowjetischen Abzugs im Februar 1989 setzten sich so die Kämpfe zwischen den Aufständischen und der weiterhin durch sowjetische Lieferungen gestützten Zentralregierung fort. Entgegen den Erwartungen der meisten Beobachter konnte sich die Regierung Nadschibullāhs, gestützt auf semiautonome Regionalmilizen, drei Jahre an der Macht halten. Erst die Auflösung der Sowjetunion 1991 und das damit einhergehende Ende der sowjetischen Hilfen zog schnell den Zusammenbruch der Zentralregierung nach sich. Im Frühjahr 1992 übernahm eine lose Koalition von nicht-paschtunisch geprägten Mudschahiddinparteien und ehemaligen Regierungsmilizen Kabul.

Die schon während des sowjetisch-afghischen Krieges zerstrittenen Parteien begannen sich nach dem Fall der Hauptstadt in wechselnden Bündnissen zu bekämpfen, während eine von Burhānuddin Rabbāni geführte Regierung den verbliebenen Staatsapparat kontrollierte. Die anhaltenden Machtkämpfe konzentrierten sich dabei vor allem auf Kabul, während in den ländlichen Gebieten der Wiederaufbau begann. Die von den Kämpfen im sowjetisch-afghanischen Krieg kaum betroffene Stadt wurde dabei zu großen Teilen zerstört, und die afghanische Flüchtlingskrise durch die Massenflucht aus der Hauptstadt wieder verschärft.[8] International verschwand der Konflikt von der politischen Bühne, allerdings versuchten nun zunehmend die Regionalmächte, vor allem Pakistan, in ihrem Sinne auf die Entwicklung in Afghanistan Einfluss zu nehmen.[9]

Ab dem Jahr 1994 begann sich in der Provinz Kandahar die Talibanbewegung zu formieren, die mit Unterstützung Pakistans binnen zwei Jahren die Kontrolle über den größten Teil des Landes erlangte. Im September 1996 eroberten die Taliban Kabul, woraufhin sich die verbleibende militärische Opposition in der gegen die Taliban gerichteten Vereinigten Front zusammenschloss. Das Bündnis wurde bis zum Sommer 1998 in den äußersten Nordosten des Landes zurückgedrängt. Die Taliban errichteten eine auf einer extremen Interpretation der islamischen Schari'a basierende puritanische Ordnung, die insbesondere für ihre repressiven Maßnahmen gegenüber den afghanischen Frauen bekannt wurde. International wurde die von den Taliban gestürzte Rabbāni-Regierung weiterhin als Repräsentant Afghanistans anerkannt. Während sich die Talibanbewegung unter dem Einfluss von Osama bin Laden und der von ihm geführten Al Qaida weiter radikalisierte, gingen die Kämpfe zwischen der De-Facto-Regierung der Taliban und den oppositionellen Kräften mit niedrigerer Intensität weiter.

Konflikt seit der US-geführten Intervention im Jahr 2001

US-Spezialeinheiten mit Truppen der Vereinigten Front im November 2001

Als Reaktion auf die durch Mitglieder der Al Qaida ausgeführten Anschläge vom 11. September 2001 intervenierte im Oktober eine US-geführte Koalition zugunsten der Vereinigten Front. Die Intervention führte zum Sturz der Talibanregierung und leitete mit der Stationierung von NATO-Truppen eine neue Phase direkter ausländischer Beteiligung am afghanischen Konflikt ein. Im Rahmen des Petersberger Prozess wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und der Weg zu einer erstmals seit 1964 demokratisch legitimierten Regierung geebnet.[10]

Doch obwohl die Intervention von der afghanischen Bevölkerung mehrheitlich begrüßt wurde, gelang es der in den pakistanischen Rückzugsgebieten neu formierten Talibanbewegung, wieder in Afghanistan Fuß zu fassen. Durch den Unwillen der beteiligten Staaten, eine größere Anzahl von Truppen zu stellen, war der neue Staat auf die von den Taliban entmachteten, bei der Bevölkerung diskreditierten regionalen Machthaber angewiesen, und es kam zu einer erneuten Fragmentation des Landes.[11] Außerdem verhinderten die Unterfinanzierung der Aufbauarbeiten, die Konzentration der US-Bemühungen auf den parallel geführten Krieg im Irak und die weiter andauernde Einmischung Pakistans eine langfristige Stabilisierung des Staates.[12]

Den nach Pakistan geflohenen Führern der Taliban gelang es, eine neue, stärker in die internationalen Dschihadistennetzwerke eingebundene Bewegung zu formieren. Während vereinzelte Überfälle im ersten Jahr nach dem Sturz der Talibanregierung noch versprengten, ums Überlebenden kämpfenden Taliban zugeschrieben werden, kam es Ende des Jahres 2002 zu den ersten koordinierten Angriffen auf Staatseinrichtungen und ausländische Truppen. Trotz der darauf folgenden Aufstockung der NATO-Truppenverbände weiteten sich in den folgenden vier Jahren die Operationsgebiete der Aufständischen auf den gesamten Süden des Landes aus.[13]

Weiterführende Literatur

Einzelnachweise

  1. William Maley: The Afghanistan wars. Palgrave Macmillan 2002, ISBN 978-0-230-21313-5, S. 19–21
  2. William Maley: The Afghanistan wars. Palgrave Macmillan 2002, ISBN 978-0-230-21313-5, S. 111–112
  3. Barnett R. Rubin: The Fragmentation of Afghanistan: State Formation and Collapse in the International System. Yale University Press, New Haven 2002, ISBN 978-0-300-09519-7, S. 111
  4. Barnett R. Rubin: The Fragmentation of Afghanistan: State Formation and Collapse in the International System. Yale University Press, New Haven 2002, ISBN 978-0-300-09519-7, S. 111
  5. Thomas Barfield: Afghanistan: A Cultural and Political History. Princeton University Press, Princeton 2010, ISBN 978-0-691-14568-6, S. 234
  6. Thomas Barfield: Afghanistan: A Cultural and Political History. Princeton University Press, Princeton 2010, ISBN 978-0-691-14568-6, S. 236
  7. Thomas Barfield: Afghanistan: A Cultural and Political History. Princeton University Press, Princeton 2010, ISBN 978-0-691-14568-6, S. 238
  8. Gilles Dorronsoro: Kabul at War (1992-1996): State, Ethnicity and Social Classes. South Asia Multidisciplinary Academic Journal 2007, § 3–8
  9. Gilles Dorronsoro: Revolution Unending: Afghanistan, 1979 to the Present. Columbia University Press\/Centre d'Etudes et de Recherches Internationales, New York\/Paris 2005, ISBN 0-231-13626-9, S. 236
  10. William Maley: Looking Back at the Bonn Process in: Geoffrey Hayes, Mark Sedra (Hrsg.): Afghanistan: Transition under Threat. Wilfrid Laurier University Press, Waterloo 2008, ISBN 978-1-554-58011-8, S. 7–8
  11. Gilles Dorronsoro: Revolution unending: Afghanistan, 1979 to the present, Columbia University Press, New York 2005, ISBN 978-0-231-13626-6, S. 331
  12. Ahmed Rashid: Descent into Chaos: the United States and the Failure of Nation Building in Pakistan, Afghanistan, and Central Asia. Viking Penguin, 2008, ISBN 978-0-670-01970-0, S. LIII–LV
  13. Antonio Giustozzi: Koran, Kalashnikov and Laptop: The Neo-Taliban Insurgency in Afghanistan 2002-2007. Hurst Publishers, London 2007, ISBN 978-0-231-70009-2, S. 8–11