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[[Datei:Massoud reading.JPG|thumb|Massoud in den 1980ern]]


1978 waren es schließlich die afghanischen Kommunisten der [[People's Democratic Party of Afghanistan]], die in einem gewaltsamen, von Moskau unterstützten Putsch die Macht an sich nahmen. Sie verfolgten strenge Reformvorhaben, aber ebenso eine Gewaltherrschaft. Human Rights Watch schätzt, dass zwischen dem April 1978 bis zur Invasion der Sowjetunion im Dezember 1979 alleine auf dem Land bis zu 100.000 Menschen ermordet wurden.<ref name="autogenerated2001">Human Rights Watch (2001): Afghanistan, Crisis of Impunity, The Role of Pakistan, Russia, and Iran in Fueling the Civil War</ref>
1978 waren es schließlich die afghanischen Kommunisten der [[People's Democratic Party of Afghanistan]], die in einem gewaltsamen, von Moskau unterstützten Putsch die Macht an sich nahmen. Sie verfolgten strenge Reformvorhaben, aber ebenso eine Gewaltherrschaft. Human Rights Watch schätzt, dass zwischen dem April 1978 bis zur Invasion der Sowjetunion im Dezember 1979 alleine auf dem Land bis zu 100.000 Menschen ermordet wurden.<ref name="autogenerated2001">Human Rights Watch (2001): Afghanistan, Crisis of Impunity, The Role of Pakistan, Russia, and Iran in Fueling the Civil War</ref>

Version vom 28. Dezember 2010, 04:40 Uhr

Ahmad Schah Massoud (persisch أحمد شاه مسعود; auf Deutsch meist: Ahmed Schah Massud; international meist: Ahmad Shah Massoud; * 1. September 1953 in Panjshir; † 9. September 2001 Takhar) war einer der bekanntesten und legendärsten Mujaheddin-Kämpfer Afghanistans. Ende 2001 wurde er offiziell zum Nationalhelden der afghanischen Nation ernannt und 2002 für den Friedensnobelpreis nominiert.

Ahmad Shah Massoud spielte ein Hauptrolle beim militärischen Rückzug der Sowjetunion aus Afghanistan, was ihm den legendären Namen „Löwe von Panjshir“ einbrachte und das Wall Street Journal dazu veranlasste, ihn „den Afghanen, der den Kalten Krieg gewann“ zu nennen. Massoud war ein tiefgläubiger Muslim und überzeugter Gegner extremistischer (wahhabitischer) Interpretationen des Islams wie sie die Taliban, Osama Bin Laden, das saudische Königshaus sowie bestimmte Kreise innerhalb Pakistans verfolgen. Im Westen galt er deswegen als moderat.[1] Massoud trug stets ein Buch des sufischen Mystikers Al-Ghazali bei sich.[2] Für seine Anhänger war er nicht nur militärischer Anführer sondern auch Lehrer und religiöses Vorbild. Sie nennen ihn auch Āmer Sāheb-e Shahīd (Our Martyred Beloved Commander).[2]

Nach dem Abzug der Roten Armee wurde Massoud durch die Peshawar Accords, den Friedensvertrag, auf den sich die afghanischen politischen Parteien geeinigt hatten, zum Verteidigungsminister in der Regierung des afghanischen Präsidenten Burhanuddin Rabbani ernannt. Pakistan wollte jedoch den afghanischen Milizenführer Gulbuddin Hekmatyar, der unter der Kontrolle des pakistanischen Geheimdienstes ISI stand, als Alleinherrscher in Kabul an die Macht bringen. Pakistan lieferte tausende Raketen an Hekmatyars Miliz Hezb-i Islami und startete durch Hekmatyar und andere Milizen einen jahrelangen Krieg, der letztendlich zu der Machtergreifung der ebenfalls von Pakistan unterstützten Taliban führte.[3][4]

Ahmad Shah Massoud schützte von den Taliban verfolgte Afghanen.[5] Er vereinte Vertreter aller Ethnien Afghanistans (Tadschiken, Paschtunen, Usbeken, Hazara, und andere) unter seiner Führung, um den Taliban Widerstand zu leisten. Er wurde zum Anführer der United Front, auch bekannt unter dem Namen Nordallianz, der einzigen militärischen Widerstandsbewegung gegen die Taliban, welche schließlich Ende 2001 mit amerikanischer Luftunterstützung das Talibanregime in Kabul stürzten und eine Übergangsregierung errichteten.

Jugend

Anfang der 1970er Jahre herrschte eine Umbruchstimmung in Kabul, da die Menschen mit dem als korrupt geltenden König unzufrieden waren. Massoud, damals noch ein Student am „Kabuler Polytechnischen Institut für Ingenieurwesen und Architektur“, schloss sich – wenn auch nicht ganz aus Überzeugung, sondern mangels Alternativen – der islamistischen und antikommunistischen Bewegung an. Zunächst in einer Jugendorganisation engagiert, trat er 1976 schließlich auch offiziell der politischen Partei Jamiat-i Islami-ye Afghanistan von Burhanuddin Rabbani bei.

Nach einem missglückten Putschversuch der Islamisten gegen die Regierung war Massoud gezwungen, Afghanistan zu verlassen und kurzfristig in Pakistan unterzutauchen, wo er eine militärische Ausbildung absolvierte. Zurück in Afghanistan trat er jedoch fortan neben Rabbani für einen friedlicheren Umbruch in Afghanistan ein. Dies führte dazu, dass zwei pakistanische Agenten und der Führer der radikalen Kräfte der islamistischen Bewegung, Gulbuddin Hekmatyar, im Jahre 1975 einen ersten Mordanschlag auf Massoud verübten, den er abwehren konnte und entkam.[3]

Widerstand gegen die Sowjetarmee

1978 waren es schließlich die afghanischen Kommunisten der People's Democratic Party of Afghanistan, die in einem gewaltsamen, von Moskau unterstützten Putsch die Macht an sich nahmen. Sie verfolgten strenge Reformvorhaben, aber ebenso eine Gewaltherrschaft. Human Rights Watch schätzt, dass zwischen dem April 1978 bis zur Invasion der Sowjetunion im Dezember 1979 alleine auf dem Land bis zu 100.000 Menschen ermordet wurden.[6]

1979 marschierten Truppen der Sowjetunion in Afghanistan ein, da es zu landesweiten Aufständen gekommen war. Diese Aufstände hatten 24 von 28 Provinzen des Landes erreicht. Ein Teil der afghanischen Armee desertierte.[4] Schon vor dem Einmarsch der Sowjets war Massoud zu seinem Geburtsort, dem Panjshir-Tal am Hindukush, zurückgekehrt. Vom Panjshir ausgehend spielte er fortan eine zentrale Rolle im afghanischen Widerstandskampf. Sein Guerilla-Kampf und sein militärisches Können führten zu zentralen Niederlagen der Sowjets. Neun Großoffensiven der Roten Armee mit zehntausenden von Soldaten scheiterten in Panjshir.

Robert D. Kaplan schrieb dazu:

„Man muss Ahmad Schah Massoud zu den größten Führern der Widerstandsbewegungen im 20. Jahrhundert zählen. Massoud bezwang seinen Gegner genau wie es Marschall Tito, Ho Chi Minh und Che Guevara taten. Massoud kontrollierte ein größeres Gebiet, das aus militärischer Sicht viel schwieriger zu halten und unter ständigem Beschuss durch den Feind war. Das Gebiet, das unter seiner Kontrolle war, wurde im Vergleich zu den Gebieten, die unter der Kontrolle der Widerstandsbewegung von Marschall Tito, Mao Tse Tung, Ho Chi Minh und Che Guevara standen, stärker durch den Feind angegriffen.“

Robert D. Kaplan: The Soldiers of God. 1991

Der ihm zugesprochene militärisch brillante Widerstand brachte Massoud schon bald den Namen „Löwe von Panjshir“ ein. Massoud verteidigte Panjshir erfolgreich bis zum Rückzug der Sowjetarmee. Ahmad Shah Massoud wird eine sehr zentrale Rolle bei der Niederlage der Sowjetunion in Afghanistan zugesprochen,[3][4] welche den Zusammenbruch der Sowjetunion bedingte.

Krieg in Kabul und anderen Gebieten Afghanistans (90er Jahre)

Nach dem endgültigen Fall der kommunistischen Regierung im Jahre 1992 wurde durch die Peshawar Accords der Islamische Staat Afghanistan gegründet. Mit Ausnahme Gulbuddin Hekmatyars hatten sich im April 1992 alle politischen Parteien auf diesen Friedensvertrag geeinigt. Die Nachbarländer Afghanistans, insbesondere Pakistan, der Iran und Usbekistan, versuchten jedoch, die strategische Vorherrschaft über Afghanistan zu erringen und finanzierten, bewaffneten und leiteten zu diesem Zweck verschiedene kriminelle Elemente und Milizen innerhalb Afghanistans an.[6]

Massoud, der zu jener Zeit auf Grund seiner Unabhängigkeit[7] keinerlei nennenswerte Unterstützung von außerhalb erhielt, wurde durch den Friedensvertrag von Peshawar (Peshawar Accords) zum Verteidigungsminister ernannt. Burhanuddin Rabbani wurde Präsident. Gulbuddin Hekmatyar, der heutzutage an Anschlägen gegen ISAF-Truppen und die afghanische Zivilbevölkerung beteiligt ist, war der einzige Parteiführer, der den Friedensvertrag im April 1992 nicht akzeptierte. Obwohl ihm wiederholt die Position des Ministerpräsidenten angeboten wurde, erhob er mit Unterstützung Pakistans Alleinherrscheranspruch. In der Folge legte Hekmatyar Kabul durch eine großangelegte langjährige massive Bombenkampagne in Schutt und Asche.[8] Verschiedene Versuche Hekmatyar in die Übergangsregierung als Ministerpräsidenten zu integrieren scheiterten an dessen Unwillen Kompromisse zu schließen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte Hekmatyar einen Rücktritt Massouds, den er als einen persönlichen Hauptgegner ansah, als Bedingung für Frieden genannt.[3] Massoud war darauf eingegangen und zurückgetreten. Massouds Bedingung: demokratische Wahlen, die zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden sollten. Hekmatyar, der von Beobachtern wie Roy Gutman vom United States Peace Institut als „Psychopath“[3] beschrieben wird, bombardierte jedoch die Stadt Kabul nach einer ersten Kabinettssitzung weiterhin. Massoud, der das stärkste militärische Bündnis jener Zeit anführte, nahm letztendlich die Befehlsgewalt wieder auf, da es außer ihm niemanden gab, der die Stadt hätte effektiv verteidigen können.[3][6] Massoud verteidigte als Verteidigungsminister Afghanistans Kabul und die Peshawar Accords gegen die Angriffe von Hekmatyar und Pakistan. Im Dezember 1992 erhielt Hekmatyar Unterstützung durch die vom Iran kontrollierten afghanischen Truppen der Hezb-i Wahdat unter Abdul Ali Mazari und Karim Khalili, sowie ab Anfang 1994 durch den usbekischen Milizenführer Rashid Dostum, der im Laufe der Jahre zwischen den Seiten hin und her wechselte. Der von Saudi Arabien unterstützte Wahhabi Abdul Rasul Sayyaf und seine Miliz, Ittihad-i Islami, kämpften gegen die vom Iran kontrollierte Wahdat auf Seiten der Regierung.[3][6] Der Süden Afghanistan, aus dem später die Taliban hervorgehen sollten, befand sich nicht unter der Kontrolle der Zentralregierung in Kabul. Da die neu gegründete Übergangsregierung von Beginn ihres Bestehens an unter militärischen Beschuss gekommen war, gab es keine Zeit die Macht zu konsolidieren. Diverse Gebiete im Norden, Nordwesten und Nordosten des Landes befanden sich entweder unter der Kontrolle Massouds, Rashid Dostums oder Ismail Khans.

Menschenrechtsverletzungen im Krieg in Kabul und anderen Gebieten Afghanistans (90er Jahre)

In dem von Hekmatyar begonnenen Krieg wurde Kabul fast vollkommen zerstört und tausende Zivilisten getötet. Diese Periode bleibt jedoch auch insbesondere im Bewusstsein, da Individuen verschiedener Milizen grausamen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begingen, die vor allem auch Frauen trafen. Während Gulbuddin Hekmatyar, Abdul Rasul Sayyaf und Abdul Ali Mazari diese als Mittel der Kriegsführung anordneten, ließ Rashid Dostum sie als sogenannte „Bezahlung“ für kriminelle Truppen geschehen.[8] Massoud hingegen verachtete die stattfindenen Verbrechen aufs Tiefste und sie belasteten ihn laut vieler Zeitzeugenaussagen.[2][9] Unter den damaligen Umständen war er als Verteidigungsminister jedoch nicht in der Lage, sie zu verhindern oder zu verfolgen und gleichzeitig Kabul gegen Angriffe der von Pakistan, dem Iran und Usbekistan unterstützten Milizen zu verteidigen.[8] Zu diesem Zeitpunkt existierte keine Polizei und kein funktionierendes Rechtssystem in Kabul.

Ahmad Shah Massoud war der Chef der militärischen und politischen Allianz Shura-i Nazar, die über 130 nördliche Kommandeure aus sieben Provinzen und ihre Truppen vereinte. Er war zudem Mitglied der politische Partei Jamiat-i Islami von Rabbani. Zum Zwecke der Verteidigung Kabuls wurden von Kommandeuren der Shura-i Nazar 10.000 zusätzliche Truppen nach Kabul geschickt, die nicht unter der direkten Kontrolle Massouds standen.[2] Es wird berichtet, dass Individuen, die in Truppen der Shura-i Nazar und Jamiat kämpften, ebenso wie Zugehörige anderer Milizen, schlimme Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Das Afghanistan Justice Project kam jedoch in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass Massoud solche zu keinem Zeitpunkt angeordnet hat.[8] Vielmehr handelte es sich in der damaligen Situation in Kabul um individuell agierende Unterkommandeure und ihre Truppen, die sich auf schlimmste Art und Weise gegen die Zivilbevölkerung wendeten und korrupt wurden.

Ein Beispiel, welches in diesem Zusammenhang häufig auftaucht ist das sogenannte Massaker von Afshar. Dieses fand während einer Offensive des Verteigungsministeriums statt. Diese Offensive war jedoch kein geplantes Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, sondern verfolgte ursprünglich, wie das Afghanistan Justice Project, welches auch als Quelle für Human Rights Watch dient, ein „klares und nachvollziehbares militärisches Ziel“.[8] Von Afshar ausgehend legten die von Pakistan und dem Iran unterstützten Truppen Hekmatyars und Mazaris, Kabul mit einem Bombenhagel in Schutt und Asche, um eine Stabilisierung Afghanistans zu verhindern. Um die Bombenangriffe, die tausenden Menschenleben kosteten, zu stoppen, griffen Truppen des Verteidigungsministers Massoud sowie verbündete Truppen feindliche Positionen in Afshar an. Gegen Ende der militärischen Operation, nach Erreichen der militärischen Ziele während Posten aufgestellt und Häuser durchsucht wurden, fingen jedoch insbesondere die ebenfalls an der Offensive beteiligten Ittihad-Truppen von Abdul Rasul Sayyaf, welche in der Nähe Afshars ihr Hauptquartier hatten und offiziell auf Seiten des Staates Afghanistans kämpften, an, sich gezielt gegen die schiitische Zivilbevölkerung zu richten. Die Ittihad-Truppen Sayyafs standen nicht unter der Kontrolle des afghanischen Verteidigungsministeriums sondern unter direkter Kontrolle Sayyafs und wahhabitischer Elemente Saudi Arabiens und waren mit den schiitischen Hazara, welche vom Iran unterstützt wurden und die Haupteinwohner Afshars darstellten, tief verfeindet. Ahmad Shah Massoud reagierte auf die stattfindenden Grausamkeiten, zitierte Abdul Rasul Sayyaf, welcher acht Jahre später eine Rolle bei Massouds Ermordung spielen sollte, sowie weitere führende Kommandeure zu einem Treffen und befahl am zweiten Tag der Offensive ein sofortiges Ende der Verbrechen.[8] Er setzte einen schiitischen Kommandeur, Hussain Anwari, ein, der die Sicherheit für die schiitische Zivilbevölkerung wiederherstellen sollte.[8] Diese war jedoch zum großen Teil bereits geflohen.

Widerstand gegen die Taliban

Afghanistan im Winter 1996

Im Jahre 1995 gelang es Massoud schließlich, die Truppen Hekmatyars, Mazaris und Dostums in Kabul militärisch zu besiegen. Massoud lud Vertreter aus allen Provinzen Afghanistans zu einer drei-teiligen Konferenz ein, um über die Zukunft Afghanistans zu beraten und einen politischen Prozess zu beginnen, an dessen Ende demokratischen Wahlen stattfinden sollten. Nachdem Hekmatyar nicht die gewünschten Erfolge erzielt hatte, suchte Pakistan währenddessen nach neuen beeinflussbaren Kräften in Afghanistan. Es fand sie in den Taliban um Mullah Omar, der sich selbst als Nachfolger des Propheten Muhammads ansah.[5] Durch massive Unterstützung Pakistans eroberten die Taliban in kurzer Zeit (1994–1996) den gesamten Süden Afghanistans und marschierten ohne größere Gegenwehr auf Kabul zu.[10] In Kabul kam es zeitgleich zu anti-pakistanischen Unruhen.

Massoud, der den Taliban zunächst ihre erste große Niederlage bereitete, ordnete schließlich ein Jahr später auf Grund einer weiteren Offensive der Taliban, welche nun neben Pakistan auch von Saudi Arabien und arabischen Kämpfern und Geldern Bin Ladens unterstützt wurde, den Rückzug seiner Truppen aus Kabul in die nördlichen Gebiete unter seiner Kontrolle an.[5] Die Menschen Kabuls, die sich von dem Sieg einer der Parteien Frieden erhofft hatten, wurden schon wenige Stunden nach Einmarsch der Taliban eines besseren belehrt. Über eine Million Menschen flohen vor den Taliban, mehr als 400,000 Menschen flohen in die von Massoud kontrollierten Gebiete.[5] Hierzu zählten insbesondere Menschen, die auf Grund ihrer schiitischen ethnischen Abstammung verfolgt wurden, sowie Intellektuelle und generell Afghanen, die der Unterdrückung entgehen wollten.[5] Der National Geographic kam zu dem Schluss: „Der einzige, der zukünftigen Massakern der Taliban im Weg steht, ist Ahmad Shah Massoud.“[11] Das Leben in von Massoud kontrollierten Gebieten unterschied sich enorm von dem in von den Taliban oder anderen lokalen Machthabern kontrollierten Gebieten.[12] Massoud schaffte demokratische Strukturen in den Gebieten unter seiner Kontrolle. Im Gegensatz zu der Zeit des Chaos in Kabul, war Massoud ab Ende 1996 in der Lage starke Kontrolle über seine Truppen auszuüben. Human Rights Watch nennt keine Menschenrechtsverletzungen für Massouds Truppen für den Zeitraum beginnend im Oktober 1996 bis zur Ermordung Massouds im September 2001. Massoud unterzeichnete die Frauenrechtscharta und intervenierte in zwei bekannt gewordenen Fällen persönlich gegen Zwangsheirat. Im Gegensatz zu den von den Taliban kontrollierten Gebieten, durften in Massouds Gebieten Mädchen zur Schule gehen und Frauen einer Arbeit nachgehen. Er schaffte u. a. auch den traditionellen Brauch ab, dass Frauen als eine Art „Blutgeld“ zur Abgeltung von Schuld „gezahlt“ werden konnten. Als einzigen Weg für Afghanistan sah Massoud eine Demokratie, in welcher Frauen und Männer gleichberechtigt sind und welche zugleich den Respekt vor dem Islam bewahrte.[2][9] Im Jahr 1998 war Massoud, nach der Niederlage der Truppen Dostums gegen die Taliban, der einzige der bekannten militärischen und politischen Führer Afghanistans, der in Afghanistan verblieb. Er wurde zum unbestrittenen Führer der United Front, der einzigen erfolgreichen militärischen Widerstandsbewegung gegen die Taliban. Pakistan schickte bis zu 28.000 pakistanische Staatsbürger inklusive regulärer pakistanischer Grenztruppen, um die Taliban in ihrem Kampf gegen Massoud zu verstärken.[11][13] Arabische Milizen Bin Ladens und Al-Zawahiris wurden ebenfalls im Kampf gegen Massoud eingesetzt, insbesondere Bin Ladens Brigade 055, die für Massaker an afghanischen Zivilisten in Gebieten verantwortlich waren.[14] Dennoch ist es den Taliban nie gelungen, Massouds Heimat, Panjshir, zu erobern.

Am 9. September 2001, zwei Tage vor den Anschlägen in New York und Washington, wurde Massoud durch arabische Selbstmordattentäter, die der Al Qaida zugeordnet werden, tödlich verletzt. Die beiden Tunesier hatten sich als Journalisten ausgegeben. Während eines Interviews detonierten sie eine mit Sprengstoff präparierte Fernsehkamera. Massoud starb auf dem Weg in ein Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen. Nach neuesten Erkenntnissen arbeiteten Gruppierungen in 21 Nationen an der Ermordung Massouds. Zuvor waren bereits über 26 Jahre lang etliche Attentatsversuche des sowjetischen, des afghanisch-kommunistischen und des pakistanischen Geheimdienstes, sowie Hekmatyars, der Taliban und der Al Qaeda gescheitert. Engste Vertraute Massouds berichten, dass Massoud in den Wochen vor seinem Tod eine Vorahnung seines Todes hatte und Familienmitglieder vermehrt auf diese Möglichkeit versuchte vorzubereiten.[2][9]

Am 11. September 2001, zwei Tage nach der Ermordung Massouds, fanden die Anschläge in New York, Washington und auf ein Flugzeug über Pennsylvania statt. Viele Experten sind der Auffassung, dass diese im direkten Zusammenhang mit der Ermordung Massouds stehen. Ahmad Shah Massoud hatte bereits im Frühjahr 2001 bei einem Besuch des Europaparlamentes in Brüssel vor der Achse Pakistan-Taliban-AlQaida(-SaudiArabien) gewarnt. Er sagte, wenn sich die USA und der Rest der Welt nicht für einen Frieden in Afghanistan einsetzen und zu diesem Zweck Druck auf Pakistan ausüben würden, dann würden sich die Probleme Afghanistan schon bald auf Amerika und andere Teile der Welt ausweiten.[15] Der amerikanische Militärgeheimdienst, die Defense Intelligence Agency (DIA), kommt in einem Bericht vom November 2001 zu dem Schluss, dass Massouds Agenten bereits im Anfang 2001 davon Kenntnis hatten, dass es einen Anschlag gegen die USA geben werde, größeren Ausmaßes als die Anschläge auf die amerikanischen Botschaften im Jahre 1998.[16] Der Bericht kommt ebenfalls zu dem Schluss: „Er begann den Westen zu warnen.“[17] Massoud teilte seine Erkenntnisse, um eventuell die Ermordung vieler Menschen zu verhindern.[18][19]

Heutzutage verüben Pakistan, die Taliban und extremistische arabische Kräfte weiterhin Anschläge auf ehemalige Verbündete Massouds wie z. B. erfolgreich gegen die afghanischen (Paschtunen-)Führer Abdul Haq, Haji Abdul Qadir[20] oder erfolglos gegen Massouds Bruder Ahmad Zia Massoud. Ahmad Zia Massoud entging zwei Anschlägen, einem im Jahre 2004 und einem im Dezember 2009.[21]

Bis heute fürchten Pakistan, die Taliban, Hekmatyar und Al Qaida den Geist Massouds mehr als die gesamten militärischen Kräfte der NATO.

Der Nationalheld

Die Grabanlage Massouds (2006)
Die neue Gedenkstätte im Inneren mit den Leichnam von Massoud (2010)

Massoud hat eine zentrale und sehr bedeutende Rolle in der jüngsten Geschichte Afghanistans eingenommen. Im Jahr 2001 wurde er von dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai offiziell zum „Nationalheld der afghanischen Nation“ erklärt. Massouds Todestag, der 9. September, ist ein nationaler Tag der Erinnerung. Zu seiner Beerdigung versammelten sich im ländlich gelegenen Panshir-Tal hundertausende trauernder Menschen.

Im Jahre 1989, als sich die Sowjetunion nach zehn Jahren besiegt und gedemütigt aus Afghanistan zurückziehen musste, widmete das Wall Street Journal Ahmad Schah Massoud ein Titelblatt: The Afghan Who Won The Cold War. Während der Herrschaft der Taliban, stellte Massoud den einzigen Schutz für verfolgte Menschen und den einzigen Widerstand gegen die Taliban dar. Während andere Anführer ins Exil gingen, war Ahmad Shah Massoud der einzige der bekannten militärischen und politischen Führer Afghanistans, der während der Invasion der Sowjets und später der von Pakistan unterstützten Taliban Afghanistan zu keinem Zeitpunkt verließ.[22]

Er gilt bei vielen Afghanen als Volksheld – auch außerhalb Afghanistans, wie zum Beispiel in Tadschikistan und im Iran. Anders wird er von Anhängern der Taliban oder Hekmatyar gesehen. Massoud hatte stets zur nationalen Einheit aufgerufen und die afghanische Identität über für ihn unbedeutende ethnische Zugehörigkeiten gestellt. Der bekannte amerikanische Journalist Sebastian Junger sagt über Massoud: „Viele Leute, die ihn kannten, hatten das Gefühl, dass er die beste Hoffnung für jenen Teil der Welt darstellte.“ Ein anderer Analyst schrieb 2004 vor den afghanischen Wahlen: „Ein Mann hat ein stärkeres politisches Gewicht als alle 18 lebenden afghanischen Präsidentschaftskandidaten. Obwohl bereits seit drei Jahren tot ... Seit seinem Tod am 9. September 2001 ... wurde Massoud von einem Mujahid zum Nationalheld – wenn nicht sogar einem Heiligen. Bilder Massouds [in den Straßen, Gebäuden und Haushalten Afghanistans] ... übertreffen die eines jeden anderen Afghanen bei weitem inklusiver derer [des Präsidenten] Karzais.“[23] Dr. Abdullah Abdullah, einer der engsten Freunde Massouds und stärkster Gegenkandidat Karzais bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2009, sagte über Massoud: „Er war alles. Er war ein Freund. Er war ein Führer. Er war ein Lehrer ohne wie ein Lehrer aufzutreten.“[22][24] Im Jahr 2003 gründeten ehemalige Weggefährten Massouds die Massoud Foundation, als eine unabhängige und überparteiliche Hilfsorganisation. Sie unterstützt und unternimmt Projekte im Bereich der Bildung, Gesundheitsversorgung sowie im Bereich der Kultur und des Wiederaufbaus.

Es gibt verschiedene Dokumentation wie den Dokumentarfilm von Iqbal Malhotra oder die französische Dokumentation Massoud: L'Afghan über Massoud und sein Leben. Massoud ist z. B. auch das Thema von Ken Folletts Roman Lie Down With Lions oder in James McGee's Thriller Crow's War. In der amerikanischen Serie The Path to 9/11[25][26] werden seine Warnungen vor einem terroristischen Anschlag sowie seine Ermordung thematisiert und dargestellt.

Massoud hinterlässt eine Ehefrau und sechs Kinder, die heutzutage im Iran leben. Im Jahr 2005 veröffentlichte seine Frau, Sediqa Massoud, zusammen mit zwei Freundinnen und Frauenrechtlerinnen, Chékéba Hachemi und Marie-Francoise Colombani, das Buch "Pour l'amour de Massoud" über ihr Leben mit Massoud. In diesem beschreibt sie einen sehr ehrbaren und liebevollen Ehemann und Vater. Das bisher ausführlichste Portrait Massouds verfasste die Argentinierin Marcela Grad mit ihrem Werk "Massoud. An intimate portrait of the legendary Afghan leader", welches 2009 durch den Verlag der amerikanischen Webster Universität erschien.

Zitate

„Unsere Politik war stets, dass wir gute und freundschaftliche Beziehungen zu allen haben. Aber wir haben unsere Unterwerfung niemals akzeptiert und werden sie auch nie akzeptieren.“

„[W]enn Sie nach Chay Ab ins Gefängnis fahren, finden Sie dort Ghollam Salim, den Tycoon des Drogenhandels. In einer einzigen Aktion beschlagnahmten wir bei ihm eine halbe Tonne Opium. Jetzt sitzt er bereits das dritte Jahr im Gefängnis. Trotz all seines Geldes und Einflusses.“

„Die künftige Regierung sollte in direkten Wahlen durch die Stimmen der gesamten Bevölkerung bestimmt werden. Männer wie Frauen sollten daran teilhaben. Die einzige Regierungsart, die in der Lage wäre, einen gesellschaftlichen Ausgleich der verschiedenen Ethnien zu schaffen, ist die Demokratie“.

Einzelnachweise

  1. Latham, Judith (March 12, 2008). "Author Roy Gutman Talks About What Went Wrong in the Decade Before 9/11 Attacks", Voice of America News.
  2. a b c d e f Marcela Grad: Massoud - Portrait of the Legendary Afghan Leader; Webster University Press; 2009
  3. a b c d e f g GUTMAN, Roy (2008): How We Missed the Story: Osama Bin Laden, the Taliban and the Hijacking of Afghanistan, Endowment of the United States Institute of Peace, 1st ed., Washington D.C.
  4. a b c Amin Saikal (2004): Modern Afghanistan: A History of Struggle and Survival, I.B. Tauris & Co Ltd., London New York
  5. a b c d e National Geographic: Inside the Taliban
  6. a b c d Human Rights Watch (2001): Afghanistan, Crisis of Impunity, The Role of Pakistan, Russia, and Iran in Fueling the Civil War
  7. CIA Found Massoud too Independent. Jawedan, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  8. a b c d e f g Afghanistan Justice Project (2005): Casting Shadows: War Crimes and Crimes against Humanity 1978-2001, Documentation and analysis of major patterns of abuse in the war in Afghanistan
  9. a b c Sediqa Massoud/Chékéba Hachemi/Marie-Francoise Colombani: Pour l'amour de Massoud; document XO Editions; 2005
  10. Starving to Death Afghanistan. JourneymanPictures/ABC Australia, 1996, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  11. a b Inside the Taliban. National Geographic, 2007, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  12. Massoud's Last Stand. JourneymanPictures/ABC Australia, 1997, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  13. History Commons. History Commons, 2010, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  14. Afghanistan resistance leader feared dead in blast. Ahmed Rashid in the Telegraph, 2001, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  15. Time Magazine (2002): Special Report. They Had a Plan. http://www.time.com/time/covers/1101020812/story.html
  16. Defense Intelligence Agency (2001) Bericht (weite Teile geschwärzt) http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB97/tal32.pdf
  17. Defense Intelligence Agency (2001) Bericht (weite Teile geschwärzt) http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB97/tal32.pdf
  18. Defense Intelligence Agency (2001) Bericht (weite Teile geschwärzt) http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB97/tal32.pdf
  19. Massoud warnt Amerika und die Welt http://www.youtube.com/watch?v=gM6IY9uoZc0
  20. Afghan vice-president Haji Qadir shot dead: Taliban suspected of ambush http://www.dawn.com/2002/07/07/top3.htm
  21. Associated Press (15. Dec. 2009): Afghans Say 8 Dead in Suicide Blast
  22. a b He would have found Bin Laden. CNN, 2009, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  23. Playing the Massoud card. Eurasianet.org, 2004, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  24. He would have found Bin Laden. CNN, 2009, abgerufen am 7. Oktober 2010.
  25. Ahmad Shah Massoud's warning to the United States, The Path to 9/11 (video clip)
  26. Assassination of Ahmad Shah Massoud, The Path to 9/11 (video clip)

Ahmad Shah Massoud - Destiny's Afghan (Dokumentarfilm über Massouds Leben von Iqbal Malhotra)

Afghanistan - the Squandered Victory (Dokumentarfilm der BBC über Afghanistan nach dem Abzug der Sowjets im Jahre 1989)

Commander Massoud's Struggle (Dokumentarfilm von Nagakura Hiromi aus dem Jahre 1992 über die Anfänge des Krieges in Kabul)

Massouds Kampf gegen die Taliban (Zeitzeugenberichte der australischen ABC/Journeyman Pictures)

Massoud's Conversation with Hekmatyar (Originaldokument aus dem Jahr 1992)

Trauerzug zu Ehren Massouds

Who Killed Massoud? (Dokumentarfilm) von Didier Martiny

Massoud l'Afghan (Dokumentarfilm) von Christophe de Ponfilly

The Lion Of Panjshir (Symphony No. 2) for narrator and symphonic band by composer David Gaines

Textlinks: