„Verfassungswirklichkeit“ – Versionsunterschied

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Diese deskriptive Sicht ist von der durch die [[Verfassung]] [[Normativ#Rechtswissenschaft|normativ]] vorgegebenen politischen Ordnung zu unterscheiden, weil die formale Rolle der Akteure in einem [[Staat]] stark von ihrem realen Verhalten, ihren [[Recht]]en und ihrem Einfluss abweichen kann.
Diese deskriptive Sicht ist von der durch die [[Verfassung]] [[Normativ#Rechtswissenschaft|normativ]] vorgegebenen politischen Ordnung zu unterscheiden, weil die formale Rolle der Akteure in einem [[Staat]] stark von ihrem realen Verhalten, ihren [[Recht]]en und ihrem Einfluss abweichen kann.
Am [[Politisches System des Vereinigten Königreichs|politischen System [[Vereinigtes Königreich|Großbritanniens]] kann dies gut verdeutlicht werden: Formal stehen dem [[Staatsoberhaupt]], also dem König, alle hoheitlichen [[Herrschaft]]srechte zu; dies umfasst insbesondere auch ein Einspruchsrecht gegen Gesetze durch den Monarchen. In der politischen Praxis sind das Parlament ([[House of Commons (Vereinigtes Königreich)|Unterhaus]]) und der von ihm gewählte [[Premierminister]] die eigentlichen Träger der Herrschaft im britischen Staat; seit dem frühen 18. Jahrhundert hat kein Monarch mehr von seinem Einspruchsrecht tatsächlich Gebrauch gemacht. Deshalb unterscheiden sich hier Verfassung und ''Verfassungswirklichkeit'' stark von einander.
Am [[Politisches System des Vereinigten Königreichs|politischen System]] [[Vereinigtes Königreich|Großbritanniens]] kann dies gut verdeutlicht werden: Formal stehen dem [[Staatsoberhaupt]], also dem König, alle hoheitlichen [[Herrschaft]]srechte zu; dies umfasst insbesondere auch ein Einspruchsrecht gegen Gesetze durch den Monarchen. In der politischen Praxis sind das Parlament ([[House of Commons (Vereinigtes Königreich)|Unterhaus]]) und der von ihm gewählte [[Premierminister]] die eigentlichen Träger der Herrschaft im britischen Staat; seit dem frühen 18. Jahrhundert hat kein Monarch mehr von seinem Einspruchsrecht tatsächlich Gebrauch gemacht. Deshalb unterscheiden sich hier Verfassung und ''Verfassungswirklichkeit'' stark von einander.


Ferner ist der Begriff ein wichtiges Analyseinstrument der [[Verfassungsgeschichte|verfassungsgeschichtlichen Forschung]], da der voranstehend beschriebene Sachverhalt auch für viele historische Staatsgebilde angenommen werden muss. So kann das politische System des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] beispielsweise adäquat ''nicht allein'' aus [[verfassungsrecht]]lichen Quellen heraus verstanden werden. Anderweitige historische Quellen sind heranzuziehen, um die politische und soziale Wirklichkeit vor dem Hintergrund der überlieferten Rechtsgrundlagen zu erfassen.
Ferner ist der Begriff ein wichtiges Analyseinstrument der [[Verfassungsgeschichte|verfassungsgeschichtlichen Forschung]], da der voranstehend beschriebene Sachverhalt auch für viele historische Staatsgebilde angenommen werden muss. So kann das politische System des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] beispielsweise adäquat ''nicht allein'' aus [[verfassungsrecht]]lichen Quellen heraus verstanden werden. Anderweitige historische Quellen sind heranzuziehen, um die politische und soziale Wirklichkeit vor dem Hintergrund der überlieferten Rechtsgrundlagen zu erfassen.

Version vom 28. März 2024, 11:48 Uhr

Mit Verfassungswirklichkeit werden in der Rechts- sowie Politik- und Geschichtswissenschaft, teilweise in Anknüpfung an die Verfassungslehre Carl Schmitts (1928), die realen Gegebenheiten innerhalb eines politischen Systems bezeichnet.

Diese deskriptive Sicht ist von der durch die Verfassung normativ vorgegebenen politischen Ordnung zu unterscheiden, weil die formale Rolle der Akteure in einem Staat stark von ihrem realen Verhalten, ihren Rechten und ihrem Einfluss abweichen kann. Am politischen System Großbritanniens kann dies gut verdeutlicht werden: Formal stehen dem Staatsoberhaupt, also dem König, alle hoheitlichen Herrschaftsrechte zu; dies umfasst insbesondere auch ein Einspruchsrecht gegen Gesetze durch den Monarchen. In der politischen Praxis sind das Parlament (Unterhaus) und der von ihm gewählte Premierminister die eigentlichen Träger der Herrschaft im britischen Staat; seit dem frühen 18. Jahrhundert hat kein Monarch mehr von seinem Einspruchsrecht tatsächlich Gebrauch gemacht. Deshalb unterscheiden sich hier Verfassung und Verfassungswirklichkeit stark von einander.

Ferner ist der Begriff ein wichtiges Analyseinstrument der verfassungsgeschichtlichen Forschung, da der voranstehend beschriebene Sachverhalt auch für viele historische Staatsgebilde angenommen werden muss. So kann das politische System des Heiligen Römischen Reiches beispielsweise adäquat nicht allein aus verfassungsrechtlichen Quellen heraus verstanden werden. Anderweitige historische Quellen sind heranzuziehen, um die politische und soziale Wirklichkeit vor dem Hintergrund der überlieferten Rechtsgrundlagen zu erfassen.

Beispiele aus Österreich

Literatur

  • Wilhelm Hennis: Verfassung und Verfassungswirklichkeit. Mohr (Siebeck), 1968.
  • Erhard Denninger (Hrsg.): Freiheitliche demokratische Grundordnung – Materialien zum Staatsverständnis und zur Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik. suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 1977, ISBN 978-3-518-27750-8.
  • Im Namen des Freiheit! Verfassung und Verfassungswirklichkeit in Deutschland 1849 – 1919 – 1949 – 1989. Katalog zur Ausstellung im DHM Berlin, Sandstein, Dresden 2008, ISBN 978-3-940319-47-0.
  • Franz Ronneberger: Verfassungswirklichkeit als politisches System. In: Der Staat, 1968, S. 409–429, JSTOR:43639941

Weblinks