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„Kategorien“ – Versionsunterschied

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== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Hermann Bonitz]]: ''Über die Kategorien des Aristoteles''. Aus dem Maiheft des Jahrgangs 1853 der Sitzungsberichte der philos.-histor. Classe der Akademie der Wissenschaften [X. Bd., S. 591ff] besonders abgedruckt ([http://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=2F0-AAAAcAAJ&oi=fnd&pg=PA3&dq=Kategorien+Aristoteles&ots=_XXBDpnTvR&sig=Yp1GRReCYxKAsFnojGwSx3mU5iI# Google Books])
* Ernst Vollrath: ''Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles''. 1969, ISBN 3-88345-836-8.
* [[Franz Clemens Brentano]]: ''Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles''. Herder, Freiburg 1862 ([http://books.google.de/books?id=4l0-AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false Google Books])
* [[Rainer Thiel]]: ''Aristoteles' Kategorienschrift in ihrer antiken Kommentierung''. Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 978-3-16148278-6
* [[Friedrich Adolf Trendelenburg]]: Historische Beiträge zur Philosophie, Erster Band: ''Geschichte der Kategorienlehre''. Bethge, Berlin 1846 ([http://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=xgBMFxWhwGAC&oi=fnd&pg=PA1&dq=Kategorien+Aristoteles+Trendelenburg&ots=5XjM0JqZ6n&sig=dWfcPZqgCxwmFgLNofZkvYsY3i8#v=onepage&q=Kategorien%20Aristoteles%20Trendelenburg&f=false Google Books])
* [[Ernst Vollrath]]: ''Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles''. 1969, ISBN 3-88345-836-8.
* ''„Katagorien“: Werk des Aristoteles''. In: N. I. Kondakow: ''Wörterbuch der Logik''. Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1978, S. 247 f.
* ''„Katagorien“: Werk des Aristoteles''. In: N. I. Kondakow: ''Wörterbuch der Logik''. Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1978, S. 247 f.



Version vom 27. Januar 2013, 13:06 Uhr

Erste Seite der Kategorien in der Ausgabe von Immanuel Bekker (1834)

Die Kategorien (Vorlage:ELSalt2, lateinisch Categoriae) sind eine Schrift des Philosophen Aristoteles. In ihr nimmt Aristoteles eine Einteilung mittels zehn Aussageweisen, den Kategorien, vor. Diese Einteilung orientiert sich dabei an einzelnen, unverbundenen sprachlichen Ausdrücken wie „Sokrates“, „Mensch“ oder „weiß“. Da Aristoteles in dieser Schrift sprachliche Ausdrücke und die ihnen entsprechenden Gegenstände nicht immer klar voneinander trennt, scheint er zugleich die Wirklichkeit in die entsprechenden Typen von Objekten und Eigenschaften einzuteilen. Diese Einteilung ist seiner Auffassung nach die allgemeinstmögliche und vollständig. Da letztlich nicht klar ist, ob es sich dabei für Aristoteles primär um eine Einteilung der Sprache, der Wirklichkeit oder von beidem handelt, thematisiert das Werk logische und sprachphilosophische Aspekte und Probleme der grundlegenden Einteilung von allem Existierenden.

Die Kategorien werden in der Tradition zu Aristoteles’ logischen Schriften gezählt. Sie bilden in der überlieferten – nicht von Aristoteles selbst stammenden – Reihenfolge seiner Schriften den Anfang des so genannten Organon. Wie fast alle der aristotelischen Schriften war auch der Text der Kategorien ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt, sondern gehört zu den so genannten Pragmatien, die vermutlich ursprünglich Vorlesungsmanuskripte und Materialsammlungen des Aristoteles darstellten.

Überlieferung, Titel und Aufbau der Kategorien

In der überlieferten – nicht von Aristoteles selbst stammenden – Reihenfolge seiner sechs logischen Schriften, stehen die Kategorien am Anfang. Wie fast alle der aristotelischen Werke war auch der Text der Kategorien ursprünglich wohl nicht zur Veröffentlichung bestimmt, sondern gehört zu den so genannten Pragmatien, die vermutlich Vorlesungsmanuskripte und Materialsammlungen des Aristoteles darstellen.

Die sehr kurze Schrift Kategorien ist wahrscheinlich nicht ganz vollständig überliefert. In der überlieferten Fassung besteht sie aus fünfzehn, oft sehr kurzen Kapiteln. Diese Einteilung stammt vermutlich nicht in allen Punkten von Aristoteles selbst, sondern geht möglicherweise auf den späteren Herausgeber seiner Werke Andronikos von Rhodos zurück. Auch der Titel ist wohl nicht von Aristoteles, lag aber wahrscheinlich schon Andronikos im 1. Jahrhundert v. Chr. vor. Möglicherweise war der ursprüngliche Titel der Schrift pro tôn topôn, „das der Topik Vorausgehende“.[1]

Vermutlich entstand die Schrift Kategorien zu der Zeit des ersten Athenaufenthaltes des Aristoteles, als er Mitglied der Platonischen Akademie war. Möglicherweise hat sie Aristoteles erst nach der Topik geschrieben, die ebenfalls eine (leicht abweichende) Aufzählung aller zehn Kategorien aufweist. Die Funktion der Kategorien in den Kategorien scheint gegenüber der in der Topik erweitert, indem nun mit dem Konzept der ersten Substanz (die in der Topik nicht vorkommt) eine ontologische These darüber aufgestellt wird, was ontologisch prioritär ist. Da Aristoteles in dieser Theorie die individuellen Einzelgegenstände als Grundlage alles Seienden erklärt, scheint er hiermit implizit ein Konkurrenzmodell zu der Theorie Platons entwickelt zu haben. Nach einigen Interpreten argumentiert dieser dafür, dass die allgemeinen Gegenstände (nämlich die Ideen bzw. die obersten Gattungen) ontologisch prioritär sind. Es ist dabei auffällig, dass Aristoteles Platon – anders als in vermutlich späteren Schriften – bei dieser kritischen Auseinandersetzung niemals nennt und auch keine derartige Theorie explizit kritisiert.

Die Echtheit der Schrift (bzw. Teile der Schrift, insbesondere der Postprädikamente) ist bestritten worden. Gründe hierfür waren, dass Aristoteles sich an keiner anderen Stelle auf die Kategorien bezieht und dass die Substanzlehre der Metaphysik teilweise nicht vereinbar mit der der Kategorien ist. Vereinzelt wurde die Unechtheit schon in der Antike vertreten, vor allem aber im 19. und 20. Jahrhundert. Heute wird im Allgemeinen angenommen, dass die Schrift, von wenigen interpolierten Zeilen abgesehen, von Aristoteles stammt.

Inhalt

Vorbereitende Begriffserklärungen (1. bis 3. Kapitel)

Homonymie, Synonymie und Paronymie (1. Kapitel)

Die zu Beginn abgehandelten Begriffe sind für den Rest der Schrift nur nebenbei von Bedeutung und haben heute eine gänzlich andere Bedeutung (siehe dazu die Artikel Homonym, Synonymie und Paronym). Aristoteles nennt solches „Seiendes“ (on, eine andere Übersetzung ist: Dinge) gleichnamig (homonym), das den gleichen Namen (onoma) hat, aber einen unterschiedlichen Wesensbegriff (logos tes ousias). So hat ein gemalter Mensch den Namen „Lebewesen“ (zoon), genauso wie ein wirklicher Mensch den Namen „Lebewesen“ hat. Der dem Namen „Lebewesen“ zugehörige Wesensbegriff ist aber jeweils ein anderer, da der wirkliche Mensch im Gegensatz zum gemalten ein lebendiges Lebewesen ist.

Synonym hingegen nennt Aristoteles solches „Seiendes“, das den gleichen Namen und auch den gleichen Wesensbegriff hat. Zum Beispiel hat ein Mensch den Namen „Lebewesen“ und fällt unter den Begriff der „Lebewesen“, genauso wie der Ochs den Namen „Lebewesen“ hat und unter genau denselben Begriff der „Lebewesen“ fällt.

Paronym nennt Aristoteles „Seiendes“, das nach etwas anderem nachbenannt wird. So ist der „Grammatiker“ der „Grammatik“ nachbenannt.

Es ergibt sich zusammenfassend folgende Einteilung. Zwei Dinge sind entweder
  • homonym (z.B. ein gemalter und ein wirklicher Mensch),
  • synonym (z.B. ein Mensch und ein Ochs) oder
  • paronym (z.B. der Grammatiker und die Grammatik).

Unverbundene und verbundene Worte (2. Kapitel), Wahrheit und Falschheit (4. Kapitel)

Aristoteles unterteilt die „sprachlichen Ausdrücke“ (legomena, eine andere Übersetzung ist: Worte) erstens in solche, die in einer „Verbindung“ (symploke) ausgesprochen werden, wie „der Mensch läuft“. Und zweitens in solche, die ohne eine Verbindung ausgesprochen werden, wie „Mensch“, „Stier“ oder „läuft“.[2]

Die ohne Verbindung ausgesprochenen Worte, wie „Mensch“ oder „läuft“ können weder wahr noch falsch sein kann. Wahr oder falsch können nur in Verbindung ausgesprochene Worte sein, wie „der Mensch läuft“ (der gemeinte Mensch könnte ja auch sitzen). In Verbindung ausgesprochene Worte ergeben entweder eine Bejahung („der Mensch läuft“) oder eine Verneinung („der Mensch läuft nicht“).[3]

Aristoteles unterscheidet also
  • ohne Verbindung ausgesprochene Worte, die weder wahr noch falsch sein können (z.B. „Mensch“) und in
  • in Verbindung ausgesprochene Worte, die wahr oder falsch sein können (z.B. „Der Mensch läuft“). In Verbindung ausgesprochene ::::Worte ergeben entweder eine
    • Bejahung oder eine
    • Verneinung.

Das hypokeimenon (2. Kapitel)

Der Begriff hypokeimenon kann mit „Subjekt“, „Substrat“, „Unterliegendes“ oder „Zugrundeliegendes“ übersetzt werden. Ein Beispiel für ein hypokeimenon ist ein bestimmter, einzelner Mensch, wie etwa „Sokrates“ oder ein einzelnes, bestimmtes Pferd. Von einem solchen hypokeimenon kann nun etwas ausgesagt werden, wie etwa „Sokrates ist ein Mensch“ oder „Sokrates geht“.

Die vier Arten des Seienden (2. Kapitel)

Aristoteles unterscheidet vier verschiedene Arten des „Seienden“ (on). Zur Unterscheidung dieser vier Arten benutzt er zwei Einteilungskriterien:

  • Von einem hypokeimenon ausgesagt werden. Erstens kann alles Seiende entweder von einem hypokeimenon ausgesagt werden (wie in der Aussage „Sokrates ist ein Mensch“ der Begriff „Mensch“ von dem hypokeimenon „Sokrates“ ausgesagt wird) oder nicht von einem hypokeimenon ausgesagt werden (wie ein bestimmtes an einem hypokeimenon wahrgenommenes „weiß“ zwar in diesem Gegenstand ist, aber nicht von ihm ausgesagt wird, man sagt nicht: „Sokrates ist ein Weiß“).
  • In einem hypokeimenon sein. Zweitens kann alles Seiende entweder in einem hypokeimenon sein (wie ein bestimmtes an einem hypokeimenon wahrgenommenes „weiß“ in diesem ist) oder nicht in einem hypokeimenon sein (wie der Begriff „Mensch“ nicht in dem hypokeimenon „Sokrates“ ist, sondern nur von ihm ausgesagt werden kann). Aristoteles weist hier darauf hin, dass er erstens, mit diesem In-etwas-sein nicht einen Teil eines hypokeimenon meint, also nicht etwa den Bart oder einen Arm des Sokrates. Und zweitens, etwas das alleine, also ohne dass es in Sokrates oder einem anderen hypokeimenon ist, nicht sein kann.

Alles, was es gibt (alles „Seiende“), steht also immer in zwei Beziehungen zu einem hypokeimenon, woraus sich vier verschiedene Arten des „Seienden“ ergeben:

  1. Etwas ist nicht in einem hypokeimenon und wird von einem hypokeimenon ausgesagt.
    Beispiel: „Mensch“. „Mensch“ kann vom hypokeimenon „Sokrates“ ausgesagt werden: „Sokrates ist ein Mensch“. Der Begriff „Mensch“ ist aber nicht in Sokrates.
  2. Etwas ist in einem hypokeimenon und wird nicht von einem hypokeimenon ausgesagt.
    Beispiel: „weiß“. Ein bestimmtes, einzelnes „weiß“ kann nur in einem hypokeimenon sein, wie zum Beispiel „Sokrates“ selbst oder sein Bart weiß ist. Man kann aber nicht aussagen: „Sokrates ist ein Weiß“.
  3. Etwas ist in einem hypokeimenon und wird von einem hypokeimenon ausgesagt.
    Beispiel: „Wissenschaft“. So kann der Begriff „Wissenschaft“ vom hypokeimenon „Sprachkenntnis des Sokrates“ ausgesagt werden: „Die Sprachkenntnis des Sokrates ist eine Wissenschaft“ und ist gleichzeitig in der Seele des hypokeimenon Sokrates.
  4. Etwas ist nicht in einem hypokeimenon und wird nicht von einem hypokeimenon ausgesagt.
    Beispiel: „dieser Mensch“. So ist ein konkretes, bestimmtes Einzelding wie „dieser Mensch“ nicht in einem hypokeimenon und kann auch von keinem hypokeimenon ausgesagt werden (sondern, so könnte man ergänzen, ist selbst ein hypokeimenon).
ist nicht in einem hypokeimenon ist in einem hypokeimenon
wird nicht von einem
hypokeimenon ausgesagt
4. erste Substanz
(das Individuum „Sokrates“)
2. individuelle Eigenschaft
(das an einem Pferd wahrgenommene „weiß“
oder das an Sokrates wahrgenommene „sprachkundig“)
wird von einem
hypokeimenon ausgesagt
1. zweite Substanz
(die Gattung „Mensch“)
3. allgemeine Eigenschaft
(das „Weiße“
oder die „Sprachkundigkeit“)

Der Syllogismus (3. Kapitel)

Sagt man vom hypokeimenon „Sokrates“ aus, dass er ein „Mensch“ ist und vom „Menschen“ wiederum, dass er ein „Lebewesen“ ist, so gilt auch vom hypokeimenon „Sokrates“, dass er ein „Lebewesen“ ist. Hier findet sich schon die Struktur des Syllogismus, welcher das Thema von zwei anderen logischen Schriften (den so genannten Analytiken) des Aristoteles bildet. Zur Illustration kann man diesen Syllogismus auch so anschreiben (links) und diesen wiederum in der dahinterliegenden dihairetischen Baumstruktur veranschaulichen (rechts):

Sokrates ist ein Mensch
Der Mensch ist ein Lebewesen
Es folgt: Sokrates ist ein Lebewesen
 Lebewesen 
 Mensch 

Sokrates


   

Aristoteles, Platon, usw.


Vorlage:Klade/Wartung/Breite

   

Tier, Pflanze


Vorlage:Klade/Wartung/Breite

Vorlage:Klade/Wartung/Breite

Die Kategorien (4. bis 9. Kapitel)

Aristoteles zählt eine Liste von zehn verschiedenen Arten von „Worten“ (legomena) auf, die so genannten zehn Kategorien. Ein ohne Verbindung gesprochenes Wort bezeichnet nach Aristoteles entweder ein Ding, eine Größe, eine Beschaffenheit, eine Beziehung, einen Ort, eine Zeit, einen Zustand, ein Haben, ein Tun oder ein Erleiden.[4]

deutsch altgriechisch lateinisch Frage Beispiel
1. Ding, Substanz ousia substantia Was ist etwas? der Mensch, das Pferd
2. Quantität, Größe poson quantitas Wie viel/groß ist etwas? das Zweiellige, das Dreiellige
3. Qualität, Beschaffenheit poion qualitas Wie beschaffen ist etwas? weiß, sprachgelehrt
4. Relation, Beziehung pros ti relatio In welcher Beziehung steht etwas zu etwas? doppelt, halb, größer
5. Wo, Ort pou ubi Wo ist etwas? auf dem Marktplatz, im Lykeion
6. Wann, Zeit pote quando Wann ist etwas? gestern, voriges Jahr
7. Lage, Zustand keisthai situs In welcher Position ist etwas? das Liegen, das Sitzen
8. Haben echein habitus Was hat etwas? Schuhe anhaben, bewaffnet sein
9. Tun, Wirken poiein actio Was tut etwas? schneidet, brennt[5]
10. Erleiden paschein passio Was erleidet etwas? wird geschnitten, wird gebrannt

Die Substanz (5. Kapitel)

Die erste Wortart bezeichnet Dinge (oder: Substanzen). So bezeichnet das Wort „Mensch“ alle Dinge, die Menschen sind. Das Wort „gehen“ beispielsweise bezeichnet hingegen kein Ding, sondern eine Handlung.

Innerhalb der Dinge oder Substanzen unterscheidet Aristoteles nun so genannte erste Substanzen (prote ousia) von zweiten Substanzen (deutera ousia). Erste Substanzen sind bestimmte, einzelne Dinge, wie „dieser Mensch“ oder „Sokrates“. Zweite Substanzen sind hingegen allgemeinere Begriffe wie „Mensch“ oder „Lebewesen“, unter die viele einzelne Substanzen fallen. So fallen die ersten Substanzen „Sokrates“, „Aristoteles“ und „Platon“ alle unter die zweite Substanz „Mensch“ und die zweite Substanz „Mensch“ wiederum unter die noch allgemeinere zweite Substanz „Lebewesen“.

„Bei den ersten Substanzen ist es unzweifelhaft und wahr, dass sie ein bestimmtes Dieses bezeichnen. Denn das damit Benannte ist unteilbar (atomon) und der Zahl nach eins. Bei den zweiten Substanzen (...) ist das hypokeimenon nicht ein Einzelnes, wie bei den ersten Substanzen, sondern „Mensch“ und „Lebewesen“ wird von vielen Einzelnen ausgesagt.“

Aristoteles: Kategorien 5, 3b

Eine allgemeinere zweite Substanz wie „Lebewesen“ nennt Aristoteles eine Gattung (genos), eine weniger allgemeine wie „Mensch“ nennt er eine Art (eidos). Unter eine Gattung fallen mehrere Arten, unter eine Art wiederum fallen mehrere erste Substanzen. Will man angeben, was die erste Substanz „Sokrates“ ist, so kann man von ihm seine Art aussagen: „Sokrates ist ein Mensch“ oder auch seine Gattung: „Sokrates ist ein Lebewesen“. Genauer ist es, die Art anzugeben („Sokrates ist ein Mensch“), da es viel weniger Menschen gibt, als Lebewesen.

 
 
 
 
 
 
 
 
Zweite Substanz
Lebewesen
Gattung
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Zweite Substanz
Mensch
Art
 
 
 
 
 
 
Zweite Substanz
Tier
Art
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Erste Substanz
Sokrates
bestimmter, einzelner Mensch
 
 
 
Erste Substanz
Aristoteles
bestimmter, einzelner Mensch
 
 
 
 
 
 

Zwischen den Arten einer Gattung besteht ein Unterschied. Diesen Unterschied nennt Aristoteles den spezifischen Unterschied (eidopoios diaphora). So ist beispielsweise der spezifische Unterschied zwischen dem „Mensch“ und dem „Tier“ der, dass der Mensch vernunftbegabt ist.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Gattung
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Art
 
 
artbildender
Unterschied
 
 
Art
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Lebewesen
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Mensch
 
 
vernunftbegabt
 
 
Tier
 
 
 
 
 
 
 
 

Die zweiten Substanzen kann es nicht ohne erste Substanzen geben. Wenn es keine einzelnen Menschen wie „Sokrates“, „Aristoteles“ oder „Platon“ gäbe, gäbe es auch den Begriff „Mensch“ nicht. Gattungen und Arten gibt es also nur, wenn sie von ersten Substanzen ausgesagt werden können. Aber auch die Eigenschaft „weiß“ gibt es nur, wenn sie in einer ersten Substanz wie etwa „dem Bart des Sokrates“ ist. Alleine, also ohne einen Körper, in dem sie ist, kann die Eigenschaft „weiß“ nicht existieren.

„Alles andere wird mithin entweder von den ersten Substanzen als dem hypokeimenon ausgesagt, oder ist in ihnen als dem hypokeimenon. Wenn somit die ersten Substanzen nicht sind, so ist es unmöglich, dass sonst etwas ist.“

Aristoteles: Kategorien 4, 2b

Will man sagen, was eine bestimmte erste Substanz wie „Sokrates“ ist, so kann man das mithilfe zweiter Substanzen: „Sokrates ist Mensch“. Auch die neun anderen Kategorien kann man von der ersten Substanz „Sokrates“ aussagen: „Sokrates geht“, „Sokrates ist weiß“, usw. Solche Aussagen können viel aussagen, jedoch nicht was Sokrates ist.

Es finden sich dann noch einige beiläufige Bestimmungen. Weder den ersten Substanzen, noch den zweiten Substanzen ist etwas konträr, wie zum Beispiel „schwarz“ das konträre Gegenteil von „weiß“ ist.[6] Bei Substanzen gibt es auch kein Mehr oder Weniger. Ein Mensch kann zum Beispiel nicht mehr Mensch sein als ein anderer Mensch. Ein Weiß kann hingegen durchaus weißer als ein anderes Weiß sein.[7] Substanzen sind als einzige der zehn Kategorien „für Konträres empfänglich. So wird zum Beispiel ein bestimmter Mensch, obwohl er einer und derselbe ist, bald weiß, bald schwarz, warm und kalt, schlecht und gut“.[8]

Die anderen Kategorien (6. bis 9. Kapitel)

Alles dasjenige, was in einem Subjekt ist, ist für Aristoteles eine akzidentelle Eigenschaft. Diese können entweder individuell sein (siehe oben: 2. Art des Seienden) oder allgemein (3. Art des Seienden). Diese Eigenschaften sind die restlichen neun Kategorien. Sie alle sind ontologisch von einer (ersten) Substanz abhängig, d. h. sie können nicht selbstständig existieren.

Im 6. Kapitel wird die Quantität behandelt, im 7. Kapitel die Relation, im 8. Kapitel die Qualität und im 9. Kapitel das Tun und Leiden.

Die Postprädikamente (10. bis 15. Kapitel)

Vom 10. bis zum 15. Kapitel behandelt Aristoteles Bestimmungen, die mit den zehn Kategorien zusammenhängen. Es handelt sich dabei um den „Gegensatz“ (10. und 11. Kapitel), das „Früher“ (12. Kapitel), das „Zugleich“ (13. Kapitel), die „Bewegung“ (14. Kapitel) und das „Haben“ (15. Kapitel). Man hat diese Begriffe später als die Postprädikamente bezeichnet.

Rezeption

Zusammen mit De Interpretatione sind die Kategorien das am meisten rezipierte Werk des Aristoteles, vielleicht der Philosophie insgesamt. Diese beiden Werke waren Grundlage des Philosophieunterrichts seit der römischen Kaiserzeit. Sie wurden seit dieser Zeit ins Lateinische (4. Jh.), Armenische, Syrische (5. Jh.), später ins Arabische (9. Jh.), Althochdeutsche (11. Jh.) und danach in andere Sprachen übersetzt.

Die gesamte nachfolgende antike Philosophie rezipierte Aristoteles’ Lehre von den Kategorien. Dabei trat in der älteren Stoa der sprachlich-logische Aspekt in den Hintergrund. Für die folgende Antike blieb der ontologische Gesichtspunkt dominant. Plotin kritisiert Aristoteles’ Kategorienlehre, indem er zu den Kategorien, die sich auf sinnlich wahrnehmbare Welt beziehen, solche hinzufügt, die sich auf die denkbare Welt beziehen. Sein Schüler Porphyrios verfasste einen Kommentar sowie die im Mittelalter einflussreiche Isagoge (Einführungsschrift in die Kategorien). Weitere wichtige und erhaltene Kommentare stammen von Boethius und Simplikios. Simplikios argumentiert gegen Plotins Auffassung, Aristoteles’ Kategorien müssten um einen weiteren, sich auf die denkbare Welt beziehenden Kategorientypus ergänzt werden. In der Folge setzt sich die Auffassung durch, dass die aristotelischen Kategorien für eine Beschreibung der Welt hinreichend seien. (Vgl. Oehler 43 ff.)

In der Philosophie des Mittelalters bildeten die Kategorien und De Interpretatione bis ins 12. Jahrhundert gemeinsam mit der Isagoge des Porphyrios die – später so genannte – alte Logik, die Logica vetus. Im philosophischen Unterricht des Mittelalter waren diese von Boethius ins Lateinische übersetzten und kommentierten Schriften die Einleitung im Curriculum der Logica. ([Vgl. Oehler, 128; 44]) Thomas von Aquin versucht eine Deduktion der Kategorien, wobei er die seit der Antike vorherrschende Grundannahme, dass Denken, Sprache und Sein als parallel aufzufassen seien, nicht thematisiert. Diese Grundannahme wird erstmals von Wilhelm von Ockham kritisiert, der die Kategorien aufgrund seines Nominalismus als Verstandesdinge (entia rationis) auffasst; diese Trennung und die daraus resultierende Auffassung lässt sich als Anstoß der neuzeitlichen Erkenntnistheorie ansehen. (Vgl. Oehler 48 f.)

Immanuel Kant erwähnt Aristoteles und seine Kategorien in der Kritik der reinen Vernunft. Er kritisiert, dass Aristoteles sie nicht aus einem Prinzip abgeleitet hat.

„Es war ein eines scharfsinnigen Mannes würdiger Anschlag des A r i s t o t e l e s, diese Grundbegriffe aufzusuchen. Da er aber kein Principium hatte, so raffte er sie auf, wie sie ihm aufstießen, und trieb deren zuerst zehn auf, die er K a t e g o r i e n (Prädikamente) nannte.“

Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft B107
Kategorienlehre

Mit seiner Aufstellung von zehn Kategorien gilt Aristoteles als Begründer der Kategorienlehre. Seither haben viele Philosophen und Logiker eigene Kategorienlehren vertreten, wobei oft gänzlich andere Kategorien genannt werden und auch die Zahl der Kategorien umstritten ist. So berichtet Simplikios, dass die Stoa nur vier Kategorien gelten lassen wollte: das hypokeimenon, die Qualität (to poion), das Sich-Verhalten (to pos exon) und die Relation (to pros ti pos exon)[9]. Bei Immanuel Kant hingegen sind es zwölf[10], bei Charles Sanders Peirce beispielsweise fünf Kategorien[11]. Zur Geschichte der Kategorienlehre siehe die Artikel Kategorie und Kategorienlehre.

In der Philosophie der Gegenwart wurde die Kategorienlehre des Aristoteles insbesondere auch in der Ordinary Language Philosophy der Analytischen Philosophie aufgegriffen, prominenterweise von Gilbert Ryle in The Concept of Mind. Kategorien sind für Ryle weder vollständig ableitbar, da ihre Anzahl unbestimmt sei, noch systematisch anzuordnen.[12]

Siehe auch

Textausgaben

Altgriechisch
  • Aristoteles: Kategoriai. In: Lorenzo Minio-Paluello (Hrsg.): Aristotelis categoriae et liber de interpretatione, Oxford University Press, Oxford 1949 (maßgebliche kritische Ausgabe)
  • Aristoteles: Kategoriai. In: Immanuel Bekker (Hrsg.): Aristotelis. Opera. 1831-1837
Deutsche Übersetzungen
  • Aristoteles: Kategorien. Übersetzt von Klaus Oehler. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung. Band 1, Teil 1, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984
  • Aristoteles: Kategorien, Hermeneutik. Griechisch - deutsch, übersetzt von Hans Günter Zekl, Meiner, Hamburg 1998
  • Aristoteles: Kategorien und Hermeneutik. Übersetzt von Paul Gohlke, Ferdinand Schöningh, Paderborn 1951
  • Aristoteles: Kategorien oder Lehre von den Grundbegriffen. Übersetzt von Julius von Kirchmann, Erich Koschny, Leipzig 1876
  • Aristoteles: Kategorien. Lehre vom Satz. Übersetzt von Eugen Rolfes, Meiner, Leipzig 1922
Englische Übersetzungen
Wikisource: Categories – Quellen und Volltexte (englisch)
Lateinische Übersetzung
  • Aristoteles: Categoriae vel praedicamenta. Übersetzt von Boethius. In: Lorenzo Minio-Paluello (Hrsg.): Aristoteles Latinus. Band I, Teil 1-5, De Brouwer, Bruges-Paris 1961

Literatur

  • Hermann Bonitz: Über die Kategorien des Aristoteles. Aus dem Maiheft des Jahrgangs 1853 der Sitzungsberichte der philos.-histor. Classe der Akademie der Wissenschaften [X. Bd., S. 591ff] besonders abgedruckt (Google Books)
  • Franz Clemens Brentano: Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles. Herder, Freiburg 1862 (Google Books)
  • Rainer Thiel: Aristoteles' Kategorienschrift in ihrer antiken Kommentierung. Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 978-3-16148278-6
  • Friedrich Adolf Trendelenburg: Historische Beiträge zur Philosophie, Erster Band: Geschichte der Kategorienlehre. Bethge, Berlin 1846 (Google Books)
  • Ernst Vollrath: Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles. 1969, ISBN 3-88345-836-8.
  • „Katagorien“: Werk des Aristoteles. In: N. I. Kondakow: Wörterbuch der Logik. Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1978, S. 247 f.

Anmerkungen

  1. Edmund Braun: Peri tôn katêgoriôn. In: Franco Volpi (Hrsg.): Großes Werklexikon der Philosophie, Kröner, Stuttgart 2004, S. 82 f.
  2. Aristoteles, Kategorien 2, 1a16ff.
  3. Aristoteles, Kategorien 4, 2a4ff.
  4. Aristoteles, Kategorien 4, 1b25ff.
  5. schneiden, brennen sind zwei Techniken der zeitgenössischen Medizin
  6. Aristoteles, Kategorien 5, 3b24ff.
  7. Aristoteles, Kategorien 5, 3b34ff.
  8. Aristoteles, Kategorien 5, 4a-4b
  9. Simplikios, In Aristotelis categoria 66, 32
  10. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft B 106
  11. Charles Sanders Peirce, On a New List of Categories § 11
  12. Klaus Oehler, in: Hellmut Flashar (Hrsg.): Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung. Band 1, Teil 1, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984, S. 58

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