„Jürgen Rieger“ – Versionsunterschied

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'''Jürgen Hans Paul Rieger''' (* [[11. Mai]] [[1946]] in [[Blexen]] bei [[Nordenham]]; † [[29. Oktober]] [[2009]] in [[Berlin]]<ref name=vs_hh />) war ein [[Deutschland|deutscher]] [[Rechtsanwalt]], [[Neonazi]],<ref name=vs_hh /> [[Antisemit]]<ref name=vs_hh /> und [[Nationaldemokratische Partei Deutschlands|NPD-Politiker]]. Neben seiner Tätigkeit als Strafverteidiger zahlreicher [[Rechtsextremismus|Rechtsextremisten]] war er als Multifunktionär der rechtsextremen Szene sowie als [[Holocaustleugnung|Holocaustleugner]] bekannt. Rieger vertrat [[Rassenkunde]] in der Tradition von [[Hans F. K. Günther]], war Vorsitzender der völkisch-neuheidnischen [[Artgemeinschaft]] und als Hauptorganisator des [[Rudolf-Heß-Gedenkmarsch]]es bekannt.
'''Jürgen Hans Paul Rieger''' (* [[11. Mai]] [[1946]] in [[Blexen]] bei [[Nordenham]]; † [[29. Oktober]] [[2009]] in [[Berlin]]<ref name="Röbel" />) war ein [[Deutschland|deutscher]] [[Rechtsanwalt]], [[Neonazi]]<ref name="Neo"/> und [[Politiker]] ([[Nationaldemokratische Partei Deutschlands|NPD]]). Neben seiner Tätigkeit als Strafverteidiger zahlreicher [[Rechtsextremismus|Rechtsextremisten]] war er als Multifunktionär der rechtsextremen Szene sowie als [[Holocaustleugnung|Holocaustleugner]] bekannt. Rieger vertrat [[Rassenkunde]] in der Tradition des [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] [[Rassenideologie|Rassenideologen]] [[Hans F. K. Günther]], war Vorsitzender der [[Völkische Bewegung|völkisch]]-[[Neuheidentum|neuheidnischen]] [[Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung]] und Hauptorganisator des [[Rudolf-Heß-Gedenkmarsch]]es.


==Leben==
== Leben ==
Jürgen Rieger wurde am 11. Mai 1946 in Blexen bei Nordenham als Sohn einer Ärztefamilie geboren. Sein Vater war [[Gynäkologe]].
Jürgen Rieger wurde am 11. Mai 1946 in Blexen bei Nordenham als Sohn einer Ärztefamilie geboren. Sein Vater war [[Gynäkologe]]. Er selbst wurde Rechtsanwalt und eröffnete 1975 seine eigene [[Anwaltskanzlei|Kanzlei]].


Rieger verfügte über ein beträchtliches Vermögen, das er aus Erbschaften von verstorbenen Gesinnungsgenossen und aus Aktien- und Immobiliengeschäften gewinnen konnte. So war er Testamentsvollstrecker des verstorbenen [[Wilhelm Tietjen]] (geschätztes Vermögen: mehr als eine Million Euro).<ref name="Röbel"/> Auch [[Gertrud Herr]] hatte ihm ihr Vermögen vermacht. Den Nachlass verstorbener „Kameraden“ verwaltete Rieger unter dem Deckmantel der [[Briefkastenfirma]] [[Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation]]. Zudem betrieb Rieger lange Jahre zusammen mit seinem Vater einen lukrativen Campingplatz in [[Kollmar]], den der jüngere Rieger zu einem Treffpunkt für Neonazis machte. Als sein Vater starb, kündigte ihm der Verpächter.
1975 begann Rieger seine Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer eigenen Kanzlei.


Während einer Sitzung des NPD-Parteivorstandes am 24. Oktober 2009 erlitt Rieger einen [[Schlaganfall]], an dessen Folgen er am 29. Oktober 2009 starb.<ref name="Röbel" /> Jürgen Rieger hatte die rechtsextreme NPD nicht, wie von ihr erhofft, in seinem Testament berücksichtigt. Sein Vermögen erbte seine Familie, die keine Bezüge zur neonazistischen Szene haben soll.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.tagesschau.de/inland/rieger106.html | wayback=20100201013736 | text=tagesschau.de}}</ref>
Rieger verfügte über ein beträchtliches Vermögen, das er neben Erbschaften von verstorbenen Gesinnungsgenossen aus Aktien- und Immobiliengeschäften gewinnen konnte. So war er Testamentsvollstrecker des verstorbenen [[Wilhelm Tietjen]] (geschätztes Vermögen: mehr als eine Million Euro)<ref>[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,658206,00.html Sven Röbel, ''Prominenter Rechtsextremist – NPD-Vizechef Rieger ist tot'', Spiegel Online vom 29. Oktober 2009]</ref>. Auch [[Gertrud Herr]] hatte ihm sein Vermögen vermacht. Den Nachlass verstorbener "[[Kamerad]]en" verwaltete Rieger unter dem Deckmantel der [[Briefkastenfirma]] [[Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation]]. Zudem betrieb Rieger lange Jahre, zusammen mit seinem Vater, einen lukrativen Campingplatz in [[Kollmar]], den der jüngere Rieger zu einem Treffpunkt für Neonazis machte. Als sein Vater verstarb, kündigte ihm der Pächter.


Rieger galt als Sammler von [[Militaria]]. So unterhielt er beispielsweise einen Fuhrpark von [[Wehrmacht]]sfahrzeugen. Sein Verhalten wurde als [[Choleriker|cholerisch]] beschrieben und war von gelegentlichen heftigen Wutanfällen in der Öffentlichkeit geprägt.<ref name="röpke20091030">[[Andrea Röpke]]: {{Webarchiv|text=''Multiaktivist und Reizfigur''. |url=http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/meldungen/multiaktivist-und-reizfigur |wayback=20091102001742 }} 30. Oktober 2009.</ref> Privat war er eng mit [[Thomas Wulff]] befreundet. Rieger war verheiratet, seine Frau starb jedoch vor ihm. Er war Vater von vier Kindern. Nach seinem Tode veranstaltete die NPD eine Gedenkdemonstration für Rieger in [[Wunsiedel]], zu der rund 800 Menschen erschienen.
Während einer Sitzung des Parteivorstandes am 24. Oktober 2009 erlitt Rieger einen [[Schlaganfall]], an dessen Folgen er am 29. Oktober 2009 verstarb.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,658206,00.html ''NPD-Vize Rieger ist tot''], Spiegel Online vom 29. Oktober 2009.</ref> Jürgen Rieger hatte die NPD, wie von dieser nach seinem Tod erhofft, in seinem Erbe nicht berücksichtigt. Sein Vermögen erbt nun seine Familie, die keine Bezüge zur neonazistischen Szene haben soll.<ref>[http://www.tagesschau.de/inland/rieger106.html]</ref>


Nach Riegers Tod teilte seine Familie mit, sie wolle nicht, dass Riegers Grabstätte zu einem Pilgerort für Rechtsextremisten werde. Angedacht sei deswegen eine [[Feuerbestattung|Feuer-]] oder [[Seebestattung]].<ref name="röpke20091030" />
Rieger galt als "Militärfreak". So unterhielt er beispielsweise einen Fuhrpark von [[Wehrmacht]]sfahrzeugen. Sein Verhalten wird als [[Choleriker|cholerisch]] beschrieben und war von gelegentlichen heftigen Wutanfällen in der Öffentlichkeit geprägt.<ref>[http://www.bnr.de/content/multiaktivist-und-reizfigur]</ref> Privat war Rieger eng befreundet mit [[Thomas Wulff]]. Rieger war verheiratet, seine Frau verstarb jedoch vor ihm. Er war Vater von vier Kindern, die allerdings nicht der neonazistischen Szene zugeordnet werden. Nach seinem Tod veranstaltete die NPD eine Gedenkdemonstration für Rieger in [[Wunsiedel]], zu der rund 800 Menschen erschienen.

Nach Riegers Tod kündigte seine Familie an, dass sie nicht wolle, dass Riegers Grabstätte zu einem Pilgerort für Rechtsextremisten werden. Angedacht sei deswegen eine [[Feuerbestattung|Feuer-]] oder [[Seebestattung ]].<ref>[http://www.bnr.de/content/multiaktivist-und-reizfigur]</ref>


== Funktionen in Parteien und Vereinigungen ==
== Funktionen in Parteien und Vereinigungen ==
[[Datei:Juergen Rieger-NPD.jpg|thumb|Jürgen Rieger beim NPD-Bundesparteitag 2006]]
[[Datei:Juergen Rieger-NPD.jpg|mini|Jürgen Rieger beim NPD-Bundesparteitag 2006]]
Rieger begann seine politische Karriere bereits als Jurastudent, als er 1968 der Gruppe [[Aktion Oder-Neiße]] und im darauffolgenden Jahr dem [[Freibund|Bund Heimattreuer Jugend]] beitrat. 1970 war er Mitbegründer eines [[Vierte Partei|CSU-Freundeskreises]] (außerhalb Bayerns). 1972 wurde er Vorstandsmitglied im ''Nordischen Ring'', Vorsitzender der ''Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung'' und Herausgeber der Zeitschrift ''Neue Anthropologie''.<ref>Juliane Wetzel: ''Die Maschen des rechten Netzes. Nationale und internationale Verbindungen im rechtsextremen Spektrum''. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Rechtsextremismus in Deutschland. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen''. 4. Auflage, München 1994, S. 154–178, hier S. 171. Siehe [http://www.hilfsschule-im-nationalsozialismus.de/seite-45.html auch].</ref>
Rieger begann seine politische Karriere bereits als Jurastudent, als er 1965<ref name=Billig>{{Literatur| Autor=Michael Billig | Jahr=1980 | Titel=Die rassistische Internationale | Ort=Göttingen | Seiten= 121}}</ref> der Gruppe [[Aktion Oder-Neiße]] und im Jahr 1969 dem [[Freibund|Bund Heimattreuer Jugend]] beitrat.<ref name="Wetzel">[[Juliane Wetzel]]: ''Die Maschen des rechten Netzes. Nationale und internationale Verbindungen im rechtsextremen Spektrum''. In: [[Wolfgang Benz]] (Hrsg.): ''Rechtsextremismus in Deutschland. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen''. 4. Auflage. München 1994, S. 154–178, hier S. 171. Siehe [http://www.hilfsschule-im-nationalsozialismus.de/seite-45.html hilfsschule-im-nationalsozialismus.de].</ref> 1968 war Rieger Mitglied des „Hamburger Republikanischen Studentenbunds Deutschlands / Republikanischer Schülerbund“ (RSD).<ref name=Billig/> 1969 hielt Rieger auf dem Jahrestreffen der [[Northern League (Pan-Nordische Organisation)|Northern League]] im englischen [[Brighton]] eine Ansprache, in der er sich auf die [[Rassentheorie|rassenkundliche]] Tradition [[Hans F. K. Günther]]s berief. Auch im Folgejahr nahm er an der Tagung teil und forderte eine „Teutonische Föderation“ aufgrund gemeinsamen „Erbes“ und „Rassenursprungs“.<ref>{{Literatur| Autor=Michael Billig | Titel=Die rassistische Internationale | Ort=Göttingen | Jahr=1980 | Seiten=118f }}</ref>

<!-- ''Mütterdank'' -->
1970 war er Mitbegründer eines [[Vierte Partei|CSU-Freundeskreises]] (außerhalb Bayerns). 1972 wurde er Vorstandsmitglied im ''Nordischen Ring'', Vorsitzender der ''[[Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung]]'' (GfbAEV; bis 1972: ''Deutsche Gesellschaft für Erbgesundheitspflege'', ein rechtsextremer [[Verein|eingetragener Verein]] mit Sitz in [[Ellerau]])<ref name=Billig/> und –&nbsp;bis zu seinem Tod&nbsp;– Herausgeber deren Zeitschrift ''Neue Anthropologie''.<ref name="Wetzel" /><!-- ''Mütterdank'' -->


Des Weiteren übernahm Rieger Funktionen in der [[Nationaldemokratische Partei Deutschlands|NPD]], der seit 1994 verbotenen Organisation [[Wiking-Jugend]] und der 1995 verbotenen [[Freiheitliche Arbeiter Partei|FAP]]. 1989 stieg er zum Hauptfunktionär und Vorsitzenden der völkisch-neuheidnischen „[[Artgemeinschaft]]“ und Schriftleiter von deren Organ, der Nordischen Zeitung, auf. Ferner war er verantwortlich für die Mitteilungen des „Deutschen Rechtsschutzkreises/Deutsche Rechtsschutzkasse“ (DRSK) sowie führendes Mitglied im Norddeutschen Ring und der Northern League. Darüber hinaus trat er auch als Redner unter anderem bei der [[Nationalistische Front|Nationalistischen Front]] auf und war am Aufbau des Nationalen Einsatz-Kommandos (NEK) von Meinolf Schönborn beteiligt, einem Vorgänger der [[Anti-Antifa]].
Des Weiteren übernahm Rieger Funktionen in der NPD und der 1995 verbotenen [[Freiheitliche Arbeiter Partei|FAP]]. Ab den 1980er Jahren zählte er zu den Unterstützern der 1994 verbotenen [[Wiking-Jugend]], ohne ihr anzugehören.<ref>[[Gideon Botsch]]: ''Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2012, ISBN 978-3-534-23832-3, S. 96.</ref> 1989 stieg er zum Hauptfunktionär und Vorsitzenden der völkisch-neuheidnischen „Artgemeinschaft“ und Schriftleiter von deren Organ, der ''[[Nordische Zeitung|Nordischen Zeitung]]'', auf. Ferner war er verantwortlich für die Mitteilungen des „Deutschen Rechtsschutzkreises / Deutsche Rechtsschutzkasse“ (DRSK) sowie führendes Mitglied im Norddeutschen Ring und der Northern League. Darüber hinaus trat er auch als Redner unter anderem bei der [[Nationalistische Front|Nationalistischen Front]] auf und war am Aufbau des Nationalen Einsatz-Kommandos (NEK) von Meinolf Schönborn beteiligt, einem Vorgänger der [[Anti-Antifa]].


1991 wurde er Vorstandsmitglied vom Heide-Heim e.V., dem Trägerverein eines Geländes in [[Hetendorf]]. Hier richtete Rieger als Organisator bis zu ihrem Verbot 1998 die ''Hetendorfer Tagungswochen'' aus, die zur [[Sonnenwende|Sommersonnenwende]] stattfand, sowie ein Pfingstlager „für Deutsche“. Neben den politischen Schulungen wurden hier auch [[Wehrsportgruppe|Wehrsportübungen]] abgehalten. Wie der Aussteiger aus der Neonaziszene [[Ingo Hasselbach]] berichtete, hatte Rieger auch im Sommer 1990 auf einem Bundeswehrgelände, der Wagrien-Kaserne im schleswig-holsteinischen [[Oldenburg in Holstein|Putlos]], eine Wehrsportübung organisiert, die als Treffen von „Liebhabern militärischer Fahrzeuge“ angemeldet worden war.<ref>Hasselbach,
1991 wurde er Vorstandsmitglied vom Heide-Heim e.&nbsp;V., dem Trägerverein eines Geländes in [[Hetendorf]]. Hier richtete Rieger als Organisator bis zu ihrem Verbot 1998 die ''Hetendorfer Tagungswochen'' aus, die zur [[Sonnenwende|Sommersonnenwende]] stattfanden, sowie ein Pfingstlager „für Deutsche“. Neben den politischen Schulungen wurden hier auch [[Wehrsportgruppe|Wehrsportübungen]] abgehalten. Wie der Aussteiger aus der Neonaziszene [[Ingo Hasselbach]] berichtete, hatte Rieger auch im Sommer 1990 auf einem Bundeswehrgelände, der Wagrien-Kaserne im schleswig-holsteinischen [[Oldenburg in Holstein|Putlos]], eine Wehrsportübung organisiert, die als Treffen von „Liebhabern militärischer Fahrzeuge“ angemeldet worden war.<ref>Ingo Hasselbach: ''Die Abrechnung''. Berlin/Weimar, S. 117 ff.</ref>
Ingo, Die Abrechnung, 1. Aufl., Berlin/Weimar, 1993 S. 117 ff.</ref>


2006 trat Rieger in die NPD ein<ref>taz, 7. September 2006.</ref> und wurde noch im gleichen Jahr auf deren Bundesparteitag in den Vorstand gewählt, wo er das Amt „Referat Außenpolitik“ innehatte. Rieger wurde auf dem Landesparteitag der Hamburger NPD am 25. Februar 2007 zum neuen Landesvorsitzenden, am 24. Mai 2008 dann auch zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD gewählt. Im April 2009 wurde er in seinem Amt bestätigt.
2006 trat Rieger in die NPD ein<ref>taz, 7. September 2006.</ref> und wurde noch im gleichen Jahr auf deren Bundesparteitag in den Vorstand gewählt, wo er das Amt „Referat Außenpolitik“ innehatte. Rieger wurde auf dem Landesparteitag der Hamburger NPD am 25. Februar 2007 zum neuen Landesvorsitzenden, am 24. Mai 2008 dann auch zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD gewählt. Im April 2009 wurde er in seinem Amt bestätigt.


===Riegers Verhältnis zur NPD===
=== Riegers Verhältnis zur NPD ===
Der NPD, dessen Politik Rieger lange Zeit als zu gemäßigt ansah, stand Rieger lange Zeit kritisch bis ablehnend gegenüber. Erst nachdem sich die Partei der gewaltbereiten Szene der [[Freie Kameradschaften|Freien Kameradschaften]] öffnete, trat Rieger der NPD im Jahre 2006 bei. Seitdem gilt er als Vertreter des neonazistischen Flügels der Partei. Bereits 2005 kandidierte Rieger als parteiunabhängiger auf der NPD-Liste als Spitzenkandidat für die Hamburger NPD, dessen Führung er 2006 übernahm. Rieger unterstützte den Parteivorsitzenden [[Udo Voigt]], zu dessen Stellvertreter er 2008 gewählt wurde. Seine parteiinternen Widersacher fand Rieger in [[Udo Pastörs]] und [[Holger Apfel]], die einem gemäßigteren Flügel der NPD zugerechnet werden. Rieger stützte wiederholt die NPD mit Darlehen und Krediten, bedachte die NPD allerdings nicht in seinem Testament.
Der NPD, deren Politik Rieger lange Zeit als zu gemäßigt ansah, stand Rieger zunächst kritisch bis ablehnend gegenüber. Erst nachdem sich die Partei der gewaltbereiten Szene der [[Freie Kameradschaften|Freien Kameradschaften]] öffnete, trat Rieger der NPD im Jahre 2006 bei. Seitdem galt er als Vertreter des neonazistischen Flügels der Partei. Bereits 2005 kandidierte Rieger als Parteiunabhängiger auf der NPD-Liste als Spitzenkandidat für die Hamburger NPD, deren Führung er 2006 übernahm. Rieger unterstützte den Parteivorsitzenden [[Udo Voigt]], zu dessen Stellvertreter er 2008 gewählt wurde. Seine parteiinternen Widersacher fand Rieger in [[Udo Pastörs]] und [[Holger Apfel]], die einem gemäßigteren Flügel der NPD zugerechnet werden. Rieger stützte wiederholt die NPD mit Darlehen und Krediten, bedachte die NPD allerdings nicht direkt in seinem Testament.<ref>[https://www.focus.de/politik/deutschland/npd-geht-bei-rieger-erbe-leer-aus-testament_id_1870013.html ''NPD geht bei Rieger-Erbe leer aus''.] In: ''[[Focus]]'', 5. November 2009.</ref>


== Öffentliche Wahrnehmung ==
== Öffentliche Wahrnehmung ==
=== Rieger als Rechtsanwalt ===
=== Rieger als Rechtsanwalt ===
Rieger war als Anwalt am [[Hanseatisches Oberlandesgericht|Hanseatischen Oberlandesgericht]] zugelassen. Er spezialisierte sich unter anderem auf das Erbrecht.<ref name="röpke20091030" /> Seit 1992 war er Mitglied des bestehenden und von der Hamburger Anwältin [[Gisela Pahl]] geleiteten ''Deutschen Rechtsbüros'', einer Vernetzung rechtsextremer Anwälte. Seit den 1970er Jahren vertrat Rieger zahlreiche [[Rechtsextremismus|Rechtsextremisten]] und [[Holocaustleugnung|Holocaustleugner]] vor Gericht bzw. in [[Verwaltungsverfahren]], darunter [[Michael Kühnen]], [[Christian Worch]], [[Horst Mahler]], [[Thies Christophersen]], [[Ernst Zündel]], [[Jürgen Mosler]], [[Berthold Dinter]] und Mitglieder der Musikgruppe [[Kraftschlag]].


Die besonderen Freiheiten des Verteidigers nutzte Rieger wiederholt, um selbst [[Volksverhetzung|volksverhetzende]] Propaganda zu betreiben, so z.&nbsp;B. in den Prozessen um [[Arpad Wigand]], [[Thomas Wulff]] und [[Ernst Zündel]] (siehe unten den Abschnitt Strafverfahren).
Rieger war als Anwalt am [[Hanseatisches Oberlandesgericht|Hanseatischen Oberlandesgericht]] zugelassen. Er spezialisierte sich unter anderem auf das Erbrecht.<ref>Andrea Röpke (2009): ''[http://www.bnr.de/content/multiaktivist-und-reizfigur Multiaktivist und Reizfigur], Beitrag auf: bnr.de.</ref> Seit 1992 war er Mitglied des bestehenden und von der Hamburger Anwältin [[Gisela Pahl]] geleiteten ''Deutschen Rechtsbüros'', einer Vernetzung rechtsextremer Anwälte. Seit den 1970er Jahren vertrat Rieger zahlreiche [[Rechtsextremismus|Rechtsextremisten]] und [[Holocaustleugnung|Holocaustleugner]] vor Gericht bzw. in [[Verwaltungsverfahren]], darunter [[Michael Kühnen]], [[Christian Worch]], [[Horst Mahler]], [[Thies Christophersen]], [[Ernst Zündel]], [[Jürgen Mosler]], [[Berthold Dinter]] und Mitglieder der Musikgruppe [[Kraftschlag]].


Zu seiner Taktik zählte weiterhin die [[Verfahrensverschleppung|Verschleppung von Prozessen]]. So verlangte er beispielsweise 1993 in einem Verfahren vor dem [[Landgericht Stuttgart]] gegen die Gründer des „[[Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers|Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers]]“ (kurz KAH) die Vernehmung von 500 Zeugen, woraufhin er als Pflichtverteidiger abgelöst wurde.
Die besonderen Freiheiten des Verteidigers nutzte Rieger wiederholt, um selbst volksverhetzende Propaganda zu betrieben. So z.B. in den Prozessen um [[Arpad Wigand]], [[Thomas Wulff]] und [[Ernst Zündel]] (siehe [[Jürgen Rieger#Strafverfahren]]).


Letztlich war dieser Taktik kein großer Erfolg beschieden. Rieger trug als Verteidiger in einem mehrjährigen Strafprozess vor dem [[Landgericht Hamburg]] dazu bei, dass –&nbsp;ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte&nbsp;– ein Beschluss des [[Bundesgerichtshof]]s zustande kam, in dem es sinngemäß heißt: „Bei zur Prozeßverschleppung gestellten Beweisanträgen ist es zur Verhinderung weiterer Verfahrensverzögerung möglich, den Verfahrensbeteiligten eine Frist zu setzen. Nach Ablauf dieser Frist werden danach gestellte Beweisanträge erst in der Urteilsbegründung beschieden.“<ref>[https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=7314aa5bdfb9359df975b7cca972bc1e&Seite=1&nr=33139&pos=32&anz=150&Blank=1.pdf BGH, Beschluss des 5. Strafsenats vom 14. Juni 2005, Az. 5 StR 129/05] (PDF; 52&nbsp;kB).</ref>
Zu seiner Taktik zählte weiterhin die Verschleppung von Prozessen. So verlangte er beispielsweise 1993 in einem Verfahren vor dem [[Landgericht Stuttgart]] gegen die Gründer des „Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ (kurz KAH) die Vernehmung von 500 Zeugen, woraufhin er als Pflichtverteidiger abgelöst wurde.

Letztlich war dieser Taktik kein großer Erfolg beschieden. Rieger trug als Verteidiger in einem mehrjährigen Strafprozess vor dem [[Landgericht Hamburg]] dazu bei, dass – ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte – ein Beschluss des [[Bundesgerichtshof]]s zustande kam, in dem es sinngemäß heißt: „Bei zur Prozeßverschleppung gestellten Beweisanträgen ist es zur Verhinderung weiterer Verfahrensverzögerung möglich, den Verfahrensbeteiligten eine Frist zu setzen. Nach Ablauf dieser Frist werden danach gestellte Beweisanträge erst in der Urteilsbegründung beschieden.“<ref>[http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=7314aa5bdfb9359df975b7cca972bc1e&Seite=1&nr=33139&pos=32&anz=150&Blank=1.pdf BGH, Beschluss des 5. Strafsenats vom 14. Juni 2005, Az. 5 StR 129/05].</ref>


=== Immobilien ===
=== Immobilien ===
[[Datei:Kinokomplex Hameln alt.jpg|miniatur|Riegers Gebäudekomplex mit gehisster NPD-Flagge in [[Hameln]]]]
[[Datei:Kinokomplex Hameln alt.jpg|mini|Riegers Gebäudekomplex mit gehisster NPD-Flagge in [[Hameln]]]]
Rieger erwarb in der Vergangenheit immer wieder [[Immobilie]]n, die als Tagungs- und Versammlungszentren für Treffen der Rechtsextremisten und Neonazis dienen sollten. Die Herkunft der Gelder ist nicht geklärt. Er selbst sprach in einem Interview 2005 von „Grundstücksspekulationen“, ein anderer Teil des Kapitals stamme aus Hinterlassenschaften von Altnazis, die wollten, „dass ihr Vermögen der Bewegung“ zugute komme.<ref>''Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen'', hrsg. v. Weserkurier und NDR info, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7, S. 74 [http://www.ndrinfo.de/programm/rechtsabbieger2.pdf link].</ref>
Rieger erwarb immer wieder [[Immobilie]]n, die als Tagungs- und Versammlungszentren für Treffen der Rechtsextremisten und Neonazis dienen sollten. Die Herkunft der Gelder ist nicht geklärt. Er selbst sprach in einem Interview 2005 von „Grundstücksspekulationen“, ein anderer Teil des Kapitals stamme aus Hinterlassenschaften von Altnazis, die wollten, „dass ihr Vermögen der Bewegung“ zugutekomme.<ref>''Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen''. Hrsg. v. Weserkurier und NDR info, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7, S. 74.</ref>


1978 erwarben zwei durch Rieger dominierte Vereine am Rand der Lüneburger Heide einen Bauernhof, in dem Rieger das Schulungszentrum „[[Hetendorf]] 13“ bei Hermannsburg gründete. Es diente jahrelang als Szenetreffpunkt, bis das Gelände nach dem Verbot der beiden Trägervereine 1998 enteignet wurde.<ref>''Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen'', hrsg. v. Weserkurier und NDR info, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7,, S. 74f.</ref> Später wollte Rieger im Landkreis Celle ein rechtsextremes Schulungszentrum etablieren. Nach einer juristischen Auseinandersetzung mit der Gemeinde [[Faßberg]] war letztlich der Erwerb eines Hotels als Bieter bei der angekündigten [[Zwangsversteigerung]] geplant.<ref>[http://www.welt.de/hamburg/article4768301/Dorf-kaempft-gegen-Neonazi-Hotel.html Die Welt].</ref>
1978 erwarben zwei durch Rieger dominierte Vereine am Rand der [[Lüneburger Heide]] einen Bauernhof, in dem Rieger das Schulungszentrum „[[Hetendorf]] 13“ bei Hermannsburg gründete. Es diente jahrelang als Szenetreffpunkt, bis das Gelände nach dem Verbot der beiden Trägervereine 1998 enteignet wurde.<ref>''Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen''. Hrsg. v. Weserkurier und NDR info, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7, S. 74f.</ref> Später wollte Rieger im Landkreis Celle ein rechtsextremes Schulungszentrum etablieren. Nach einer juristischen Auseinandersetzung mit der Gemeinde [[Faßberg]] war letztlich der Erwerb eines Hotels als Bieter bei der angekündigten [[Zwangsversteigerung (Deutschland)|Zwangsversteigerung]] geplant.<ref>{{Internetquelle|titel=Dorf kämpft gegen Neonazi-Hotel |url=https://www.welt.de/regionales/hamburg/article4768301/Dorf-kaempft-gegen-Neonazi-Hotel.html |hrsg=Die Welt|datum=7. Oktober 2009|zugriff=1. November 2009}}</ref>


1995 erwarb er in der Nähe von [[Mariestad]] in Südschweden für etwa 1,6 Millionen Euro das Anwesen „Sveneby Säteri“, ein burgähnliches Herrenhaus mit 650 Hektar Land. Angeblich sind wegen der dort angesiedelten [[Ökologische Landwirtschaft|ökologischen]] [[Hausschwein|Schweinezucht]], die Rieger mit übernommen hatte, trotz Protesten der schwedischen und deutschen Regierung, [[Europäische Union|EU]]-Gelder in Höhe von jährlich 300.000 Mark an ihn geflossen. Mit Anzeigen versuchte Rieger, „reinrassige“ Deutsche zur Umsiedlung dorthin zu bewegen, die fernab von vermeintlich schädlichen Einflüssen „germanische Nachkommen“ großziehen sollten. Dieses Projekt ist bislang nicht erfolgreich, da sich offensichtlich nicht genügend Umsiedler fanden. Stattdessen wurde im Herbst 2003 bekannt, dass sich schwedische Neonazis in der Gegend des Anwesens konzentrierten, nachdem der führende schwedische Rechtsextremist [[Klas Lund]] ein weiteres Gelände von 650 Hektar in unmittelbarer Nähe des Gutes Sveneby erworben hatte. Bis November 2003 waren mindestens vier Personen aus dem Führungskreis der „Schwedischen Widerstandsbewegung“ (SMR) dort eingezogen, einer Nachfolgeorganisation der antisemitischen Gruppe [[Vitt ariskt motstånd|Weißer Arischer Widerstand]], eines schwedischen Ablegers der amerikanischen Vereinigung [[White Aryan Resistance]]. Nach schwedischen Angaben hatten die SMR und die „[[Nationalsocialistisk front|Nationalsozialistische Front]]“ in geheimen Lagern in den Wäldern Waffentechnik und Selbstverteidigung trainiert. Nach Angaben der Zeitung ''Expressen'' brannte das Herrenhaus von Rieger in der Nacht auf den 7. Dezember 2003 nieder.<ref>[http://www.expressen.se/1.65952 ''Nazistgård i brand'', [[expressen]].se vom 7. Dezember 2003], zuletzt aufgerufen am 30. Oktober 2009.</ref>
1995 erwarb er in der Nähe von [[Mariestad]] in Südschweden für etwa 1,6 Millionen Euro das Anwesen „Sveneby Säteri“, ein burgähnliches Herrenhaus mit 650 Hektar Land. Angeblich sind wegen der dort angesiedelten [[Ökologische Landwirtschaft|ökologischen]] [[Hausschwein|Schweinezucht]], die Rieger mit übernommen hatte, trotz Protesten der schwedischen und deutschen Regierung, [[Europäische Union|EU]]-Gelder in Höhe von jährlich 300.000 Mark an ihn geflossen. Mit Anzeigen versuchte Rieger, „reinrassige“ Deutsche zur Umsiedlung dorthin zu bewegen, die fernab von vermeintlich schädlichen Einflüssen „germanische Nachkommen“ großziehen sollten. Dieses Projekt ist bislang nicht erfolgreich, da sich offensichtlich nicht genügend Umsiedler fanden. Stattdessen wurde im Herbst 2003 bekannt, dass sich schwedische Neonazis in der Gegend des Anwesens konzentrierten, nachdem der führende schwedische Rechtsextremist [[Klas Lund]] ein weiteres Gelände von 650 Hektar in unmittelbarer Nähe des Gutes Sveneby erworben hatte. Bis November 2003 waren mindestens vier Personen aus dem Führungskreis der „Schwedischen Widerstandsbewegung“ (SMR) dort eingezogen, einer Nachfolgeorganisation der antisemitischen Gruppe [[Vitt ariskt motstånd|Weißer Arischer Widerstand]], eines schwedischen Ablegers der amerikanischen Vereinigung [[White Aryan Resistance]]. Nach schwedischen Angaben hatten die SMR und die „[[Nationalsocialistisk front|Nationalsozialistische Front]]“ in geheimen Lagern in den Wäldern Waffentechnik und Selbstverteidigung trainiert. Nach Angaben der Zeitung ''Expressen'' brannte ein Nebengebäude des Herrenhauses von Rieger in der Nacht auf den 7. Dezember 2003 nieder.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.expressen.se/1.65952 |titel=Nazistgård i brand |hrsg=[[expressen]].se vom 7. Dezember 2003 |zugriff=18. Mai 2010 |sprache=sv |archiv-url=https://web.archive.org/web/20091011103006/http://www.expressen.se/1.65952 |archiv-datum=2009-10-11 }}</ref>


Auch in Deutschland waren in den letzten Jahren mehrere Immobilien in den Besitz Riegers gelangt und dienten häufig ähnlichen Zwecken bzw. zunächst lediglich als Geldanlage. 1999 hatte er einen angeblich etwa 2 Millionen Euro teuren Gebäudekomplex mit einem Kino in [[Hameln]] erworben, zu dem auch Wohnungen und mehrere Ladengeschäfte gehörten. Als Rieger dort im Jahr 2005 eine Tagung mit bekannten Neonazigrößen und „volkstümlicher“ Musik veranstalten wollte, wurde diese vom Landgericht Lüneburg mit der Begründung verboten, in dem Gebäude seien Baumängel festgestellt worden. Als Zeichen des Protestes gegen das Veranstaltungsvorhaben organisierten die Bewohner Hamelns zudem einen „Ring um die Altstadt“, der ihre Ablehnung gegenüber Rieger und Neonazis überhaupt demonstrieren sollte.
Auch in Deutschland waren in den letzten Jahren mehrere Immobilien in den Besitz Riegers gelangt und dienten häufig ähnlichen Zwecken bzw. zunächst lediglich als Geldanlage. 1999 hatte er einen angeblich etwa 2 Millionen Euro teuren Gebäudekomplex mit einem Kino in [[Hameln]] erworben, zu dem auch Wohnungen und mehrere Ladengeschäfte gehörten. Als Rieger dort im Jahr 2005 eine Tagung mit bekannten Neonazigrößen und „volkstümlicher“ Musik veranstalten wollte, wurde diese vom Landgericht Lüneburg mit der Begründung verboten, in dem Gebäude seien Baumängel festgestellt worden. Als Zeichen des Protestes gegen das Veranstaltungsvorhaben organisierten die Bewohner Hamelns zudem einen „Ring um die Altstadt“, der ihre Ablehnung gegenüber Rieger und Neonazis überhaupt demonstrieren sollte.


Nach 2003 erwarb Rieger zwei Immobilien im Namen der [[Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation]] Ltd.: das Schützenhaus in [[Pößneck]] und den [[Heisenhof]] in Dörverden.<ref>Andrea Röpke: ''„WIR EROBERN DIE STÄDTE VOM LAND AUS!“ – Schwerpunktaktivitäten der NPD und Kameradschaftszene in Niedersachsen'', Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN, Braunschweig 2005, ISBN 3-932082-15-X.</ref> Ein geplanter Kauf des „Hotels am Stadtpark“ in [[Delmenhorst]] scheiterte.<ref>[[Norddeutscher Rundfunk|NDR]]: [http://www1.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/nds3466.html Delmenhorster sollen über künftige Hotelnutzung mitentscheiden], 21. Dezember 2006.</ref>
Nach 2003 erwarb Rieger zwei Immobilien im Namen der [[Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation]] Ltd.: das Schützenhaus in [[Pößneck]] und den [[Heisenhof]] in Dörverden.<ref>Andrea Röpke: ''„Wir erobern die Städte vom Land aus!“ – Schwerpunktaktivitäten der NPD und Kameradschaftszene in Niedersachsen''. Bildungsvereinigung Arbeit und Leben, Braunschweig 2005, ISBN 3-932082-15-X.</ref> Ein geplanter Kauf des „Hotels am Stadtpark“ in [[Delmenhorst]] scheiterte.<ref>{{Internetquelle| url=https://www.welt.de/politik/article3417900/Letztes-Kapitel-im-peinlichen-Streit-um-ein-Hotel.html |titel=Letztes Kapitel im peinlichen Streit um ein Hotel |hrsg=Die Welt |datum=21. März 2009 |zugriff=2015-08-10 }}</ref>


Die Wilhelm-Tietjen-Stiftung wurde im August 2006 wegen eines fehlenden Geschäftsberichts aufgelöst. Auf Antrag der Stadt [[Pößneck]] hatte das [[Amtsgericht Jena]] im März 2007 den Pößnecker CDU-Stadtrat und Rechtsanwalt Alf-Heinz Borchardt als [[Nachtragsliquidation|Nachtragsliquidator]] eingesetzt. Der Beschluss des Amtsgerichtes wurde durch das Landgericht Gera jedoch aufgehoben. Das Thüringer Oberlandesgericht bestätigte „erhebliche Verfahrensfehler“ und verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Jena zurück. Das Amtsgericht beauftragte daraufhin den Erfurter Rechtsanwalt Görge Scheid mit der Abwicklung des in Deutschland befindlichen Vermögens der „Wilhelm Tietjen-Stiftung für Fertilisation Limited als Restgesellschaft mit dem Sitz in Großbritannien“. Anfang Mai 2008 gelang es Rieger, die Limited zu reaktivieren, was die Abberufung des Nachtragsliquidators durch das Amtsgericht Jena zur Folge hatte.
Die Wilhelm-Tietjen-Stiftung wurde im August 2006 wegen eines fehlenden Geschäftsberichts aufgelöst. Auf Antrag der Stadt [[Pößneck]] hatte das [[Amtsgericht Jena]] im März 2007 den Pößnecker CDU-Stadtrat und Rechtsanwalt Alf-Heinz Borchardt als [[Nachtragsliquidation|Nachtragsliquidator]] eingesetzt. Der Beschluss des Amtsgerichtes wurde durch das Landgericht Gera jedoch aufgehoben. Das Thüringer Oberlandesgericht bestätigte „erhebliche Verfahrensfehler“ und verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Jena zurück. Das Amtsgericht beauftragte daraufhin den Erfurter Rechtsanwalt Görge Scheid mit der Abwicklung des in Deutschland befindlichen Vermögens der „Wilhelm Tietjen-Stiftung für Fertilisation Limited als Restgesellschaft mit dem Sitz in Großbritannien“. Anfang Mai 2008 gelang es Rieger, die Limited zu reaktivieren, was die Abberufung des Nachtragsliquidators durch das Amtsgericht Jena zur Folge hatte.
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Rieger besaß weitere Immobilien in Schleswig-Holstein ([[Hummelfeld]]) und Mecklenburg-Vorpommern.
Rieger besaß weitere Immobilien in Schleswig-Holstein ([[Hummelfeld]]) und Mecklenburg-Vorpommern.


Ende September 2007 kaufte er gegen den Widerstand aller Ratsfraktionen<ref>{{cite web
Ende September 2007 kaufte er gegen den Widerstand aller Ratsfraktionen<ref> [http://www.neue-oz.de/_archiv/noz_print/nordwest/2007/10/17669210.html Neue OZ online, “Wir spielen den Nazis nicht in die Hände und kaufen nicht”].</ref> und der meisten Meller Bürger das Bahnhofsgebäude von [[Melle]] in Niedersachsen. Rieger trat jedoch Ende November 2007 von diesem Kauf zurück, nachdem der Stadtrat und die Verwaltung von Melle den [[Bebauungsplan]] für das Bahnhofsviertel über drei Jahre hinaus festgelegt und alle Nutzungsänderungen an dem [[Denkmalschutz|denkmalsgeschützten]] Gebäude für Zwecke der NPD untersagt hatten.<ref>[http://www.neue-oz.de/service/rechtsextremismus/berichte_mellerbahnhof/28_11_07_melle.html Neue OZ online, Meller Bahnhof: Rieger kapituliert].</ref>
|title = Bürgermeister: Wir spielen den Nazis nicht in die Hände
|url = http://www.noz.de/archiv/vermischtes/artikel/206468/burgermeister-wir-spielen-den-nazis-nicht-in-die-h-auml-nde-und-kaufen-nicht
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}}</ref> und der meisten Meller Bürger das Bahnhofsgebäude von [[Melle]] in Niedersachsen. Rieger trat jedoch Ende November 2007 von diesem Kauf zurück, nachdem der Stadtrat und die Verwaltung von Melle den [[Bebauungsplan (Deutschland)|Bebauungsplan]] für das Bahnhofsviertel über drei Jahre hinaus festgelegt und alle Nutzungsänderungen an dem [[Denkmalschutz|denkmalgeschützten]] Gebäude für Zwecke der NPD untersagt hatten.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.neue-oz.de/service/rechtsextremismus/berichte_mellerbahnhof/28_11_07_melle.html|titel=Meller Bahnhof: Rieger kapituliert|hrsg=Neue OZ online|datum=28. November 2007|zugriff=23. September 2009|archiv-url=https://web.archive.org/web/20100116025152/http://www.neue-oz.de/service/rechtsextremismus/berichte_mellerbahnhof/28_11_07_melle.html|archiv-datum=2010-01-16 }}</ref>


Im September 2008 wollte Rieger einen Gasthof in [[Warmensteinach]] erwerben.<ref>{{Internetquelle|autor=[[Thilo Schmidt]] |url=http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/841650
Im September 2008 wollte Rieger einen Gasthof in [[Warmensteinach]] erwerben.<ref>[http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/841650/ Deutschlandradio].</ref> Nach Berichterstattung des [[Focus]] gründete er zusammen mit anderen Rechtsextremisten wie [[Thomas Wulff]] und [[Dieter Riefling]] im Juli 2009 in Wolfsburg einen Museumsverein. Es wird angestrebt, an die NS-Organisation [[Kraft durch Freude]] sowie die Entwickler des [[KdF-Wagen]]s zu erinnern.<ref>focus.de ''[http://www.focus.de/panorama/vermischtes/wolfsburg-stadt-wehrt-sich-gegen-rechtsextremen-museum-kraft-durch-freude_aid_411421.html Stadt wehrt sich gegen Rechtsextremen-Museum „Kraft durch Freude“]'', 25. Juni 2009.</ref> Die Stadt Wolfsburg wehrt sich gegen das Vorhaben.
|titel=Blauweiß-braun. Die NPD will Bayern erobern
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|datum= 9. September 2008
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Nach Berichterstattung des ''[[Focus]]'' und eigenen Angaben<ref>{{Webarchiv | url=http://www.juergen-rieger.de/ineigenersache/kdfmuseuminwolfsburg.html | wayback=20110719051535 | text=KdF – Museum in Wolfsburg}}</ref> gründete er zusammen mit anderen Rechtsextremisten wie [[Thomas Wulff]] und [[Dieter Riefling]] im Juli 2009 in [[Wolfsburg]] einen Museumsverein. Es wurde angestrebt, an die NS-Organisation [[Kraft durch Freude]] sowie die Entwickler des [[KdF-Wagen]]s zu erinnern.<ref>[https://www.focus.de/panorama/vermischtes/stadt-wehrt-sich-gegen-rechtsextremen-museum-kraft-durch-freude-wolfsburg_id_1758308.html ''Stadt wehrt sich gegen Rechtsextremen-Museum „Kraft durch Freude“''.] focus.de, 25. Juni 2009.</ref> Die Stadt Wolfsburg wehrte sich gegen das Vorhaben und kaufte das Gebäude nach Riegers Tod auf.<ref>[https://taz.de/!5148286/ ''Keine "Kraft durch Freude" mehr''.] taz.de</ref>
Insgesamt jedoch schätzte das [[Bundesamt für Verfassungsschutz]] die vermeintlichen Erwerbsabsichten von Rieger als fingiert ein, da diese „''in etlichen Fällen jedoch darauf abzielen düften, in Absprache mit dem Besitzer bei schwer vermittelbaren Immobilien am Verkaufserlös zu partizipieren''“, weil „''die betroffenen Kommunen sich durch den öffentlichen Druck oftmals veranlasst sahen, die in Rede stehenden Immobilien im Rahmen ihres Vorkaufsrechts selbst zu übernehmen, wobei die Kaufpreise den realen Marktwert mitunter deutlich überstiegen.''“<ref>[http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2008.pdf (Schein-) Immobiliengeschäfte der NPD] Verfassungsschutzbericht 2008, Seite 92 f.</ref>

Insgesamt jedoch schätzte das [[Bundesamt für Verfassungsschutz]] die vermeintlichen Erwerbsabsichten von Rieger als fingiert ein, da diese „in etlichen Fällen jedoch darauf abzielen dürften, in Absprache mit dem Besitzer bei schwer vermittelbaren Immobilien am Verkaufserlös zu partizipieren“, weil „die betroffenen Kommunen sich durch den öffentlichen Druck oftmals veranlasst sahen, die in Rede stehenden Immobilien im Rahmen ihres Vorkaufsrechts selbst zu übernehmen, wobei die Kaufpreise den realen Marktwert mitunter deutlich überstiegen.“<ref>{{Webarchiv | url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2008.pdf | wayback=20091007075002 | text=(Schein-) Immobiliengeschäfte der NPD}} (PDF) Verfassungsschutzbericht 2008, S. 92 f.</ref>


=== Rudolf-Heß-Gedenkmarsch ===
=== Rudolf-Heß-Gedenkmarsch ===
Rieger war Hauptorganisator und Initiator des [[Rudolf-Heß-Gedenkmarsch]]es in [[Wunsiedel]]. Viele Jahre war er aktiv an der Demo beteiligt.<ref>Thomas Dörfler, Andreas Klärner: ''Der „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wunsiedel. Rekonstruktion eines nationalistischen Phantasmas'', in: ''Mittelweg 36'', Heft 4/2004, S. 74–91. [http://www.rechtsextremismusforschung.de/Doerfler-Klaerner_wunsiedel2004.htm Online abrufbar].</ref>
Rieger war Hauptorganisator und Initiator des [[Rudolf-Heß-Gedenkmarsch]]es in [[Wunsiedel]]. Viele Jahre war er aktiv an der Demonstration beteiligt.<ref>Thomas Dörfler, Andreas Klärner: ''Der „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wunsiedel. Rekonstruktion eines nationalistischen Phantasmas.'' In: ''Mittelweg 36'', Heft 4/2004, S. 74–91. [http://www.rechtsextremismusforschung.de/Doerfler-Klaerner_wunsiedel2004.htm Online abrufbar].</ref>


Sehr viele internationale Rechtsextremisten beteiligen sich am Gedenkmarsch und reisen aus Ländern wie zum Beispiel Frankreich, Italien, Spanien oder Portugal an. Im Jahre 2004 erlebte der Marsch seinen Höhepunkt, als nach Polizeiangaben etwa 5.000 Rechtsextremisten teilnahmen. Mehr als doppelt soviele [[Antifa]]-Aktivisten sowie der CSU-Bürgermeister von Wunsiedel beteiligten sich aktiv an Gegendemonstrationen und Sitzdemos.
Im Jahre 2004 erlebte der Marsch seinen Höhepunkt, als nach Polizeiangaben etwa 5.000 Rechtsextremisten teilnahmen. Mehr als doppelt so viele Demonstranten, unter ihnen der CSU-Bürgermeister von Wunsiedel, beteiligten sich aktiv an Gegendemonstrationen und Sitzdemos.


Rieger hatte bei der Polizei die Rudolf-Heß-Märsche bis zum Jahr 2010 angemeldet, doch wurde 2005 der Marsch, der für den 28. August 2005 angesetzt war, vom [[Bundesverfassungsgericht]] aufgrund seiner offenkundigen NS-Verherrlichung untersagt. Rieger strengte daraufhin eine Klage an. Dabei argumentierte er, dass die Verschärfung der Paragraph 130 Abs. 4, der es Rechtsextremisten erschwert Demonstrationen mit Bezug auf den Nationalsozialismus abzuhalten, gegen die im [[Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] garantierte [[Meinungsfreiheit]] verstoße. Einschränkungen der Meinungsfreiheit seien lediglich zulässig, wenn sie allgemein sind, also nicht einseitig bestimmte politische Richtungen betreffen. Das Bundesverfassungsgesetz stimmte Rieger zu, dass es sich bei dem Gesetz um eine einseitig Beschränkung handele. Dennoch sei das Gesetz in diesem Fall zulässig. Das Grundgesetz kann als expliziter Gegenentwurf zum Nationalsozialismus verstanden werden, was einen Ausnahmetatbestand in diesem Falle rechtfertige und mit dem Grundgesetz vereinbar mache.<ref>[http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-129.html]</ref><ref>[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,661713,00.html]</ref>
Rieger hatte die Kundgebungen zum Gedenken an Rudolf Heß bis zum Jahr 2010 angemeldet, doch der Marsch, der für den 28. August 2005 angesetzt war, wurde vom Landratsamt Wunsiedel untersagt. Rieger strengte daraufhin eine Klage an, mit der er über mehrere Instanzen erfolglos blieb. Dabei argumentierte er, dass die Verschärfung des [[Strafrecht (Deutschland)|Strafrechts]] ({{§|130|StGB|juris}} Abs. 4 StGB), die das Eintreten für den Nationalsozialismus unter Strafe stellt, gegen die im [[Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] garantierte [[Meinungsfreiheit]] verstoße. Einschränkungen der Meinungsfreiheit seien lediglich zulässig, wenn sie [[Allgemeines Gesetz|allgemein]] sind. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die eingelegten Rechtsmittel bis zur endgültigen Entscheidung immer wieder vorläufig ab. Bei der schließlich Ende 2009 gefällten [[Wunsiedel-Entscheidung]] stimmte das höchste deutsche Gericht Rieger zwar zu, dass es sich bei der Verschärfung des [[Volksverhetzung]]sparagraphen um eine Sonderbestimmung handele, dennoch sei das Gesetz ein zulässiger Eingriff in den [[Schutzbereich]] der Meinungsfreiheit. Das Grundgesetz kann als expliziter Gegenentwurf zum Nationalsozialismus verstanden werden, was eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ausnahmsweise rechtfertige.<ref>{{cite web | url=https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-129.html |title=Pressemitteilung Nr. 129/2009 vom 17. November 2009 |publisher=bundesverfassungsgericht.de }}</ref><ref>{{cite web|url=https://www.spiegel.de/politik/deutschland/entscheidung-in-karlsruhe-paragraf-gegen-volksverhetzung-ist-rechtens-a-661713.html |title=Entscheidung in Karlsruhe: Paragraf gegen Volksverhetzung ist rechtens|publisher=spiegel.de |date=2009-11-17}}</ref>


=== Einschätzung des Verfassungsschutzes ===
=== Einschätzung des Verfassungsschutzes ===
Die Tätigkeiten von Jürgen Rieger, darunter der Versuch der Etablierung des [[Rudolf-Heß-Gedenkmarsch]]es, die Bestrebungen von Immobilienkäufe für die NPD zum Aufbau „rechtsextremistischer Schulungszentren“<ref>[http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2008.pdf Aufbau rechtsextremistischer Schulungszentren], Verfassungsschutzbericht 2008, S. 92.</ref>, die Beteiligung an einer Demonstration im Oktober 2006 für die [[Geschichtsrevisionismus|Revision]] des [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher|Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses von 1945/46]], sowie seine Wahl zum Stellvertreter der Bundes-NPD und zum Landesvorsitzenden der Hamburger NPD, wurden zwischen 2005 und 2008 vom [[Bundesamt für Verfassungsschutz|Verfassungsschutz]] beobachtet.
Die Tätigkeiten von Jürgen Rieger, darunter der Versuch der Etablierung des [[Rudolf-Heß-Gedenkmarsch]]es, die Bestrebungen von Immobilienkäufe für die NPD zum Aufbau „rechtsextremistischer Schulungszentren“,<ref>{{Webarchiv | url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2008.pdf | wayback=20091007075002 | text=Aufbau rechtsextremistischer Schulungszentren}}, Verfassungsschutzbericht 2008, S. 92.</ref> die Beteiligung an einer Demonstration im Oktober 2006 für die [[Geschichtsrevisionismus|Revision]] des [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher|Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses von 1945/46]], sowie seine Wahl zum Stellvertreter der Bundes-NPD und zum Landesvorsitzenden der Hamburger NPD, wurden zwischen 2005 und 2008 vom [[Bundesamt für Verfassungsschutz|Verfassungsschutz]] beobachtet.
Dieser stufte in den [[Verfassungsschutzbericht]]en Rieger mehrfach als „[[Neonazismus|Neonazi]]“<ref>[http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2007.pdf Neonazi Rieger], Verfassungsschutzbericht 2007, S. 49</ref>, „[[Rechtsextremismus|Rechtsextremisten]]“.<ref>[http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2005.pdf Rechtsextremist Rieger], Verfassungsschutzbericht 2005, S. 70.</ref> und „[[Protagonist]]en des Neonazi-Lagers“<ref>[http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2006.pdf Rieger als Protagonist des Neonazi-Lagers], Verfassungsschutzbericht 2006, S. 89.</ref> ein.
Dieser stufte in den [[Verfassungsschutzbericht]]en Rieger mehrfach als „[[Neonazismus|Neonazi]]“,<ref name="Neo">{{Webarchiv | url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2007.pdf | wayback=20080920151144 | text=Neonazi Rieger}}, Verfassungsschutzbericht 2007, PDF S. 49.</ref> „[[Rechtsextremismus|Rechtsextremisten]]“.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2005.pdf | wayback=20071026112318 | text=Rechtsextremist Rieger}}, Verfassungsschutzbericht 2005, PDF S. 70.</ref> und „[[Protagonist]]en des Neonazi-Lagers“<ref>{{Webarchiv | url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2006.pdf | wayback=20090806205226 | text=Rieger als Protagonist des Neonazi-Lagers}}, Verfassungsschutzbericht 2006, PDF S. 89.</ref> ein.


== Strafverfahren ==
== Strafverfahren ==
Rieger selbst wurde mehrfach rechtskräftig verurteilt: 1971 war er an der vorgetäuschten Entführung von [[Berthold Rubin]] beteiligt. 1974 wurde er wegen [[Volksverhetzung]] und schwerer [[Körperverletzung]] angeklagt, jedoch zunächst von einem Würzburger Gericht freigesprochen. Im gleichen Jahr wurde Rieger wegen zwei Fällen von Körperverletzung im Zusammenhang mit einer Demonstration der „[[Aktion Widerstand]]“ am 31. Oktober 1970 in Würzburg zu einer Geldstrafe von 3.500 Mark verurteilt.
Rieger selbst wurde mehrfach rechtskräftig verurteilt: 1971 war er an der vorgetäuschten Entführung von [[Berthold Rubin]] beteiligt. 1974 wurde er wegen [[Volksverhetzung]] und [[Schwere Körperverletzung (Deutschland)|schwerer Körperverletzung]] angeklagt, jedoch zunächst von einem Würzburger Gericht freigesprochen. Im gleichen Jahr wurde Rieger wegen zwei Fällen von Körperverletzung im Zusammenhang mit einer Demonstration der „[[Aktion Widerstand]]“ am 31. Oktober 1970 in Würzburg zu einer [[Geldstrafe (Deutschland)|Geldstrafe]] von 3500&nbsp;[[Deutsche Mark|DM]] verurteilt.


1981 behauptete er im Verfahren gegen seinen Mandanten, den SS-Sturmbannführer [[Arpad Wigand]], dass im [[Warschauer Ghetto]] kein Jude verhungert wäre, wenn die Ghetto-Insassen untereinander Solidarität geübt hätten. Daraufhin wurde gegen Rieger zunächst eine [[Geldstrafe]] verhängt. Der [[Bundesgerichtshof]] hob diese 1987 jedoch auf, da ihm zugute gehalten wurde, als Verteidiger in „Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) seines Mandanten“ gehandelt zu haben.
1981 behauptete er im Verfahren gegen seinen Mandanten, den ehemaligen SS-Sturmbannführer [[Arpad Wigand]], dass im [[Warschauer Ghetto]] kein Jude verhungert wäre, wenn die Ghetto-Insassen untereinander Solidarität geübt hätten. Daraufhin wurde gegen Rieger zunächst eine Geldstrafe verhängt. Der [[Bundesgerichtshof]] hob diese 1987 jedoch auf, da ihm zugutegehalten wurde, als Verteidiger in „Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) seines Mandanten“ gehandelt zu haben.


1989 wurde Rieger vom Landgericht Hamburg wegen anwaltlichen Parteiverrats (strafbarer Verrat der Interessen seines Mandanten zugunsten der Gegenpartei) rechtskräftig zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
1989 wurde Rieger vom Landgericht Hamburg wegen anwaltlichen Parteiverrats (strafbarer Verrat der Interessen seines Mandanten zugunsten der Gegenpartei) rechtskräftig zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.


Nachdem er 1993 in einem alten Militärfahrzeug der [[Waffen-SS]] durch [[Reinbek]] bei Hamburg gefahren war, wurde er im darauffolgenden Jahr wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole zu einer Geldstrafe in Höhe von 14.400 Mark verurteilt. Die [[Siegrune|SS-Runen]] auf dem historischen Nummernschild seien nicht ausreichend abgedeckt gewesen.
Nachdem er 1993 in einem alten Militärfahrzeug der [[Waffen-SS]] durch [[Reinbek]] bei Hamburg gefahren war, wurde er im darauffolgenden Jahr wegen [[Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen|Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole]] zu einer Geldstrafe in Höhe von 14.400 Mark verurteilt. Die [[Siegrune|SS-Runen]] auf dem historischen Nummernschild seien nicht ausreichend abgedeckt gewesen.


1996 hatte Rieger den Hamburger Neonazi [[Thomas Wulff]] in einer Strafsache wegen [[Volksverhetzung]] vertreten, da dieser in dem neonazistischen Blatt ''index'' den [[Holocaustleugnung|Judenmord geleugnet]] hatte. Zur Entlastung seines Mandanten hatte Rieger daraufhin beantragt, als Sachverständigen einen Diplom-Chemiker zu vernehmen, der die These untermauern werde, dass unter dem [[Zeit des Nationalsozialismus|NS-Regime]] Vergasungen von Menschen im [[KZ Auschwitz-Birkenau]] mit [[Zyklon B]] „nicht stattgefunden“ hätten. Daraufhin wurde er selbst wegen Volksverhetzung angeklagt. Das Verfahren gegen Rieger endete zunächst mit einem Freispruch, doch hob der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes im April 2002 diesen auf (Az. 5 StR 485/01). Das Verfahren wegen Volksverhetzung wurde an eine andere Kammer des Landgerichts Hamburg zur neuerlichen Verhandlung verwiesen. Dieses Verfahren endete im April mit einer Verurteilung Riegers zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 [[Tagessatz|Tagessätzen]] zu je 42 Euro, wobei dem Angeklagten strafmildernd zugute kam, dass die Tat bereits sieben Jahre zurücklag.
1996 hatte Rieger den Hamburger Neonazi [[Thomas Wulff]] in einer Strafsache wegen [[Volksverhetzung]] vertreten, da dieser in dem neonazistischen Blatt ''index'' den [[Holocaustleugnung|Holocaust geleugnet]] hatte. Zur Entlastung seines Mandanten hatte Rieger daraufhin beantragt, als Sachverständigen einen Diplom-Chemiker zu vernehmen, der die These untermauern werde, dass unter dem [[Zeit des Nationalsozialismus|NS-Regime]] Vergasungen von Menschen im [[KZ Auschwitz-Birkenau]] mit [[Zyklon&nbsp;B]] „nicht stattgefunden“ hätten. Daraufhin wurde er selbst wegen Volksverhetzung angeklagt. Das Verfahren gegen Rieger endete zunächst mit einem Freispruch, doch hob der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes im April 2002 diesen auf.<ref>Az. 5 StR 485/01</ref> Das Verfahren wegen Volksverhetzung wurde an eine andere Kammer des Landgerichts Hamburg zur neuerlichen Verhandlung verwiesen. Dieses Verfahren endete im April 2003 mit einer Verurteilung Riegers zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 [[Tagessatz|Tagessätzen]] zu je 42 Euro, wobei dem Angeklagten strafmildernd zugutekam, dass die Tat bereits sieben Jahre zurücklag.


2007 wurde Rieger erneut wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen ihn wurde eine Geldstrafe von 4.500 Euro verhängt. Nach den Feststellungen des [[Landgericht Magdeburg|Landgerichtes Magdeburg]] hatte er am Rande einer Demonstration einen Kreistagsabgeordneten der PDS ins Gesicht geschlagen.<ref>[[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]]: [http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6850312_REF1,00.html Neonazi-Anwalt Rieger zu Geldstrafe verurteilt], 31. Mai 2007.</ref>
2007 wurde Rieger erneut wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen ihn wurde eine Geldstrafe von 4500 Euro verhängt. Nach den Feststellungen des [[Landgericht Magdeburg|Landgerichtes Magdeburg]] hatte er am Rande einer Demonstration einen Kreistagsabgeordneten der PDS ins Gesicht geschlagen.<ref>[https://tsarchive.wordpress.com/2007/05/31/meldung26824/ Neonazi-Anwalt Rieger zu Geldstrafe verurteilt] (tagesschau.de-Archiv) [[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]], 31. Mai 2007.</ref>


Im September 2007 erhob die Staatsanwaltschaft Mannheim Anklage gegen Rieger wegen Volksverhetzung. Ihm wurde vorgeworfen, als Verteidiger des Holocaust-Leugners [[Ernst Zündel]] in neun Fällen öffentlich den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden abgestritten oder verharmlost zu haben. Zudem strebte die Staatsanwaltschaft ein Berufsverbot gegen Rieger wegen seiner einschlägigen Vorstrafen an.<ref>[[Hamburger Abendblatt]]: [http://www.abendblatt.de/daten/2007/09/19/795897.html Anklage gegen Nazi-Anwalt Jürgen Rieger], 19. September 2007</ref>
Im September 2007 erhob die [[Staatsanwaltschaft Mannheim]] Anklage gegen Rieger wegen Volksverhetzung. Ihm wurde vorgeworfen, als Verteidiger des Holocaust-Leugners [[Ernst Zündel]] in neun Fällen öffentlich den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden abgestritten oder verharmlost zu haben. Zudem strebte die Staatsanwaltschaft ein Berufsverbot gegen Rieger wegen seiner einschlägigen Vorstrafen an.<ref>[https://web.archive.org/web/20090107012107/http://www.abendblatt.de/daten/2007/09/19/795897.html ''Anklage gegen Nazi-Anwalt Jürgen Rieger''.] In: ''[[Hamburger Abendblatt]]'', 19. September 2007.</ref>

== Veröffentlichungen und Thesen ==
* 1969 verfasste er unter einem [[Pseudonym]] das Buch ''Rasse – Ein Problem auch für uns'', das 1972 indiziert wurde.

* Im Zusammenhang mit der von [[Jan Philipp Reemtsma]] initiierten Wanderausstellung [[Wehrmachtsausstellung|Verbrechen der Wehrmacht]] äußerte Rieger: ''„In den 50ern hätte man die Ausstellung kurz und klein geschlagen, und Reemtsma wäre am nächsten Baum aufgehängt worden.“''

* 2004 schrieb Jürgen Rieger das Vorwort zur zweiten russischen Auflage von [[Hans F. K. Günther]] („Ausgewählte rassenkundliche Werke“), worin Rieger rassenkundliche Thesen in der Tradition nationalsozialistischer [[Rassenideologie]] vertritt.

* Im Februar 2006 erschien – gleichzeitig in deutscher und russischer Sprache – ein Artikel von Jürgen Rieger mit dem Titel „Deutschland und Rußland – von einem nationalen Deutschen gesehen“. Die russische Fassung wurde im April 2006 in der Zeitung „Za Russkoje Delo“ („Für die Russische Sache“) und in der Zeitschrift „Zolotoj Lew“ („Der Goldene Löwe“) veröffentlicht.

* Die im Zuge der [[Hexenverfolgung]] als Hexen und Hexer umgekommenen Menschen sah er als Opfer der [[Zwangschristianisierung]].<ref name="Wiedemann_2009,S.271"> Felix Wiedemann: ''Germanische Weise Frau, Pristerin, Schamanin. Das Bild der Hexe im Neuheidentum''. In: Uwe Puschner/G. Ulrich Großmann (Hrsg.): ''Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert''. Darmstadt 2009. ISBN 978-3-534-20040-5, S. 271.</ref>

* Vor laufender Kamera im Gespräch mit einem Journalisten des NDR äußerte sich Rieger mit den Worten: "Warten Sie es doch ab: Wenn der erste Reporter umgelegt ist, der erste Richter umgelegt ist, dann wissen Sie, es geht los. Reporter, Richter, Polizisten, Sie!"<ref>[http://www.bnr.de/content/multiaktivist-und-reizfigur]</ref>

* Rieger äußerte sich vermehrt mit Kommentaren, die den Nationalsozialismus verherrlichten. So leugnete Rieger den Holocaust und bezeichnete Adolf Hitler als den "größten deutschen Staatsmann".<ref>[http://www.ad-hoc-news.de/rieger-ndr-wichtige-rieger-akten-verschwunden--/de/Thema-Des-Tages/20685832]</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
* Christoph Schulze: ''Jürgen Rieger (1946–2009). Anwalt für den Neonazismus und Propagandist des neuheidnischen „Artglaubens“''. In: [[Gideon Botsch]], [[Christoph Kopke]], Karsten Wilke (Hrsg.): ''Rechtsextrem: Biografien nach 1945''. De Gruyter, Oldenbourg, Berlin u.&nbsp;a. 2023, ISBN 978-3-11-101099-1, S. 381–402 (https://doi.org/10.1515/9783111010991-021).
* Thomas Grumke/Bernd Wagner (Hsg.): ''Handbuch Rechtsradikalismus''. Opladen 2002, S. 300–302.
* Christoph Schulze: ''Rassismus in nationalsozialistischer Tradition. Jürgen Rieger (1946–2009).'' Metropol Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-86331-544-3.
* ''Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen'', hrsg. v. Weserkurier und NDR info, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7, S. 74f. ([http://www.ndrinfo.de/programm/rechtsabbieger2.pdf online]).
* Thomas Dörfler, Andreas Klärner: ''Der „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wunsiedel. Rekonstruktion eines nationalistischen Phantasmas.'' In: ''[[Mittelweg 36]]'', Heft 4/2004, S. 74–91. [http://www.rechtsextremismusforschung.de/Doerfler-Klaerner_wunsiedel2004.htm rechtsextremismusforschung.de].
* [[Thomas Grumke]], [[Bernd Wagner (Kriminalist)|Bernd Wagner]] (Hrsg.): ''Handbuch Rechtsradikalismus. Personen, Organisationen, Netzwerke. Vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft.'' Leske & Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3399-5, S. 300–302.
* Robert Philippsberg: ''Biographisches Portrait: Jürgen Rieger.'' In: Uwe Backes, Alexander Gallus, Eckhard Jesse (Hrsg.): ''Jahrbuch „Extremismus & Demokratie“.'' Band 24/2012, Baden-Baden 2012, S. 211–227.
* ''Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen.'' Herausgegeben von Weserkurier und NDR info. Bremer Tageszeitungen, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7, S. 74f. [https://web.archive.org/web/20100705033331/http://www.weser-kurier.de/bilder/rechtsabbieger.pdf weser-kurier.de] (PDF; 3,1 MB).
* [https://www.zeit.de/2008/20/tenenbom?page=1 Interview mit Rieger anlässlich des 1. Mai 2008.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 20/2008
* {{Der Spiegel|ID=13680222|Titel=Neonazis: Blanke Nerven|Jahr=1993|Nr=16}}
* Hanno Kühnert: [https://www.zeit.de/1987/42/ein-neonazi-in-der-anwaltsprobe ''Ein Neonazi in der Anwaltsrobe''.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 42/1987


== Weblinks ==
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* {{DNB-Portal|132599414}}
* Sven Röbel: [https://www.spiegel.de/politik/deutschland/prominenter-rechtsextremist-npd-vizechef-rieger-ist-tot-a-658206.html ''Prominenter Rechtsextremist – NPD-Vizechef Rieger ist tot''.] [[Spiegel Online]], 29. Oktober 2009
* [http://www.zeit.de/2008/20/tenenbom?page=1 ZEIT-Interview mit Rieger anlässlich des 1. Mai 2008]
* [[Andrea Röpke]]: [https://web.archive.org/web/20091102001742/http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/meldungen/multiaktivist-und-reizfigur/ ''Multiaktivist und Reizfigur''.] mut-gegen-rechte-gewalt.de, 30. Oktober 2009
* [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,658206,00.html Sven Röbel, ''Prominenter Rechtsextremist – NPD-Vizechef Rieger ist tot'', Spiegel Online vom 29. Oktober 2009]
* [http://www.verfassungsschutzgegenrechtsextremismus.de/de/aktuelles/news-detailansicht/artikel/12/tod-des-neonazis-juergen-rieger-1.html Verfassungsschutz Hamburg: Tod des Neonazis Jürgen RIEGER, Mittwoch, 11. November 2009]
* Andrea Röpke (2009): ''[http://www.bnr.de/content/multiaktivist-und-reizfigur Multiaktivist und Reizfigur], Beitrag auf: bnr.de, letzter Aufruf: 22. November 2009.


== Belege ==
== Einzelnachweise ==
<references>
<references>
<ref name="Röbel">Sven Röbel: [https://www.spiegel.de/politik/deutschland/prominenter-rechtsextremist-npd-vizechef-rieger-ist-tot-a-658206.html ''Prominenter Rechtsextremist – NPD-Vizechef Rieger ist tot''.] [[Spiegel Online]], 29. Oktober 2009
<ref name=vs_hh>{{internetquelle|url=http://www.verfassungsschutzgegenrechtsextremismus.de/de/aktuelles/news-detailansicht/artikel/12/tod-des-neonazis-juergen-rieger-1.html|titel=Tod des Neonazis Jürgen RIEGER|hrsg= Verfassungsschutz Hamburg|datum=2009-11-11|zugriff=2009-11-25}}</ref>
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Aktuelle Version vom 29. März 2024, 13:06 Uhr

Jürgen Rieger

Jürgen Hans Paul Rieger (* 11. Mai 1946 in Blexen bei Nordenham; † 29. Oktober 2009 in Berlin[1]) war ein deutscher Rechtsanwalt, Neonazi[2] und Politiker (NPD). Neben seiner Tätigkeit als Strafverteidiger zahlreicher Rechtsextremisten war er als Multifunktionär der rechtsextremen Szene sowie als Holocaustleugner bekannt. Rieger vertrat Rassenkunde in der Tradition des nationalsozialistischen Rassenideologen Hans F. K. Günther, war Vorsitzender der völkisch-neuheidnischen Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung und Hauptorganisator des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches.

Jürgen Rieger wurde am 11. Mai 1946 in Blexen bei Nordenham als Sohn einer Ärztefamilie geboren. Sein Vater war Gynäkologe. Er selbst wurde Rechtsanwalt und eröffnete 1975 seine eigene Kanzlei.

Rieger verfügte über ein beträchtliches Vermögen, das er aus Erbschaften von verstorbenen Gesinnungsgenossen und aus Aktien- und Immobiliengeschäften gewinnen konnte. So war er Testamentsvollstrecker des verstorbenen Wilhelm Tietjen (geschätztes Vermögen: mehr als eine Million Euro).[1] Auch Gertrud Herr hatte ihm ihr Vermögen vermacht. Den Nachlass verstorbener „Kameraden“ verwaltete Rieger unter dem Deckmantel der Briefkastenfirma Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation. Zudem betrieb Rieger lange Jahre zusammen mit seinem Vater einen lukrativen Campingplatz in Kollmar, den der jüngere Rieger zu einem Treffpunkt für Neonazis machte. Als sein Vater starb, kündigte ihm der Verpächter.

Während einer Sitzung des NPD-Parteivorstandes am 24. Oktober 2009 erlitt Rieger einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 29. Oktober 2009 starb.[1] Jürgen Rieger hatte die rechtsextreme NPD nicht, wie von ihr erhofft, in seinem Testament berücksichtigt. Sein Vermögen erbte seine Familie, die keine Bezüge zur neonazistischen Szene haben soll.[3]

Rieger galt als Sammler von Militaria. So unterhielt er beispielsweise einen Fuhrpark von Wehrmachtsfahrzeugen. Sein Verhalten wurde als cholerisch beschrieben und war von gelegentlichen heftigen Wutanfällen in der Öffentlichkeit geprägt.[4] Privat war er eng mit Thomas Wulff befreundet. Rieger war verheiratet, seine Frau starb jedoch vor ihm. Er war Vater von vier Kindern. Nach seinem Tode veranstaltete die NPD eine Gedenkdemonstration für Rieger in Wunsiedel, zu der rund 800 Menschen erschienen.

Nach Riegers Tod teilte seine Familie mit, sie wolle nicht, dass Riegers Grabstätte zu einem Pilgerort für Rechtsextremisten werde. Angedacht sei deswegen eine Feuer- oder Seebestattung.[4]

Funktionen in Parteien und Vereinigungen

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Jürgen Rieger beim NPD-Bundesparteitag 2006

Rieger begann seine politische Karriere bereits als Jurastudent, als er 1965[5] der Gruppe Aktion Oder-Neiße und im Jahr 1969 dem Bund Heimattreuer Jugend beitrat.[6] 1968 war Rieger Mitglied des „Hamburger Republikanischen Studentenbunds Deutschlands / Republikanischer Schülerbund“ (RSD).[5] 1969 hielt Rieger auf dem Jahrestreffen der Northern League im englischen Brighton eine Ansprache, in der er sich auf die rassenkundliche Tradition Hans F. K. Günthers berief. Auch im Folgejahr nahm er an der Tagung teil und forderte eine „Teutonische Föderation“ aufgrund gemeinsamen „Erbes“ und „Rassenursprungs“.[7]

1970 war er Mitbegründer eines CSU-Freundeskreises (außerhalb Bayerns). 1972 wurde er Vorstandsmitglied im Nordischen Ring, Vorsitzender der Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV; bis 1972: Deutsche Gesellschaft für Erbgesundheitspflege, ein rechtsextremer eingetragener Verein mit Sitz in Ellerau)[5] und – bis zu seinem Tod – Herausgeber deren Zeitschrift Neue Anthropologie.[6]

Des Weiteren übernahm Rieger Funktionen in der NPD und der 1995 verbotenen FAP. Ab den 1980er Jahren zählte er zu den Unterstützern der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, ohne ihr anzugehören.[8] 1989 stieg er zum Hauptfunktionär und Vorsitzenden der völkisch-neuheidnischen „Artgemeinschaft“ und Schriftleiter von deren Organ, der Nordischen Zeitung, auf. Ferner war er verantwortlich für die Mitteilungen des „Deutschen Rechtsschutzkreises / Deutsche Rechtsschutzkasse“ (DRSK) sowie führendes Mitglied im Norddeutschen Ring und der Northern League. Darüber hinaus trat er auch als Redner unter anderem bei der Nationalistischen Front auf und war am Aufbau des Nationalen Einsatz-Kommandos (NEK) von Meinolf Schönborn beteiligt, einem Vorgänger der Anti-Antifa.

1991 wurde er Vorstandsmitglied vom Heide-Heim e. V., dem Trägerverein eines Geländes in Hetendorf. Hier richtete Rieger als Organisator bis zu ihrem Verbot 1998 die Hetendorfer Tagungswochen aus, die zur Sommersonnenwende stattfanden, sowie ein Pfingstlager „für Deutsche“. Neben den politischen Schulungen wurden hier auch Wehrsportübungen abgehalten. Wie der Aussteiger aus der Neonaziszene Ingo Hasselbach berichtete, hatte Rieger auch im Sommer 1990 auf einem Bundeswehrgelände, der Wagrien-Kaserne im schleswig-holsteinischen Putlos, eine Wehrsportübung organisiert, die als Treffen von „Liebhabern militärischer Fahrzeuge“ angemeldet worden war.[9]

2006 trat Rieger in die NPD ein[10] und wurde noch im gleichen Jahr auf deren Bundesparteitag in den Vorstand gewählt, wo er das Amt „Referat Außenpolitik“ innehatte. Rieger wurde auf dem Landesparteitag der Hamburger NPD am 25. Februar 2007 zum neuen Landesvorsitzenden, am 24. Mai 2008 dann auch zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD gewählt. Im April 2009 wurde er in seinem Amt bestätigt.

Riegers Verhältnis zur NPD

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Der NPD, deren Politik Rieger lange Zeit als zu gemäßigt ansah, stand Rieger zunächst kritisch bis ablehnend gegenüber. Erst nachdem sich die Partei der gewaltbereiten Szene der Freien Kameradschaften öffnete, trat Rieger der NPD im Jahre 2006 bei. Seitdem galt er als Vertreter des neonazistischen Flügels der Partei. Bereits 2005 kandidierte Rieger als Parteiunabhängiger auf der NPD-Liste als Spitzenkandidat für die Hamburger NPD, deren Führung er 2006 übernahm. Rieger unterstützte den Parteivorsitzenden Udo Voigt, zu dessen Stellvertreter er 2008 gewählt wurde. Seine parteiinternen Widersacher fand Rieger in Udo Pastörs und Holger Apfel, die einem gemäßigteren Flügel der NPD zugerechnet werden. Rieger stützte wiederholt die NPD mit Darlehen und Krediten, bedachte die NPD allerdings nicht direkt in seinem Testament.[11]

Öffentliche Wahrnehmung

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Rieger als Rechtsanwalt

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Rieger war als Anwalt am Hanseatischen Oberlandesgericht zugelassen. Er spezialisierte sich unter anderem auf das Erbrecht.[4] Seit 1992 war er Mitglied des bestehenden und von der Hamburger Anwältin Gisela Pahl geleiteten Deutschen Rechtsbüros, einer Vernetzung rechtsextremer Anwälte. Seit den 1970er Jahren vertrat Rieger zahlreiche Rechtsextremisten und Holocaustleugner vor Gericht bzw. in Verwaltungsverfahren, darunter Michael Kühnen, Christian Worch, Horst Mahler, Thies Christophersen, Ernst Zündel, Jürgen Mosler, Berthold Dinter und Mitglieder der Musikgruppe Kraftschlag.

Die besonderen Freiheiten des Verteidigers nutzte Rieger wiederholt, um selbst volksverhetzende Propaganda zu betreiben, so z. B. in den Prozessen um Arpad Wigand, Thomas Wulff und Ernst Zündel (siehe unten den Abschnitt Strafverfahren).

Zu seiner Taktik zählte weiterhin die Verschleppung von Prozessen. So verlangte er beispielsweise 1993 in einem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart gegen die Gründer des „Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ (kurz KAH) die Vernehmung von 500 Zeugen, woraufhin er als Pflichtverteidiger abgelöst wurde.

Letztlich war dieser Taktik kein großer Erfolg beschieden. Rieger trug als Verteidiger in einem mehrjährigen Strafprozess vor dem Landgericht Hamburg dazu bei, dass – ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte – ein Beschluss des Bundesgerichtshofs zustande kam, in dem es sinngemäß heißt: „Bei zur Prozeßverschleppung gestellten Beweisanträgen ist es zur Verhinderung weiterer Verfahrensverzögerung möglich, den Verfahrensbeteiligten eine Frist zu setzen. Nach Ablauf dieser Frist werden danach gestellte Beweisanträge erst in der Urteilsbegründung beschieden.“[12]

Riegers Gebäudekomplex mit gehisster NPD-Flagge in Hameln

Rieger erwarb immer wieder Immobilien, die als Tagungs- und Versammlungszentren für Treffen der Rechtsextremisten und Neonazis dienen sollten. Die Herkunft der Gelder ist nicht geklärt. Er selbst sprach in einem Interview 2005 von „Grundstücksspekulationen“, ein anderer Teil des Kapitals stamme aus Hinterlassenschaften von Altnazis, die wollten, „dass ihr Vermögen der Bewegung“ zugutekomme.[13]

1978 erwarben zwei durch Rieger dominierte Vereine am Rand der Lüneburger Heide einen Bauernhof, in dem Rieger das Schulungszentrum „Hetendorf 13“ bei Hermannsburg gründete. Es diente jahrelang als Szenetreffpunkt, bis das Gelände nach dem Verbot der beiden Trägervereine 1998 enteignet wurde.[14] Später wollte Rieger im Landkreis Celle ein rechtsextremes Schulungszentrum etablieren. Nach einer juristischen Auseinandersetzung mit der Gemeinde Faßberg war letztlich der Erwerb eines Hotels als Bieter bei der angekündigten Zwangsversteigerung geplant.[15]

1995 erwarb er in der Nähe von Mariestad in Südschweden für etwa 1,6 Millionen Euro das Anwesen „Sveneby Säteri“, ein burgähnliches Herrenhaus mit 650 Hektar Land. Angeblich sind wegen der dort angesiedelten ökologischen Schweinezucht, die Rieger mit übernommen hatte, trotz Protesten der schwedischen und deutschen Regierung, EU-Gelder in Höhe von jährlich 300.000 Mark an ihn geflossen. Mit Anzeigen versuchte Rieger, „reinrassige“ Deutsche zur Umsiedlung dorthin zu bewegen, die fernab von vermeintlich schädlichen Einflüssen „germanische Nachkommen“ großziehen sollten. Dieses Projekt ist bislang nicht erfolgreich, da sich offensichtlich nicht genügend Umsiedler fanden. Stattdessen wurde im Herbst 2003 bekannt, dass sich schwedische Neonazis in der Gegend des Anwesens konzentrierten, nachdem der führende schwedische Rechtsextremist Klas Lund ein weiteres Gelände von 650 Hektar in unmittelbarer Nähe des Gutes Sveneby erworben hatte. Bis November 2003 waren mindestens vier Personen aus dem Führungskreis der „Schwedischen Widerstandsbewegung“ (SMR) dort eingezogen, einer Nachfolgeorganisation der antisemitischen Gruppe Weißer Arischer Widerstand, eines schwedischen Ablegers der amerikanischen Vereinigung White Aryan Resistance. Nach schwedischen Angaben hatten die SMR und die „Nationalsozialistische Front“ in geheimen Lagern in den Wäldern Waffentechnik und Selbstverteidigung trainiert. Nach Angaben der Zeitung Expressen brannte ein Nebengebäude des Herrenhauses von Rieger in der Nacht auf den 7. Dezember 2003 nieder.[16]

Auch in Deutschland waren in den letzten Jahren mehrere Immobilien in den Besitz Riegers gelangt und dienten häufig ähnlichen Zwecken bzw. zunächst lediglich als Geldanlage. 1999 hatte er einen angeblich etwa 2 Millionen Euro teuren Gebäudekomplex mit einem Kino in Hameln erworben, zu dem auch Wohnungen und mehrere Ladengeschäfte gehörten. Als Rieger dort im Jahr 2005 eine Tagung mit bekannten Neonazigrößen und „volkstümlicher“ Musik veranstalten wollte, wurde diese vom Landgericht Lüneburg mit der Begründung verboten, in dem Gebäude seien Baumängel festgestellt worden. Als Zeichen des Protestes gegen das Veranstaltungsvorhaben organisierten die Bewohner Hamelns zudem einen „Ring um die Altstadt“, der ihre Ablehnung gegenüber Rieger und Neonazis überhaupt demonstrieren sollte.

Nach 2003 erwarb Rieger zwei Immobilien im Namen der Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Ltd.: das Schützenhaus in Pößneck und den Heisenhof in Dörverden.[17] Ein geplanter Kauf des „Hotels am Stadtpark“ in Delmenhorst scheiterte.[18]

Die Wilhelm-Tietjen-Stiftung wurde im August 2006 wegen eines fehlenden Geschäftsberichts aufgelöst. Auf Antrag der Stadt Pößneck hatte das Amtsgericht Jena im März 2007 den Pößnecker CDU-Stadtrat und Rechtsanwalt Alf-Heinz Borchardt als Nachtragsliquidator eingesetzt. Der Beschluss des Amtsgerichtes wurde durch das Landgericht Gera jedoch aufgehoben. Das Thüringer Oberlandesgericht bestätigte „erhebliche Verfahrensfehler“ und verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Jena zurück. Das Amtsgericht beauftragte daraufhin den Erfurter Rechtsanwalt Görge Scheid mit der Abwicklung des in Deutschland befindlichen Vermögens der „Wilhelm Tietjen-Stiftung für Fertilisation Limited als Restgesellschaft mit dem Sitz in Großbritannien“. Anfang Mai 2008 gelang es Rieger, die Limited zu reaktivieren, was die Abberufung des Nachtragsliquidators durch das Amtsgericht Jena zur Folge hatte.

Rieger besaß weitere Immobilien in Schleswig-Holstein (Hummelfeld) und Mecklenburg-Vorpommern.

Ende September 2007 kaufte er gegen den Widerstand aller Ratsfraktionen[19] und der meisten Meller Bürger das Bahnhofsgebäude von Melle in Niedersachsen. Rieger trat jedoch Ende November 2007 von diesem Kauf zurück, nachdem der Stadtrat und die Verwaltung von Melle den Bebauungsplan für das Bahnhofsviertel über drei Jahre hinaus festgelegt und alle Nutzungsänderungen an dem denkmalgeschützten Gebäude für Zwecke der NPD untersagt hatten.[20]

Im September 2008 wollte Rieger einen Gasthof in Warmensteinach erwerben.[21]

Nach Berichterstattung des Focus und eigenen Angaben[22] gründete er zusammen mit anderen Rechtsextremisten wie Thomas Wulff und Dieter Riefling im Juli 2009 in Wolfsburg einen Museumsverein. Es wurde angestrebt, an die NS-Organisation Kraft durch Freude sowie die Entwickler des KdF-Wagens zu erinnern.[23] Die Stadt Wolfsburg wehrte sich gegen das Vorhaben und kaufte das Gebäude nach Riegers Tod auf.[24]

Insgesamt jedoch schätzte das Bundesamt für Verfassungsschutz die vermeintlichen Erwerbsabsichten von Rieger als fingiert ein, da diese „in etlichen Fällen jedoch darauf abzielen dürften, in Absprache mit dem Besitzer bei schwer vermittelbaren Immobilien am Verkaufserlös zu partizipieren“, weil „die betroffenen Kommunen sich durch den öffentlichen Druck oftmals veranlasst sahen, die in Rede stehenden Immobilien im Rahmen ihres Vorkaufsrechts selbst zu übernehmen, wobei die Kaufpreise den realen Marktwert mitunter deutlich überstiegen.“[25]

Rudolf-Heß-Gedenkmarsch

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Rieger war Hauptorganisator und Initiator des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches in Wunsiedel. Viele Jahre war er aktiv an der Demonstration beteiligt.[26]

Im Jahre 2004 erlebte der Marsch seinen Höhepunkt, als nach Polizeiangaben etwa 5.000 Rechtsextremisten teilnahmen. Mehr als doppelt so viele Demonstranten, unter ihnen der CSU-Bürgermeister von Wunsiedel, beteiligten sich aktiv an Gegendemonstrationen und Sitzdemos.

Rieger hatte die Kundgebungen zum Gedenken an Rudolf Heß bis zum Jahr 2010 angemeldet, doch der Marsch, der für den 28. August 2005 angesetzt war, wurde vom Landratsamt Wunsiedel untersagt. Rieger strengte daraufhin eine Klage an, mit der er über mehrere Instanzen erfolglos blieb. Dabei argumentierte er, dass die Verschärfung des Strafrechts (§ 130 Abs. 4 StGB), die das Eintreten für den Nationalsozialismus unter Strafe stellt, gegen die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit verstoße. Einschränkungen der Meinungsfreiheit seien lediglich zulässig, wenn sie allgemein sind. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die eingelegten Rechtsmittel bis zur endgültigen Entscheidung immer wieder vorläufig ab. Bei der schließlich Ende 2009 gefällten Wunsiedel-Entscheidung stimmte das höchste deutsche Gericht Rieger zwar zu, dass es sich bei der Verschärfung des Volksverhetzungsparagraphen um eine Sonderbestimmung handele, dennoch sei das Gesetz ein zulässiger Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Das Grundgesetz kann als expliziter Gegenentwurf zum Nationalsozialismus verstanden werden, was eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ausnahmsweise rechtfertige.[27][28]

Einschätzung des Verfassungsschutzes

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Die Tätigkeiten von Jürgen Rieger, darunter der Versuch der Etablierung des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches, die Bestrebungen von Immobilienkäufe für die NPD zum Aufbau „rechtsextremistischer Schulungszentren“,[29] die Beteiligung an einer Demonstration im Oktober 2006 für die Revision des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses von 1945/46, sowie seine Wahl zum Stellvertreter der Bundes-NPD und zum Landesvorsitzenden der Hamburger NPD, wurden zwischen 2005 und 2008 vom Verfassungsschutz beobachtet. Dieser stufte in den Verfassungsschutzberichten Rieger mehrfach als „Neonazi“,[2]Rechtsextremisten“.[30] und „Protagonisten des Neonazi-Lagers“[31] ein.

Rieger selbst wurde mehrfach rechtskräftig verurteilt: 1971 war er an der vorgetäuschten Entführung von Berthold Rubin beteiligt. 1974 wurde er wegen Volksverhetzung und schwerer Körperverletzung angeklagt, jedoch zunächst von einem Würzburger Gericht freigesprochen. Im gleichen Jahr wurde Rieger wegen zwei Fällen von Körperverletzung im Zusammenhang mit einer Demonstration der „Aktion Widerstand“ am 31. Oktober 1970 in Würzburg zu einer Geldstrafe von 3500 DM verurteilt.

1981 behauptete er im Verfahren gegen seinen Mandanten, den ehemaligen SS-Sturmbannführer Arpad Wigand, dass im Warschauer Ghetto kein Jude verhungert wäre, wenn die Ghetto-Insassen untereinander Solidarität geübt hätten. Daraufhin wurde gegen Rieger zunächst eine Geldstrafe verhängt. Der Bundesgerichtshof hob diese 1987 jedoch auf, da ihm zugutegehalten wurde, als Verteidiger in „Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) seines Mandanten“ gehandelt zu haben.

1989 wurde Rieger vom Landgericht Hamburg wegen anwaltlichen Parteiverrats (strafbarer Verrat der Interessen seines Mandanten zugunsten der Gegenpartei) rechtskräftig zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Nachdem er 1993 in einem alten Militärfahrzeug der Waffen-SS durch Reinbek bei Hamburg gefahren war, wurde er im darauffolgenden Jahr wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole zu einer Geldstrafe in Höhe von 14.400 Mark verurteilt. Die SS-Runen auf dem historischen Nummernschild seien nicht ausreichend abgedeckt gewesen.

1996 hatte Rieger den Hamburger Neonazi Thomas Wulff in einer Strafsache wegen Volksverhetzung vertreten, da dieser in dem neonazistischen Blatt index den Holocaust geleugnet hatte. Zur Entlastung seines Mandanten hatte Rieger daraufhin beantragt, als Sachverständigen einen Diplom-Chemiker zu vernehmen, der die These untermauern werde, dass unter dem NS-Regime Vergasungen von Menschen im KZ Auschwitz-Birkenau mit Zyklon B „nicht stattgefunden“ hätten. Daraufhin wurde er selbst wegen Volksverhetzung angeklagt. Das Verfahren gegen Rieger endete zunächst mit einem Freispruch, doch hob der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes im April 2002 diesen auf.[32] Das Verfahren wegen Volksverhetzung wurde an eine andere Kammer des Landgerichts Hamburg zur neuerlichen Verhandlung verwiesen. Dieses Verfahren endete im April 2003 mit einer Verurteilung Riegers zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 42 Euro, wobei dem Angeklagten strafmildernd zugutekam, dass die Tat bereits sieben Jahre zurücklag.

2007 wurde Rieger erneut wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen ihn wurde eine Geldstrafe von 4500 Euro verhängt. Nach den Feststellungen des Landgerichtes Magdeburg hatte er am Rande einer Demonstration einen Kreistagsabgeordneten der PDS ins Gesicht geschlagen.[33]

Im September 2007 erhob die Staatsanwaltschaft Mannheim Anklage gegen Rieger wegen Volksverhetzung. Ihm wurde vorgeworfen, als Verteidiger des Holocaust-Leugners Ernst Zündel in neun Fällen öffentlich den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden abgestritten oder verharmlost zu haben. Zudem strebte die Staatsanwaltschaft ein Berufsverbot gegen Rieger wegen seiner einschlägigen Vorstrafen an.[34]

Commons: Jürgen Rieger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikinews: Kategorie:Jürgen Rieger – in den Nachrichten

Einzelnachweise

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  1. a b c Sven Röbel: Prominenter Rechtsextremist – NPD-Vizechef Rieger ist tot. Spiegel Online, 29. Oktober 2009
  2. a b Neonazi Rieger (Memento vom 20. September 2008 im Internet Archive), Verfassungsschutzbericht 2007, PDF S. 49.
  3. tagesschau.de (Memento vom 1. Februar 2010 im Internet Archive)
  4. a b c Andrea Röpke: Multiaktivist und Reizfigur. (Memento vom 2. November 2009 im Internet Archive) 30. Oktober 2009.
  5. a b c Michael Billig: Die rassistische Internationale. Göttingen 1980, S. 121.
  6. a b Juliane Wetzel: Die Maschen des rechten Netzes. Nationale und internationale Verbindungen im rechtsextremen Spektrum. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Rechtsextremismus in Deutschland. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen. 4. Auflage. München 1994, S. 154–178, hier S. 171. Siehe hilfsschule-im-nationalsozialismus.de.
  7. Michael Billig: Die rassistische Internationale. Göttingen 1980, S. 118 f.
  8. Gideon Botsch: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2012, ISBN 978-3-534-23832-3, S. 96.
  9. Ingo Hasselbach: Die Abrechnung. Berlin/Weimar, S. 117 ff.
  10. taz, 7. September 2006.
  11. NPD geht bei Rieger-Erbe leer aus. In: Focus, 5. November 2009.
  12. BGH, Beschluss des 5. Strafsenats vom 14. Juni 2005, Az. 5 StR 129/05 (PDF; 52 kB).
  13. Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen. Hrsg. v. Weserkurier und NDR info, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7, S. 74.
  14. Rechtsabbieger. Die unterschätzte Gefahr: Neonazis in Niedersachsen. Hrsg. v. Weserkurier und NDR info, Bremen 2008, ISBN 978-3-938795-05-7, S. 74f.
  15. Dorf kämpft gegen Neonazi-Hotel. Die Welt, 7. Oktober 2009, abgerufen am 1. November 2009.
  16. Nazistgård i brand. expressen.se vom 7. Dezember 2003, archiviert vom Original am 11. Oktober 2009; abgerufen am 18. Mai 2010 (schwedisch).
  17. Andrea Röpke: „Wir erobern die Städte vom Land aus!“ – Schwerpunktaktivitäten der NPD und Kameradschaftszene in Niedersachsen. Bildungsvereinigung Arbeit und Leben, Braunschweig 2005, ISBN 3-932082-15-X.
  18. Letztes Kapitel im peinlichen Streit um ein Hotel. Die Welt, 21. März 2009, abgerufen am 10. August 2015.
  19. Bürgermeister: Wir spielen den Nazis nicht in die Hände. 10. August 2015, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 10. August 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.noz.de
  20. Meller Bahnhof: Rieger kapituliert. Neue OZ online, 28. November 2007, archiviert vom Original am 16. Januar 2010; abgerufen am 23. September 2009.
  21. Thilo Schmidt: Blauweiß-braun. Die NPD will Bayern erobern. Deutschlandradio Kultur, 9. September 2008, archiviert vom Original; abgerufen am 8. November 2013.
  22. KdF – Museum in Wolfsburg (Memento vom 19. Juli 2011 im Internet Archive)
  23. Stadt wehrt sich gegen Rechtsextremen-Museum „Kraft durch Freude“. focus.de, 25. Juni 2009.
  24. Keine "Kraft durch Freude" mehr. taz.de
  25. (Schein-) Immobiliengeschäfte der NPD (Memento vom 7. Oktober 2009 im Internet Archive) (PDF) Verfassungsschutzbericht 2008, S. 92 f.
  26. Thomas Dörfler, Andreas Klärner: Der „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wunsiedel. Rekonstruktion eines nationalistischen Phantasmas. In: Mittelweg 36, Heft 4/2004, S. 74–91. Online abrufbar.
  27. Pressemitteilung Nr. 129/2009 vom 17. November 2009. bundesverfassungsgericht.de;
  28. Entscheidung in Karlsruhe: Paragraf gegen Volksverhetzung ist rechtens. spiegel.de, 17. November 2009;.
  29. Aufbau rechtsextremistischer Schulungszentren (Memento vom 7. Oktober 2009 im Internet Archive), Verfassungsschutzbericht 2008, S. 92.
  30. Rechtsextremist Rieger (Memento vom 26. Oktober 2007 im Internet Archive), Verfassungsschutzbericht 2005, PDF S. 70.
  31. Rieger als Protagonist des Neonazi-Lagers (Memento vom 6. August 2009 im Internet Archive), Verfassungsschutzbericht 2006, PDF S. 89.
  32. Az. 5 StR 485/01
  33. Neonazi-Anwalt Rieger zu Geldstrafe verurteilt (tagesschau.de-Archiv) Tagesschau, 31. Mai 2007.
  34. Anklage gegen Nazi-Anwalt Jürgen Rieger. In: Hamburger Abendblatt, 19. September 2007.