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„Reihe (Mathematik)“ – Versionsunterschied

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Eine '''Reihe''', selten '''Summenfolge''' oder '''unendliche Summe''' und vor allem in älteren Darstellungen auch '''unendliche Reihe''' genannt, ist ein Objekt aus dem [[Teilgebiete der Mathematik|mathematischen Teilgebiet]] der [[Analysis]]. Anschaulich ist eine Reihe eine [[Summe]] mit [[Unendlichkeit|unendlich]] vielen [[Summand]]en, wie etwa
Eine '''Reihe''', selten '''Summenfolge''' oder '''unendliche Summe''' und vor allem in älteren Darstellungen auch '''unendliche Reihe''' genannt, ist ein Objekt aus dem [[Teilgebiete der Mathematik|mathematischen Teilgebiet]] der [[Analysis]]. Anschaulich ist eine Reihe eine [[Summe]] mit [[Unendlichkeit|unendlich]] vielen [[Summand]]en, wie etwa
:<math>\frac{1}{2} + \frac{1}{4} + \frac{1}{8} + \frac{1}{16} + \frac{1}{32} + \cdots. </math>
:<math>\frac{1}{2} + \frac{1}{4} + \frac{1}{8} + \frac{1}{16} + \frac{1}{32} + \cdots. </math>
Man kann Reihen als rein formale Objekte studieren, jedoch sind Mathematiker in vielen Fällen an der Frage interessiert, ob eine Reihe [[Konvergenz (Mathematik)|konvergiert]], sich die unendlich lange Summe also langfristig einem festen Wert immer weiter annähert. So konvergiert etwa die obere Beispielreihe gegen den Wert <math>1</math> (siehe Bild). Allgemein wird eine Reihe <math>a_0 + a_1 + a_2 + \cdots</math> mit <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> bezeichnet, und dies ist, falls existent, gleichzeitig die Bezeichnung für den [[Grenzwert (Folge)|Grenzwert]].
Man kann Reihen als rein formale Objekte studieren, jedoch sind Mathematiker in vielen Fällen an der Frage interessiert, ob eine Reihe [[Grenzwert (Folge)|konvergiert]], ob also die Summe endlich vieler Summanden durch Hinzunahme hinreichend vieler weiterer Summanden einem festen Wert beliebig nahe kommt. So konvergiert etwa die obige Beispielreihe gegen den Wert <math>1</math> (siehe Bild), allerdings existieren auch divergente (also ''nicht'' konvergente) Reihen, wie zum Beispiel
:<math> 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + \cdots.</math>
Allgemein wird eine Reihe <math>a_0 + a_1 + a_2 + \cdots</math> mit <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> bezeichnet, und dies ist, falls existent, gleichzeitig die Bezeichnung für den [[Grenzwert (Folge)|Grenzwert]].


Präzise wird eine Reihe als eine [[Folge (Mathematik)|Folge]] definiert, deren Glieder die '''Partialsummen''' einer anderen Folge sind. Wenn man die Zahl 0 zur [[Indexmenge (Mathematik)|Indexmenge]] zählt, ist die <math>n</math>-te Partialsumme die Summe der ersten <math>n+1</math> (von den unendlich vielen) Summanden. Falls die Folge dieser Partialsummen einen Grenzwert besitzt, so wird dieser der Wert oder die Summe der Reihe genannt.
Präzise wird eine Reihe als eine [[Folge (Mathematik)|Folge]] definiert, deren Glieder die '''Partialsummen''' einer anderen Folge sind. Wenn man die Zahl 0 zur [[Indexmenge (Mathematik)|Indexmenge]] zählt, ist die <math>n</math>-te Partialsumme die Summe der ersten <math>n+1</math> (von den unendlich vielen) Summanden. Falls die Folge dieser Partialsummen einen Grenzwert besitzt, so wird dieser der ''Wert'' oder die ''Summe'' der Reihe genannt.


Eine systematische Theorie der Reihen findet ihren Ursprung im 17. Jahrhundert, wo sie besonders durch [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] und [[Isaac Newton]] vorangetrieben wurde. Dabei stand sie in enger Verbindung zu anschaulichen Problemen aus der Geometrie, wie der [[Integralrechnung|Integration]] von [[Kurve (Mathematik)|Kurven]]. Als formale Objekte wurden Reihen im 18. Jahrhundert von Mathematikern wie [[Leonhard Euler]] studiert, der ihnen drei Bände seines [[Wissenschaftliches Werk Leonhard Eulers|Gesamtwerkes]], der [[Opera Omnia]], widmete. Erst im 19. Jahrhundert stieß dieser Umgang, der Fragen nach Konvergenz oder Divergenz außen vor ließ, auf Kritik. In einer wegweisenden Schrift aus dem Jahr 1821 legte [[Augustin-Louis Cauchy]] das Fundament der bis heute gebräuchlichen „quantitativen“ Theorie unendlicher Reihen und bereitete der rigorosen Aufarbeitung der Analysis, etwa durch [[Karl Weierstraß]], den Weg. Von zentraler Bedeutung in diesem Kontext war das [[Cauchy-Kriterium]] für die Charakterisierung des Konvergenzbegriffs. Bis in die heutige Zeit sind Reihen, etwa im Kontext der [[Zahlentheorie]], ein Objekt intensiver mathematischer Forschung.
Eine systematische Theorie der Reihen findet ihren Ursprung im 17. Jahrhundert, wo sie besonders durch [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] und [[Isaac Newton]] vorangetrieben wurde. Dabei stand sie in enger Verbindung zu anschaulichen Problemen aus der Geometrie, wie der [[Integralrechnung|Integration]] von [[Kurve (Mathematik)|Kurven]]. Als formale Objekte wurden Reihen im 18.&nbsp;Jahrhundert von Mathematikern wie [[Leonhard Euler]] studiert, der ihnen drei Bände seines [[Wissenschaftliches Werk Leonhard Eulers|Gesamtwerkes]], der [[Opera Omnia]], widmete. Erst im 19.&nbsp;Jahrhundert stieß dieser Umgang, der Fragen nach Konvergenz oder Divergenz außen vor ließ, auf Kritik. In einer wegweisenden Schrift aus dem Jahr 1821 schuf [[Augustin-Louis Cauchy]] die Grundlagen der bis heute gebräuchlichen „quantitativen“ Theorie unendlicher Reihen und bereitete der [[Mathematische Strenge|mathematisch strengen]] Aufarbeitung der Analysis, etwa durch [[Karl Weierstraß]], den Weg. Von zentraler Bedeutung in diesem Zusammenhang war das [[Cauchy-Kriterium]] für die Charakterisierung des Konvergenzbegriffs. Bis in die heutige Zeit sind Reihen, etwa im Kontext der [[Zahlentheorie]], ein Objekt intensiver mathematischer Forschung.


Für die Untersuchung einer unendlichen Reihe sind vor allen Dingen die Fragen nach ihrer Konvergenz und, wenn diese vorliegt, nach dem Grenzwert von Bedeutung. Für beides existieren keine brauchbaren ''allgemeinen'' Methoden. Allerdings wurden [[Konvergenzkriterium|Kriterien]] entwickelt, die in einigen Spezialfällen Antworten liefern.
Für die Untersuchung einer unendlichen Reihe sind vor allen Dingen die Fragen nach ihrer Konvergenz und, wenn diese gegeben ist, nach dem Grenzwert von Bedeutung. Für beides existieren keine brauchbaren ''allgemeinen'' Methoden. Allerdings wurden [[Konvergenzkriterium|Kriterien]] entwickelt, die in einigen Spezialfällen Antworten liefern.


Besonders bedeutende Anwendungen haben Reihen in der Analysis (zum Beispiel über [[Taylorreihe]]n zu [[Analytische Funktion|analytischen Funktionen]]), den [[Ingenieurwissenschaften]] (etwa in der [[Elektrotechnik]] und [[Signalverarbeitung]] über [[Fourierreihe]]n), aber auch in der [[Wirtschaftswissenschaft]] und [[Finanzmathematik]]. Einige bedeutende [[mathematische Konstante]]n, etwa die [[Kreiszahl]] <math>\pi</math> oder die [[Eulersche Zahl]] <math>e</math>, konnten mit Hilfe von [[Algorithmus|Algorithmen]], die auf unendlichen Reihen fußen, auf viele Milliarden [[Nachkommastelle]]n angenähert werden.
Besonders bedeutende Anwendungen haben Reihen in der Analysis (zum Beispiel über [[Taylorreihe]]n zu [[Analytische Funktion|analytischen Funktionen]]), den [[Ingenieurwissenschaften]] (etwa in der [[Elektrotechnik]] und [[Signalverarbeitung]] über [[Fourierreihe]]n), aber auch in der [[Wirtschaftswissenschaft]] und [[Finanzmathematik]]. Einige bedeutende [[mathematische Konstante]]n, etwa die [[Kreiszahl]] <math>\pi</math> oder die [[Eulersche Zahl]] <math>e</math>, konnten mit Hilfe von [[Algorithmus|Algorithmen]], die auf unendlichen Reihen fußen, auf viele [[Billion]]en [[Nachkommastelle]]n angenähert werden.


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== Einführung: Unendliche Summierbarkeit und erste Beispiele ==
== Einführung ==
=== Unendliche Summierbarkeit und erste Beispiele ===
[[Datei:01 Kreiszahl.svg|400x400px|mini|Die Kreiszahl <math>\pi</math> ist irrational und hat damit unendlich viele Nachkommastellen ungleich <math>0</math>. Durch Addition der Werte <math>3</math> und <math>\tfrac{a_n}{10^n}</math> mit der <math>n</math>-ten Nachkommastelle <math>a_n</math> lässt sie sich als Reihe darstellen.]]
[[Datei:01 Kreiszahl.svg|400x400px|mini|Die Kreiszahl <math>\pi</math> ist irrational und hat damit unendlich viele Nachkommastellen ungleich <math>0</math>. Durch Addition der Werte <math>3</math> und <math>\tfrac{a_n}{10^n}</math> mit der <math>n</math>-ten Nachkommastelle <math>a_n</math> lässt sie sich als Reihe darstellen.]]

Unter einer ''Reihe'' versteht man, veranschaulicht, eine niemals endende Summe von Zahlen. Die [[Dezimalsystem|Dezimalschreibweise]] einer reellen Zahl kann zum Beispiel als Reihe aufgefasst werden, etwa
Unter einer ''Reihe'' versteht man, veranschaulicht, eine niemals endende Summe von Zahlen. Die [[Dezimalsystem|Dezimalschreibweise]] einer reellen Zahl kann zum Beispiel als Reihe aufgefasst werden, etwa
:<math> \frac13 = 0{,}333333 \ldots = 0{,}3 + 0{,}03 + 0{,}003 + 0{,}0003 + 0{,}00003 + 0{,}000003 + \cdots </math>
:<math> \frac13 = 0{,}333333 \ldots = 0{,}3 + 0{,}03 + 0{,}003 + 0{,}0003 + 0{,}00003 + 0{,}000003 + \cdots </math>
oder auch mit der [[Kreiszahl]] <math>\pi</math>:
oder auch mit der [[Kreiszahl]] <math>\pi</math>:
:<math>\pi = 3{,}14159 \ldots = 3 + 0{,}1 + 0{,}04 + 0{,}001 + 0{,}0005 + 0{,}00009 + \cdots </math>
:<math>\pi = 3{,}14159 \ldots = 3 + 0{,}1 + 0{,}04 + 0{,}001 + 0{,}0005 + 0{,}00009 + \cdots </math>.
Die durch die Punkte angedeuteten Summen enden niemals, da die Dezimalentwicklung von <math>\tfrac13</math> [[Dezimalsystem#Periode|periodisch]] und die Kreiszahl [[Irrationale Zahl|irrational]] ist. Es gibt Reihen, denen kein Wert zugeordnet werden kann, etwa
Die durch die Punkte angedeuteten Summen enden niemals, da die Dezimalentwicklung von <math>\tfrac13</math> [[Dezimalsystem#Periode|periodisch]] und die Kreiszahl [[Irrationale Zahl|irrational]] ist. Es gibt Reihen, denen kein Wert zugeordnet werden kann, etwa
:<math> 1 + 2 + 3 + 4 + \cdots,</math>
:<math> 1 + 2 + 3 + 4 + \cdots,</math>
aber auch solche, die gegen einen [[Grenzwert (Folge)|Grenzwert konvergieren]] (wie die obigen Beispiele mit Grenzwerten <math>\tfrac13</math> bzw. <math>\pi</math>).
aber auch solche, die gegen einen [[Grenzwert (Folge)|Grenzwert konvergieren]] (wie die obigen Beispiele mit Grenzwerten <math>\tfrac13</math> bzw. <math>\pi</math>).


Darüber hinaus treten Reihen in vielen Bereichen der Mathematik auf und besitzen zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Klassischerweise treten sie dann in Erscheinung, wenn mathematische Terme beliebig gut angenähert werden sollen oder die Entwicklung (theoretisch) nicht endender Prozesse analysiert wird. Auch in der Physik spielen Reihen eine wichtige Rolle. Eine einfache „Anwendung“ kann über das klassische [[Paradoxon]] von [[Achilles und die Schildkröte|Achilles und der Schildkröte]] gegeben werden:<ref>T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 180–181.</ref>
Darüber hinaus treten Reihen in vielen Bereichen der Mathematik auf und besitzen zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Klassischerweise treten sie dann in Erscheinung, wenn mathematische Terme beliebig gut angenähert werden sollen oder die Entwicklung (theoretisch) nicht endender Prozesse analysiert wird. Auch in der Physik spielen Reihen eine wichtige Rolle. Eine einfache „Anwendung“ kann über das klassische [[Paradoxon]] von [[Achilles und die Schildkröte|Achilles und der Schildkröte]] gegeben werden:<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;180–181.</ref>
[[Datei:Zeno Achilles Paradox.png|mini|Graphische Veranschaulichung des Paradoxons (hinsichtlich des Beispiels nicht maßstabsgetreu)]]

Der für seine Schnelligkeit bekannte [[Heros]] [[Achilleus|Achilles]] liefert sich einen Wettkampf mit einer Schildkröte. Beide starten von der gleichen Position aus. Jedoch gewährt Achilles, der einhundert Mal schneller als die Schildkröte ist, dieser 100 [[Meter]] Vorsprung. Das Paradoxon besagt nun, dass Achilles die Schildkröte niemals einholen wird: Hat nämlich Achilles 100 Meter zurückgelegt, so hat sich die Schildkröte in der Zwischenzeit einen Meter von ihrer bisherigen Position weiter bewegt. Und läuft Achilles nun auch diesen weiteren Meter, so ist ihm die Schildkröte einen weiteren Zentimeter voraus. Und bewegt sich Achilles diesen Zentimeter, so hat die Schildkröte einen Zehntel Millimeter Vorsprung usw.
Der für seine Schnelligkeit bekannte [[Heros]] [[Achilleus|Achilles]] liefert sich einen Wettkampf mit einer Schildkröte. Beide starten von der gleichen Position aus. Jedoch gewährt Achilles, der einhundert Mal schneller als die Schildkröte ist, dieser 100 [[Meter]] Vorsprung. Das Paradoxon besagt nun, dass Achilles die Schildkröte niemals einholen wird: Hat nämlich Achilles 100 Meter zurückgelegt, so hat sich die Schildkröte in der Zwischenzeit einen Meter von ihrer bisherigen Position weiter bewegt. Und läuft Achilles nun auch diesen weiteren Meter, so ist ihm die Schildkröte einen weiteren Zentimeter voraus. Und bewegt sich Achilles diesen Zentimeter, so hat die Schildkröte einen Zehntel Millimeter Vorsprung usw.


Das scheinbare Paradoxon entsteht dadurch, dass die Zeit nicht berücksichtigt wurde.<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 181.</ref> Genau genommen ist die Aussage, dass Achilles die Schildkröte ''niemals'' aufholen wird, nicht korrekt. Die in dem Paradoxon aufgeführten Zwischenschritte, in denen die Schildkröte stets einen rasch abnehmenden Vorsprung vor Achilles hat, sind allesamt mit Zeitabschnitten verbunden, die jedoch ebenso rasant abnehmen (zum Beispiel dann, wenn Achilles nur noch einen Zentimeter läuft). Brauchte Achilles für die ersten 100 Meter noch „eine Zeiteinheit“, so wird er für einen Meter nur noch „<math>\tfrac{1}{100}</math> Zeiteinheiten“ brauchen. Im nächsten Schritt braucht er für einen Zentimeter nur noch „<math>\tfrac{1}{10\ 000}</math> Zeiteinheiten“. Der Zeitpunkt, an dem Achilles und Schildkröte schließlich die gleiche Position haben werden, ist also, da deren Abstände immer weiter abnehmen, gegeben durch die unendliche Reihe
Das scheinbare Paradoxon entsteht dadurch, dass die Zeit nicht berücksichtigt wurde.<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;181.</ref> Genau genommen ist die Aussage, dass Achilles die Schildkröte ''niemals'' aufholen wird, nicht korrekt. Die in dem Paradoxon aufgeführten Zwischenschritte, in denen die Schildkröte stets einen rasch abnehmenden Vorsprung vor Achilles hat, sind allesamt mit Zeitabschnitten verbunden, die jedoch ebenso rasant abnehmen (zum Beispiel dann, wenn Achilles nur noch einen Zentimeter läuft). Brauchte Achilles für die ersten 100 Meter noch „eine Zeiteinheit“, so wird er für einen Meter nur noch „<math>\tfrac{1}{100}</math> Zeiteinheiten“ brauchen.<ref group="Anm.">Aus Gründen der Einfachheit wird davon ausgegangen, dass sowohl Achilles als auch die Schildkröte mit konstanter Geschwindigkeit laufen.</ref> Im nächsten Schritt braucht er für einen Zentimeter nur noch „<math>\tfrac{1}{10\ 000}</math> Zeiteinheiten“. Der Zeitpunkt, an dem Achilles und Schildkröte schließlich die gleiche Position haben werden, ist also, da deren Abstände immer weiter abnehmen, gegeben durch die unendliche Reihe
:<math>1 + \frac{1}{100} + \frac{1}{10 \ 000} + \frac{1}{1 \ 000 \ 000} + \cdots = 1{,}0101010101 \ldots = \frac{100}{99} < \infty. </math>
:<math>1 + \frac{1}{100} + \frac{1}{10 \ 000} + \frac{1}{1 \ 000 \ 000} + \cdots = 1{,}0101010101 \ldots = \frac{100}{99} < \infty. </math>
Obwohl also unendlich viele Terme addiert bzw. Zeitabschnitte betrachtet wurden, entsteht im Grenzwert eine endliche Zahl bzw. wird Achilles nach endlicher Zeit, nämlich nach <math>\tfrac{100}{99}</math> Zeiteinheiten, die Schildkröte einholen.
Obwohl also unendlich viele Terme addiert bzw. Zeitabschnitte betrachtet wurden, entsteht im Grenzwert eine endliche Zahl bzw. wird Achilles nach endlicher Zeit, nämlich nach <math>\tfrac{100}{99}</math> Zeiteinheiten, die Schildkröte einholen.

=== Elementare Anwendungsbeispiele ===

Das Konzept der Reihe spielt disziplinübergreifend eine zentrale Rolle in der Mathematik. Hauptanwendungsgebiet ist zunächst die Analysis, jedoch auch alle durch diese Sparte beeinflussten Bereiche, nicht zuletzt angewandte Gebiete wie die Ingenieurwissenschaften.

==== Annäherung von Funktionen ====

Reihen entfalten ihre Nützlichkeit zum Beispiel dann, wenn es darum geht, bestimmte [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] annähernd auszurechnen, die für Anwendungen zwar nützlich, aber dennoch kompliziert sind. Ein besonders berühmtes und zugleich wichtiges Beispiel ist die Darstellung der [[Natürliche Exponentialfunktion|natürlichen Exponentialfunktion]] durch ihre [[Taylorreihe]] im Punkt <math>x=0</math>:
:<math>e^x = 1 + x + \frac{x^2}{2} + \frac{x^3}{6} + \frac{x^4}{24} + \cdots + \frac{x^n}{n!} + \cdots,</math>
wobei <math>n!</math> die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]] von <math>n</math> bezeichnet. Bemerkenswert ist, dass sich jeder Term auf der rechten Seite durch die vier Grundrechenarten berechnen lässt, was auf <math>e^x</math> nicht mehr zutrifft. Die Konstruktion dieser Reihe ist dadurch motiviert, dass die (termweise) [[Differentialrechnung #Ableitungsfunktion|Ableitung]] der rechten Seite die Reihe unverändert lässt und diese in <math>x=0</math> den Wert 1 annimmt (was beides auch auf <math>e^x</math> zutreffen „soll“). Für kleine Werte <math>x</math> nähert sich diese Reihe relativ schnell dem Grenzwert <math>e^x</math> an und ist dort für eine Berechnung durchaus geeignet. Neben der (punktweisen) Berechnungsmöglichkeit liefert diese Reihendarstellung auch erste Analysemöglichkeiten: Da für <math>x > 0</math> alle Terme positiv sind, ist erkennbar, dass die Exponentialfunktion für <math>x \to \infty</math> ''jede Art [[polynom]]iellen [[Wachstum (Mathematik)|Wachstums]]'' übersteigen wird, da beliebig hohe Potenzen <math>x^n</math> in der Summation auftreten.

[[Datei:Sine.gif|mini|330px|Animation der Approximation des Sinus durch seine [[Taylorreihe]]]]
Ein weiteres Beispiel sind die [[Trigonometrische Funktion|Winkelfunktionen]], etwa der [[Sinus und Kosinus|Sinus]]. Es gibt auch hier kein einfaches, „geschlossenes“ Verfahren, für Eingabewerte <math>x</math> den Ausgabewert <math>\sin(x)</math> zu berechnen, aber mittels Reihen können gute Näherungswerte relativ schnell berechnet werden, die in der Praxis ausreichen. Es gilt die Reihenentwicklung<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;301.</ref>
:<math>\sin(x) = \frac{x}{1} - \frac{x^3}{1 \cdot 2 \cdot 3} + \frac{x^{5}}{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 \cdot 5} - \frac{x^7}{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 \cdot 5 \cdot 6 \cdot 7} + \cdots = x - \frac{x^3}{6} + \frac{x^5}{120} - \frac{x^7}{5040} + \cdots,</math>
kurz:
:<math>\sin(x) = \sum_{k=0}^\infty (-1)^k\frac{x^{2k+1}}{(2k+1)!}.</math>
Etwa ist <math>\sin(1) = 0{,}84147098 \ldots</math> und, wegen <math>1^{2k+1} = 1</math> für alle <math>k</math>, als Näherung bis zum <math>x^7</math>-Term
:<math> 1 - \frac{1}{6} + \frac{1}{120} - \frac{1}{5040} \approx 0{,}8414682.</math>

==== Wahrscheinlichkeitstheorie ====
[[Datei:Coin Toss (3635981474).jpg|mini|hochkant|Münzwurf mit einer [[Euromünzen|Euromünze]]]]

Bei der Untersuchung bestimmter [[Zufallsexperiment]]e in der [[Wahrscheinlichkeitstheorie]] spielen Reihen eine wichtige Rolle. Ein einfaches Beispiel betrifft den „potenziell unendlichen [[Münzwurf]]“: Eine faire Münze wird dabei so oft geworfen, bis sie das erste Mal „<math>K</math>“ (=&nbsp;Kopf) zeigt. Mit der anderen Möglichkeit „<math>Z</math>“ (=&nbsp;Zahl) gibt es damit folgende Möglichkeiten, wie das Experiment endet:
:<math>K, \quad ZK, \quad ZZK, \quad ZZZK, \quad </math> usw.
Da sowohl <math>K</math> als auch <math>Z</math> mit gleicher Wahrscheinlichkeit <math>\tfrac12</math> auftreten, und die Würfe unabhängig ablaufen, haben die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten die Werte <math>\tfrac12 \, \, (K), \tfrac14 \, \, (ZK), \tfrac18 \, \, (ZZK), \ldots</math> usw. Da aber gleichzeitig [[fast sicher]] irgendeines dieser Ereignisse eintreten muss, folgt
:<math> \frac12 + \frac14 + \frac18 + \frac{1}{16} + \cdots = 1,</math>
wobei die <math>1</math> als die zum fast sicheren Ereignis gehörige Wahrscheinlichkeit („100 %“) zu interpretieren ist.<ref>Richard Isaac: ''The Pleasures of Probability.'' Springer Verlag New York, 1995, S.&nbsp;44–46.</ref> Die besondere Bedeutung der Theorie der Reihen in der Praxis wird in diesem Zusammenhang jedoch beim Übergang zu [[Erwartungswert]]en ersichtlich. Um dies zu sehen, hilft es, das obige Experiment als ein Glücksspiel zu deuten, bei dem zum Beispiel stets die Zahl an Euro ausgezahlt wird, die angibt, wie oft „Zahl“ geworfen wurde (also zum Beispiel 3 Euro bei ZZZK)&nbsp;– zu Beginn aber eine Gebühr von 2 Euro verlangt wird. Es muss der Gewinn stets mit der zugehörigen Wahrscheinlichkeit gewichtet werden, und somit beträgt der zu erwartende Gewinn
:<math> (-2) + \left( \frac{0}{2} + \frac{1}{4} + \frac{2}{8} + \frac{3}{16} + \cdots \right) = -1</math>
pro Runde.<ref>Vgl. William Feller: ''An Introduction to Probability Theory and its Applications.'' Wiley, 3rd Edition, New York / London / Sydney, 1968, S.&nbsp;265–266.</ref> Die Teilnahme an diesem Glücksspiel ist demnach nicht zu empfehlen, da der Spieler pro Runde durchschnittlich 1 Euro verlieren wird. Für die Grenzwertermittlung der Reihe, die nicht ganz einfach ist, werden [[#Differential- und Integralrechnung|Methoden aus der Analysis]] herangezogen.


== Definition und Grundlagen ==
== Definition und Grundlagen ==
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=== Begriff ===
=== Begriff ===


Eine '''Reihe''' wird selten '''Summenfolge'''<ref>{{Literatur |Titel=Summenfolge |Herausgeber=Guido Walz |Sammelwerk=Lexikon der Mathematik |Auflage=1 |Verlag=Spektrum Akademischer Verlag |Ort=Mannheim/ Heidelberg |Datum=2000 |ISBN=3-8274-0439-8}}</ref> oder '''unendliche Summe'''<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Stegmüller |Titel=Neue Betrachtungen über Aufgaben und Ziele der Wissenschaftstheorie. Wahrscheinlichkeit—Theoretische Begriffe—Induktion. Das ABC der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2013-12-12 |ISBN=978-3-642-61952-6 |Seiten=147 |Online=https://books.google.com/books?id=6tinBgAAQBAJ&newbks=0&printsec=frontcover&pg=PA147&dq=%22unendliche+summe%22&hl=de |Abruf=2023-05-11}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Hubert Weber, Helmut Ulrich |Titel=Laplace-Transformation: Grundlagen – Fourierreihen und Fourierintegral – Anwendungen |Auflage= 8|Verlag=Teubner|Ort=Wiesbaden |Datum=2007 |ISBN=978-3-8351-0140-1 |Seiten=92 |Online=https://books.google.com/books?id=xKSSa1C0oUoC&newbks=0&printsec=frontcover&pg=PA92&dq=%22unendliche+summe%22&hl=de |Abruf=2023-05-11}}</ref> und vor allem in älteren Darstellungen auch '''unendliche Reihe''' genannt.<ref>{{Literatur |Titel=Reihe |Herausgeber=Guido Walz |Sammelwerk=Lexikon der Mathematik |Auflage=1 |Verlag=Spektrum Akademischer Verlag |Ort=Mannheim/ Heidelberg |Datum=2000 |ISBN=3-8274-0439-8}}</ref>
Eine '''Reihe''' wird selten '''Summenfolge'''<ref>{{Literatur |Hrsg=Guido Walz |Titel=Summenfolge |Sammelwerk=Lexikon der Mathematik |Auflage=1. |Verlag=Spektrum Akademischer Verlag |Ort=Mannheim/Heidelberg |Datum=2000 |ISBN=3-8274-0439-8}}</ref> oder '''unendliche Summe'''<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Stegmüller |Titel=Neue Betrachtungen über Aufgaben und Ziele der Wissenschaftstheorie. Wahrscheinlichkeit – Theoretische Begriffe – Induktion. Das ABC der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2013 |ISBN=978-3-642-61952-6 |Seiten=147 |Online=https://books.google.com/books?id=6tinBgAAQBAJ&newbks=0&printsec=frontcover&pg=PA147&dq=%22unendliche+summe%22&hl=de |Abruf=2024-03-05}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Hubert Weber, Helmut Ulrich |Titel=Laplace-Transformation: Grundlagen – Fourierreihen und Fourierintegral – Anwendungen |Auflage=8. |Verlag=Teubner |Ort=Wiesbaden |Datum=2007 |ISBN=978-3-8351-0140-1 |Seiten=92 |Online=https://books.google.com/books?id=xKSSa1C0oUoC&newbks=0&printsec=frontcover&pg=PA92&dq=%22unendliche+summe%22&hl=de |Abruf=2024-03-05}}</ref> und vor allem in älteren Darstellungen auch '''unendliche Reihe''' genannt.<ref>{{Literatur |Hrsg=Guido Walz |Titel=Reihe |Sammelwerk=Lexikon der Mathematik |Auflage=1. |Verlag=Spektrum Akademischer Verlag |Ort=Mannheim/Heidelberg |Datum=2000 |ISBN=3-8274-0439-8}}</ref>


=== Für reelle und komplexe Folgen ===
=== Für reelle und komplexe Folgen ===
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Zu bemerken ist, dass aus der Definition folgt, dass andersherum jede Zahlenfolge <math>a_0, a_1, a_2, a_3, \dots</math> zu einer Reihe wird, wenn man diese als Partialsummen der Folge <math>a_0, (a_1-a_0), (a_2-a_1), (a_3-a_2), \dots</math> auffasst. Eine Reihe ist also nichts anderes als eine Folge spezieller „Bauart“, deren Glieder [[Rekursion|rekursiv]] durch <math>s_0 := a_0</math> und <math>s_{n+1} := s_{n}+a_{n+1}</math> definiert sind. Allerdings führt die einfache rekursive Struktur der Reihen zu vergleichsweise sehr handlichen [[Konvergenzkriterium|Konvergenzkriterien]], siehe unten.<ref name="AE195" />
Zu bemerken ist, dass aus der Definition folgt, dass andersherum jede Zahlenfolge <math>a_0, a_1, a_2, a_3, \dots</math> zu einer Reihe wird, wenn man diese als Partialsummen der Folge <math>a_0, (a_1-a_0), (a_2-a_1), (a_3-a_2), \dots</math> auffasst. Eine Reihe ist also nichts anderes als eine Folge spezieller „Bauart“, deren Glieder [[Rekursion|rekursiv]] durch <math>s_0 := a_0</math> und <math>s_{n+1} := s_{n}+a_{n+1}</math> definiert sind. Allerdings führt die einfache rekursive Struktur der Reihen zu vergleichsweise sehr handlichen [[Konvergenzkriterium|Konvergenzkriterien]], siehe unten.<ref name="AE195" />


=== Konvergenz ===
=== Konvergenz und Divergenz ===


Obwohl Reihen auch als ''formale Objekte'' studiert werden können, also „ohne Wert“, sind in der Mathematik die Fälle von besonderem Interesse, in welchen sich die Reihe langfristig einem ganz bestimmten Wert annähert. Falls die Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math>, also die ''Folge der Partialsummen''
Obwohl Reihen auch als ''formale Objekte'' studiert werden können, also „ohne Wert“, sind in der Mathematik die Fälle von besonderem Interesse, in denen sich die Reihe langfristig einem ganz bestimmten Wert annähert. Falls die Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math>, also die ''Folge der Partialsummen''
:<math> s_0 = a_0</math>
:<math> s_0 = a_0</math>
:<math> s_1 = a_0 + a_1</math>
:<math> s_1 = a_0 + a_1</math>
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[[Grenzwert (Folge)|konvergiert]], so nennt man ihren Grenzwert
[[Grenzwert (Folge)|konvergiert]], so nennt man ihren Grenzwert
:<math>\lim_{n \to \infty} s_n = \lim_{n \to \infty} \sum_{k=0}^n a_k</math>
:<math>\lim_{n \to \infty} s_n = \lim_{n \to \infty} \sum_{k=0}^n a_k</math>
den ''Wert der Reihe''<ref>T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 244.</ref> oder die ''Summe der Reihe''.<ref>[[Otto Forster]]: ''Analysis.'' Band 1: ''Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen.'' 8., verbesserte Auflage, Springer Spektrum, Wiesbaden 2006, ISBN 3-528-67224-2, S. 37.</ref> Dieser ist eindeutig bestimmt und wird meistens als <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math> notiert.<ref name="AE195">Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1'' (= ''Grundstudium Mathematik.''). 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 2006, ISBN 3-7643-7756-9, S. 195.</ref><ref group="Anm.">In manchen Anwendungen ist es zweckmäßig, den Summenindex bei anderen Werten wie zum Beispiel <math>k=1</math> beginnen zu lassen.</ref> Reihen, die nicht konvergieren, nennt man ''divergent''.
den ''Wert der Reihe''<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;244.</ref> oder die ''Summe der Reihe''.<ref>[[Otto Forster]]: ''Analysis.'' Band 1: ''Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen.'' 8., verbesserte Auflage, Springer Spektrum, Wiesbaden 2006, ISBN 3-528-67224-2, S.&nbsp;37.</ref> Dieser ist eindeutig bestimmt und wird meistens als <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math> notiert.<ref name="AE195">Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1'' (= ''Grundstudium Mathematik.''). 3.&nbsp;Auflage, Birkhäuser, Basel 2006, ISBN 3-7643-7756-9, S.&nbsp;195.</ref><ref group="Anm.">In manchen Anwendungen ist es zweckmäßig, den Summenindex bei anderen Werten wie zum Beispiel <math>k=1</math> beginnen zu lassen.</ref> Reihen, die nicht konvergieren, nennt man ''divergent''.

[[Datei:Cauchy sequence illustration.svg|mini|330px|Bildliche Veranschaulichung des Konvergenzprinzips. Um den Grenzwert lassen sich beliebig dünne „Schläuche“ mit Breite <math>\varepsilon > 0</math> legen, und in jedem noch so dünnen Schlauch liegen ''fast alle'' Folgeglieder.]]
[[Datei:Cauchy sequence illustration.svg|mini|330px|Bildliche Veranschaulichung des Konvergenzprinzips. Um den Grenzwert lassen sich beliebig dünne „Schläuche“ mit Breite <math>\varepsilon > 0</math> legen, und in jedem noch so dünnen Schlauch liegen ''fast alle'' Folgeglieder.]]
Anschaulich bedeutet Konvergenz, dass sich eine Folge auf Dauer einer reellen oder komplexen Zahl beliebig nah annähert. Da der Umgang mit „dem Unendlichen“ zunächst nicht sinnvoll ist, umgeht man diese Schwierigkeit, indem man den Konvergenzbegriff mit endlichen Mitteln erklärt. Die Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math> nennt man dann konvergent gegen den ''Grenzwert'' <math>S</math>, wenn es zu ''jeder'' noch so kleinen Zahl <math> \varepsilon > 0</math> einen Index <math>N(\varepsilon)</math> gibt, so dass für ''alle'' noch größeren Indizes <math>N > N(\varepsilon)</math>
Anschaulich bedeutet Konvergenz, dass sich eine Folge auf Dauer einer reellen oder komplexen Zahl beliebig nah annähert. Da der Umgang mit „dem Unendlichen“ zunächst nicht sinnvoll ist, umgeht man diese Schwierigkeit, indem man den Konvergenzbegriff mit endlichen Mitteln erklärt. Die Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math> nennt man dann konvergent gegen den ''Grenzwert'' <math>S</math>, wenn es zu ''jeder'' noch so kleinen Zahl <math> \varepsilon > 0</math> einen Index <math>N(\varepsilon)</math> gibt, sodass für ''alle'' noch größeren Indizes <math>N > N(\varepsilon)</math>
:<math>\left| a_0 + a_1 + a_2 + \cdots + a_N - S \right| < \varepsilon</math>
:<math>\left| a_0 + a_1 + a_2 + \cdots + a_N - S \right| < \varepsilon</math>
erfüllt ist. Hat eine Reihe <math>a_0 + a_1 + a_2 + a_3 + \cdots</math> etwa den Grenzwert <math>1</math>, so besagt die Wahl <math>\varepsilon = 0{,}01</math>, dass ''alle bis auf endlich viele'' Partialsummen
erfüllt ist. Hat eine Reihe <math>a_0 + a_1 + a_2 + a_3 + \cdots</math> etwa den Grenzwert <math>1</math>, so besagt die Wahl <math>\varepsilon = 0{,}01</math>, dass ''alle bis auf endlich viele'' Partialsummen
:<math> a_0 + a_1 + \cdots + a_N</math>
:<math> a_0 + a_1 + \cdots + a_N</math>
zwischen <math>0{,}99</math> und <math>1{,}01</math> liegen. Ebenso lässt sich mit <math>\varepsilon = 0{,}0001</math> – ab einem gewissen Index liegen also alle Partialsummen zwischen <math>0{,}9999</math> und <math>1{,}0001</math> – usw. verfahren. In den meisten Fällen ist dieses Kriterium für Konvergenz jedoch nicht brauchbar, da bereits ein Grenzwert <math>S</math> ''bekannt'' sein muss, um es überhaupt anwenden zu können. Es ist im Allgemeinen jedoch überaus schwierig, den Grenzwert einer konvergenten Reihe anzugeben. Dies kann aber leicht umgangen werden, denn es kann gezeigt werden, dass eine Reihe [[Logische Äquivalenz|genau dann]] konvergiert, wenn es für jede Zahl <math>\varepsilon > 0</math> einen Index <math>N(\varepsilon)</math> gibt, so dass für ''alle'' größeren Indizes <math>M \geq N > N(\varepsilon)</math> bereits
zwischen <math>0{,}99</math> und <math>1{,}01</math> liegen. Ebenso lässt sich mit <math>\varepsilon = 0{,}0001</math> – ab einem gewissen Index liegen also alle Partialsummen zwischen <math>0{,}9999</math> und <math>1{,}0001</math> – usw. verfahren. In manchen Fällen ist dieses Kriterium für Konvergenz jedoch nicht brauchbar, da bereits ein Grenzwert <math>S</math> ''bekannt'' sein muss, um es überhaupt anwenden zu können. Es ist im Allgemeinen jedoch überaus schwierig, den Grenzwert einer konvergenten Reihe anzugeben. Dies kann aber leicht umgangen werden, denn eine Reihe konvergiert [[Logische Äquivalenz|genau dann]], wenn es für jede Zahl <math>\varepsilon > 0</math> einen Index <math>N(\varepsilon)</math> gibt, sodass für ''alle'' größeren Indizes <math>M \geq N > N(\varepsilon)</math> bereits
:<math>|a_{N} + a_{N+1} + \cdots + a_{M-1} +a_M| < \varepsilon </math>
:<math>|a_{N} + a_{N+1} + \cdots + a_{M-1} +a_M| < \varepsilon </math>
gilt.<ref name="TT167">Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Ausgabe, New Delhi 2006, S.&nbsp;167.</ref> Man bezeichnet dies als das [[Cauchy-Kriterium]], und es kommt ohne Verwendung eines expliziten Grenzwertes aus. Allerdings eignet sich das Cauchy-Kriterium im Rahmen praktischer Konvergenztests von Reihen eher selten. Hierfür sind speziellere, aber dafür leichter handzuhabende Kriterien entwickelt worden, die jedoch nicht allgemeingültig sind (siehe unten). Häufigere Anwendung findet das Cauchy-Kriterium aber innerhalb [[Beweis (Mathematik)|mathematischer Beweise]], etwa wenn aus der Konvergenz einer Reihe eine Schlussfolgerung gezogen werden soll. Ein erstes Beispiel ist die Aussage, dass aus der Konvergenz einer Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> bereits <math>a_n \to 0</math> für <math>n \to \infty</math> folgt, also dass die Folge der Summanden <math>a_n</math> eine [[Nullfolge]] bildet. In der Tat, ist <math>\varepsilon > 0</math> beliebig gewählt, folgt mit dem Cauchy-Kriterium, angewandt auf den „Ein-Summand“-Spezialfall <math>M = N > N(\varepsilon)</math> schon
gilt.<ref name="TT167">Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 167.</ref> Man bezeichnet dies als das [[Cauchy-Kriterium]], und es kommt ohne Verwendung eines expliziten Grenzwertes aus.
:<math>|a_N| < \varepsilon</math> für ''alle'' <math>N > N(\varepsilon)</math>.
Damit muss <math>a_n</math> gegen 0 konvergieren. Zu beachten ist, dass die Rückrichtung dieser Aussage ''nicht'' richtig ist, da die Betrachtung einzelner Summanden <math>a_N</math> im Allgemeinen keine wirkungsvollen Rückschlüsse auf ganze Summen <math>a_{N} + a_{N+1} + \cdots + a_{M-1} +a_M</math> zulässt. Dies ist einer der Gründe schlechthin, weshalb die Theorie der unendlichen Reihen so schwierig ist.


In manchen Fällen müssen auch Reihen der Form <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_n = \ldots + a_{-2} + a_{-1} + a_0 + a_1 + a_2 + \ldots</math> untersucht werden. Diese heißen konvergent genau dann, wenn die ''beiden'' Reihen
In manchen Fällen müssen auch Reihen der Form <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_n = \ldots + a_{-2} + a_{-1} + a_0 + a_1 + a_2 + \ldots</math> untersucht werden. Diese heißen konvergent genau dann, wenn die ''beiden'' Reihen
:<math>\sum_{n=0}^\infty a_n, \qquad \sum_{n=1}^\infty a_{-n}</math>
:<math>\sum_{n=0}^\infty a_n, \qquad \sum_{n=1}^\infty a_{-n}</math>
konvergieren.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 143–144.</ref>
konvergieren.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;143–144.</ref>


Hinsichtlich divergenter Reihen ist zu beachten, dass das Phänomen der Divergenz keinesfalls mit der Unbeschränktheit der Partialsummen gleichzusetzen ist. So existieren divergente Reihen, deren Partialsummen beschränkt sind, zum Beispiel
Das Themenfeld der Reihenkonvergenz ist bis heute ein schwieriges Gebiet, und es gibt kein allgemeingültiges und zugleich brauchbares Kriterium, um schnell zu entscheiden, ob eine vorgelegte Reihe konvergiert oder divergiert. Ein Grund hierfür ist, dass es keinen „klaren Übergang“ zwischen Konvergenz und Divergenz gibt. So existiert etwa keine „am langsamsten konvergierende Reihe“, und ebenso keine „am langsamsten divergierende Reihe“.<ref name="KK308">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 308.</ref> Ist etwa <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (r_{n-1} - r_n)</math> mit einer [[Nullfolge]] <math>r_n > 0</math> konvergent, so auch <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (\sqrt{r_{n-1}} - \sqrt{r_n})</math>, und letztere Reihe konvergiert langsamer als die vorherige. Darüber hinaus zeigte [[Alfred Pringsheim]], dass die Glieder einer konvergenten Reihe keinesfalls mit einer „Mindestgeschwindigkeit“ gegen <math>0</math> streben müssen. Es kann sogar ''jede'' konvergente Reihe für einen Beweis dieser Behauptung herangezogen werden.<ref name="KK309">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 309.</ref>
:<math> 1 - 1 + 1 - 1 + 1 - 1 + \cdots</math>

Das Themenfeld der Reihenkonvergenz ist bis heute ein schwieriges Gebiet, und es gibt kein allgemeingültiges und zugleich brauchbares Kriterium, um schnell zu entscheiden, ob eine vorgelegte Reihe konvergiert oder divergiert. Ein Grund hierfür ist, dass es keinen „klaren Übergang“ zwischen Konvergenz und Divergenz gibt. So existiert etwa keine „am langsamsten konvergierende Reihe“, und ebenso keine „am langsamsten divergierende Reihe“.<ref name="KK308">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;308.</ref> Ist etwa <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (r_{n-1} - r_n)</math> mit einer [[Nullfolge]] <math>r_n > 0</math> konvergent, so auch <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (\sqrt{r_{n-1}} - \sqrt{r_n})</math>, und letztere Reihe konvergiert langsamer als die vorherige. Darüber hinaus zeigte [[Alfred Pringsheim]], dass die Glieder einer konvergenten Reihe keinesfalls mit einer „Mindestgeschwindigkeit“ gegen <math>0</math> streben müssen. Es kann sogar ''jede'' konvergente Reihe für einen Beweis dieser Behauptung herangezogen werden.<ref name="KK309">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;309.</ref>


=== Bedingte und absolute Konvergenz ===
=== Bedingte und absolute Konvergenz ===
[[Datei:Alt Reihe.png|mini|330px|Konvergenzschema einer ''alterniernden Reihe'', also mit wechselnden Vorzeichen gekoppelt mit monoton gegen Null fallenden Summanden]]
[[Datei:AltSeries.svg|mini|330px|Konvergenzschema einer ''alternierenden Reihe'', also mit wechselnden Vorzeichen gekoppelt mit monoton gegen Null fallenden Summanden]]


Es gibt unterschiedliche Arten der Konvergenz. Dies betrifft nicht die Konvergenzdefinition, die stets dieselbe ist, sondern die „Güte“ der Konvergenz. So kann man zwei Typen konvergenter Reihen angeben: Jene, die gewissermaßen „stabil“ konvergieren, und solche, bei denen größere Vorsicht zum Nachweis einer Konvergenz geboten ist, etwa bei der Umordnung von Summanden innerhalb der Reihe.
Es gibt unterschiedliche Arten der Konvergenz. Dies betrifft nicht die Konvergenzdefinition, die stets dieselbe ist, sondern die „Güte“ der Konvergenz. So kann man zwei Typen konvergenter Reihen angeben: jene, die gewissermaßen „stabil“ konvergieren, und solche, bei denen größere Vorsicht zum Nachweis einer Konvergenz geboten ist, etwa bei der Umordnung von Summanden innerhalb der Reihe.


Eine Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math> heißt ''absolut konvergent'', wenn auch die zugehörige Reihe der Absolutbeträge <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty |a_k|</math> konvergiert. Darin ist <math>|\cdot|</math> die [[Betragsfunktion]].
Eine Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math> heißt ''[[Absolut konvergente Reihe|absolut konvergent]]'', wenn auch die zugehörige Reihe der Absolutbeträge <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty |a_k|</math> konvergiert. Darin ist <math>|\cdot|</math> die [[Betragsfunktion]].


Durch das Summieren der Beträge werden alle möglichen Vorzeichen bzw. Ausrichtungen der <math>a_k</math> quasi „ignoriert“, was den Nachweis einer Konvergenz erschwert, da dann kein „Wegkürzen“ mehr möglich ist. Etwa ist die [[alternierende Reihe]]
Durch das Summieren der Beträge werden alle möglichen Vorzeichen bzw. Ausrichtungen der <math>a_k</math> quasi „ignoriert“, was den Nachweis einer Konvergenz erschwert, da dann kein „Wegkürzen“ mehr möglich ist. Etwa ist die [[alternierende Reihe]]
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:<math>1 + \frac12 + \frac13 + \frac14 + \frac15 + \cdots.</math>
:<math>1 + \frac12 + \frac13 + \frac14 + \frac15 + \cdots.</math>


Es ist <math>1 - \tfrac12 + \tfrac13 - \tfrac14 + \cdots</math> ein erstes Beispiel einer ''bedingt konvergenten'' Reihe, also einer, die ''nicht'' absolut konvergiert.<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1''. 3. Auflage, Basel 2006, S. 208.</ref>
Es ist <math>1 - \tfrac12 + \tfrac13 - \tfrac14 + \cdots</math> ein erstes Beispiel einer ''bedingt konvergenten'' Reihe, also einer, die ''nicht'' absolut konvergiert.<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Auflage, Basel 2006, S.&nbsp;208.</ref> Zudem zeigt das Beispiel der harmonischen Reihe, dass die Eigenschaft der Glieder, eine Nullfolge zu sein, nicht ausreicht, um Konvergenz zu erreichen. Es lässt sich das [[Nullfolgenkriterium]] also nicht umkehren.


Aus mathematischer Sicht ist absolute Konvergenz ein Vorteil, da dies das Rechnen mit Reihen vereinfacht. Etwa ist es im Falle bedingter Konvergenz nicht ohne Weiteres erlaubt, die Reihenfolge der Summanden zu ändern, ohne dabei möglicherweise den Grenzwert zu verändern. Damit entfällt bei bedingt konvergenten Reihen das noch für endliche Summen gültige [[Kommutativgesetz]]. Im Gegensatz dazu ist es bei absolut konvergenten Reihen unerheblich, in welcher Reihenfolge summiert wird, da der Grenzwert stets derselbe bleibt.<ref>Ilja Nikolaevic Bronstejn, Konstantin Adolfovic Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6., vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage, Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8171-2006-0, S. 426.</ref>
Aus mathematischer Sicht ist absolute Konvergenz ein Vorteil, da diese das Rechnen mit Reihen vereinfacht. Hintergrund dessen ist, dass sich bei absolut konvergenten Reihen kanonisch die [[Dreiecksungleichung]] verwenden lässt, was in vielen Fällen verhältnismäßig einfache Schlussfolgerungen ermöglicht. Etwa ist es im Falle bedingter Konvergenz nicht ohne Weiteres erlaubt, die Reihenfolge der Summanden zu ändern, ohne dabei möglicherweise den Grenzwert zu verändern. Damit entfällt bei bedingt konvergenten Reihen das noch für endliche Summen gültige [[Kommutativgesetz]]. Im Gegensatz dazu ist es bei absolut konvergenten Reihen unerheblich, in welcher Reihenfolge summiert wird, da der Grenzwert stets derselbe bleibt.<ref>Ilja Nikolaevic Bronstejn, Konstantin Adolfovic Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6., vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage, Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8171-2006-0, S.&nbsp;426.</ref> Dies kann wie folgt gesehen werden:<ref>Anil Nerode, Noam Greenberg: ''Algebraic Curves and Riemann Surfaces for Undergraduates.'' Switzerland 2022, S. 292.</ref> Ist <math>\textstyle s := \sum_{n=1}^\infty a_n</math> absolut konvergent und <math>\sigma \colon \N \to \N</math> eine [[Bijektion]], so findet man zu <math>\varepsilon > 0</math> ein <math>N(\varepsilon)</math> mit
:<math> \sum_{n=N+1}^\infty |a_n| < \varepsilon \quad</math> für alle <math>N \geq N(\varepsilon)</math>.
Ist nun <math>M(\varepsilon)</math> groß genug, beinhaltet <math>\{\sigma(1), \ldots, \sigma(M(\varepsilon))\}</math> die Menge <math>\{1, \ldots, N(\varepsilon)\}</math>. Dann gilt für alle <math>M \geq M(\varepsilon)</math> mit der Dreiecksungleichung
:<math> \left| \sum_{n=1}^M a_{\sigma(n)} - \sum_{n=1}^{N(\varepsilon)} a_n \right| \leq \sum_{n=N(\varepsilon)+1}^\infty |a_n| < \varepsilon.</math>
Mit <math>\textstyle \left|s - \sum_{n=1}^{N(\varepsilon)} a_n\right| < \varepsilon</math> folgt insgesamt, wieder mit der Dreiecksungleichung,
:<math>\left| s- \sum_{n=1}^M a_{\sigma(n)} \right| = \left| s - \sum_{n=1}^{N(\varepsilon)} a_n + \sum_{n=1}^{N(\varepsilon)} a_n - \sum_{n=1}^M a_{\sigma(n)} \right| \leq \left| s - \sum_{n=1}^{N(\varepsilon)} a_n \right| + \left|\sum_{n=1}^{N(\varepsilon)} a_n - \sum_{n=1}^M a_{\sigma(n)} \right| < 2\varepsilon \quad</math> für alle <math>M \geq M(\varepsilon).</math>


Zusätzlich besagt der [[Riemannscher Umordnungssatz|Riemannsche Umordnungssatz]], dass bei einer bedingt konvergenten Reihe mit reellen Gliedern durch Umordnungen ''jede'' reelle Zahl als Grenzwert und auch die Divergenz der neu entstehenden Reihe erzwungen werden kann.
Die absolute Konvergenz kann auch auf Multireihen ausgedehnt werden.<ref>Thomas William Körner: ''Fourier Analysis.'' Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S. 231.</ref> Konvergiert <math>\textstyle \sum_{m=-\infty}^\infty |a_{m,n}|</math> für jedes <math>n</math>, und konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty \left( \sum_{m=-\infty}^\infty |a_{m,n}|\right)</math>, dann konvergieren die Reihen

Die absolute Konvergenz kann auch auf Multireihen ausgedehnt werden.<ref>Thomas William Körner: ''Fourier Analysis.'' Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S.&nbsp;231.</ref> Konvergiert <math>\textstyle \sum_{m=-\infty}^\infty |a_{m,n}|</math> für jedes <math>n</math>, und konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty \left( \sum_{m=-\infty}^\infty |a_{m,n}|\right)</math>, dann konvergieren die Reihen
* <math>\textstyle \sum_{m=-\infty}^\infty a_{m,n}</math> für jedes <math>n</math>,
* <math>\textstyle \sum_{m=-\infty}^\infty a_{m,n}</math> für jedes <math>n</math>,
* <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_{m,n}</math> für jedes <math>m</math>,
* <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_{m,n}</math> für jedes <math>m</math>,
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und es gilt
und es gilt
:<math>\sum_{n=-\infty}^\infty \left( \sum_{m=-\infty}^\infty a_{m,n}\right) = \sum_{m=-\infty}^\infty \left( \sum_{n=-\infty}^\infty a_{m,n}\right)</math>.
:<math>\sum_{n=-\infty}^\infty \left( \sum_{m=-\infty}^\infty a_{m,n}\right) = \sum_{m=-\infty}^\infty \left( \sum_{n=-\infty}^\infty a_{m,n}\right)</math>.

=== Überblick zu den Anwendungen ===
[[Datei:Sine.gif|mini|330px|Animation der Approximation des Sinus durch seine [[Taylorreihe]]]]

Das Konzept der Reihe spielt disziplinübergreifend eine zentrale Rolle in der Mathematik. Hauptanwendungsgebiet ist zunächst die Analysis, jedoch auch alle durch diese Sparte beeinflussten Bereiche, nicht zuletzt angewandte Gebiete wie die Ingenieurswissenschaften. Dabei entfalten Reihen ihre Nützlichkeit zum Beispiel dann, wenn es darum geht, bestimmte [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] annähernd auszurechnen, die für Anwendungen zwar nützlich, aber dennoch kompliziert sind. Ein Beispiel sind die [[Trigonometrische Funktion|Winkelfunktionen]], etwa der [[Sinus und Kosinus|Sinus]]. Es gibt kein einfaches, „geschlossenes“ Verfahren, für Eingabewerte <math>x</math> den Ausgabewert <math>\sin(x)</math> zu berechnen, aber mittels Reihen können gute Näherungswerte relativ schnell berechnet werden, die in der Praxis ausreichen. Es gilt die Reihenentwicklung<ref>T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 301.</ref>
:<math>\sin(x) = \frac{x}{1} - \frac{x^3}{1 \cdot 2 \cdot 3} + \frac{x^{5}}{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 \cdot 5} - \frac{x^7}{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 \cdot 5 \cdot 6 \cdot 7} + \cdots = x - \frac{x^3}{6} + \frac{x^5}{120} - \frac{x^7}{5040} + \cdots,</math>
kurz:
:<math>\sin(x) = \sum_{k=0}^\infty (-1)^k\frac{x^{2k+1}}{(2k+1)!}.</math>
Etwa ist <math>\sin(1) = 0{,}84147098 \ldots</math> und, wegen <math>1^{2k+1} = 1</math> für alle <math>k</math>, als Näherung bis zum <math>x^7</math>-Term
:<math> 1 - \frac{1}{6} + \frac{1}{120} - \frac{1}{5040} \approx 0{,}8414682.</math>


== Geschichte ==
== Geschichte ==


=== Anfänge im 17. Jahrhundert ===
=== Anfänge im 17. Jahrhundert ===
[[Datei:Arc length.gif|rechts|gerahmt|Die Kurve hat dieselbe Länge wie das entsprechende gerade Segment]]
[[Datei:Arc length.gif|rechts|gerahmt|Die Kurve hat dieselbe Länge wie das entsprechende gerade Segment.]]


Reihen wurden in der Mathematik hauptsächlich eingeführt, um geometrische Probleme zu lösen. Ihre zunächst eher sporadische Verwendung gewann um 1650 an Bedeutung und war zum Beispiel entscheidend für die Entstehung der [[Infinitesimalrechnung]]. Besonders zu Zeiten von [[Isaac Newton]] und [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] wurden viele Ergebnisse erzielt, und ein großer Teil des frühen Wissens um die Reihen geht auf sie zurück.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 1.</ref>
Reihen wurden in der Mathematik hauptsächlich eingeführt, um geometrische Probleme zu lösen. Ihre zunächst eher sporadische Verwendung gewann um 1650 an Bedeutung und war zum Beispiel entscheidend für die Entstehung der [[Infinitesimalrechnung]]. Besonders zu Zeiten von [[Isaac Newton]] und [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] wurden viele Ergebnisse erzielt, und ein großer Teil des frühen Wissens um die Reihen geht auf sie zurück.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;1.</ref>


Obwohl Reihen schon früher gelegentlich vorkamen, wurden sie in der Mathematik erst ab dem 17. Jahrhundert wirklich bedeutsam. Ihre Verwendung erfolgte vor allem im Zusammenhang mit dem Problem der Quadratur und der Abmessung von Kurven durch Einteilung in lineare Segmente (siehe auch [[Länge (Mathematik)#Rektifizierbare Wege in beliebigen metrischen Räumen|Rektifizierbarkeit]]). Im 17. Jahrhundert versuchten die Mathematiker, neue Methoden für die Quadratur gekrümmter Linien zu finden, die die Schwierigkeiten der sogenannten [[Exhaustionsmethode]] vermeiden.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 3.</ref>
Obwohl Reihen schon früher gelegentlich vorkamen, wurden sie in der Mathematik erst ab dem 17. Jahrhundert wirklich bedeutsam. Ihre Verwendung erfolgte vor allem im Zusammenhang mit dem Problem der Quadratur und der Abmessung von Kurven durch Einteilung in lineare Segmente (siehe auch [[Länge (Mathematik)#Rektifizierbare Wege in beliebigen metrischen Räumen|Rektifizierbarkeit]]). Im 17. Jahrhundert versuchten die Mathematiker, neue Methoden für die Quadratur gekrümmter Linien zu finden, die die Schwierigkeiten der sogenannten [[Exhaustionsmethode]] vermeiden.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;3.</ref>


Der Geistliche und Mathematiker [[Pietro Mengoli]] veröffentlichte 1650 in seinem Werk ''Novae quadraturae arithmeticae, seu de additione fractionum'' Resultate bezüglich unendlicher Reihen und baute seine Argumente auf zwei [[Axiom]]en auf.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 7–8.</ref> Unter anderem fand er die Grenzwerte:<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 9.</ref>
Der Geistliche und Mathematiker [[Pietro Mengoli]] veröffentlichte 1650 in seinem Werk ''Novae quadraturae arithmeticae, seu de additione fractionum'' Resultate bezüglich unendlicher Reihen und baute seine Argumente auf zwei [[Axiom]]e auf.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;7–8.</ref> Unter anderem fand er die Grenzwerte:<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;9.</ref>
:<math>\sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n(n+2)} = \frac{3}{4}, \quad \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{(2n+1)(2n+3)(2n+5)} = \frac{1}{12}.</math>
:<math>\sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n(n+2)} = \frac{3}{4}, \quad \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{(2n+1)(2n+3)(2n+5)} = \frac{1}{12}.</math>
Ferner fragte er nach dem Grenzwert der Reihe
Ferner fragte er nach dem Grenzwert der Reihe
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} = 1 + \frac14 + \frac19 + \cdots, </math>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} = 1 + \frac14 + \frac19 + \cdots, </math>
blieb bei dessen Suche aber erfolglos. Dieses Problem wurde später von [[Jakob I Bernoulli|Jakob Bernoulli]] aufgegriffen, und schließlich als [[Basler Problem]] bekannt. Erst [[Leonhard Euler]] fand den korrekten Grenzwert <math>\tfrac{\pi^2}{6}</math> mit der Kreiszahl <math>\pi</math> im Jahr 1735 und veröffentlichte ihn in seinem Werk ''De Summis Serierum Reciprocarum''.<ref>Euler: ''De summis serierum reciprocarum.'' In: ''Opera Omnia.'' Reihe I, Band 14, S. 73–86, in der Standard-Notation der Werke von Euler von Eneström ist das E 41, zuerst erschienen in ''Novi commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae.'' (Comm. Acad. Petrop.) Ausgabe 7 (1734/35), St. Petersburg 1740, S. 123–134. Die Arbeit wurde im Dezember 1735 der Akademie vorgelegt.</ref>
blieb bei dessen Suche aber erfolglos. Dieses Problem wurde später von [[Jakob I Bernoulli|Jakob Bernoulli]] aufgegriffen, und schließlich als [[Basler Problem]] bekannt. Erst [[Leonhard Euler]] fand den korrekten Grenzwert <math>\tfrac{\pi^2}{6}</math> mit der Kreiszahl <math>\pi</math> im Jahr 1735 und veröffentlichte ihn in seinem Werk ''De Summis Serierum Reciprocarum''.<ref>Euler: ''De summis serierum reciprocarum.'' In: ''Opera Omnia.'' Reihe I, Band 14, S.&nbsp;73–86, in der Standard-Notation der Werke von Euler von Eneström ist das E&nbsp;41, zuerst erschienen in ''Novi commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae.'' (Comm. Acad. Petrop.) Ausgabe 7 (1734/35), St. Petersburg 1740, S.&nbsp;123–134. Die Arbeit wurde im Dezember 1735 der Akademie vorgelegt.</ref>

[[Datei:Portrait of Sir Isaac Newton, 1689.jpg|mini|240px|Isaac Newton im Jahr 1689]]


[[Datei:Portrait of Sir Isaac Newton, 1689.jpg|mini|hochkant|Isaac Newton im Jahr 1689]]
Im Jahr 1666 verfasste Newton eine Schrift ''De Analysi per Aequationes Numero Terminorum Infinitas'', die zwar erst 1711 publiziert wurde, aber zuvor in Manuskriptform Wellen schlug. In dieser entwickelte er das heute als [[Newtonverfahren]] bekannte Prinzip, Nullstellen einer Funktion numerisch anzunähern. Er betrachtete den Spezialfall analytischer Funktionen, und es gibt nirgends einen Hinweis darauf, dass er das Verfahren auf geometrische Weise erhalten hat. Er wandte diese Technik auf die Umkehrung von Reihen an und gewann unter anderem dadurch die Reihenentwicklungen für [[Sinus und Kosinus]].<ref>Thomas Sonar: ''3000 Jahre Analysis.'' Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17203-8, S. 383–385 ([[doi:10.1007/978-3-642-17204-5]]).</ref> Durch Inspiration über das von John Wallis verfasste Werk ''Arithmetica infinitorum'' entdeckte er zudem die allgemeine [[Binomische Reihe|Binomialreihe]], in heutiger Notation
Im Jahr 1666 verfasste Newton eine Schrift ''De Analysi per Aequationes Numero Terminorum Infinitas'', die zwar erst 1711 publiziert wurde, aber zuvor in Manuskriptform Wellen schlug. In dieser entwickelte er das heute als [[Newtonverfahren]] bekannte Prinzip, Nullstellen einer Funktion numerisch anzunähern. Er betrachtete den Spezialfall analytischer Funktionen, und es gibt nirgends einen Hinweis darauf, dass er das Verfahren auf geometrische Weise erhalten hat. Er wandte diese Technik auf die Umkehrung von Reihen an und gewann unter anderem dadurch die Reihenentwicklungen für [[Sinus und Kosinus]].<ref>Thomas Sonar: ''3000 Jahre Analysis.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17203-8, S.&nbsp;383–385 ([[doi:10.1007/978-3-642-17204-5]]).</ref> Inspiriert durch das von [[John Wallis]] verfasste Werk ''Arithmetica infinitorum'' entdeckte er zudem die allgemeine [[Binomische Reihe|Binomialreihe]], in heutiger Notation
:<math> (1 + x)^{\alpha} = \sum_{k=0}^\infty \binom{\alpha}{k}x^k = 1 + \alpha x + \frac{\alpha (\alpha - 1)}{2} x^2 + \cdots \quad (\alpha \in \R, |x| < 1),</math>
:<math> (1 + x)^{\alpha} = \sum_{k=0}^\infty \binom{\alpha}{k}x^k = 1 + \alpha x + \frac{\alpha (\alpha - 1)}{2} x^2 + \cdots \quad (\alpha \in \R, |x| < 1),</math>
die sich zur numerischen Annäherung von Wurzeln eignet. Dies geht aus einem Brief von Newton an Leibniz aus dem Jahre 1676 hervor.<ref>Thomas Sonar: ''3000 Jahre Analysis.'' Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2011, S. 377.</ref> Newton hat für sein Theorem jedoch nie einen Beweis geliefert, denn für ihn gab es genug numerische und experimentelle Evidenz.<ref>Thomas Sonar: ''3000 Jahre Analysis.'' Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2011, S. 377–378.</ref>
die sich zur numerischen Annäherung von Wurzeln eignet. Dies geht aus einem Brief von Newton an Leibniz aus dem Jahre 1676 hervor.<ref>Thomas Sonar: ''3000 Jahre Analysis.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2011, S.&nbsp;377.</ref> Newton hat für sein Theorem jedoch nie einen Beweis geliefert, denn für ihn gab es genug numerische und experimentelle Evidenz.<ref>Thomas Sonar: ''3000 Jahre Analysis.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2011, S.&nbsp;377–378.</ref>


Fast zur gleichen Zeit, ab 1672, befasste sich Gottfried Wilhelm Leibniz mit der Theorie der unendlichen Reihen. Diese spielte eine wichtige Rolle bei seinen späteren Beiträgen zum Aufbau der [[Infinitesimalrechnung]].<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 25.</ref> Leibniz untersuchte Reihen oft mit einer geometrischen Fragestellung oder Anschauung; Beispiele hierfür sind seine Behandlung der [[Geometrische Reihe|geometrischen Reihe]]<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 26.</ref> und der berühmten [[Leibniz-Reihe]]
Fast zur gleichen Zeit, ab 1672, befasste sich Gottfried Wilhelm Leibniz mit der Theorie der unendlichen Reihen. Diese spielte eine wichtige Rolle bei seinen späteren Beiträgen zum Aufbau der [[Infinitesimalrechnung]].<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;25.</ref> Leibniz untersuchte Reihen oft mit einer geometrischen Fragestellung oder Anschauung; Beispiele hierfür sind seine Behandlung der [[Geometrische Reihe|geometrischen Reihe]]<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;26.</ref> und der berühmten [[Leibniz-Reihe]]
:<math>1 - \frac13 + \frac15 - \frac17 + \cdots = \frac{\pi}{4},</math>
:<math>1 - \frac13 + \frac15 - \frac17 + \frac19 - \frac{1}{11} + \cdots = \frac{\pi}{4},</math>
die er über die Geometrie des Kreises erklärte.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 27–28.</ref>
die er über die Geometrie des Kreises erklärte.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;27–28.</ref>


=== 18. Jahrhundert ===
=== 18. Jahrhundert ===
[[Datei:Brook Taylor.jpeg|mini|240px|Brook Taylor]]
[[Datei:Brook Taylor.jpeg|mini|hochkant|Brook Taylor]]


Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die hauptsächlich von den gegenseitigen Widersachern Newton und Leibniz initiierte Theorie der unendlichen Reihen systematisch ausgebaut. Einen ersten Höhepunkt erlebte sie durch das Werk ''Methodus incrementorum'' von [[Brook Taylor]], das 1715 veröffentlicht wurde. In diesem entwickelte Taylor die heute nach ihm benannte [[Taylorreihe]]
Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die hauptsächlich von den gegenseitigen Widersachern Newton und Leibniz initiierte Theorie der unendlichen Reihen systematisch ausgebaut. Einen ersten Höhepunkt erlebte sie durch das Werk ''Methodus incrementorum'' von [[Brook Taylor]], das 1715 veröffentlicht wurde. Darin entwickelte Taylor die heute nach ihm benannte [[Taylorreihe]]
:<math>f(x) = \sum_{n=0}^\infty \frac{f^{(n)}(a)}{n!} (x - a)^n</math>
:<math>f(x) = \sum_{n=0}^\infty \frac{f^{(n)}(a)}{n!} (x - a)^n</math>
systematisch, also die Möglichkeit, eine hinreichend gute Funktion anhand all ihrer Ableitungen in einem Punkt in Umgebung dieses Punktes zu rekonstruieren. Dabei bezeichnet <math>f^{(n)}(a)</math> die <math>n</math>-te [[Differentialrechnung|Ableitung]] der Funktion <math>f</math> im Punkt <math>a</math> und <math>n! := 1 \cdot 2 \cdot 3 \cdots n</math> die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]] von <math>n</math>. Dieser Ansatz war bereits Newton bekannt gewesen, jedoch hatte er diesbezüglich nur kurze Ausführungen geliefert und es bleibt unklar, ob er die Wichtigkeit der Potenzreihen richtig einschätzte.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 87.</ref> Diese wurde in den folgenden Jahren jedoch zunehmend erfasst. [[Abraham de Moivre]] bewies einen Satz über Potenzreihen zu [[Rekursion#Rekursion in der Mathematik|rekursiven Folgen]] und erkannte, wie andere Mathematiker dieser Zeit, dass diese eng mit sogenannten [[Charakteristisches Polynom|charakteristischen Polynomen]] der entsprechenden [[Rekursion]] zusammenhingen. Etwa gab [[Daniel Bernoulli]] 1728 mit deren Hilfe eine geschlossene Formel für die sonst nur über eine Rekursion definierte [[Fibonacci-Folge]] an.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 137.</ref>
systematisch, also die Möglichkeit, eine hinreichend gutartige Funktion anhand all ihrer Ableitungen in einem Punkt in Umgebung dieses Punktes zu rekonstruieren. Dabei bezeichnet <math>f^{(n)}(a)</math> die <math>n</math>-te [[Differentialrechnung|Ableitung]] der Funktion <math>f</math> im Punkt <math>a</math> und <math>n! := 1 \cdot 2 \cdot 3 \cdots n</math> die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]] von <math>n</math>. Dieser Ansatz war bereits Newton bekannt gewesen, jedoch hatte er diesbezüglich nur kurze Ausführungen geliefert und es bleibt unklar, ob er die Wichtigkeit der Potenzreihen richtig einschätzte.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;87.</ref> Diese wurde in den folgenden Jahren jedoch zunehmend erfasst. [[Abraham de Moivre]] bewies einen Satz über Potenzreihen zu [[Rekursion#Rekursion in der Mathematik|rekursiven Folgen]] und erkannte, wie andere Mathematiker dieser Zeit, dass diese eng mit sogenannten [[Charakteristisches Polynom|charakteristischen Polynomen]] der entsprechenden [[Rekursion]] zusammenhingen. Etwa gab [[Daniel Bernoulli]] 1728 mit deren Hilfe eine geschlossene Formel für die sonst nur über eine Rekursion definierte [[Fibonacci-Folge]] an.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;137.</ref>


[[James Stirling (Mathematiker)|James Stirling]] argumentierte in seiner 1730 publizierten ''Methodus differentialis'', dass langsam konvergente Reihen „ebenso unnütz“ wie divergente Reihen seien, und präsentierte Verfahren, um die Konvergenz gewisser Reihen zu beschleunigen.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 141.</ref> Diese sollten auch dazu dienen, die Werte gewisser endlicher Summen schnell ausrechnen oder zumindest approximieren zu können. Unter seinen Entdeckungen fand sich auch die nach ihm benannte [[Stirlingformel]], welche die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]] einer natürlichen Zahl über einen asymptotischen Reihenausdruck sehr schnell für große <math>n</math> annähert.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 146.</ref> Die 1742 von [[Colin Maclaurin]] veröffentlichte und zeitgleich auch von Euler entdeckte und genutzte [[Euler-Maclaurin-Formel]], die die Arbeiten von Newton zur ''geometry of fluxions'' aufgriff,<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 147.</ref> ging in eine ähnliche Richtung.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 153.</ref> Mit ihrer Hilfe konnte Maclaurin neue Beweise zu Aussagen von Newton und Stirling über Taylorreihen anfertigen und die Reihenkonvergenz durch seinen neuartigen Zugang in einigen Fällen beschleunigen.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 151.</ref>
[[James Stirling (Mathematiker)|James Stirling]] argumentierte in seiner 1730 publizierten ''Methodus differentialis'', dass langsam konvergente Reihen „ebenso unnütz“ wie divergente Reihen seien, und stellte Verfahren vor, um die Konvergenz gewisser Reihen zu beschleunigen.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;141.</ref> Diese sollten auch dazu dienen, die Werte gewisser endlicher Summen schnell ausrechnen oder zumindest approximieren zu können. Unter seinen Entdeckungen fand sich auch die nach ihm benannte [[Stirlingformel]], welche die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]] einer natürlichen Zahl über einen asymptotischen Reihenausdruck sehr schnell für große <math>n</math> annähert.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;146.</ref> Die 1742 von [[Colin Maclaurin]] veröffentlichte und zeitgleich auch von [[Leonhard Euler]] entdeckte und genutzte [[Euler-Maclaurin-Formel]], die die Arbeiten von Newton zur ''geometry of fluxions'' aufgriff,<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;147.</ref> ging in eine ähnliche Richtung.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;153.</ref> Mit ihrer Hilfe konnte Maclaurin neue Beweise zu Aussagen von Newton und Stirling über Taylorreihen anfertigen und die Reihenkonvergenz durch seinen neuartigen Zugang in einigen Fällen beschleunigen.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;151.</ref>

[[Datei:Leonhard Euler 2.jpg|mini|240px|Leonhard Euler]]
[[Datei:Leonhard Euler 2.jpg|mini|hochkant|Leonhard Euler]]
Besonders wichtige Beiträge zur Theorie der Reihen lieferte jedoch Leonhard Euler. Sie galten als eines seiner Lieblingsthemenfelder, und alleine drei Bände seiner [[Opera Omnia]] sind ihnen gewidmet.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 155.</ref> Zahlreiche bedeutende Entdeckungen Eulers fußen letztlich auf seiner Intuition. Darunter fallen seine Verallgemeinerung der Fakultät über die [[Gammafunktion]],<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 159.</ref> die Lösung des Basler Problems und zahlreiche weitere gefundene Grenzwerte bestimmter Reihen, wie etwa<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 195.</ref>
Besonders wichtige Beiträge zur Theorie der Reihen lieferte jedoch Leonhard Euler. Sie galten als eines seiner Lieblingsthemenfelder, und alleine drei Bände seiner [[Opera Omnia]] sind ihnen gewidmet.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;155.</ref> Zahlreiche bedeutende Entdeckungen Eulers fußen letztlich auf seiner Intuition. Darunter fallen seine Verallgemeinerung der Fakultät über die [[Gammafunktion]],<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;159.</ref> die Lösung des Basler Problems und zahlreiche weitere gefundene Grenzwerte bestimmter Reihen, wie etwa<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;195.</ref>
:<math>\frac{1}{15} + \frac{1}{63} + \frac{1}{80} + \frac{1}{255} + \frac{1}{624} + \cdots = \frac{7}{4} - \frac{\pi^2}{6} \quad</math> (die Nenner sind „perfekte Quadrate minus 1, die selbst auch andere Potenzen sind“, etwa <math>16 = 4^2 = 2^4</math> usw.)<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 193.</ref>
:<math>\frac{1}{15} + \frac{1}{63} + \frac{1}{80} + \frac{1}{255} + \frac{1}{624} + \cdots = \frac{7}{4} - \frac{\pi^2}{6} \quad</math> (die Nenner sind „perfekte Quadrate minus 1, die selbst auch andere Potenzen sind“, etwa <math>16 = 4^2 = 2^4</math> usw.)<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;193.</ref>
sowie seine Entdeckung der Euler-Maclaurin-Formel im Jahr 1732 (Beweis 1736).<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 171.</ref> Euler zog praktischen Nutzen aus dieser Formel, um unendliche Reihen, die langsam konvergieren, schnell numerisch anzunähern. So gab er gute Näherungen für die Werte <math> \zeta(3)</math> und <math> \zeta(4)</math>, wobei <math>\zeta(s)</math> die [[Riemannsche Zeta-Funktion]] bezeichnet, und fand <math> \zeta(2)</math> auf 20 Stellen genau:
sowie seine Entdeckung der Euler-Maclaurin-Formel im Jahr 1732 (Beweis 1736).<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;171.</ref> Euler zog praktischen Nutzen aus dieser Formel, um unendliche Reihen, die langsam konvergieren, schnell numerisch anzunähern. So gab er gute Näherungen für die Werte <math> \zeta(3)</math> und <math> \zeta(4)</math>, wobei <math>\zeta(s)</math> die [[Riemannsche Zeta-Funktion]] bezeichnet, und fand <math> \zeta(2)</math> auf 20 Stellen genau:
: <math> \zeta(2) = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} \approx 1{,}64493406684822643647.</math>
: <math> \zeta(2) = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} \approx 1{,}64493406684822643647.</math>
Erwiesenermaßen etablierte Eulers ursprüngliche Methode der Berechnung von <math> \zeta(m)</math> für höhere Werte von <math>m</math> die [[numerische Mathematik]] als ein neues Forschungsgebiet.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute.'' Imperial College Press, Singapore 2010, ISBN 978-1-84816-525-0, S. 217.</ref> Neuartig war auch sein Zugang zur Zahlentheorie über unendliche Reihen. Mit dem sog. [[Satz von Euler (Primzahlen)|Satz von Euler]] zeigte er, dass
Erwiesenermaßen etablierte Eulers ursprüngliche Methode der Berechnung von <math> \zeta(m)</math> für höhere Werte von <math>m</math> die [[numerische Mathematik]] als ein neues Forschungsgebiet.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute.'' Imperial College Press, Singapore 2010, ISBN 978-1-84816-525-0, S.&nbsp;217.</ref> Neuartig war auch sein Zugang zur Zahlentheorie über unendliche Reihen. Mit dem sog. [[Satz von Euler (Primzahlen)|Satz von Euler]] zeigte er, dass
:<math>\sum_{p \ \text{Primzahl}} \frac1p = \frac12 + \frac13 + \frac15 + \frac17 + \frac{1}{11} + \frac{1}{13} + \frac{1}{17} + \cdots = \infty</math>
:<math>\sum_{p \ \text{Primzahl}} \frac1p = \frac12 + \frac13 + \frac15 + \frac17 + \frac{1}{11} + \frac{1}{13} + \frac{1}{17} + \cdots = \infty</math>
gilt und deutete sein Resultat dahingehend, dass Primzahlen dichter in den natürlichen Zahlen liegen müssten als Quadratzahlen. Es war zudem Euler, der als erster [[Divergente Folge|divergente Reihen]] systematisch untersuchte.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute.'' Singapore 2010, S. 202.</ref> Dabei entging Euler jedoch keinesfalls die Problematik, welche die Zuweisung eines Summenwertes zu einer divergenten Reihe mit sich bringen konnte. So hatte schon [[Guido Grandi]] aus
gilt und deutete sein Resultat dahingehend, dass Primzahlen dichter in den natürlichen Zahlen liegen müssten als Quadratzahlen. Es war zudem Euler, der als erster [[Divergente Folge|divergente Reihen]] systematisch untersuchte.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute.'' Singapore 2010, S.&nbsp;202.</ref> Dabei entging Euler jedoch keinesfalls die Problematik, welche die Zuweisung eines Summenwertes zu einer divergenten Reihe mit sich bringen konnte. So hatte schon [[Guido Grandi]] aus
:„<math> \frac12 = 1 - 1 + 1 - 1 + \cdots </math>“
:„<math> \frac12 = 1 - 1 + 1 - 1 + \cdots </math>“
die Gleichheit <math>0 = \tfrac12</math> abgeleitet, und damit die Möglichkeit der Erschaffung der Welt aus dem Nichts „bewiesen“. Später bemerkte man weitere Widersprüche, die durch das unbedarfte Rechnen mit divergenten Reihen entstehen können.<ref>Karl Zeller, Wolfgang Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren'' (= ''Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete.'' 2. Folge). Reprint der 2. Auflage von 1970, Springer-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-642-88471-9, S. 3.</ref> Obwohl Euler für seinen Umgang mit divergenten Reihen kritisiert wurde, wird ihm bis heute ein sehr intuitiver Zugang zugestanden. So konnte er einige korrekte Resultate mit dessen Hilfe entdecken, und seine Intuition nahm Ideen aus der Theorie der [[Limitierungsverfahren]], die den Umgang mit divergenten Reihen ab dem 19. Jahrhundert systematisch formalisierte, vorweg.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler: A Tricentennial Tribute.'' Singapore 2010, S. 209–210.</ref>
die Gleichheit <math>0 = \tfrac12</math> abgeleitet, und damit die Möglichkeit der Erschaffung der Welt aus dem Nichts „bewiesen“. Später bemerkte man weitere Widersprüche, die durch das unbedarfte Rechnen mit divergenten Reihen entstehen können.<ref>Karl Zeller, Wolfgang Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren'' (= ''Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete.'' 2. Folge). Reprint der 2.&nbsp;Auflage von 1970, Springer-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-642-88471-9, S.&nbsp;3.</ref> Obwohl Euler für seinen Umgang mit divergenten Reihen kritisiert wurde, wird sein intuitiver Zugang bis heute anerkannt. So konnte er einige korrekte Resultate mit dessen Hilfe entdecken, und seine Intuition nahm Ideen aus der Theorie der [[Limitierungsverfahren]], die den Umgang mit divergenten Reihen ab dem 19. Jahrhundert systematisch formalisierte, vorweg.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler: A Tricentennial Tribute.'' Singapore 2010, S.&nbsp;209–210.</ref>


Nach 1760 entwickelte sich die Theorie der unendlichen Reihen schließlich maßgeblich in die Richtung, die Euler vorgegeben hatte. Der formale Zugang (es wurden etwa Fragen der Konvergenz oft ignoriert, und Terme wurden abstrakt umgeformt) bereitete vielen bemerkenswerten Resultaten den Boden, etwa der [[Lagrangesche Inversionsformel|Lagrangeschen Inversionsformel]], 1768 gezeigt von [[Joseph-Louis Lagrange]] in seiner ''Nouvelle méthode pour résoudre les équations littérales par le moyen des séries'',<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 233.</ref> und der Theorie [[Erzeugende Funktion|erzeugender Funktionen]] von [[Pierre-Simon Laplace]].<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 231.</ref> Im Jahr 1797 konnte Lagrange schließlich die Theorie der analytischen Funktionen konstruieren mit dem Ziel, die Differentialrechnung rein durch formale Betrachtungen aufzubauen.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 290.</ref>
Nach 1760 entwickelte sich die Theorie der unendlichen Reihen schließlich maßgeblich in die Richtung, die Euler vorgegeben hatte. Der formale Zugang (es wurden etwa Fragen der Konvergenz oft ignoriert, und Terme wurden abstrakt umgeformt) bereitete vielen bemerkenswerten Resultaten den Boden, etwa der [[Lagrangesche Inversionsformel|Lagrangeschen Inversionsformel]], 1768 gezeigt von [[Joseph-Louis Lagrange]] in seiner ''Nouvelle méthode pour résoudre les équations littérales par le moyen des séries'',<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;233.</ref> und der Theorie [[Erzeugende Funktion|erzeugender Funktionen]] von [[Pierre-Simon Laplace]].<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;231.</ref> Im Jahr 1797 konnte Lagrange schließlich die Theorie der analytischen Funktionen konstruieren mit dem Ziel, die Differentialrechnung rein durch formale Betrachtungen aufzubauen.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;290.</ref>


=== 19. Jahrhundert ===
=== 19. Jahrhundert ===
[[Datei:Cauchy Augustin Louis dibner coll SIL14-C2-03a.jpg|mini|Augustin-Louis Cauchy]]
[[Datei:Cauchy Augustin Louis dibner coll SIL14-C2-03a.jpg|mini|hochkant|Augustin-Louis Cauchy]]
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stieß die formale Herangehensweise an die Theorie der unendlichen Reihen, also etwa jenseits von Fragen der Konvergenz, zunehmend auf Ablehnung. Ziel war es, zu einem „quantitativen Verständnis“ von Reihen zu gelangen. Die erste Arbeit in diese Richtung stammt von [[Carl Friedrich Gauß]] aus dem Jahr 1813. Zuvor hatte [[Joseph Fourier]] bereits Reihen trigonometrischer Funktionen untersucht, dabei aber einen anderen Ansatz gewählt als vorher Euler und Lagrange. Schließlich gab [[Augustin-Louis Cauchy]] die erste systematische Abhandlung eines rein quantitativen Zugangs zur Theorie der Reihen im Jahr 1821. Ein wesentlicher Grund, weshalb die formale Herangehensweise nicht mehr breite Akzeptanz fand, war, dass sie an einen Punkt gelangt war, an der die Analysis nicht weiter wachsen konnte.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S.&nbsp;311.</ref> Cauchy erklärte dazu:

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand die formale Herangehensweise an die Theorie der unendlichen Reihen, also etwa jenseits von Fragen der Konvergenz, zunehmend Ablehnung. Ziel war es, zu einem „quantitativen Verständnis“ von Reihen zu gelangen. Die erste Arbeit in diese Richtung stammt von [[Carl Friedrich Gauß]] aus dem Jahr 1813. Zuvor hatte [[Joseph Fourier]] bereits Reihen trigonometrischer Funktionen untersucht, dabei aber einen anderen Ansatz gewählt als vorher Euler und Lagrange. Schließlich gab [[Augustin-Louis Cauchy]] die erste systematische Abhandlung eines rein quantitativen Zugangs zur Theorie der Reihen im Jahr 1821. Ein wesentlicher Grund, weshalb die formale Herangehensweise nicht mehr breite Akzeptanz fand, war, dass sie an einen Punkt gelangt war, an der die Analysis nicht weiter wachsen konnte.<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 311.</ref> Cauchy erklärte dazu:


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|Text=Was die Methoden anbelangt, so habe ich mich bemüht, ihnen die ganze Strenge zu geben, die man in der Geometrie braucht, um niemals auf die Argumente zurückgreifen zu müssen, die aus der Allgemeinheit der Algebra stammen. Derartige Begründungen, die zwar allgemein anerkannt sind, insbesondere beim Übergang von konvergenten zu divergenten Reihen und von reellen Größen zu imaginären Ausdrücken, können, wie mir scheint, nur manchmal als Induktionen betrachtet werden, die geeignet sind, die Wahrheit darzustellen, die aber wenig geeignet sind, die in den mathematischen Wissenschaften so gepriesene Exaktheit zu erreichen. Gleichzeitig muss man feststellen, dass sie dazu neigen, den algebraischen Formeln eine unbestimmte Ausdehnung zuzuschreiben, während in Wirklichkeit der größte Teil dieser Formeln nur unter bestimmten Bedingungen und für bestimmte Werte der in ihnen enthaltenen Mengen existiert. Indem ich diese Bedingungen und Werte bestimme und den Sinn der von mir verwendeten Bezeichnungen genau festlege, lasse ich jede Ungewissheit verschwinden; und dann handelt es sich bei den verschiedenen Formeln um nichts anderes als um Beziehungen zwischen reellen Größen, Beziehungen, die immer leicht zu überprüfen sind, wenn man die Größen selbst durch Zahlen ersetzt. Um diesen Prinzipien treu zu bleiben, war ich zugegebenermaßen gezwungen, mehrere Vorschläge zu akzeptieren, die auf den ersten Blick etwas hart erscheinen. Zum Beispiel: Eine divergente Reihe hat keine Summe.
|Text=Was die Methoden anbelangt, so habe ich mich bemüht, ihnen die ganze Strenge zu geben, die man in der Geometrie braucht, um niemals auf die Argumente zurückgreifen zu müssen, die aus der Allgemeinheit der Algebra stammen. Derartige Begründungen, die zwar allgemein anerkannt sind, insbesondere beim Übergang von konvergenten zu divergenten Reihen und von reellen Größen zu imaginären Ausdrücken, können, wie mir scheint, nur manchmal als Induktionen betrachtet werden, die geeignet sind, die Wahrheit darzustellen, die aber wenig geeignet sind, die in den mathematischen Wissenschaften so gepriesene Exaktheit zu erreichen. Gleichzeitig muss man feststellen, dass sie dazu neigen, den algebraischen Formeln eine unbestimmte Ausdehnung zuzuschreiben, während in Wirklichkeit der größte Teil dieser Formeln nur unter bestimmten Bedingungen und für bestimmte Werte der in ihnen enthaltenen Mengen existiert. Indem ich diese Bedingungen und Werte bestimme und den Sinn der von mir verwendeten Bezeichnungen genau festlege, lasse ich jede Ungewissheit verschwinden; und dann handelt es sich bei den verschiedenen Formeln um nichts anderes als um Beziehungen zwischen reellen Größen, Beziehungen, die immer leicht zu überprüfen sind, wenn man die Größen selbst durch Zahlen ersetzt. Um diesen Prinzipien treu zu bleiben, war ich zugegebenermaßen gezwungen, mehrere Vorschläge zu akzeptieren, die auf den ersten Blick etwas hart erscheinen. Zum Beispiel: Eine divergente Reihe hat keine Summe.
|Autor=Augustin-Louis Cauchy
|Autor=Augustin-Louis Cauchy
|ref=<ref>Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s.'' New York (NY) 2008, S. 347.</ref>}}
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Im weiteren Verlauf verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt entsprechend auf den „quantitativen Umgang“ mit Reihen, der sich in vielerlei Hinsicht als schwieriger und gleichzeitig fruchtbarer erwies. So kam die Frage nach Kriterien auf, wie man entscheiden könnte, ob eine unendliche Reihe überhaupt konvergiert. Beiträge in diese Richtung stammen unter anderem von [[Niels Henrik Abel]], Augustin-Louis Cauchy, [[Peter Gustav Lejeune Dirichlet]] und Carl Friedrich Gauß. In dieser Zeit machten sich auch Cauchy und [[Karl Weierstraß]] um den Aufbau der modernen [[Funktionentheorie]] verdient. Besonders Weierstraß verwendete dafür systematisch eine moderne, bis heute gebräuchliche Theorie der [[Potenzreihe]]n.<ref name="RS3">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2002, S. 3.</ref> In seinem 1859 verfassten Artikel ''[[Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grösse.]]''<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 458.</ref> nutzte [[Bernhard Riemann]] diese „strenge“ Funktionentheorie, um Primzahlen zu untersuchen. Die Schwierigkeit lag darin, der Reihe
Im weiteren Verlauf verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt entsprechend auf den „quantitativen Umgang“ mit Reihen, der sich in vielerlei Hinsicht als schwieriger und gleichzeitig fruchtbarer erwies. So kam die Frage nach Kriterien auf, wie man entscheiden könnte, ob eine unendliche Reihe überhaupt konvergiert. Beiträge in diese Richtung stammen unter anderem von [[Niels Henrik Abel]], Augustin-Louis Cauchy, [[Peter Gustav Lejeune Dirichlet]] und Carl Friedrich Gauß. In dieser Zeit machten sich auch Cauchy und [[Karl Weierstraß]] um den Aufbau der modernen [[Funktionentheorie]] verdient. Besonders Weierstraß verwendete dafür systematisch eine moderne, bis heute gebräuchliche Theorie der [[Potenzreihe]]n.<ref name="RS3">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2002, S.&nbsp;3.</ref> In seinem 1859 verfassten Artikel ''[[Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grösse.]]''<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;458.</ref> nutzte [[Bernhard Riemann]] diese „strenge“ Funktionentheorie, um Primzahlen zu untersuchen. Die Schwierigkeit lag darin, der Reihe
:<math>1 + \frac{1}{2^s} + \frac{1}{3^s} + \frac{1}{4^s} + \cdots</math>
:<math>1 + \frac{1}{2^s} + \frac{1}{3^s} + \frac{1}{4^s} + \cdots</math>
auch außerhalb ihren [[Konvergenzbereich]]s einen „quantitativen Sinn“ zu geben.<ref name="HE114">Harold Mortimer Edwards: ''Riemann’s Zeta Function.'' Academic Press, New York 1974, ISBN 0-12-232750-0, S.&nbsp;9.</ref> Zuvor hatte Euler ebenfalls diese sogenannte [[Riemannsche Zeta-Funktion|Zeta-Funktion]] studiert, jedoch nur als formales Objekt und nicht über den komplexen Zahlen, weshalb ihm strenge Beweise, etwa für ihre [[Funktionalgleichung]], verwehrt geblieben waren. Auch wurden die Unterschiede zwischen bedingter und absoluter Konvergenz herausgearbeitet. So zeigte Riemann im Jahr 1866 den [[Riemannscher Umordnungssatz|Riemannschen Umordnungssatz]].<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 328.</ref> Auch konnten mit Hilfe der Reihen [[Pathologisches Beispiel|pathologische Beispiele]] in der Analysis konstruiert werden. Karl Weierstraß zeigte 1872, dass die [[Weierstraß-Funktion]]
auch außerhalb ihres [[Konvergenzbereich]]s einen „quantitativen Sinn“ zu geben.<ref name="HE114">Harold Mortimer Edwards: ''Riemann’s Zeta Function.'' Academic Press, New York 1974, ISBN 0-12-232750-0, S.&nbsp;9.</ref> Zuvor hatte Euler ebenfalls diese sogenannte [[Riemannsche Zeta-Funktion|Zeta-Funktion]] studiert, jedoch nur als formales Objekt und nicht über den komplexen Zahlen, weshalb ihm strenge Beweise, etwa für ihre [[Funktionalgleichung]], verwehrt geblieben waren. Auch wurden die Unterschiede zwischen bedingter und absoluter Konvergenz herausgearbeitet. So zeigte Riemann im Jahr 1866 den [[Riemannscher Umordnungssatz|Riemannschen Umordnungssatz]].<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;328.</ref> Auch konnten mit Hilfe der Reihen [[Pathologisches Beispiel|pathologische Beispiele]] in der Analysis konstruiert werden. Karl Weierstraß zeigte 1872, dass die [[Weierstraß-Funktion]]
:<math>W(x) := \sum_{n=1}^\infty b^n \cos(a^n x)</math>, mit <math>a \in \N_{>1}</math> und <math>0 < b < 1</math> mit <math>ab > 1 + \frac{3\pi}{2}</math>
:<math>W(x) := \sum_{n=1}^\infty b^n \cos(a^n x)</math>, mit <math>a \in \N_{>1}</math> und <math>0 < b < 1</math> mit <math>ab > 1 + \frac{3\pi}{2}</math>
in <math>\R</math> zwar überall [[Stetige Funktion|stetig]], aber nirgends [[Differenzierbarkeit|differenzierbar]] ist.<ref>Elias Stein, Rami Shakarchi: ''Complex analysis'' (=''Princeton lectures in analysis.''). Princeton University Press, Princeton (NJ) 2003, ISBN 0-691-11385-8, S. 113.</ref>
in <math>\R</math> zwar überall [[Stetige Funktion|stetig]], aber nirgends [[Differenzierbarkeit|differenzierbar]] ist.<ref>Elias Stein, Rami Shakarchi: ''Complex analysis'' (= ''Princeton lectures in analysis.''). Princeton University Press, Princeton (NJ) 2003, ISBN 0-691-11385-8, S.&nbsp;113.</ref>


Die Theorie der divergenten Reihen wurde jedoch nicht gänzlich verworfen. War sie von Cauchy und Abel noch als „Erfindung des Teufels“ gebrandmarkt worden, lieferte ironischerweise der [[Abelscher Grenzwertsatz|Abelsche Grenzwertsatz]] einen Grundstein für eine moderne und widerspruchsfreie Theorie der Limitierungsverfahren divergenter Reihen, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von [[Émile Borel]] und [[Ferdinand Georg Frobenius]] vorangetrieben wurde.<ref>K. Zeller, W. Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren.'' Berlin 2014, S. 3–4.</ref>
Die Theorie der divergenten Reihen wurde jedoch nicht gänzlich verworfen. War sie von Cauchy und Abel noch als „Erfindung des Teufels“ gebrandmarkt worden, lieferte ironischerweise der [[Abelscher Grenzwertsatz|Abelsche Grenzwertsatz]] einen Grundstein für eine moderne und widerspruchsfreie Theorie der Limitierungsverfahren divergenter Reihen, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von [[Émile Borel]] und [[Ferdinand Georg Frobenius]] vorangetrieben wurde.<ref>K. Zeller, W. Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren.'' Berlin 2014, S.&nbsp;3–4.</ref>


=== 20. Jahrhundert bis heute ===
=== 20. Jahrhundert bis heute ===


Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde unter anderem eine „strenge“ Theorie der divergenten Reihen, unter Vorbehalt gewisser Voraussetzungen, aufgebaut. Bei diesen [[Limitierungsverfahren]] wird, unter Berücksichtigung des quantitativen Verständnisses von Reihen, durch [[Grenzwert (Folge)|Limesbildung]] der Konvergenzbegriff verallgemeinert, so dass die Klasse „konvergenter Reihen“ ausgedehnt wird.<ref>K. Zeller, W. Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren.'' Berlin 2014, S. 4 ff.</ref> Der [[Autodidakt]] [[Srinivasa Ramanujan]] hatte 1910 unter anderem durch die Behauptung
Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde unter anderem eine „strenge“ Theorie der divergenten Reihen, unter Vorbehalt gewisser Voraussetzungen, aufgebaut. Bei diesen [[Limitierungsverfahren]] wird, unter Berücksichtigung des quantitativen Verständnisses von Reihen, durch [[Grenzwert (Folge)|Limesbildung]] der Konvergenzbegriff verallgemeinert, sodass die Klasse „konvergenter Reihen“ ausgedehnt wird.<ref>K. Zeller, W. Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren.'' Berlin 2014, S.&nbsp;4&nbsp;ff.</ref> Der [[Autodidakt]] [[Srinivasa Ramanujan]] hatte 1910 unter anderem durch die Behauptung

[[Datei:Srinivasa Ramanujan - OPC - 1.jpg|mini|Srinivasa Ramanujan]]
[[Datei:Srinivasa Ramanujan - OPC - 1.jpg|mini|hochkant|Srinivasa Ramanujan]]
:„<math>1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + \cdots = -\frac{1}{12}</math>“
:„<math>1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + \cdots = -\frac{1}{12}</math>“
für Aufmerksamkeit gesorgt, wobei neben weitestgehender Ablehnung (wegen der offensichtlichen Divergenz der Reihe zur linken Seite) der Brite [[Godfrey Harold Hardy]] darin eine korrekte „Auswertung“ des Funktionswertes <math>\zeta(-1)</math> mit der [[Riemannsche Zeta-Funktion|Riemannschen Zeta-Funktion]] <math>\textstyle \zeta(s) := \sum_{n=1}^\infty n^{-s}</math> wiedererkannte. Ramanujan hatte, ähnlich wie Leonhard Euler, eine gute Intuition für Limitierungsverfahren gehabt, und damit einige tiefe Resultate vorhergesagt, ohne dafür strenge Beweise anzugeben.<ref>Srinivasa Ramanujan Aiyangar, Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part I.'' E-Book, Springer Science+Business Media, New York 1985, ISBN 1-4612-1088-7, S.&nbsp;133.</ref> Zu seinen zahlreichen Entdeckungen gehörten Reihenformeln wie<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part II.'' E-Book, Springer-Verlag, New York 1989, ISBN 1-4612-4530-3, S.&nbsp;248.</ref>
für Aufmerksamkeit gesorgt, wobei neben weitestgehender Ablehnung (wegen der offensichtlichen Divergenz der Reihe zur linken Seite) der Brite [[Godfrey Harold Hardy]] darin eine korrekte „Auswertung“ des Funktionswertes <math>\zeta(-1)</math> mit der [[Riemannsche Zeta-Funktion|Riemannschen Zeta-Funktion]] <math>\textstyle \zeta(s) := \sum_{n=1}^\infty n^{-s}</math> wiedererkannte (siehe auch [[Summe aller natürlichen Zahlen]]). Ramanujan hatte, ähnlich wie Leonhard Euler, eine gute Intuition für Limitierungsverfahren gehabt, und damit einige tiefgreifende Resultate vorhergesagt, ohne dafür strenge Beweise anzugeben.<ref>Srinivasa Ramanujan Aiyangar, Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part I.'' E-Book, Springer Science+Business Media, New York 1985, ISBN 1-4612-1088-7, S.&nbsp;133.</ref> Zu seinen zahlreichen Entdeckungen gehörten Reihenformeln wie<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part&nbsp;II.'' E-Book, Springer-Verlag, New York 1989, ISBN 1-4612-4530-3, S.&nbsp;248.</ref>
:<math>\sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2 + z^2 + \frac{z^4}{n^2}} = \frac{\pi}{2z\sqrt{3}} \frac{\sinh(\pi z \sqrt{3}) - \sqrt{3} \sin(\pi z)}{\cosh(\pi z \sqrt{3}) - \cos(\pi z)} \qquad (z \notin e^{\pm \frac{\pi i}{3}}\N)</math>
:<math>\sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2 + z^2 + \frac{z^4}{n^2}} = \frac{\pi}{2z\sqrt{3}} \frac{\sinh(\pi z \sqrt{3}) - \sqrt{3} \sin(\pi z)}{\cosh(\pi z \sqrt{3}) - \cos(\pi z)} \qquad (z \notin e^{\pm \frac{\pi i}{3}}\N)</math>
und auch<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part II.'' New York 1989, S.&nbsp;253.</ref>
und auch<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part&nbsp;II.'' New York 1989, S.&nbsp;253.</ref>
:<math> \alpha \sum_{k=1}^\infty \frac{\sinh(2\alpha n k)}{e^{2\alpha^2 k} - 1} + \beta \sum_{k=1}^\infty \frac{\sin(2\beta n k)}{e^{2\beta^2 k} - 1} = \frac{\alpha \coth(\alpha n)}{4} - \frac{\beta \cot(\beta n)}{4} - \frac12 n, \qquad (\alpha, \beta, n > 0, \alpha \beta = \pi, 0 < \beta n < \pi).</math>
:<math> \alpha \sum_{k=1}^\infty \frac{\sinh(2\alpha n k)}{e^{2\alpha^2 k} - 1} + \beta \sum_{k=1}^\infty \frac{\sin(2\beta n k)}{e^{2\beta^2 k} - 1} = \frac{\alpha \coth(\alpha n)}{4} - \frac{\beta \cot(\beta n)}{4} - \frac12 n \qquad (\alpha, \beta, n > 0, \alpha \beta = \pi, 0 < \beta n < \pi).</math>


<math>\sinh, \cosh, \cot</math> und <math>\coth</math> bezeichnen respektive den [[Sinus hyperbolicus]], [[Cosinus hyperbolicus]], [[Kotangens]] und den [[Kotangens hyperbolicus]], <math>e</math> bezeichnet die [[Eulersche Zahl]].
Dabei bezeichnen <math>\sinh, \cosh, \cot</math> und <math>\coth</math> den [[Sinus hyperbolicus]], [[Cosinus hyperbolicus]], [[Kotangens]] und den [[Kotangens hyperbolicus]], <math>e</math> bezeichnet die [[Eulersche Zahl]].


Der Ramanujanexperte [[Bruce Berndt]] wies darauf hin, dass unter den Veröffentlichungen im 20. Jahrhundert, die durch Ramanujan vorhergesagte Formeln im Nachhinein bewiesen, ein Großteil zum Thema der unendlichen Reihen gehörte.<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part II.'' New York 1989, S.&nbsp;240.</ref>
Der Ramanujanexperte [[Bruce Berndt]] wies darauf hin, dass unter den Veröffentlichungen im 20. Jahrhundert, die durch Ramanujan vorhergesagte Formeln im Nachhinein bewiesen, ein Großteil zum Thema der unendlichen Reihen gehörte.<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part&nbsp;II.'' New York 1989, S.&nbsp;240.</ref>


Konvergenzklassen in der Theorie der Limitierungsverfahren wurden als unterschiedlich groß erkannt. Zum Beispiel wurde bereits von Abel gezeigt, dass, falls <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, auch der Grenzwert
Konvergenzklassen in der Theorie der Limitierungsverfahren wurden als unterschiedlich groß erkannt. Zum Beispiel zeigte bereits Abel, dass, falls <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, auch der Grenzwert
:<math> \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^n = \sum_{n=0}^\infty a_n</math>
:<math> \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^n = \sum_{n=0}^\infty a_n</math>
existieren muss. Die ''Umkehrung'' dieses Resultats ist jedoch nicht richtig: Es existieren Reihen, die sich im obigen Sinne limitieren lassen mit divergenter Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math>. Das Resultat Abels, das also eine Konvergenzklasse, nämlich die „klassische Konvergenz“, in eine größere Klasse einbettet, ist Spezialfall eines ''Abelschen Theorems''. Sätze, die [[Hinreichende Bedingung|hinreichende Bedingungen]] für Umkehrungen von Abelschen Sätzen herausarbeiten, wurden durch Arbeiten von [[Alfred Tauber]] initiiert.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 1 ff.</ref> Tauber zeigte, dass, falls <math>\textstyle \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^n</math> existiert und <math>na_n \to 0</math>, die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergieren muss. Die sogenannten [[Tauber-Theorem]]e spielen bis heute in der Zahlentheorie, etwa beim Beweis des [[Primzahlsatz]]es, eine bedeutende Rolle.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York, S. 133–134.</ref> Besonders Godfrey Harold Hardy und [[John Edensor Littlewood]] griffen die Ideen Taubers auf und verallgemeinerten sie. Im Jahr 1949 erschien Hardys Buch mit dem Titel ''Divergent Series''.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 1.</ref>
existieren muss. Die ''Umkehrung'' dieses Resultats ist jedoch nicht richtig: Es existieren Reihen, die sich im obigen Sinne limitieren lassen mit divergenter Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math>. Das Resultat Abels, das also eine Konvergenzklasse, nämlich die „klassische Konvergenz“, in eine größere Klasse einbettet, ist Spezialfall eines ''Abelschen Theorems''. Sätze, die [[Hinreichende Bedingung|hinreichende Bedingungen]] für Umkehrungen von Abelschen Sätzen herausarbeiten, wurden durch Arbeiten von [[Alfred Tauber]] initiiert.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;1&nbsp;ff.</ref> Tauber zeigte, dass, falls <math>\textstyle \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^n</math> existiert und <math>na_n \to 0</math>, die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergieren muss. Die sogenannten [[Tauber-Theorem]]e spielen bis heute in der Zahlentheorie, etwa beim Beweis des [[Primzahlsatz]]es, eine bedeutende Rolle.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York, S.&nbsp;133–134.</ref> Besonders Godfrey Harold Hardy und [[John Edensor Littlewood]] griffen die Ideen Taubers auf und verallgemeinerten sie. Im Jahr 1949 erschien Hardys Buch mit dem Titel ''Divergent Series''.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;1.</ref>


Auch in der Theorie der Fourierreihen wurden weitere Erfolge erzielt. 1923 konstruierte [[Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow]] eine [[Lp-Raum|<math>L^1</math>-integrable Funktion]], deren Fourierreihe [[fast überall]] divergiert.<ref>Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow: ''Une série de Fourier–Lebesgue divergente presque partout.'' In: ''Fundamenta Mathematicae.'' 1923, Band 4, Nr. 1, S. 324–328, {{ISSN|0016-2736}}. hier S. 32.</ref> Dies widersprach Vermutungen seines Lehrers [[Nikolai Nikolajewitsch Lusin]], der die [[punktweise Konvergenz]] solcher Fourierreihen vermutete. Für quadratintegrable Funktionen (Klasse <math>L^2</math>) vermutete man ebenfalls lange, dass sich Gegenbeispiele finden lassen würden, bis [[Lennart Carleson]] 1966 Lusins Vermutung für diese Klasse bewies.<ref>ennart Carleson: ''On convergence and growth of partial sums of Fourier series'' In: ''Acta Mathematica.'' Band 116, 1966, S. 135–157.</ref>
Auch in der Theorie der Fourierreihen wurden weitere Erfolge erzielt. 1923 konstruierte [[Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow]] eine [[Lp-Raum|<math>L^1</math>-integrable Funktion]], deren Fourierreihe [[fast überall]] divergiert.<ref>Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow: ''Une série de Fourier–Lebesgue divergente presque partout.'' In: ''Fundamenta Mathematicae.'' 1923, Band 4, Nr.&nbsp;1, S.&nbsp;324–328, {{ISSN|0016-2736}}, hier S.&nbsp;32.</ref> Dies widersprach Vermutungen seines Lehrers [[Nikolai Nikolajewitsch Lusin]], der die [[punktweise Konvergenz]] solcher Fourierreihen vermutete. Für quadratintegrable Funktionen (Klasse <math>L^2</math>) vermutete man ebenfalls lange, dass sich Gegenbeispiele finden lassen würden, bis [[Lennart Carleson]] 1966 Lusins Vermutung für diese Klasse bewies.<ref>Lennart Carleson: ''On convergence and growth of partial sums of Fourier series.'' In: ''Acta Mathematica.'' Band 116, 1966, S.&nbsp;135–157.</ref>


Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden Reihen verstärkt auch in formalen algebraischen Rahmen, also jenseits von Konvergenzfragen, als abstrakte Strukturen untersucht. So formen etwa die formalen Potenzreihen <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> mit Koeffizienten <math>a_n \in R</math> in einem [[Ring (Algebra)|Ring]] <math>R</math> zusammen mit komponentenweiser Addition und dem [[Cauchyprodukt]] einen Ring <math>R[[z]]</math>.<ref>Eberhard Freitag: ''Funktionentheorie 2.'' Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2009, S. 311.</ref> Häufig wird die Wahl <math>R = \C</math> getroffen. In diesem Fall ist <math>\C[[z]]</math> sogar [[Faktorieller Ring|faktoriell]].<ref>E. Freitag: ''Funktionentheorie 2.'' Berlin/ Heidelberg 2009, S. 326 ff.</ref> Im Jahr 1959 konnten E. D. Cashwell und C. J. Everett zeigen, dass der Ring der formalen Dirichletreihen [[Isomorphismus|isomorph]] zu einem Potenzreihenring mit abzählbar vielen Veränderlichen, und damit insbesondere faktoriell, ist.<ref>Edmond D. Cashwell, C. J. Everett: ''The ring of number-theoretic functions.'' In: ''Pacific Journal of Mathematics.'' 1959, Band 9, Nr. 4, S. 975–985 ([[doi:10.2140/pjm.1959.9.975]]).</ref> Ferner erwies sich der „algebraische“ Umgang mit Reihen auch für die [[Kombinatorik]] von großem Nutzen. Diese Initiative wurde unter anderem von [[George Andrews (Mathematiker)|George Andrews]] seit den 1970er Jahren vorangetrieben, der zahlreiche kombinatorische Fragen, etwa zu den [[Partitionsfunktion|Partitionen]], durch Reihenumformungen beantworten konnte, und an einem systematischen Ausbau der Theorie sogenannter „<math>q</math>-Reihen“ maßgeblich beteiligt war.<ref>Krishnaswami Alladi: ''Ramanujan’s Place in the World of Mathematics: Essays Providing a Comparative Study.'' Springer-Verlag, New Delhi 2013, S. 122 ([https://books.google.com/books?id=XLNJDylP53QC&pg=PA122 eingeschränkte Buchvorschau auf google-books]).</ref><ref>George E. Andrews: ''The Theory of Partitions'' (= ''Encyclopedia of mathematics and its applications.''). Cambridge University Press, Cambridge 1984, ISBN 0-521-30222-6, S. 16 ff.</ref> Allerdings waren derartige Ansätze bereits zu den Zeiten Leonhard Eulers bekannt, der unter anderem den [[Pentagonalzahlensatz]] bewies.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute.'' Imperial College Press, S. xvii.</ref>
Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden Reihen verstärkt auch in formalen algebraischen Rahmen, also jenseits von Konvergenzfragen, als abstrakte Strukturen untersucht. So formen etwa die formalen Potenzreihen <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> mit Koeffizienten <math>a_n \in R</math> in einem [[Ring (Algebra)|Ring]] <math>R</math> zusammen mit komponentenweiser Addition und dem [[Cauchyprodukt]] einen Ring <math>R[[z]]</math>.<ref>Eberhard Freitag: ''Funktionentheorie 2.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2009, S.&nbsp;311.</ref> Häufig wird die Wahl <math>R = \C</math> getroffen. In diesem Fall ist <math>\C[[z]]</math> sogar [[Faktorieller Ring|faktoriell]].<ref>E. Freitag: ''Funktionentheorie 2.'' Berlin/Heidelberg 2009, S.&nbsp;326&nbsp;ff.</ref> Im Jahr 1959 konnten E. D. Cashwell und C. J. Everett zeigen, dass der Ring der formalen [[Dirichletreihe]]n [[Isomorphismus|isomorph]] zu einem Potenzreihenring mit [[Abzählbare Menge|abzählbar]] vielen Veränderlichen, und damit insbesondere faktoriell, ist.<ref>Edmond D. Cashwell, C. J. Everett: ''The ring of number-theoretic functions.'' In: ''Pacific Journal of Mathematics.'' 1959, Band 9, Nr.&nbsp;4, S.&nbsp;975–985 ([[doi:10.2140/pjm.1959.9.975]]).</ref> Ferner erwies sich der „algebraische“ Umgang mit Reihen auch für die [[Kombinatorik]] von großem Nutzen. Diese Initiative wurde unter anderem von [[George Andrews (Mathematiker)|George Andrews]] seit den 1970er Jahren vorangetrieben, der zahlreiche kombinatorische Fragen, etwa zu den [[Partitionsfunktion|Partitionen]], durch Reihenumformungen beantworten konnte, und an einem systematischen Ausbau der Theorie sogenannter „<math>q</math>-Reihen“ maßgeblich beteiligt war.<ref>Krishnaswami Alladi: ''Ramanujan’s Place in the World of Mathematics: Essays Providing a Comparative Study.'' Springer-Verlag, New Delhi 2013, S.&nbsp;122 ([https://books.google.com/books?id=XLNJDylP53QC&pg=PA122 eingeschränkte Buchvorschau auf google-books,] abgerufen am 5.&nbsp;März 2024).</ref><ref>George E. Andrews: ''The Theory of Partitions'' (= ''Encyclopedia of mathematics and its applications.''). Cambridge University Press, Cambridge 1984, ISBN 0-521-30222-6, S.&nbsp;16&nbsp;ff.</ref> Allerdings waren derartige Ansätze bereits zu den Zeiten Leonhard Eulers bekannt, der unter anderem den [[Pentagonalzahlensatz]] bewies.<ref>Lokenath Debnath: ''The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute.'' Imperial College Press, S.&nbsp;xvii.</ref>


Bis zum heutigen Tage sind Konvergenzfragen von Reihen von höchster Bedeutung und keinesfalls gelöst. So wird etwa die [[Riemannsche Vermutung]], eines der sieben [[Millennium-Probleme]], auf dessen Lösung der Preis von 1 Million [[US-Dollar]] ausgesetzt ist, von der Konvergenz der Reihe
Bis zum heutigen Tage sind Konvergenzfragen von Reihen von höchster Bedeutung und keinesfalls gelöst. So wird etwa die [[Riemannsche Vermutung]], eines der sieben [[Millennium-Probleme]], auf dessen Lösung der Preis von 1 Million [[US-Dollar]] ausgesetzt ist, von der Konvergenz der Reihe
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{\mu(n)}{n^x} = 1 - \frac{1}{2^x} - \frac{1}{3^x} - \frac{1}{5^x} + \frac{1}{6^x} - \frac{1}{7^x} + \cdots</math>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{\mu(n)}{n^x} = 1 - \frac{1}{2^x} - \frac{1}{3^x} - \frac{1}{5^x} + \frac{1}{6^x} - \frac{1}{7^x} + \cdots</math>
für ''alle'' Werte <math>x > \tfrac12</math> impliziert.<ref>[[Władysław Narkiewicz]]: ''The Development in Prime Number Theory: from Euclid to Hardy and Littlewood'' (= ''Springer Monographs in Mathematics.''). Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2000, ISBN 3-540-66289-8, S. 158.</ref> Dabei hängt die [[Möbiusfunktion]] <math>\mu(n)</math> eng mit der Verteilung der Primzahlen zusammen. Bis dato ist lediglich Konvergenz für <math>x \geq 1</math> und die Tatsache
für ''alle'' Werte <math>x > \tfrac12</math> impliziert.<ref>[[Władysław Narkiewicz]]: ''The Development in Prime Number Theory: from Euclid to Hardy and Littlewood'' (= ''Springer Monographs in Mathematics.''). Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2000, ISBN 3-540-66289-8, S.&nbsp;158.</ref> Dabei hängt die [[Möbiusfunktion]] <math>\mu(n)</math> eng mit der Verteilung der Primzahlen zusammen. Bis dato ist lediglich Konvergenz für <math>x \geq 1</math> und die Tatsache
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{\mu(n)}{n} = 0</math>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{\mu(n)}{n} = 0</math>
bekannt, was äquivalent zum [[Primzahlsatz]] ist.<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' (= ''Graduate Studies in Mathematics.'' Band 160). American Mathematical Society, Providence (R.I.) 2014, ISBN 978-1-4704-1706-2, S. 52.</ref>
bekannt, was äquivalent zum [[Primzahlsatz]] ist.<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' (= ''Graduate Studies in Mathematics.'' Band 160). American Mathematical Society, Providence (R.I.) 2014, ISBN 978-1-4704-1706-2, S.&nbsp;52.</ref>


== Rechnen mit Reihen ==
== Rechnen mit Reihen ==
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Man kann ''konvergente'' Reihen gliedweise addieren, subtrahieren oder mit einem festen Faktor (aber nicht einer anderen Reihe) multiplizieren (vervielfachen). Die resultierenden Reihen sind ebenfalls konvergent, und ihr Grenzwert ist die Summe bzw. Differenz der Grenzwerte der Ausgangsreihen bzw. das Vielfache des Grenzwertes der Ausgangsreihe. D.&nbsp;h.:
Man kann ''konvergente'' Reihen gliedweise addieren, subtrahieren oder mit einem festen Faktor (aber nicht einer anderen Reihe) multiplizieren (vervielfachen). Die resultierenden Reihen sind ebenfalls konvergent, und ihr Grenzwert ist die Summe bzw. Differenz der Grenzwerte der Ausgangsreihen bzw. das Vielfache des Grenzwertes der Ausgangsreihe. D.&nbsp;h.:


:<math>\sum_{j=0}^\infty (a_j \pm b_j) = \sum_{j=0}^\infty a_j \pm \sum_{j=0}^\infty b_j = s \pm t</math>
:<math>\sum_{j=0}^\infty (a_j \pm b_j) = \sum_{j=0}^\infty a_j \pm \sum_{j=0}^\infty b_j</math>

:<math>\sum_{j=0}^\infty A a_j = A \sum_{j=0}^\infty a_j = A s</math>,


wenn <math>\textstyle \sum_{j=0}^\infty a_j = s</math> und <math>\textstyle \sum_{j=0}^\infty b_j = t</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 135–136.</ref>
:<math>\sum_{j=0}^\infty A a_j = A \sum_{j=0}^\infty a_j</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;135–136.</ref>


=== Produkte ===
=== Produkte ===


Man kann ''absolut konvergente'' Reihen gliedweise miteinander multiplizieren. Die Produktreihe ist ebenfalls absolut konvergent und ihr Grenzwert ist das Produkt der Grenzwerte der Ausgangsreihen. D.&nbsp;h.:<ref>T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 262.</ref>
Man kann ''absolut konvergente'' Reihen gliedweise miteinander multiplizieren. Die Produktreihe ist ebenfalls absolut konvergent und ihr Grenzwert ist das Produkt der Grenzwerte der Ausgangsreihen. D.&nbsp;h.:<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;262.</ref>
:<math>\sum_{j, k=0}^\infty (a_j b_k) = \left(\sum_{j=0}^\infty a_j\right) \cdot \left( \sum_{k=0}^\infty b_k \right)</math>
:<math>\sum_{j, k=0}^\infty (a_j b_k) = \left(\sum_{j=0}^\infty a_j\right) \cdot \left( \sum_{k=0}^\infty b_k \right)</math>


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:<math>\sum_{j, k=0}^\infty (a_j b_k) = \sum_{n=0}^\infty (a_0b_n + a_1b_{n-1} + \dotsb + a_{n-1}b_1 + a_nb_0) = \sum_{n=0}^\infty \underbrace{\left(\sum_{m=0}^n a_m b_{n-m}\right)}_{:= c_n}</math>
:<math>\sum_{j, k=0}^\infty (a_j b_k) = \sum_{n=0}^\infty (a_0b_n + a_1b_{n-1} + \dotsb + a_{n-1}b_1 + a_nb_0) = \sum_{n=0}^\infty \underbrace{\left(\sum_{m=0}^n a_m b_{n-m}\right)}_{:= c_n}</math>


Der [[Satz von Mertens (Cauchy-Produkt)|Satz von Mertens]] besagt, dass das Produkt <math>\textstyle \sum c_n</math> beider Reihen <math>\textstyle \sum a_j</math> und <math>\textstyle \sum b_k</math> auch noch dann gegen das Produkt der Grenzwerte konvergiert, wenn mindestens eine der beiden Reihen absolut konvergiert.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 330.</ref>
Der [[Satz von Mertens (Cauchy-Produkt)|Satz von Mertens]] besagt, dass das Produkt <math>\textstyle \sum c_n</math> beider Reihen <math>\textstyle \sum a_j</math> und <math>\textstyle \sum b_k</math> auch noch dann gegen das Produkt der Grenzwerte konvergiert, wenn mindestens eine der beiden Reihen absolut konvergiert.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;330.</ref> Es konvergiert die Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty c_k</math> mit <math>\textstyle c_k = \sum_{j=0}^k a_j b_{k-j}</math> ''[[Logische Äquivalenz|genau dann]]'' für ''alle'' konvergenten <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty b_k</math>, falls <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty a_k</math> absolut konvergiert.<ref>Edwin F. Beckenbach, Richard Bellmann: ''Inequalities.'' Berlin / Heidelberg / New York 1965, S.&nbsp;117.</ref>


Anwendungen haben Reihenprodukte zum Beispiel beim Nachweis von [[Funktionalgleichung]]en. Setzt man etwa
Anwendungen haben Reihenprodukte zum Beispiel beim Nachweis von [[Funktionalgleichung]]en. Setzt man etwa
:<math>\exp(x) := \sum_{n=0}^\infty \frac{x^n}{n!},</math>
:<math>\exp(x) := \sum_{n=0}^\infty \frac{x^n}{n!} = 1 + x + \frac{x^2}{2} + \frac{x^3}{6} + \frac{x^4}{24} + \cdots,</math>
so konvergiert die betroffene Reihe für alle <math>x \in \R</math> absolut. Mit dem [[Binomischer Lehrsatz|binomischen Lehrsatz]] erhält man für <math>a_j := \tfrac{x_1^j}{j!}</math> und <math>b_k := \tfrac{x_2^k}{k!}</math>:
so konvergiert die betroffene Reihe für alle <math>x \in \R</math> absolut. Mit dem [[Binomischer Lehrsatz|binomischen Lehrsatz]] erhält man für <math>a_j := \tfrac{x_1^j}{j!}</math> und <math>b_k := \tfrac{x_2^k}{k!}</math>:
:<math>c_n = \sum_{k=0}^n a_k b_{n-k} = \sum_{k=0}^n \frac{x_1^k x_2^{n-k}}{k! (n-k)!} = \frac{1}{n!} \sum_{k=0}^n \frac{n!}{k!(n-k)!} x_1^k x_2^{n-k} = \frac{(x_1+x_2)^n}{n!}.</math>
:<math>c_n = \sum_{k=0}^n a_k b_{n-k} = \sum_{k=0}^n \frac{x_1^k x_2^{n-k}}{k! (n-k)!} = \frac{1}{n!} \sum_{k=0}^n \frac{n!}{k!(n-k)!} x_1^k x_2^{n-k} = \frac{(x_1+x_2)^n}{n!}.</math>
Damit folgt mit dem Cauchyprodukt für alle <math>x_1, x_2 \in \R</math>
Damit folgt mit dem Cauchyprodukt für alle <math>x_1, x_2 \in \R</math>
:<math>\exp(x_1)\exp(x_2) = \exp(x_1+x_2),</math>
:<math>\exp(x_1)\exp(x_2) = \exp(x_1+x_2),</math>
was die Funktionalgleichung der [[Exponentialfunktion]] ist.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 148.</ref>
was die Funktionalgleichung der [[Exponentialfunktion]] ist.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;148.</ref>


=== Rechnen innerhalb der Reihe ===
=== Rechnen innerhalb der Reihe ===
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gegen Null konvergiert und die anders beklammerte Reihe
gegen Null konvergiert und die anders beklammerte Reihe
:<math> 1 + \sum_{k=1}^\infty ((-1)^{2k-1} + (-1)^{2k}) = 1 + (-1 + 1) + (-1 + 1) + \dotsb = 1+ 0 + 0 + \dotsb = 1 </math>
:<math> 1 + \sum_{k=1}^\infty ((-1)^{2k-1} + (-1)^{2k}) = 1 + (-1 + 1) + (-1 + 1) + \dotsb = 1+ 0 + 0 + \dotsb = 1 </math>
gegen noch eine andere Zahl konvergiert.<ref name="Knopp134">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 134.</ref>
gegen noch eine andere Zahl konvergiert.<ref name="Knopp134">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;134.</ref>


Andererseits kann man aber keine Klammern ohne Weiteres ''weg''lassen. Man kann das aber immer dann, wenn die resultierende Reihe wieder konvergent ist. In diesem Falle bleibt auch der Reihenwert unverändert: Sind die Glieder <math>A_k</math> einer konvergenten Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty A_k</math> selbst in Summenform <math>A_k = a_{\nu_k+1} + \cdots + a_{\nu_{k+1}}</math> (mit <math>k=0, 1, \dots</math> und <math>\nu_0 = -1</math>), so „darf“ man die sie umschließenden Klammern genau dann weglassen, wenn die dadurch entstehende neue Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> wieder konvergiert.<ref name="Knopp134" />
Andererseits kann man aber keine Klammern ohne Weiteres ''weg''lassen. Man kann das aber immer dann, wenn die resultierende Reihe wieder konvergent ist. In diesem Falle bleibt auch der Reihenwert unverändert: Sind die Glieder <math>A_k</math> einer konvergenten Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty A_k</math> selbst in Summenform <math>A_k = a_{\nu_k+1} + \cdots + a_{\nu_{k+1}}</math> (mit <math>k=0, 1, \dots</math> und <math>\nu_0 = -1</math>), so „darf“ man die sie umschließenden Klammern genau dann weglassen, wenn die dadurch entstehende neue Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> wieder konvergiert.<ref name="Knopp134" />
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:<math>\sum_{k=0}^\infty a_{\sigma(k)}</math>
:<math>\sum_{k=0}^\infty a_{\sigma(k)}</math>


eine Umordnung der Reihe<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 139.</ref>
eine Umordnung der Reihe<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;139.</ref>


:<math>\sum_{k=0}^\infty a_k.</math>
:<math>\sum_{k=0}^\infty a_k.</math>
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:<math>\sum_{k=0}^\infty a_k = \sum_{k=0}^\infty a_{\sigma(k)}</math> für alle bijektiven <math>\sigma\colon \N_0 \to \N_0</math>.
:<math>\sum_{k=0}^\infty a_k = \sum_{k=0}^\infty a_{\sigma(k)}</math> für alle bijektiven <math>\sigma\colon \N_0 \to \N_0</math>.


Bedingt konvergente Reihen dürfen zur Erhaltung des Grenzwerts nur endlich umgeordnet werden, d.&nbsp;h. ab einem gewissen Index muss für die Umordnung <math>\sigma(k) = k</math> gelten. Der [[Riemannscher Umordnungssatz|Riemannsche Umordnungssatz]] sagt aus, dass durch geeignete Umordnung einer ''fixierten'', bedingt konvergenten Reihe reeller Zahlen ''jeder'' reelle Grenzwert erreicht werden kann.<ref>T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 263.</ref>
Bedingt konvergente Reihen dürfen zur Erhaltung des Grenzwerts nur endlich umgeordnet werden, d.&nbsp;h. ab einem gewissen Index muss für die Umordnung <math>\sigma(k) = k</math> gelten. Der [[Riemannscher Umordnungssatz|Riemannsche Umordnungssatz]] sagt aus, dass durch geeignete Umordnung einer ''fixierten'', bedingt konvergenten Reihe reeller Zahlen ''jeder'' reelle Grenzwert erreicht werden kann.<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;263.</ref>


== Reihen von Funktionen ==
== Reihen von Funktionen ==
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Ein zentrales Problem der [[Analysis]] besteht darin, „komplizierte“ [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] zu studieren. Dabei bedeutet „kompliziert“ zum Beispiel, dass die Rechenvorschrift nicht aus einer endlichen Abfolge aus Anwendungen der vier Grundrechenarten besteht. Eine in diesem Sinne „einfache“ Vorschrift wäre: ''Nimm die Eingangszahl mal Zwei, dann das Ergebnis [[Addition|plus]] Eins, multipliziere dies mit sich selbst, teile dann alles durch die Drei.'' In Kurzform: <math>\textstyle x \mapsto \frac{1}{3} (2x+1)^2</math>.
Ein zentrales Problem der [[Analysis]] besteht darin, „komplizierte“ [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] zu studieren. Dabei bedeutet „kompliziert“ zum Beispiel, dass die Rechenvorschrift nicht aus einer endlichen Abfolge aus Anwendungen der vier Grundrechenarten besteht. Eine in diesem Sinne „einfache“ Vorschrift wäre: ''Nimm die Eingangszahl mal Zwei, dann das Ergebnis [[Addition|plus]] Eins, multipliziere dies mit sich selbst, teile dann alles durch die Drei.'' In Kurzform: <math>\textstyle x \mapsto \frac{1}{3} (2x+1)^2</math>.
Jedoch lassen sich sehr viele Phänomene in der Natur nicht so einfach beschreiben. Die Mathematik ist demnach bestrebt, Analyseverfahren nichttrivialer Funktionen zu entwickeln. Solche Verfahren kommen in den unterschiedlichsten Bereichen innerhalb der Mathematik und auch ihrer Anwendungen zum Einsatz.
Jedoch lassen sich sehr viele Phänomene in der Natur nicht so einfach beschreiben. Die Mathematik ist demnach bestrebt, Analyseverfahren nichttrivialer Funktionen zu entwickeln. Solche Verfahren kommen in den unterschiedlichsten Bereichen innerhalb der Mathematik und auch ihrer Anwendungen zum Einsatz.

[[Datei:Aplicación no inyectiva no sobreyectiva.svg|mini|250 px|Haben die betrachteten Funktionen Zielmengen <math>B</math>, in denen nicht gerechnet werden kann, so ist keine Darstellung als unendliche Reihe möglich]]
[[Datei:Aplicación no inyectiva no sobreyectiva.svg|mini|250px|Haben die betrachteten Funktionen Zielmengen <math>B</math>, in denen nicht gerechnet werden kann, so ist keine Darstellung als unendliche Reihe möglich.]]
Eine naheliegende Möglichkeit, „komplizierte“ Funktionen <math>f(x)</math> zu konstruieren und untersuchen, ist, sie als Reihe von Funktionen <math>f_n(x)</math> zu schreiben, wobei jeder einzelne Summand in der Praxis „einfache Eigenschaften“ besitzt.<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 430.</ref>
Eine naheliegende Möglichkeit, „komplizierte“ Funktionen <math>f(x)</math> zu konstruieren und untersuchen, ist, sie als Reihe von Funktionen <math>f_n(x)</math> zu schreiben, wobei jeder einzelne Summand in der Praxis „einfache Eigenschaften“ besitzt:<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;430.</ref>
:<math>f(x) := \sum_{n=1}^\infty f_n(x) = f_1(x) + f_2(x) + f_3(x) + \cdots. </math>
:<math>f(x) := \sum_{n=1}^\infty f_n(x) = f_1(x) + f_2(x) + f_3(x) + \cdots. </math>
Anstatt also Folgen von Zahlen kann man auch [[Funktionenfolge|Folgen von Funktionen]] betrachten und entsprechend Reihen definieren. Zudem ist zu beachten, dass im Darstellungsbereich alle <math>f_n</math> notwendigerweise an allen Stellen <math>x</math> aus dem Definitionsbereich von <math>f</math> definiert sein müssen. Ferner muss im Zielbereich der Funktionen <math>f, f_1, f_2, \dots</math> die Addition von Termen definiert sein, da sonst keine sinnvolle Reihe gebildet werden kann.
Anstatt also Folgen von Zahlen kann man auch [[Funktionenfolge|Folgen von Funktionen]] betrachten und entsprechend Reihen definieren. Zudem ist zu beachten, dass im Darstellungsbereich alle <math>f_n</math> notwendigerweise an allen Stellen <math>x</math> aus dem Definitionsbereich von <math>f</math> definiert sein müssen. Ferner muss im Zielbereich der Funktionen <math>f, f_1, f_2, \dots</math> die Addition von Termen definiert sein, da sonst keine sinnvolle Reihe gebildet werden kann.


=== Eigenschaften der Grenzfunktionen ===
Zudem kommt zur Frage der Konvergenz noch die nach den ''Eigenschaften der Grenzfunktion'' <math>f</math> hinzu. Meistens wird gefragt: „Falls die <math>f_n</math> einzeln betrachtet alle stetig/differenzierbar/integrierbar sind, ist es auch die Funktion <math>f</math>?“ Antworten bzw. hinreichende Entscheidungskriterien auf diese Fragen, liefern Sätze aus der Analysis. Häufig nützt es zum Beispiel, wenn die Funktionenreihe nicht nur [[Punktweise Konvergenz|in jedem Punkt]] gegen die Grenzfunktion konvergiert, sondern im Definitionsbereich sogar [[gleichmäßige Konvergenz]] vorliegt. In einem solchen Fall ist, falls die <math>f_n</math> alle stetige Funktionen waren, auch die Grenzfunktion stetig.<ref>Terence Tao: ''Analysis II'', Texts and Readings in Mathematics, Hindustan Book Agency, S. 53.</ref> Ähnliche Voraussetzungen gelten für Beschränktheit (falls alle Partialsummen beschränkt sind),<ref>Terence Tao: ''Analysis II.'' New Delhi 2006, S. 54.</ref> [[Differenzierbarkeit]] und [[Integrierbarkeit]] der Grenzfunktion, falls alle Summanden die entsprechenden Eigenschaften haben. Im Gebiet <math>[a,b]</math> der gleichmäßigen Konvergenz darf eine Reihe gliedweise integriert werden; ebenso darf sie gliedweise differenziert werden, sofern die ''entstehende'' Reihe gleichmäßig konvergiert:<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 432.</ref>

:<math> \int_{t_0}^t \sum_{n=1}^\infty f_n(x) \mathrm{d}x = \sum_{n=1}^\infty \int_{t_0}^t f_n(x) \mathrm{d}x, \qquad t_0, t \in [a,b],</math>
Im Falle der Konvergenz einer Funktionenreihe kommt noch die Frage nach den ''Eigenschaften der Grenzfunktion'' <math>f</math> auf. Meistens wird gefragt: „Falls die <math>f_n</math> einzeln betrachtet alle stetig/differenzierbar/integrierbar sind, ist es auch die Funktion <math>f</math>?“ Antworten bzw. hinreichende Entscheidungskriterien auf diese Fragen liefern Sätze aus der Analysis. Häufig nützt es zum Beispiel, wenn die Funktionenreihe nicht nur [[Punktweise Konvergenz|in jedem Punkt]] gegen die Grenzfunktion konvergiert, sondern im Definitionsbereich sogar [[gleichmäßige Konvergenz]] vorliegt. In einem solchen Fall ist, falls die <math>f_n</math> alle stetige Funktionen waren, auch die Grenzfunktion stetig.<ref>Terence Tao: ''Analysis II.'' Texts and Readings in Mathematics, Hindustan Book Agency, S.&nbsp;53.</ref> Ähnliche Voraussetzungen gelten für Beschränktheit (falls alle Partialsummen beschränkt sind),<ref>Terence Tao: ''Analysis II.'' New Delhi 2006, S.&nbsp;54.</ref> [[Differenzierbarkeit]] und [[Integrierbarkeit]] der Grenzfunktion, falls alle Summanden die entsprechenden Eigenschaften haben.

==== Vertauschen von Reihen mit Differentialoperator und Integral ====

Im Gebiet <math>[a,b]</math> der gleichmäßigen Konvergenz darf eine Reihe gliedweise integriert werden:
:<math> \int_{t_0}^t \sum_{n=1}^\infty f_n(x) \mathrm{d}x = \sum_{n=1}^\infty \int_{t_0}^t f_n(x) \mathrm{d}x, \qquad t_0, t \in [a,b].</math>
Ebenso darf sie gliedweise differenziert werden, sofern die ''entstehende'' Reihe gleichmäßig konvergiert:<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;432.</ref>
:<math> \left( \sum_{n=1}^\infty f_n(x) \right)' = \sum_{n=1}^\infty f_n'(x), \qquad x \in [a,b].</math>
:<math> \left( \sum_{n=1}^\infty f_n(x) \right)' = \sum_{n=1}^\infty f_n'(x), \qquad x \in [a,b].</math>
Da [[Differenzierbarkeit]] eine [[lokale Eigenschaft]] ist, kann dies unter Ausschöpfen offener Bereiche durch [[Kompakter Raum|kompakte Mengen]] gegebenenfalls auch auf allgemeinere Funktionen ausgeweitet werden.

In einigen Anwendungen stellen die oberen Kriterien beim Vertauschen von Summe und Integral jedoch zu große Hürden dar. Zum einen decken sie nicht [[Maßraum|Maßräume]] unendlichen Volumens ab (wie zum Beispiel Intervalle wie <math>\R</math> oder <math>[0,\infty)</math> mit dem eindimensionalen [[Lebesgue-Maß]]), zum anderen kann die Forderung nach gleichmäßiger Konvergenz große Schwierigkeiten mit sich bringen. Mit Resultaten aus der [[Funktionalanalysis]], wie dem [[Satz von Fischer-Riesz]], können jedoch weit allgemeinere Aussagen erzielt werden, die allerdings auch deutlich schwerer zu beweisen sind. Einer davon ist der ''Satz über die gliedweise Integration von Reihen'': Ist <math>(E, ||\cdot||_E)</math> ein [[Banachraum]] (zum Beispiel <math>E = \R, \C</math>) und <math>(f_j)_{j \in \N_0} \colon X \to E </math> eine Folge in <math>\mathcal{L}^1(X, \mathcal{A}, \mu)</math> (wobei <math>\mu</math> ein Maß auf <math>X</math> und <math>\mathcal{A}</math> eine zugehörige <math>\sigma</math>-Algebra des Raumes <math>X</math> ist), und gilt
:<math> \sum_{j=0}^\infty \int_X ||f_j||_E \mathrm{d}\mu < \infty</math>,
so ist <math>\textstyle \sum_{j=0}^\infty f_j</math> <math>\mu</math>-fast überall absolut konvergent und <math>\mu</math>-integrierbar. Es gilt zudem<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis III.'' Zweite Auflage, Basel 2008, S. 110.</ref>
:<math> \sum_{j=0}^\infty \int_X f_j \mathrm{d}\mu = \int_X \left( \sum_{j=0}^\infty f_j \right) \mathrm{d}\mu.</math>
Dies ist eine Folgerung aus dem [[Satz von der majorisierten Konvergenz]]. Zu beachten ist, dass dieser sehr allgemeine Satz gänzlich auf Forderungen wie gleichmäßige Konvergenz verzichtet. Unter Benutzung der <math>\ell^1</math>-[[Folgenraum|Folgenräume]] sowie des [[Zählmaß (Maßtheorie)|Zählmaß]]es ist ein Spezialfall, dass unter Voraussetzung von <math>\textstyle \sum_{j=0}^\infty \sum_{k=0}^\infty |a_{j,k}| < \infty</math> bereits Konvergenz der Doppelreihe und zudem
:<math> \sum_{j=0}^\infty \sum_{k=0}^\infty a_{j,k} = \sum_{k=0}^\infty \sum_{j=0}^\infty a_{j,k}</math>
folgt.<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis III.'' Zweite Auflage, Basel 2008, S. 104.</ref>

Es existieren jedoch auch Anwendungen, in denen weder gleichmäßige Konvergenz von <math>\textstyle \sum_{j=0}^\infty f_j</math> noch Integrierbarkeit der oben gewählten „Majorante“ <math>\textstyle \sum_{j=0}^\infty ||f_j||</math> vorliegt. In solchen Fällen kann der [[Satz von der majorisierten Konvergenz]] unter Umständen dennoch einen Ausweg darstellen, wobei jedoch die Einzelfälle genauer betrachtet werden müssen. Es ist lediglich notwendig, ''die Partialsummen <math>\textstyle \sum_{j=0}^n f_j</math> der zu integrierenden punktweise konvergenten Funktionenreihe'' durch eine ''integrierbare und von <math>n</math> unabhängige Majorante'' nach oben abzuschätzen, wobei aber manchmal auf die gegebenenfalls zu grobe [[Dreiecksungleichung]] verzichtet werden kann. Ein Beispiel ist der Beweis der [[Leibnizreihe]]
:<math> \sum_{k=0}^\infty \frac{(-1)^k}{2k+1} = \frac{\pi}{4}</math>
durch Integrale. Jeder der Terme <math>\tfrac{(-1)^k}{2k+1}</math> erfüllt
:<math> \frac{(-1)^k}{2k+1} = \int_0^1 (-1)^k x^{2k} \mathrm{d}x.</math>
Allerdings ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty (-1)^k x^{2k}</math> im Intervall <math>[0,1)</math> zwar punktweise konvergent, aber weder gleichmäßig konvergent, noch ist die absolute „Majorante“ <math>\textstyle \sum_{k=0}^\infty x^{2k} = \frac{1}{1-x^2}</math> auf <math>[0,1)</math> integrierbar, weshalb die Dreiecksungleichung nicht verwendet werden kann. Mit der feineren [[#Alternierende Reihen|Abschätzung alternierender Reihen]] werden jedoch die Vorzeichenwechsel berücksichtigt, und es ergibt sich mit der Monotonie der Folge <math>x^{2k}</math>
:<math> \left| \sum_{k=0}^n (-1)^k x^{2k}\right| \leq 1</math>
''für alle'' <math>n</math> und <math>0 \leq x < 1</math>. Da <math>1</math> offenbar über <math>[0,1)</math> absolut integrierbar ist, darf Summation und Integration vertauscht werden:
:<math> \sum_{k=0}^\infty \frac{(-1)^k}{2k+1} = \sum_{k=0}^\infty \int_{[0,1)} (-1)^k x^{2k} \mathrm{d}x = \int_{[0,1)} \frac{\mathrm{d}x}{x^2 + 1} = \int_0^1 \frac{\mathrm{d}x}{x^2 + 1} = \arctan(1) - \arctan(0) = \frac{\pi}{4}.</math>
Hierbei bezeichnet <math>\arctan</math> den [[Arkustangens]].

==== Holomorphe Grenzfunktionen ====


Es gibt auch hinreichende Kriterien für die [[Holomorphe Funktion|Holomorphie]] der Grenzfunktion. Genauer lässt sich der [[Weierstraßscher Konvergenzsatz|Weierstraßsche Konvergenzsatz]] auf unendliche Reihen anwenden:<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 101.</ref> Ist <math>f_n \colon U \to \C</math> eine Folge holomorpher Funktionen, so konvergiert <math>\textstyle f = \sum_{n=1}^\infty f_n</math> gegen eine holomorphe Funktion <math>f \colon U \to \C</math>, falls sie in <math>U</math> ''normal konvergiert'', d.&nbsp;h. für jeden Punkt <math>z \in U</math> gibt es eine Umgebung <math>z \in V \subset U</math>, so dass
Es gibt auch hinreichende Kriterien für die [[Holomorphe Funktion|Holomorphie]] der Grenzfunktion. Genauer lässt sich der [[Weierstraßscher Konvergenzsatz|Weierstraßsche Konvergenzsatz]] auf unendliche Reihen anwenden:<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;101.</ref> Ist <math>f_n \colon U \to \C</math> eine Folge holomorpher Funktionen, so konvergiert <math>\textstyle f = \sum_{n=1}^\infty f_n</math> gegen eine holomorphe Funktion <math>f \colon U \to \C</math>, falls sie in <math>U</math> ''normal konvergiert'', d.&nbsp;h. für jeden Punkt <math>z \in U</math> gibt es eine Umgebung <math>z \in V \subset U</math>, sodass
:<math> \sum_{n=1}^\infty \sup_{w \in V} |f_n(w)| < \infty. </math>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \sup_{w \in V} |f_n(w)| < \infty. </math>


=== Typen von Funktionenreihen ===
Umgekehrt kann man fragen, durch welche Reihe sich eine Funktion darstellen lässt. So eine Darstellung nennt sich [[Reihenentwicklung]]. Es existieren je nach Kontext verschiedene relevante Reihenentwicklungen für gewisse ''Klassen von Funktionen''.


Man kann fragen, ob und durch welche Reihe sich eine Funktion darstellen lässt. So eine Darstellung nennt sich [[Reihenentwicklung]]. Es existieren je nach Kontext verschiedene relevante Reihenentwicklungen für gewisse ''Klassen von Funktionen''.
=== Potenzreihen, Taylorreihen und analytische Funktionen ===

==== Potenzreihen, Taylorreihen und analytische Funktionen ====
{{Hauptartikel|Potenzreihe}}
{{Hauptartikel|Potenzreihe}}
{{Hauptartikel|Taylorreihe}}
{{Hauptartikel|Taylorreihe}}


Bei ''[[Analytische Funktion|analytischen Funktionen]]'' wird eine Funktion um einen „Definitionspunkt“ herum über [[Polynom]]e angenähert. Eine Möglichkeit, dies zu realisieren und zu verstehen, besteht darin, die Funktion zunächst sehr stark einzuschränken, also nur Eingabewerte aus einem sehr „kleinen“ Vorrat einzusetzen. Klein bedeutet in diesem Kontext, dass die betrachteten Eingabewerte sehr nahe beieinander liegen. Soll eine Funktion etwa um 0 herum studiert werden, würden Werte wie 0,000001 vielleicht noch in Betracht gezogen, möglicherweise aber nicht mehr 1, geschweige denn 100. In diesem Kontext nennt man die 0 auch den ''Entwicklungspunkt''.
Bei ''[[Analytische Funktion|analytischen Funktionen]]'' wird eine Funktion um einen „Definitionspunkt“ herum über [[Polynom]]e angenähert. Eine Möglichkeit, dies zu realisieren und zu verstehen, besteht darin, die Funktion zunächst sehr stark einzuschränken, also nur Eingabewerte aus einem sehr „kleinen“ Vorrat einzusetzen. Klein bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die betrachteten Eingabewerte sehr nahe beieinander liegen. Soll eine Funktion etwa um 0 herum studiert werden, würden Werte wie 0,000001 vielleicht noch in Betracht gezogen, möglicherweise aber nicht mehr 1, geschweige denn 100. In diesem Zusammenhang nennt man die 0 auch den ''Entwicklungspunkt''. Hinter diesem Prinzip steckt eine gewisse Form der „[[Stetige Funktion|Stetigkeit]]“: Wurde eine analytische Funktion im Punkt 0 gut verstanden, so lässt sich daraus schon auf ihr Verhalten in zum Beispiel 0,000001 schließen, und das nur anhand der vier Grundrechenarten. Präziser wird die Annäherung über Polynome realisiert, also Ausdrücke wie <math>x+2</math>, <math>x^3 - 4x^2 + 3x - 1</math> und ganz allgemein

Es gibt gewisse Funktionen, die analytischen Funktionen, die aus ihren Eigenschaften in diesem Entwicklungspunkt lokal ''vollständig konstruiert werden können''. Phänomene wie die Analytizität besagen also, dass betroffene Funktionen in sehr kleinen Bereichen ''deutlich verständlicheren'' Funktionen ''sehr stark ähneln''. Diese verständlicheren Funktionen sind Vorschriften, die sich nur aus den vier Grundrechenarten zusammensetzen. Hinter diesem Prinzip steckt eine gewisse Form der „[[Stetige Funktion|Stetigkeit]]“: Wurde eine analytische Funktion im Punkt 0 gut verstanden, so lässt sich daraus schon auf ihr Verhalten in zum Beispiel 0,000001 schließen, und das nur anhand der vier Grundrechenarten. Präziser wird die Annäherung über [[Polynom]]e realisiert, also Ausdrücke wie <math>x+2</math>, <math>x^3 - 4x^2 + 3x - 1</math> und ganz allgemein
:<math>a_nx^n + a_{n-1}x^{n-1} + \cdots + a_0.</math>
:<math>a_nx^n + a_{n-1}x^{n-1} + \cdots + a_0.</math>
Eine analytische Funktion kann also um jeden Wert ihres Definitionsbereichs durch Anwendung der Grundrechenarten ''entwickelt werden''. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei hinreichend „komplizierten“ Funktionen nur um eine Näherung handelt. Eine zentrale Eigenschaft der Analytizität ist aber, dass für solche komplizierten Funktionen beliebig lange Polynomketten, also addierte <math>x^n</math>-Terme, zur Annäherung gefunden werden können. Je länger diese Terme sind, desto besser. Lässt man diesen Prozess gegen Unendlich streben, ist die Annäherung in den umliegenden Punkten perfekt, es herrscht also Gleichheit. In diesem Sinne sind also analytische Funktionen, zumindest lokal, gerade „unendlich lange Polynome“. Diese werden auch als [[Potenzreihe]]n bezeichnet. Obwohl dabei unendlich viele Terme addiert werden, kann [[Konvergente Folge|Konvergenz]] vorliegen, wenn das Funktionsargument nahe genug am Entwicklungspunkt liegt. Wählt man zum Beispiel den Entwicklungspunkt 0 und für die Koeffizienten die Dezimalstellen der [[Kreiszahl]] <math>\pi</math>, also
Eine analytische Funktion kann also um jeden Wert ihres Definitionsbereichs durch Anwendung der Grundrechenarten ''entwickelt werden''. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei hinreichend „komplizierten“ Funktionen nur um eine Näherung handelt. Eine zentrale Eigenschaft der Analytizität ist aber, dass für solche komplizierten Funktionen beliebig lange Polynomketten, also addierte <math>x^n</math>-Terme, zur Annäherung gefunden werden können. Je länger diese Terme sind, desto besser. Lässt man diesen Prozess gegen Unendlich streben, ist die Annäherung in den umliegenden Punkten perfekt, es herrscht also Gleichheit. In diesem Sinne sind also analytische Funktionen, zumindest lokal, gerade „unendlich lange Polynome“. Diese werden auch als [[Potenzreihe]]n bezeichnet. Obwohl dabei unendlich viele Terme addiert werden, kann [[Konvergente Folge|Konvergenz]] vorliegen, wenn das Funktionsargument nahe genug am Entwicklungspunkt liegt. Wählt man zum Beispiel den Entwicklungspunkt 0 und für die Koeffizienten die Dezimalstellen der [[Kreiszahl]] <math>\pi</math>, also
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Für Werte <math>|x| < \tfrac{1}{10}</math> wird dann <math>f(x)</math> „erst recht“ endlich sein. Diesem Gedanken folgend kann man etwa über das [[Majorantenkriterium]] (siehe unten) zeigen, dass Potenzreihen entweder überall oder innerhalb von Intervallen (für komplexe Zahlen Kreisscheiben) mit dem Entwicklungspunkt als Zentrum konvergieren.
Für Werte <math>|x| < \tfrac{1}{10}</math> wird dann <math>f(x)</math> „erst recht“ endlich sein. Diesem Gedanken folgend kann man etwa über das [[Majorantenkriterium]] (siehe unten) zeigen, dass Potenzreihen entweder überall oder innerhalb von Intervallen (für komplexe Zahlen Kreisscheiben) mit dem Entwicklungspunkt als Zentrum konvergieren.


{{Kasten|Text=
[[Datei:01 Kreisbogen-Definition-2.svg|240px|mini|Sinus und Kosinus bilden die Länge eines Kreisbogens auf die Länge zweier gradliniger [[Lot (Mathematik)|Lote]] ab. Zu beachten ist, dass die Kreisbogenlänge <span style="font-family:serif;">b</span> eigentlich der krummen „Strecke“ zwischen den Punkten <span style="font-family:serif;">A</span> und <span style="font-family:serif;">B</span> (sprich <span style="font-family:serif;">b = OAB</span>) entspricht. Wegen der Wahl<br />Radius <span style="font-family:serif;">= r = 1</span> beträgt der volle Kreisumfang <span style="font-family:serif;"><math>2\pi</math></span> Längeneinheiten, was auch im dimensionslosen Maß genau 360 Grad entspricht und damit eine Identifizierung des Kreisbogens mit dem einschließenden Winkel erlaubt.]]
[[Datei:01 Kreisbogen-Definition-2.svg|300px|mini|Sinus und Kosinus bilden die Länge eines Kreisbogens auf die Länge zweier gradliniger [[Lot (Mathematik)|Lote]] ab. Zu beachten ist, dass die Kreisbogenlänge <span style="font-family:serif;">b</span> eigentlich der krummen „Strecke“ zwischen den Punkten <span style="font-family:serif;">A</span> und <span style="font-family:serif;">B</span> (sprich <span style="font-family:serif;">b&nbsp;= OAB</span>) entspricht. Wegen der Wahl Radius&nbsp;<span style="font-family:serif;">= r&nbsp;= 1</span> beträgt der volle Kreisumfang <span style="font-family:serif;"><math>2\pi</math></span> Längeneinheiten, was auch im dimensionslosen Maß genau 360 Grad entspricht und damit eine Identifizierung des Kreisbogens mit dem einschließenden Winkel erlaubt.]]
'''Beispiel:''' Eine in der Schule behandelte Funktion, die sich im Allgemeinen nicht durch nur endlichfache Anwendung der vier Grundrechenarten berechnen lässt, ist der [[Sinus und Kosinus|Sinus]], also die Vorschrift <math>x \mapsto \sin(x)</math>. Hier wird die Vorschrift zunächst nicht über eine Zahlenrechnung, sondern geometrisch erklärt. Zur Länge eines Kreisbogens soll die zugehörige gerade Strecke gefunden werden, die den Endpunkt des Bogens mit der Grundachse verbindet, analog beim [[Sinus und Kosinus|Kosinus]] (siehe Bild). Alle betrachteten Strecken haben Längen, im Verhältnis zur Einheit dimensionslos, also entspricht dies einer Abbildung von Zahlen auf Zahlen. Krumme Kreislinien („komplizierte Strecken“) werden auf ungleich lange gerade Linien („einfache Strecken“) abgebildet, was vermuten lässt, dass sich diese Umrechnung nicht in einfacher Weise mit den vier Grundrechenarten darstellen lässt. Es zeigt sich jedoch, dass der Sinus eine analytische Funktion ist, weshalb eine Annäherung durch einfache Terme möglich ist. Es gilt zum Beispiel für sehr kleine Werte von <math>x</math>
'''Beispiel:''' Eine in der Schule behandelte Funktion, die sich im Allgemeinen nicht durch nur endlichfache Anwendung der vier Grundrechenarten berechnen lässt, ist der [[Sinus und Kosinus|Sinus]], also die Vorschrift <math>x \mapsto \sin(x)</math>. Hier wird die Vorschrift zunächst nicht über eine Zahlenrechnung, sondern geometrisch erklärt. Zur Länge eines Kreisbogens soll die zugehörige gerade Strecke gefunden werden, die den Endpunkt des Bogens mit der Grundachse verbindet, analog beim [[Sinus und Kosinus|Kosinus]] (siehe Bild). Alle betrachteten Strecken haben Längen, im Verhältnis zur Einheit dimensionslos, also entspricht dies einer Abbildung von Zahlen auf Zahlen. Krumme Kreislinien („komplizierte Strecken“) werden auf ungleich lange gerade Linien („einfache Strecken“) abgebildet, was vermuten lässt, dass sich diese Umrechnung nicht in einfacher Weise mit den vier Grundrechenarten darstellen lässt. Es zeigt sich jedoch, dass der Sinus eine analytische Funktion ist, weshalb eine Annäherung durch einfache Terme möglich ist. Es gilt zum Beispiel für sehr kleine Werte von <math>x</math>
:<math>\sin(x) \approx x - \frac{x^3}{6}.</math>
:<math>\sin(x) \approx x - \frac{x^3}{6}.</math>
Dies entspricht einem „Studium“ der Sinusfunktion in oben erklärtem Sinne, da die komplizierte Sinusfunktion durch eine einfache Abbildung <math>\textstyle x \mapsto x - \frac{x^3}{6}</math> angenähert wurde. Dabei war der Entwicklungspunkt 0, in der Tat ist wegen <math>\sin(0) = 0</math> die Annäherung hier perfekt, doch auch für umliegende Werte ist sie brauchbar. Es gilt zum Beispiel <math>\sin(0{,}2) = 0{,}1986693308\dots</math> und <math>\textstyle 0{,}2 - \frac{0{,}2^3}{6} = 0{,}1986666\dots</math>. Zur exakten Berechnung erhält man für den Sinus<ref>Terence Tao: ''Analysis II.'' New Delhi 2006, S. 101.</ref>
Dies entspricht einem „Studium“ der Sinusfunktion in oben erklärtem Sinne, da die „komplizierte Sinusfunktion“ durch eine einfache Abbildung <math>\textstyle x \mapsto x - \frac{x^3}{6}</math> angenähert wurde. Dabei war der Entwicklungspunkt 0, in der Tat ist wegen <math>\sin(0) = 0</math> die Annäherung hier perfekt, doch auch für umliegende Werte ist sie brauchbar. Es gilt zum Beispiel
:<math>\sin(0{,}2) = 0{,}1986693308\dots \quad</math> und <math>\quad \textstyle 0{,}2 - \frac{0{,}2^3}{6} = 0{,}19866{\color{red}{66666}}\dots</math>.
Zur exakten Berechnung erhält man für den Sinus<ref>Terence Tao: ''Analysis II.'' New Delhi 2006, S.&nbsp;101.</ref>
:<math> \sin(x) = x-\frac{x^3}{6}+\frac{x^5}{120}-\frac{x^7}{5040}+\frac{x^9}{362880}-\frac{x^{11}}{39916800}+\frac{x^{13}}{6227020800}-\frac{x^{15}}{1307674368000}+\cdots = \sum_{n=0}^\infty \frac{(-1)^n x^{2n+1}}{(2n+1)!},</math>
:<math> \sin(x) = x-\frac{x^3}{6}+\frac{x^5}{120}-\frac{x^7}{5040}+\frac{x^9}{362880}-\frac{x^{11}}{39916800}+\frac{x^{13}}{6227020800}-\frac{x^{15}}{1307674368000}+\cdots = \sum_{n=0}^\infty \frac{(-1)^n x^{2n+1}}{(2n+1)!},</math>
wobei <math>!</math> die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]] bezeichnet. Die Formel erweitert sich auch auf alle komplexen Zahlen und setzt den Sinus dort als [[holomorphe Funktion]] fort, wobei dort keine geometrische Interpretation über Dreiecke mehr zur Verfügung steht, aber im Gegenzug die [[Eulersche Identität|enge Verbindung zur komplexen Exponentialfunktion]] deutlicher wird.
wobei <math>!</math> die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultät]] bezeichnet. Die Formel erweitert sich auch auf alle komplexen Zahlen und setzt den Sinus dort als [[holomorphe Funktion]] fort, wobei dort keine geometrische Interpretation über Dreiecke mehr zur Verfügung steht, aber im Gegenzug die [[Eulersche Identität|enge Verbindung zur komplexen Exponentialfunktion]] deutlicher wird.
:<math></math>
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Über das Beispiel des Sinus erklärt sich auch das allgemeine Verfahren zum Aufstellen einer Taylorreihe zu einer analytischen Funktion <math>f(x)</math>. Wird als Entwicklungspunkt <math>x_0</math> gewählt, so gilt die Formel
Über das Beispiel des Sinus erklärt sich auch das allgemeine Verfahren zum Aufstellen einer Taylorreihe zu einer analytischen Funktion <math>f(x)</math>. Wird als Entwicklungspunkt <math>x_0</math> gewählt, so gilt die Formel
:<math> f(x) = \sum_{n=0}^\infty \frac{f^{(n)}(x_0)}{n!} (x - x_0)^n, \quad </math> mit <math>f^{(n)}(x_0) = n</math>-te Ableitung von <math>f</math> an der Stelle <math>x_0</math>,
:<math> f(x) = \sum_{n=0}^\infty \frac{f^{(n)}(x_0)}{n!} (x - x_0)^n, \quad </math> mit <math>f^{(n)}(x_0) = n</math>-te Ableitung von <math>f</math> an der Stelle <math>x_0</math>,
für alle <math>x</math>, die nahe genug an <math>x_0</math> liegen. Dabei bezeichnet <math>f^{(n)}(x_0)</math> die <math>n</math>-te [[Differentialrechnung#Ableitungsfunktion|Ableitung]] von <math>f</math> an der Stelle <math>x_0</math>. Genau genommen muss <math>|x - x_0| < R</math> gelten, wobei die Zahl <math>R</math> den [[Konvergenzradius]] der Taylorreihe bezeichnet.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 151 ff.</ref> Ist der Entwicklungspunkt <math>x_0 = 0</math>, spricht man gelegentlich auch von einer [[Maclaurinsche Reihe|Maclaurinschen Reihe]].<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 435.</ref> Sind auch negative ganzzahlige Exponenten von <math>(x - x_0)</math> vorhanden, verallgemeinert sich das Konzept zu [[Laurent-Reihe]]n.
für alle <math>x</math>, die nahe genug an <math>x_0</math> liegen. Dabei bezeichnet <math>f^{(n)}(x_0)</math> die <math>n</math>-te [[Differentialrechnung#Ableitungsfunktion|Ableitung]] von <math>f</math> an der Stelle <math>x_0</math>. Genau genommen muss <math>|x - x_0| < R</math> gelten, wobei die Zahl <math>R</math> den [[Konvergenzradius]] der Taylorreihe bezeichnet.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;151&nbsp;ff.</ref> Ist der Entwicklungspunkt <math>x_0 = 0</math>, spricht man gelegentlich auch von einer [[Maclaurinsche Reihe|Maclaurinschen Reihe]].<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;435.</ref> Sind auch negative ganzzahlige Exponenten von <math>(x - x_0)</math> vorhanden, verallgemeinert sich das Konzept zu [[Laurent-Reihe]]n.


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Taylorentwicklungen lassen sich zum Beispiel an der [[Quadratwurzel|Wurzelfunktion]] <math>x \mapsto \sqrt{x}</math> demonstrieren, etwa um den Punkt <math>c = 25</math>. Diese ist dort analytisch, man hat die Ableitungen <math>\textstyle (\sqrt{x})' = \frac{1}{2\sqrt{x}}</math> und <math>\textstyle (\sqrt{x})'' = - \frac{1}{4\sqrt{x}^3}</math>. Also gilt mit der Taylor-Formel die Approximation
Taylorentwicklungen lassen sich zum Beispiel an der [[Quadratwurzel|Wurzelfunktion]] <math>x \mapsto \sqrt{x}</math> demonstrieren, etwa um den Punkt <math>c = 25</math>. Diese ist dort analytisch, man hat die Ableitungen <math>\textstyle (\sqrt{x})' = \frac{1}{2\sqrt{x}}</math> und <math>\textstyle (\sqrt{x})'' = -\frac{1}{4\sqrt{x}^3}</math>. Also gilt mit der Taylor-Formel die Approximation
:<math>\sqrt{x} \approx \sqrt{25} + \frac{1}{2\sqrt{25}}(x-25) - \frac{1}{8 \cdot \sqrt{25}^3}(x-25)^2 = 5 + \frac{1}{10}(x-25) - \frac{1}{1000}(x-25)^2</math>
:<math>\sqrt{x} \approx \sqrt{25} + \frac{1}{2\sqrt{25}}(x-25) - \frac{1}{8 \cdot \sqrt{25}^3}(x-25)^2 = 5 + \frac{1}{10}(x-25) - \frac{1}{1000}(x-25)^2</math>
für Zahlen <math>x</math>, die nahe an <math>25</math> liegen. Der Ausdruck <math>\textstyle 5 + \tfrac{1}{10}(x-25) - \tfrac{1}{1000}(x-25)^2</math> auf der rechten Seite kann, wie oben, durch Anwendung nur der vier Grundrechenarten schnell berechnet werden. Er stimmt nach Einsetzen von <math>x=25</math> exakt mit dem Funktionswert <math>5</math> überein, doch auch in der näheren Umgebung von <math>25</math> ist die Annäherung noch sehr genau. Man hat etwa
für Zahlen <math>x</math>, die nahe an <math>25</math> liegen. Der Ausdruck <math>\textstyle 5 + \tfrac{1}{10}(x-25) - \tfrac{1}{1000}(x-25)^2</math> auf der rechten Seite kann, wie oben, durch Anwendung nur der vier Grundrechenarten schnell berechnet werden. Er stimmt nach Einsetzen von <math>x=25</math> exakt mit dem Funktionswert <math>5</math> überein, doch auch in der näheren Umgebung von <math>25</math> ist die Annäherung noch sehr genau. Man hat etwa
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Die Theorie der analytischen Funktionen wird erst über den komplexen Zahlen vollständig erfassbar. Hier spricht man synonym von [[Holomorphe Funktion|''holomorphen Funktionen'']] und es gilt der ''[[Holomorphe Funktion#Holomorphie und Analytizität|Cauchysche Entwicklungssatz]]:'' Ist <math>c \in U</math> mit offenem <math>U</math>, <math>B_r(c)</math> die größte Kreisscheibe um <math>c</math> in <math>U</math> und <math>f \colon U \to \C</math> holomorph, so ist <math>f</math> um <math>c</math> in eine [[Taylorreihe]] <math>\textstyle \sum_{n =0}^\infty a_n(z-c)^n</math> entwickelbar, die in <math>B_r(c)</math> auf kompakten Teilmengen absolut und gleichmäßig konvergiert. Die Koeffizienten sind gegeben durch<ref name="RS189">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1'', 5. Auflage, Springer, Berlin Heidelberg, 2002, S. 189.</ref>
Die Theorie der analytischen Funktionen wird erst über den komplexen Zahlen vollständig erfassbar. Hier spricht man synonym von [[Holomorphe Funktion|''holomorphen Funktionen'']] und es gilt der ''[[Holomorphe Funktion#Holomorphie und Analytizität|Cauchysche Entwicklungssatz]]:'' Ist <math>c \in U</math> mit offenem <math>U</math>, <math>B_r(c)</math> die größte Kreisscheibe um <math>c</math> in <math>U</math> und <math>f \colon U \to \C</math> holomorph, so ist <math>f</math> um <math>c</math> in eine [[Taylorreihe]] <math>\textstyle \sum_{n =0}^\infty a_n(z-c)^n</math> entwickelbar, die in <math>B_r(c)</math> auf kompakten Teilmengen absolut und gleichmäßig konvergiert. Die Koeffizienten sind gegeben durch<ref name="RS189">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1.'' 5.&nbsp;Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 2002, S.&nbsp;189.</ref>
:<math> a_n = \frac{f^{(n)}(c)}{n!} = \frac{1}{2\pi i} \oint_{\partial B_d(c)} \frac{f(w)}{(w-c)^{n+1}}\mathrm{d}w</math>, wobei <math>0 < d < r.</math>
:<math> a_n = \frac{f^{(n)}(c)}{n!} = \frac{1}{2\pi i} \oint_{\partial B_d(c)} \frac{f(w)}{(w-c)^{n+1}}\mathrm{d}w</math>, wobei <math>0 < d < r.</math>


Dabei wird der Integrationsweg in mathematisch positiver Richtung einfach durchlaufen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass für den Beweis des Entwicklungssatzes lediglich die Reihenentwicklungen der Funktionen <math>z \mapsto (z - c)^{-k-1}</math> benötigt werden (siehe auch [[geometrische Reihe]]) sowie Vertauschbarkeit von Summation und Integration. Für den Fall <math>k=0</math> wurde dies bereits 1831 von Cauchy durchgeführt.<ref name="RS190">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1'', 5. Auflage, Springer, Berlin Heidelberg, 2002, S. 190.</ref>
Dabei wird der Integrationsweg in mathematisch positiver Richtung einfach durchlaufen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass für den Beweis des Entwicklungssatzes lediglich die Reihenentwicklungen der Funktionen <math>z \mapsto (z - c)^{-k-1}</math> benötigt werden (siehe auch [[geometrische Reihe]]) sowie Vertauschbarkeit von Summation und Integration. Für den Fall <math>k=0</math> wurde dies bereits 1831 von Cauchy durchgeführt.<ref name="RS190">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1.'' 5.&nbsp;Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 2002, S.&nbsp;190.</ref>


Da jede holomorphe Funktion analytisch ist und umgekehrt, lassen sich Eigenschaften von Potenzreihen direkt auf holomorphe Funktionen übertragen. Dies stellt gleichzeitig den Weierstraßschen Zugang zur Funktionentheorie dar, der die Darstellbarkeit von Funktionen als Potenzreihen zum Ausgangspunkt hat.<ref name="RS3">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2002, S. 3.</ref>
Da jede holomorphe Funktion analytisch ist und umgekehrt, lassen sich Eigenschaften von Potenzreihen direkt auf holomorphe Funktionen übertragen. Dies stellt gleichzeitig den Weierstraßschen Zugang zur Funktionentheorie dar, der die Darstellbarkeit von Funktionen als Potenzreihen zum Ausgangspunkt hat.<ref name="RS3">Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2002, S.&nbsp;3.</ref>


Potenzreihen können auch als sog. [[Lambert-Reihe|Lambertreihen]] geschrieben werden.
Potenzreihen können auch als sog. [[Lambert-Reihe|Lambertreihen]] geschrieben werden.


=== Fourierreihen ===
==== Fourierreihen ====
{{Hauptartikel|Fourierreihe}}
{{Hauptartikel|Fourierreihe}}


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Fourierreihen spielen eine Rolle bei der Überlagerung von [[Welle]]n, zum Beispiel bei der Erzeugung von Klängen. Erklingen mehrere Töne gleichzeitig, etwa bei einem Musikstück, so entspricht dies physikalisch einer Überlagerung verschiedener Schallwellen. Um die Gesamtsituation zu erfassen, ist die Addition der entsprechenden (nach Phase und Amplitude skalierten) [[Sinus und Kosinus|Sinuskurven]] erforderlich. Gewisse periodische Signale, zum Beispiel in der [[Elektrotechnik]], haben jedoch ein derart komplexes Muster, dass eine unendliche Anzahl verschiedener Sinuswellen benötigt wird, um sie exakt darzustellen.
Fourierreihen spielen eine Rolle bei der Überlagerung von [[Welle]]n, zum Beispiel bei der Erzeugung von Klängen. Erklingen mehrere Töne gleichzeitig, etwa bei einem Musikstück, so entspricht dies physikalisch einer Überlagerung verschiedener Schallwellen. Um die Gesamtsituation zu erfassen, ist die Addition der entsprechenden (nach Phase und Amplitude skalierten) [[Sinus und Kosinus|Sinuskurven]] erforderlich. Gewisse periodische Signale, zum Beispiel in der [[Elektrotechnik]], haben jedoch ein derart komplexes Muster, dass eine unendliche Anzahl verschiedener Sinuswellen benötigt wird, um sie exakt darzustellen.

[[Datei:Fourier Series sawtooth approximation.gif|mini|280px|Animation der Approximation des [[Kippschwingung|Sägezahnsignals]] durch sich überlappende Sinuskurven]]
[[Datei:Fourier Series sawtooth approximation.gif|mini|280px|Animation der Approximation des [[Kippschwingung|Sägezahnsignals]] durch sich überlappende Sinuskurven]]
Ist eine <math>1</math>-periodische Funktion, etwa ein Signal, gegeben, so ist eine Entwicklung in eine Fourierreihe (zumindest formal) dann möglich, wenn <math>f</math> auf dem Interval <math>[0,1]</math> [[Integrierbare Funktion|integrierbar]] ist. In diesem Fall macht es Sinn, den <math>n</math>-ten Fourierkoeffizienten über die Formel
Ist eine <math>1</math>-periodische Funktion, etwa ein Signal, gegeben, so ist eine Entwicklung in eine Fourierreihe (zumindest formal) dann möglich, wenn <math>f</math> auf dem Interval <math>[0,1]</math> [[Integrierbare Funktion|integrierbar]] ist. In diesem Fall macht es Sinn, den <math>n</math>-ten Fourierkoeffizienten über die Formel
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zu definieren. Es ist dabei die [[Eulersche Identität]] <math>e^{i\phi} = \cos(\phi) + i \sin(\phi)</math> zu beachten, die den entscheidenden Zusammenhang zwischen der komplexen Exponentialfunktion und den trigonometrischen Funktionen herstellt. Da <math>f</math> <math>1</math>-periodisch ist, sollten diese Integrale „alle Daten“ von <math>f</math> beinhalten. Die Aussage ist nun, dass die Kollektion der Koeffizienten <math>a_n</math> mit <math>n \in \Z</math> unter Umständen ausreicht, das ''gesamte'' Signal <math>f</math> vollständig zu rekonstruieren. Dies wird über die Konvergenz der zunächst nur formalen Fourierreihe
zu definieren. Es ist dabei die [[Eulersche Identität]] <math>e^{i\phi} = \cos(\phi) + i \sin(\phi)</math> zu beachten, die den entscheidenden Zusammenhang zwischen der komplexen Exponentialfunktion und den trigonometrischen Funktionen herstellt. Da <math>f</math> <math>1</math>-periodisch ist, sollten diese Integrale „alle Daten“ von <math>f</math> beinhalten. Die Aussage ist nun, dass die Kollektion der Koeffizienten <math>a_n</math> mit <math>n \in \Z</math> unter Umständen ausreicht, das ''gesamte'' Signal <math>f</math> vollständig zu rekonstruieren. Dies wird über die Konvergenz der zunächst nur formalen Fourierreihe
:<math> f(x) \sim \sum_{n=-\infty}^\infty a_n e^{2\pi i nx}</math>
:<math> f(x) \sim \sum_{n=-\infty}^\infty a_n e^{2\pi i nx}</math>
realisiert.<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S. 34.</ref> Ist zum Beispiel <math>f</math> [[Stetige Differenzierbarkeit|stetig differenzierbar]], so wird die zugehörige Fourierreihe gleichmäßig gegen <math>f</math> konvergieren. Allgemein bezeichnet man Kriterien, die Konvergenz(arten) von Fourierreihen festlegen, auch als [[Dirichlet-Bedingung]]en. Zum Beispiel verrät das Verhalten der Funktion einiges über die Fourierkoeffizienten: Wenn eine 1-periodische Funktion <math>f(x)</math> mit ihren Ableitungen bis zur <math>k</math>-ten Ordnung stetig ist, dann streben für <math>|n| \to \infty</math> die Terme <math>a_n n^{k+1}</math> gegen Null.<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 439.</ref> Ist umgekehrt <math>f</math> stetig und konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty |n||a_n|</math>, so ist <math>f</math> bereits stetig differenzierbar und es gilt <math>\textstyle \lim_{N \to \infty} \sum_{n=-N}^N 2\pi i n a_n e^{2\pi i n x} = f'(x)</math>.<ref>Thomas William Körner: ''Fourier Analysis.'' Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S. 33.</ref>
realisiert.<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S.&nbsp;34.</ref> Ist zum Beispiel <math>f</math> [[Stetige Differenzierbarkeit|stetig differenzierbar]], so wird die zugehörige Fourierreihe gleichmäßig gegen <math>f</math> konvergieren. Allgemein bezeichnet man Kriterien, die Konvergenz(arten) von Fourierreihen festlegen, auch als [[Dirichlet-Bedingung]]en. Zum Beispiel verrät das Verhalten der Funktion einiges über die Fourierkoeffizienten: Wenn eine 1-periodische Funktion <math>f(x)</math> mit ihren Ableitungen bis zur <math>k</math>-ten Ordnung stetig ist, dann streben für <math>|n| \to \infty</math> die Terme <math>a_n n^{k+1}</math> gegen Null.<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;439.</ref> Ist umgekehrt <math>f</math> stetig und konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty |n||a_n|</math>, so ist <math>f</math> bereits stetig differenzierbar und es gilt <math>\textstyle \lim_{N \to \infty} \sum_{n=-N}^N 2\pi i n a_n e^{2\pi i n x} = f'(x)</math>.<ref>Thomas William Körner: ''Fourier Analysis.'' Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S.&nbsp;33.</ref>


Es kann die Fourierreihe zu <math>f</math> auch ausschließlich in Termen von Sinus und Kosinus ohne komplexe Zahlen statt der Exponentialfunktion ausgedrückt werden, wobei die Wellenüberlagerung ersichtlicher wird. Allerdings ist die Nutzung komplexer Zahlen in der Elektrotechnik, auch im Kontext von Wellen, durchaus üblich.<ref>T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 299.</ref>
Es kann die Fourierreihe zu <math>f</math> auch ausschließlich in Termen von Sinus und Kosinus ohne komplexe Zahlen statt der Exponentialfunktion ausgedrückt werden, wobei die Wellenüberlagerung ersichtlicher wird. Allerdings ist die Nutzung komplexer Zahlen in der Elektrotechnik, auch im Kontext von Wellen, durchaus üblich.<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;299.</ref>


Fourierreihen können auch im Komplexen betrachtet werden. Ist <math>f</math> auf dem offenen Streifen
Fourierreihen können auch im Komplexen betrachtet werden. Ist <math>f</math> auf dem offenen Streifen
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Dies ist auf ganz <math>D</math> absolut und lokal gleichmäßig konvergent. Eine Berechnung der Koeffizienten ist für jedes <math>a < y < b</math> durch
Dies ist auf ganz <math>D</math> absolut und lokal gleichmäßig konvergent. Eine Berechnung der Koeffizienten ist für jedes <math>a < y < b</math> durch
:<math> a_n = \int_0^1 f(x+iy)e^{-2\pi i n (x+iy)}\mathrm{d}x</math>
:<math> a_n = \int_0^1 f(x+iy)e^{-2\pi i n (x+iy)}\mathrm{d}x</math>
möglich.<ref name="FB149">Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 149.</ref> Entscheidend für die Herleitung der Existenz einer Fourierreihe auf horizontalen Streifen ist das Abbildungsverhalten der komplexen Exponentialfunktion <math>z \mapsto e^{2\pi i z}</math> sowie die Existenz der Laurent-Reihe.<ref name="FB148">Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 148.</ref> Die Entwicklung holomorpher Funktionen in Fourierreihen spielt zum Beispiel eine große Rolle in der Theorie der [[Modulform]]en.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 335.</ref>
möglich.<ref name="FB149">Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;149.</ref> Entscheidend für die Herleitung der Existenz einer Fourierreihe auf horizontalen Streifen ist das Abbildungsverhalten der komplexen Exponentialfunktion <math>z \mapsto e^{2\pi i z}</math> sowie die Existenz der Laurent-Reihe.<ref name="FB148">Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;148.</ref> Die Entwicklung holomorpher Funktionen in Fourierreihen spielt zum Beispiel eine große Rolle in der Theorie der [[Modulform]]en.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;335.</ref>


=== Dirichletreihen ===
==== Dirichletreihen ====
{{Hauptartikel|Dirichletreihe}}
{{Hauptartikel|Dirichletreihe}}


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Kann die Funktion <math>F(s)</math>, ähnlich wie ein Polynom, auch über ihre Nullstellen in ein Produkt faktorisiert werden, können damit Verbindungen zwischen Primzahlen und Eigenschaften von Nullstellen [[Spezielle Funktion|spezieller Funktionen]] aufgebaut werden. Dies betrifft zum Beispiel die [[Riemannsche Zeta-Funktion]]
Kann die Funktion <math>F(s)</math>, ähnlich wie ein Polynom, auch über ihre Nullstellen in ein Produkt faktorisiert werden, können damit Verbindungen zwischen Primzahlen und Eigenschaften von Nullstellen [[Spezielle Funktion|spezieller Funktionen]] aufgebaut werden. Dies betrifft zum Beispiel die [[Riemannsche Zeta-Funktion]]
:<math>\zeta(s) = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^s} = \prod_{p \ \text{Primzahl}} \frac{1}{1-p^{-s}} \quad (\sigma > 1),</math>
:<math>\zeta(s) = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^s} = \prod_{p \ \text{Primzahl}} \frac{1}{1-p^{-s}} \quad (\sigma > 1),</math>
deren Nullstellen in Dualität zur Folge der Primzahlen steht.<ref>Dimitris Koukoulopoulos: ''The Distribution of Prime Numbers.'' In: ''Graduate studies in mathematics.'' Band 203). American Mathematical Society, Providence (R.I.) 2020, ISBN 978-1-4704-4754-0, S.&nbsp;57.</ref> Die Lage der Nullstellen in der komplexen Ebene ist Gegenstand der [[Riemannsche Vermutung|Riemannschen Vermutung]]. Eine ähnlich tiefe Vermutung, die [[Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer]], befasst sich ebenfalls mit Nullstellen von Dirichletreihen, die ein Euler-Produkt besitzen. Eine sehr weitreichende Verallgemeinerung findet die Riemannsche Zeta-Funktion in den [[L-Funktion]]en.
deren Nullstellen in Dualität zur Folge der Primzahlen steht.<ref>Dimitris Koukoulopoulos: ''The Distribution of Prime Numbers.'' In: ''Graduate studies in mathematics.'' Band 203. American Mathematical Society, Providence (RI) 2020, ISBN 978-1-4704-4754-0, S.&nbsp;57.</ref> Die Lage der Nullstellen in der komplexen Ebene ist Gegenstand der [[Riemannsche Vermutung|Riemannschen Vermutung]]. Eine ähnlich tiefe Vermutung, die [[Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer]], befasst sich ebenfalls mit Nullstellen von Dirichletreihen, die ein Euler-Produkt besitzen. Eine sehr weitreichende Verallgemeinerung findet die Riemannsche Zeta-Funktion in den [[L-Funktion]]en.


=== Partialbruchzerlegungen und elliptische Funktionen ===
==== Partialbruchzerlegungen und elliptische Funktionen ====


In der komplexen Ebene können manche Funktionen durch „Interpolation ihrer Singularitäten“ generiert werden. Dies trifft auf rationale Funktionen zu, kann aber in einigen Fällen durch unendliche Reihen ausgedehnt werden. Ist <math>f</math> eine ganze Funktion, die für Konstanten <math>C, \varrho > 0</math> stets die Ungleichung
In der komplexen Ebene können manche Funktionen durch „Interpolation ihrer Singularitäten“ generiert werden. Dies trifft auf rationale Funktionen zu, kann aber in einigen Fällen durch unendliche Reihen ausgedehnt werden. Ist <math>f</math> eine ganze Funktion, die für Konstanten <math>C, \varrho > 0</math> stets die Ungleichung
:<math> |f(z)| < C e^{\varrho |\operatorname{Im}(z)|}</math>
:<math> |f(z)| < C e^{\varrho |\operatorname{Im}(z)|}</math>
erfüllt, so gilt bereits<ref>George Pólya, Gábor Szegö: ''Aufgaben und Lehrsätze aus der Analysis.'' Band 1: ''Reihen. Integralrechnung funktionentheorie.'' (= ''Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften.'' Band 19). 3., berichtigte Auflage, Springer-Verlag, Berlin 1964, S. 116–117.</ref>
erfüllt, so gilt bereits<ref>George Pólya, Gábor Szegö: ''Aufgaben und Lehrsätze aus der Analysis.'' Band 1: ''Reihen Integralrechnung – Funktionentheorie'' (= ''Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften.'' Band 19). 3., berichtigte Auflage, Springer-Verlag, Berlin 1964, S.&nbsp;116–117.</ref>
:<math> \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z} \left( \frac{f(z)}{\sin(\varrho z)}\right) = \sum_{n=-\infty}^\infty \frac{\varrho (-1)^{n+1} f\left( \frac{\pi n}{\varrho} \right)}{(\varrho z - n\pi)^2}.</math>
:<math> \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}z} \left( \frac{f(z)}{\sin(\varrho z)}\right) = \sum_{n=-\infty}^\infty \frac{\varrho (-1)^{n+1} f\left( \frac{\pi n}{\varrho} \right)}{(\varrho z - n\pi)^2}.</math>
Ist <math>f</math> zusätzlich eine [[ungerade Funktion]], ist also stets <math>f(-z) = -f(z)</math>, gilt
Ist <math>f</math> zusätzlich eine [[ungerade Funktion]], ist also stets <math>f(-z) = -f(z)</math>, gilt
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Für <math>f(z) = \sin(\pi z)</math> führt dies, nach einem Shift im Argument, zur [[Tangens und Kotangens#Partialbruchzerlegung|Partialbruchzerlegung des Kotangens]]:
Für <math>f(z) = \sin(\pi z)</math> führt dies, nach einem Shift im Argument, zur [[Tangens und Kotangens#Partialbruchzerlegung|Partialbruchzerlegung des Kotangens]]:
:<math> \pi \cot(\pi z) = \frac{1}{z} + \sum_{n=1}^\infty \left[ \frac{1}{z+n} + \frac{1}{z-n}\right].</math>
:<math> \pi \cot(\pi z) = \frac{1}{z} + \sum_{n=1}^\infty \left[ \frac{1}{z+n} + \frac{1}{z-n}\right].</math>
Dieses Konzept lässt sich auf [[Gitter (Mathematik)|Gitter]] ausweiten. Seien <math>\omega_1,\omega_2 \in \mathbb{C}\setminus\{0\} </math> zwei komplexe Zahlen, die über <math>\mathbb{R}</math> [[Lineare Unabhängigkeit|linear unabhängig]] sind und sei <math>\Lambda:=\{m\omega_1+n\omega_2:m,n \in \mathbb Z \}</math> das Gitter, das von <math>\omega_1</math> und <math>\omega_2</math> erzeugt wird. Dann ist die [[Weierstraßsche ℘-Funktion|Weierstraßsche <math>\wp</math>-Funktion]] zum Gitter <math>\Lambda</math> wie folgt definiert:<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 268.</ref>
Dieses Konzept lässt sich auf [[Gitter (Mathematik)|Gitter]] ausweiten. Seien <math>\omega_1,\omega_2 \in \mathbb{C}\setminus\{0\} </math> zwei komplexe Zahlen, die über <math>\mathbb{R}</math> [[Lineare Unabhängigkeit|linear unabhängig]] sind und sei <math>\Lambda:=\{m\omega_1+n\omega_2:m,n \in \mathbb Z \}</math> das Gitter, das von <math>\omega_1</math> und <math>\omega_2</math> erzeugt wird. Dann ist die [[Weierstraßsche ℘-Funktion|Weierstraßsche <math>\wp</math>-Funktion]] zum Gitter <math>\Lambda</math> wie folgt definiert:<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;268.</ref>


:<math>\wp(z,\Lambda):=\frac{1}{z^2}+\sum_{\lambda\in\Lambda\setminus\{0\}}\left(\frac1{(z-\lambda)^2}-\frac1{\lambda^2}\right).</math>
:<math>\wp(z,\Lambda):=\frac{1}{z^2}+\sum_{\lambda\in\Lambda\setminus\{0\}}\left(\frac1{(z-\lambda)^2}-\frac1{\lambda^2}\right).</math>


Die Reihe konvergiert [[Lokal gleichmäßige Konvergenz|lokal gleichmäßig]] absolut in <math>\mathbb{C}\setminus\Lambda</math>. Es handelt sich um eine doppelperiodische, also [[elliptische Funktion]].<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 257.</ref> Eng verwandt zu den elliptischen Funktionen sind die sog. [[Eisensteinreihe]]n.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 271–272.</ref>
Die Reihe konvergiert [[Lokal gleichmäßige Konvergenz|lokal gleichmäßig]] absolut in <math>\mathbb{C}\setminus\Lambda</math>. Es handelt sich um eine doppelperiodische, also [[elliptische Funktion]].<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;257.</ref> Eng verwandt zu den elliptischen Funktionen sind die sog. [[Eisensteinreihe]]n.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;271–272.</ref>


== Konvergenzkriterien ==
== Konvergenzkriterien ==
{{Hauptartikel|Konvergenzkriterium}}
{{Hauptartikel|Konvergenzkriterium}}


Zwar gibt es kein brauchbares, allgemeingültiges Kriterium, um zu entscheiden, ob eine Reihe konvergiert,<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 322.</ref> aber in manchen Spezialfällen lassen sich unter zusätzlichen Annahmen Kriterien angeben, die auf ganz unterschiedlichen mathematischen Techniken basieren.
Zwar gibt es kein brauchbares, allgemeingültiges Kriterium, um zu entscheiden, ob eine Reihe konvergiert,<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;322.</ref> aber in manchen Spezialfällen lassen sich unter zusätzlichen Annahmen Kriterien angeben, die auf ganz unterschiedlichen mathematischen Techniken basieren.


=== Allgemeine Kriterien ===
=== Allgemeine Kriterien ===


;[[Nullfolgenkriterium]]
==== Nullfolgenkriterium ====
{{Hauptartikel|Nullfolgenkriterium}}
Wenn die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, dann konvergiert die Folge <math>a_n</math> der Summanden für <math>n \rightarrow \infty</math> gegen 0. [[Kontraposition|Kontraponiert]]: Ist <math>a_n</math> ''keine'' [[Nullfolge]], so divergiert die entsprechende Reihe.<ref name="TT167" /> Ist zudem <math>a_n</math> monoton fallend und <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergent, so folgt bereits <math>n a_n \to 0</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 125.</ref>
Wenn die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, dann konvergiert die Folge <math>a_n</math> der Summanden für <math>n \rightarrow \infty</math> gegen 0. [[Kontraposition|Kontraponiert]]: Ist <math>a_n</math> ''keine'' [[Nullfolge]], so divergiert die entsprechende Reihe.<ref name="TT167" />

Zudem gilt der [[Satz von Olivier]]: Ist <math>a_n</math> monoton fallend und <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergent, so folgt bereits <math>n a_n \to 0</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;125.</ref>


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Es kann die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^{\infty} (-1)^n = 1 - 1 + 1 - 1 +\cdots </math> nicht konvergieren, da <math>a_n = (-1)^n</math> nicht gegen 0 konvergiert.
Es kann die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^{\infty} (-1)^n = 1 - 1 + 1 - 1 +\cdots </math> (trotz beschränkter Partialsummen) nicht konvergieren, da <math>a_n = (-1)^n</math> nicht gegen 0 konvergiert.
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Die Umkehrung ist nicht allgemeingültig (ein Gegenbeispiel ist die [[harmonische Reihe]]). Das Nullfolgenkriterium wird daher in erster Linie zum Nachweis der Divergenz einer Reihe verwendet.
Die Umkehrung ist nicht allgemeingültig (ein Gegenbeispiel ist die [[harmonische Reihe]]). Das Nullfolgenkriterium wird daher in erster Linie zum Nachweis der Divergenz einer Reihe verwendet.


==== Teleskopreihen ====
;[[Teleskopreihe]]n
Die Teleskopreihe <math>\sum_{n=1}^\infty (b_n-b_{n+1})</math> konvergiert genau dann, wenn die Folge <math>(b_n)_{n \in \N}</math> gegen eine Zahl <math>L</math> konvergiert. Der Wert der Reihe ist dann <math>b_1-L</math>.
Die [[Teleskopreihe]] <math>\sum_{n=1}^\infty (b_n-b_{n+1})</math> konvergiert genau dann, wenn die Folge <math>(b_n)_{n \in \N}</math> gegen eine Zahl <math>L</math> konvergiert. Der Wert der Reihe ist dann <math>b_1-L</math>.


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;[[Majorantenkriterium]]
==== Majorantenkriterium ====
{{Hauptartikel|Majorantenkriterium}}
Wenn alle Glieder <math>a_n</math> der Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> nichtnegative reelle Zahlen sind, <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert und für alle <math>n</math> zudem <math>a_n\geq |b_n|</math> gilt, dann konvergiert auch die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty b_n</math> absolut, und es ist<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis'' (= ''Undergraduate texts in mathematics.''). 2. Edition, Springer-Verlag, New York 1997, ISBN 0-387-94841-4, S. 209.</ref>
Wenn alle Glieder <math>a_n</math> der Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> nichtnegative reelle Zahlen sind, <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert und für alle <math>n</math> zudem <math>a_n\geq |b_n|</math> gilt, dann konvergiert auch die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty b_n</math> absolut, und es ist<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis'' (= ''Undergraduate texts in mathematics.''). 2.&nbsp;Edition, Springer-Verlag, New York 1997, ISBN 0-387-94841-4, S.&nbsp;209.</ref>
:<math>\left|\sum_{n=0}^\infty b_n\right| \le \sum_{n=0}^\infty a_n</math>.
:<math>\left|\sum_{n=0}^\infty b_n\right| \le \sum_{n=0}^\infty a_n</math>.


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;[[Majorantenkriterium|Minorantenkriterium]]
==== Minorantenkriterium ====
Wenn alle Glieder <math>a_n</math> der Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> nichtnegative reelle Zahlen sind, <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> divergiert und für alle <math>n</math> zudem <math>a_n\leq b_n</math>
Wenn alle Glieder <math>a_n</math> der Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> nichtnegative reelle Zahlen sind, <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> divergiert und für alle <math>n</math> zudem <math>a_n\leq b_n</math>
mit nichtnegativen reellen Zahlen <math>b_n</math> gilt, dann divergiert auch die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty b_n</math>.
mit nichtnegativen reellen Zahlen <math>b_n</math> gilt, dann divergiert auch die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty b_n</math>.
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;[[Quotientenkriterium]]
==== Quotientenkriterium ====
{{Hauptartikel|Quotientenkriterium}}
Es wird die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> mit <math>a_n \not= 0</math> für alle <math>n</math> betrachtet. Dann gilt:<ref>Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 181.</ref>
Es wird die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> mit <math>a_n \not= 0</math> für alle bis auf endlich viele <math>n</math> betrachtet (alternativ kann im Voraus die Folge <math>a_n</math> auch unter Weglassen der Nullen auf eine Teilfolge verdichtet werden, die ohne Einschränkung wieder als <math>a_n</math> bezeichnet werden kann). Dann gilt:<ref>Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Ausgabe, New Delhi 2006, S.&nbsp;181.</ref>
* Falls <math>\textstyle \limsup_{n \to \infty} \left| \frac{a_{n+1}}{a_n}\right| < 1</math>, so ist die Reihe absolut konvergent (dabei steht <math>\limsup</math> für den [[Limes superior]]).
* Falls <math>\textstyle \limsup_{n \to \infty} \left| \frac{a_{n+1}}{a_n}\right| < 1</math>, so ist die Reihe absolut konvergent (dabei steht <math>\limsup</math> für den [[Limes superior]]).
* Falls <math>\textstyle \liminf_{n \to \infty} \left| \frac{a_{n+1}}{a_n}\right| > 1</math>, so ist die Reihe divergent (dabei steht <math>\liminf</math> für den [[Limes inferior]]).
* Falls <math>\textstyle \liminf_{n \to \infty} \left| \frac{a_{n+1}}{a_n}\right| > 1</math>, so ist die Reihe divergent (dabei steht <math>\liminf</math> für den [[Limes inferior]]).
* In den verbleibenden Fällen kann keine Aussage getroffen werden, d.&nbsp;h., sowohl bedingte oder absolute Konvergenz, aber auch Divergenz sind möglich.
* In den verbleibenden Fällen kann keine Aussage getroffen werden, d.&nbsp;h., sowohl bedingte oder absolute Konvergenz, aber auch Divergenz sind möglich.


Die Berechnung der obigen Limites superior und inferior kann schwierig sein, weshalb in vielen Fällen lediglich eine Abschätzung gemacht wird. Ist zum Beispiel <math>\left| \tfrac{a_{n+1}}{a_n}\right| \leq q < 1</math> für alle bis auf endlich viele <math>n</math> für eine feste Zahl <math>q</math>, so gilt insbesondere <math>\textstyle \limsup_{n \to \infty} \left| \frac{a_{n+1}}{a_n}\right| \leq q < 1</math>, also ist die Reihe absolut konvergent.
;[[Wurzelkriterium]]

Zu einer Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> wird die Größe <math>\textstyle \alpha := \limsup_{n \to \infty} \sqrt[n]{|a_n|}</math> betrachtet (dabei steht <math>\limsup</math> für den [[Limes superior]]). Dann gelten folgende Aussagen:<ref>Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 179.</ref>
==== Wurzelkriterium ====
{{Hauptartikel|Wurzelkriterium}}
Zu einer Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> wird die Größe <math>\textstyle \alpha := \limsup_{n \to \infty} \sqrt[n]{|a_n|}</math> betrachtet (dabei steht <math>\limsup</math> für den [[Limes superior]]). Dann gelten folgende Aussagen:<ref>Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Ausgabe, New Delhi 2006, S.&nbsp;179.</ref>
* Ist <math>\alpha < 1</math>, so konvergiert die Reihe absolut.
* Ist <math>\alpha < 1</math>, so konvergiert die Reihe absolut.
* Ist <math>\alpha > 1</math>, so ist die Reihe divergent.
* Ist <math>\alpha > 1</math>, so ist die Reihe divergent.
* Ist <math>\alpha = 1</math>, so kann keine Aussage getroffen werden, d.&nbsp;h., sowohl bedingte oder absolute Konvergenz, aber auch Divergenz sind möglich.
* Ist <math>\alpha = 1</math>, so kann keine Aussage getroffen werden, d.&nbsp;h., sowohl bedingte oder absolute Konvergenz, aber auch Divergenz sind möglich.
Im Falle von [[Potenzreihen]] dient das Wurzelkriterium beim Beweis der [[Konvergenzbereich#Der klassische Satz von Cauchy-Hadamard|Formel von Cauchy-Hadamard]] für deren [[Konvergenzradius]].<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1''. 3. Auflage, Basel 2006, S. 223.</ref>
Im Falle von [[Potenzreihen]] dient das Wurzelkriterium beim Beweis der [[Konvergenzbereich#Der klassische Satz von Cauchy-Hadamard|Formel von Cauchy-Hadamard]] für deren [[Konvergenzradius]].<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Auflage, Basel 2006, S.&nbsp;223.</ref>

Die Berechnung der obigen Limites superior und inferior kann schwierig sein, weshalb in vielen Fällen lediglich eine Abschätzung gemacht wird. Ist zum Beispiel <math>\sqrt[n]{|a_n|} \leq q < 1</math> für alle bis auf endlich viele <math>n</math> für eine feste Zahl <math>q</math>, so gilt insbesondere <math>\alpha \leq q < 1</math>, also ist die Reihe absolut konvergent.


;Kriterium von [[Paul du Bois-Reymond|du Bois-Reymond]] und [[Richard Dedekind|Dedekind]]
==== Kriterium von du Bois-Reymond und Dedekind ====
{{Siehe auch|Paul du Bois-Reymond|Richard Dedekind}}
Dieses Kriterium kann in zwei Unterkriterien unterteilt werden.
Dieses Kriterium kann in zwei Unterkriterien unterteilt werden.
# Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty (b_n - b_{n+1})</math> absolut und <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> wenigstens bedingt konvergiert.
# Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty (b_n - b_{n+1})</math> absolut und <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> wenigstens bedingt konvergiert.
# Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls außer der absoluten Konvergenz von <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty (b_n - b_{n+1})</math> lediglich die Beschränktheit der Partialsummen von <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> und <math>b_n \to 0</math> vorausgesetzt wird.<ref name="KK324">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 324.</ref>
# Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls außer der absoluten Konvergenz von <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty (b_n - b_{n+1})</math> lediglich die Beschränktheit der Partialsummen von <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> und <math>b_n \to 0</math> vorausgesetzt wird.<ref name="KK324">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;324.</ref>


;[[Gauß]]sches und [[Weierstraß]]sches Kriterium
==== Gaußsches und Weierstraßsches Kriterium ====
Kann man den Quotienten <math>\tfrac{a_{n+1}}{a_n}</math> in der Form <math>1 - \tfrac{\alpha}{n} - \tfrac{\vartheta_n}{n^\lambda}</math> mit einer beschränkten Folge <math>\vartheta_n</math> und <math>\lambda > 1</math> schreiben, so ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> im Falle <math>\alpha > 1</math> konvergent, und im Falle <math>\alpha \leq 1</math> divergent.<ref name="KK297">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 297.</ref>
Kann man den Quotienten <math>\tfrac{a_{n+1}}{a_n}</math> in der Form <math>1 - \tfrac{\alpha}{n} - \tfrac{\vartheta_n}{n^\lambda}</math> mit einer beschränkten Folge <math>\vartheta_n</math> und <math>\lambda > 1</math> schreiben, so ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> im Falle <math>\alpha > 1</math> konvergent, und im Falle <math>\alpha \leq 1</math> divergent.<ref name="KK297">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;297.</ref>


Dieses Kriterium von Gauß kann für komplexe Folgen ausgeweitet werden, wo es als Kriterium von Weierstraß benannt ist. Erfüllen die komplexen Glieder <math>a_n</math>
Dieses Kriterium von [[Gauß]] kann für komplexe Folgen ausgeweitet werden, wo es als Kriterium von [[Weierstraß]] benannt ist. Erfüllen die komplexen Glieder <math>a_n</math>
:<math> \frac{a_{n+1}}{a_n} = 1 - \tfrac{\alpha}{n} - \tfrac{A_n}{n^\lambda}</math>
:<math> \frac{a_{n+1}}{a_n} = 1 - \tfrac{\alpha}{n} - \tfrac{A_n}{n^\lambda}</math>
mit <math>\lambda > 1</math> und beschränkten <math>A_n</math>, so konvergiert die zugehörige Reihe genau dann absolut, wenn <math>\mathrm{Re}(\alpha) > 1</math>. Ist <math>0<\mathrm{Re}(\alpha) \leq 1</math>, so sind wenigstens die Reihen <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty |a_n - a_{n+1}|</math> und <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n</math> konvergent.<ref name="KK412">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 412.</ref>
mit <math>\lambda > 1</math> und beschränkten <math>A_n</math>, so konvergiert die zugehörige Reihe genau dann absolut, wenn <math>\mathrm{Re}(\alpha) > 1</math>. Ist <math>0<\mathrm{Re}(\alpha) \leq 1</math>, so sind wenigstens die Reihen <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty |a_n - a_{n+1}|</math> und <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n</math> konvergent.<ref name="KK412">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;412.</ref>


=== Kriterien unter Monotoniebedingungen ===
=== Kriterien unter Monotoniebedingungen ===
==== Monotoniekriterium ====
{{Hauptartikel|Monotoniekriterium}}
Gilt <math>a_n \geq 0</math> für alle <math>n \in \N</math>, so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> genau dann, wenn die Folge <math>\textstyle s_N = \sum_{n=1}^N a_n</math> beschränkt ist, und der Grenzwert ist <math>\sup_{N \in \N} s_N</math>.<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Auflage, Basel 2006, S.&nbsp;198.</ref> Ist <math>a_n</math> in diesem Szenario zusätzlich monoton fallend, impliziert die Konvergenz der Reihe auch <math>na_n \to 0</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;125.</ref>


Es ist für ''beliebige'' positive <math>a_n</math> die Reihe
;[[Monotoniekriterium]]
:<math>\sum_{n=1}^\infty \frac{a_n}{(1+a_1)(1+a_2) \cdots (1+a_n)}</math>
Gilt <math>a_n \geq 0</math> für alle <math>n \in \N</math>, so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> genau dann, wenn die Folge <math>\textstyle s_N = \sum_{n=1}^N a_n</math> beschränkt ist, und der Grenzwert ist <math>\sup_{N \in \N} s_N</math>.<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1''. 3. Auflage, Basel 2006, S. 198.</ref> In diesem Fall gilt auch <math>na_n \to 0</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 125.</ref>
konvergent.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;276.</ref>


;[[Integralkriterium]]
==== Integralkriterium ====
{{Hauptartikel|Integralkriterium}}
Ist <math>f\colon [1, \infty) \to [0, \infty)</math> eine [[Monotone reelle Funktion|monoton fallende Funktion]] mit
Ist <math>f\colon [1, \infty) \to [0, \infty)</math> eine [[Monotone reelle Funktion|monoton fallende Funktion]] mit
:<math>f(n)=a_n</math> für alle <math>n</math>,
:<math>f(n)=a_n</math> für alle <math>n</math>,
dann konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> genau dann, wenn das [[Integralrechnung|uneigentliche Integral]]
dann konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> genau dann, wenn das [[Integralrechnung|uneigentliche Integral]]
:<math>\int_1^\infty f(x)\,\mathrm dx</math>
:<math>\int_1^\infty f(x)\,\mathrm dx</math>
existiert.<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2. Edition, New York 1997, S. 210.</ref>
existiert.<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2.&nbsp;Edition, New York 1997, S.&nbsp;210.</ref><ref group="Anm.">Die (lokale) Integrierbarkeit von <math>f</math> folgt hier bereits mit der geforderten Monotonie.</ref>
{| class="wikitable left mw-collapsible mw-collapsed font-size: 105.3%;"
{| class="wikitable left mw-collapsible mw-collapsed font-size: 105.3%;"
|style="text-align:left; font-size: 95%;"| '''Beispiel'''&nbsp;&nbsp;
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;[[Leibniz-Kriterium]]
==== Leibniz-Kriterium ====
{{Hauptartikel|Leibniz-Kriterium}}
Eine Reihe der Form
Eine Reihe der Form
:<math>S = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n a_n</math>
:<math>S = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n a_n</math>
mit nichtnegativen <math>a_n</math> wird [[alternierende Reihe]] genannt. Eine solche Reihe konvergiert, wenn die Folge <math>a_n</math> ''monoton'' gegen 0 konvergiert.<ref name="KK325">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 325.</ref> Die Umkehrung ist nicht allgemeingültig.
mit nichtnegativen <math>a_n</math> wird [[alternierende Reihe]] genannt. Eine solche Reihe konvergiert, wenn die Folge <math>a_n</math> ''monoton'' gegen 0 konvergiert.<ref name="KK325">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;325.</ref> Die Umkehrung ist nicht allgemeingültig.


;[[Kriterium von Abel]]
==== Kriterium von Abel ====
{{Hauptartikel|Kriterium von Abel}}
Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, und die Folge <math>b_n</math> monoton und beschränkt ist.<ref name="KK324">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 324.</ref>
Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, und die Folge <math>b_n</math> monoton und beschränkt ist.<ref name="KK324">Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;324.</ref>


;[[Kriterium von Dirichlet]]
==== Kriterium von Dirichlet ====
{{Hauptartikel|Kriterium von Dirichlet}}
Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls
Es ist die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n b_n</math> konvergent, falls
:<math> \sup_{N \in \N} \left| \sum_{n=0}^N a_n \right| < \infty,</math>
:<math> \sup_{N \in \N} \left| \sum_{n=0}^N a_n \right| < \infty,</math>
also die Partialsummen der <math>a_n</math> beschränkt sind, und wenn <math>b_n</math> eine monoton fallende Nullfolge ist.<ref name="KK324" /> Dabei steht <math>\sup</math> für das [[Supremum]].
also die Partialsummen der <math>a_n</math> beschränkt sind, und wenn <math>b_n</math> eine monoton fallende Nullfolge ist.<ref name="KK324" /> Dabei steht <math>\sup</math> für das [[Supremum]].


;[[Cauchysches Verdichtungskriterium]]
==== Cauchysches Verdichtungskriterium ====
{{Hauptartikel|Cauchysches Verdichtungskriterium}}
Ist <math>a_n</math> eine monoton fallende Nullfolge, so konvergiert die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> genau dann, wenn die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty 2^n a_{2^n}</math> konvergiert.<ref>Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 172.</ref>
Ist <math>a_n</math> eine monoton fallende Nullfolge, so konvergiert die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> genau dann, wenn die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty 2^n a_{2^n}</math> konvergiert.<ref>Terence Tao: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Ausgabe, New Delhi 2006, S.&nbsp;172.</ref>


=== Multiplikative Funktionen ===
=== Multiplikative Funktionen ===

Es ist <math>f\colon \N \to \C</math> eine [[multiplikative Funktion]], falls <math>f(mn) = f(m)f(n)</math> für alle [[Teilerfremdheit|teilerfremden]] <math>m</math> und <math>n</math> gilt.
Es ist <math>f\colon \N \to \C</math> eine [[multiplikative Funktion]], falls <math>f(mn) = f(m)f(n)</math> für alle [[Teilerfremdheit|teilerfremden]] <math>m</math> und <math>n</math> gilt.


Es konnte [[Peter D. T. A. Elliott]] Folgendes zeigen: Es sei <math>f</math> multiplikativ, so dass
Es konnte [[Peter D. T. A. Elliott]] Folgendes zeigen: Es sei <math>f</math> multiplikativ, sodass
:<math> 0 \not= A = \lim_{n \to \infty} \frac{1}{n}\sum_{m=1}^n f(m)</math>
:<math> 0 \not= A = \lim_{n \to \infty} \frac{1}{n}\sum_{m=1}^n f(m)</math>
existiert, und ferner
existiert, und ferner
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Dann gilt bereits, dass die Reihen
Dann gilt bereits, dass die Reihen
:<math> \sum_{p \ \text{Primzahl}} \frac{f(p)-1}{p}, \qquad \sum_{p \ \text{Primzahl}} \frac{|f(p)-1|^2}{p}, \qquad \sum_{p \ \text{Primzahl}} \sum_{k=2}^\infty \frac{|f(p^k)|}{p^k}</math>
:<math> \sum_{p \ \text{Primzahl}} \frac{f(p)-1}{p}, \qquad \sum_{p \ \text{Primzahl}} \frac{|f(p)-1|^2}{p}, \qquad \sum_{p \ \text{Primzahl}} \sum_{k=2}^\infty \frac{|f(p^k)|}{p^k}</math>
sämtlich konvergieren.<ref>P. D. T. A. Elliott: ''Probabilistic Number Theory I'' (= ''Grundlehren der mathematischen Wissenschaften.'' Band 239). Springer, S. 333–334.</ref>
sämtlich konvergieren.<ref>P. D. T. A. Elliott: ''Probabilistic Number Theory I'' (= ''Grundlehren der mathematischen Wissenschaften.'' Band 239). Springer, S.&nbsp;333–334.</ref>


=== Funktionentheoretische Mittel ===
=== Funktionentheoretische Mittel ===
==== Sätze von Tauber und Littlewood ====

Der Satz von Tauber, bewiesen von [[Alfred Tauber]] im Jahr 1897,<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;10.</ref> nutzt das Randverhalten einer [[Potenzreihe]], um ein hinreichendes Kriterium für dortige Konvergenz zu geben. Ist
;Sätze von Tauber und Littlewood
Der Satz von Tauber, bewiesen von [[Alfred Tauber]] im Jahr 1897,<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 10.</ref> nutzt das Randverhalten einer [[Potenzreihe]], um ein hinreichendes Kriterium für dortige Konvergenz zu geben. Ist
:<math>f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math>
:<math>f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math>
für alle <math>|z| < 1</math> konvergent, existiert <math>f(1) := \lim_{r \to 1^-} f(r)</math> und gilt <math>na_n \to 0</math> für <math>n \to \infty</math>, so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> gegen <math>f(1)</math>. [[John Edensor Littlewood]] konnte dieses Resultat verbessern, indem er zeigte, dass bereits die abgeschwächte Bedingung <math>|na_n| \leq C</math> für alle <math>n</math> mit einer Konstante <math>C</math> für die Aussage des Satzes hinreichend ist.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 14.</ref> Es konnte auch gezeigt werden, dass diese Bedingung im allgemeinen Fall nicht weiter verbessert werden kann.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 54.</ref> Wird allerdings gefordert, dass die <math>a_n</math> fast alle nichtnegativ sind, kann die Bedingung der Beschränktheit von <math>na_n</math> gänzlich weggelassen werden.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 192.</ref>
für alle <math>|z| < 1</math> konvergent, existiert <math>f(1) := \lim_{r \to 1^-} f(r)</math> und gilt <math>na_n \to 0</math> für <math>n \to \infty</math>, so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> gegen <math>f(1)</math>. [[John Edensor Littlewood]] konnte dieses Resultat verbessern, indem er zeigte, dass bereits die abgeschwächte Bedingung <math>|na_n| \leq C</math> für alle <math>n</math> mit einer Konstante <math>C</math> für die Aussage des Satzes hinreichend ist.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;14.</ref> Diese Bedingung kann im allgemeinen Fall nicht weiter verbessert werden: Zu ''jeder'' positiven, wachsenden Funktion <math>\phi</math> mit <math>\phi(n) \to \infty</math> existiert eine Abel-summierbare Folge <math>a_n</math> mit <math>|a_n| \leq \tfrac{\phi(n)}{n}</math>, sodass <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> divergiert.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;54.</ref> Wird allerdings gefordert, dass die <math>a_n</math> fast alle nichtnegativ sind, kann die Bedingung der Beschränktheit von <math>na_n</math> gänzlich weggelassen werden.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;192.</ref>

<math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n = A</math> genau dann, wenn <math>\textstyle \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^{2^n} = A</math>.<ref>Hugh L. Montgomery, Robert C. Vaughan: ''Multiplicative Number Theory I. Classical Theory'' (= ''Cambridge studies in advanced mathematics.''). Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 978-1-107-40582-0, S.&nbsp;161.</ref>


Es kann gezeigt werden, dass <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n = A</math> genau dann, wenn <math>\textstyle \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^{2^n} = A</math>.<ref>Hugh L. Montgomery, Robert C. Vaughan: ''Multiplicative Number Theory I. Classical Theory.'' (=''Cambridge studies in advanced mathematics.''). Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 978-1-107-40582-0, S.&nbsp;161.</ref>
Ist stets <math>na_n \geq -K</math> für eine reelle Zahl <math>K</math>, dann folgt aus <math>\lim_{\sigma \to 0^+} \textstyle \sum_{n=0}^\infty a_ne^{-\sigma n^2} = s</math> bereits <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n = s</math>.<ref>Gérald Tenenbaum: ''Introduction to analytic and probabilistic number theory.'' AMS, 1990, S.&nbsp;357.</ref>


;Kriterien von [[Pierre Fatou|Fatou]] und [[Jacob Korevaar|Korevaar]]
==== Kriterien von Fatou und Korevaar ====
{{Siehe auch|Pierre Fatou|Jacob Korevaar}}
Wieder habe <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> einen [[Konvergenzradius]] von mindestens 1. Gibt es sogar eine Konstante <math>\alpha > 0</math>, so dass <math>|f(r) - f(1)| = O((1-r)^\alpha)</math> mit <math>r \to 1^-</math>, so folgt bereits<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 172.</ref>
Wieder habe <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> einen [[Konvergenzradius]] von mindestens 1. Gibt es sogar eine Konstante <math>\alpha > 0</math>, sodass <math>|f(r) - f(1)| = O((1-r)^\alpha)</math> mit <math>r \to 1^-</math>, so folgt bereits<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;172.</ref>
:<math>\left| \sum_{k=0}^n a_k - f(1) \right| = O\left(\frac{1}{\log(n)}\right).</math>
:<math>\left| \sum_{k=0}^n a_k - f(1) \right| = O\left(\frac{1}{\log(n)}\right).</math>
Ist <math>f</math> um <math>z=1</math> [[Analytische Fortsetzung|holomorph fortsetzbar]] und gibt es eine nicht-fallende Funktion <math>\psi \colon \R \to [1,\infty)</math>, sodass <math>\psi(x) = 1</math> für <math>x \leq 0</math> und <math>\psi(2x) \leq C \psi(x)</math> für <math>x \geq 0</math> mit einer Konstanten <math>C > 0</math>. Gilt zudem <math>a_n \geq -\tfrac{1}{\psi(n)}</math> für alle <math>n \geq 0</math>, dann konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> gegen <math>f(1)</math>, und zudem gilt<ref>Gerald Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory'' (= ''Graduate Studies in Mathematics.'' Band 163). 3. Edition, American Mathematical Society, Providence (RI) 2015, ISBN 978-0-8218-9854-3, S. 343.</ref>
Ist <math>f</math> um <math>z=1</math> [[Analytische Fortsetzung|holomorph fortsetzbar]] und gibt es eine nicht-fallende Funktion <math>\psi \colon \R \to [1,\infty)</math>, sodass <math>\psi(x) = 1</math> für <math>x \leq 0</math> und <math>\psi(2x) \leq C \psi(x)</math> für <math>x \geq 0</math> mit einer Konstanten <math>C > 0</math>; gilt zudem <math>a_n \geq -\tfrac{1}{\psi(n)}</math> für alle <math>n \geq 0</math>, dann konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> gegen <math>f(1)</math> und zudem gilt<ref>Gerald Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory'' (= ''Graduate Studies in Mathematics.'' Band 163). 3.&nbsp;Edition, American Mathematical Society, Providence (RI) 2015, ISBN 978-0-8218-9854-3, S.&nbsp;343.</ref>
:<math> \sum_{k \leq x} a_k = f(1) + O\left( \frac{1}{\psi(x)}\right).</math>
:<math> \sum_{k \leq x} a_k = f(1) + O\left( \frac{1}{\psi(x)}\right).</math>
Eine ähnliche Aussage gilt für Dirichlet-Reihen: Ist <math>F(s) := \textstyle \sum_{n=1}^\infty a_nn^{-s}</math> eine Funktion, die für alle <math>\mathrm{Re}(s) > 1</math> konvergiert und sich nach <math>s=1</math> holomorph fortsetzen lässt; gilt ferner <math>a_n \geq -\tfrac{1}{\psi(\log(n))}</math> für ein <math>\psi</math> wie oben, so gilt bereits<ref>Gerald Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory'' (= ''Graduate Studies in Mathematics.'' Band 163). 3.&nbsp;Edition, American Mathematical Society, Providence (RI) 2015, ISBN 978-0-8218-9854-3, S.&nbsp;344.</ref>
:<math> \sum_{n \leq x} \frac{a_n}{n} = F(1) + O\left( \frac{1}{\psi(\log(x))}\right).</math>


;[[Niels Henrik Abel|Abel]]-Summierbarkeit
==== Abel-Summierbarkeit ====
{{Siehe auch|Niels Henrik Abel}}
Man nennt eine formale Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> Abel-summierbar gegen <math>A</math>, falls<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 4.</ref>
Man nennt eine formale Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> Abel-summierbar gegen <math>A</math>, falls<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;4.</ref>
:<math> \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^n = A,</math>
:<math> \lim_{r \to 1^-} \sum_{n=0}^\infty a_n r^n = A,</math>
wobei die Reihe zur Linken für alle <math>0 \leq r < 1</math> konvergiere. Es ist eine Abel-summierbare Reihe genau dann konvergent, wenn<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 11.</ref>
wobei die Reihe zur Linken für alle <math>0 \leq r < 1</math> konvergiere. Es ist eine Abel-summierbare Reihe genau dann konvergent, wenn<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;11.</ref>
:<math> \lim_{n \to \infty} \frac{a_1 + 2a_2 + \cdots + na_n}{n} = 0.</math>
:<math> \lim_{n \to \infty} \frac{a_1 + 2a_2 + \cdots + na_n}{n} = 0.</math>


;Satz von Fatou
==== Satz von Fatou ====
Der Satz Fatou besagt, dass, wenn die Potenzreihe
Der Satz Fatou besagt, dass, wenn die Potenzreihe
:<math>f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math>
:<math>f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math>
für alle <math>|z| < 1</math> konvergiert, und sich die Funktion <math>f</math> in einer Umgebung des Randpunkts <math>|z_0| = 1</math> holomorph fortsetzen lässt, aus <math>a_n \to 0</math> bereits folgt, dass <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, und den Wert <math>f(z_0)</math> annimmt.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 148.</ref>
für alle <math>|z| < 1</math> konvergiert, und sich die Funktion <math>f</math> in einer Umgebung des Randpunkts <math>|z_0| = 1</math> holomorph fortsetzen lässt, aus <math>a_n \to 0</math> bereits folgt, dass <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> konvergiert, und den Wert <math>f(z_0)</math> annimmt.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;148.</ref>


Der Satz von Fatou kann, unter Umgehung der Bedingung der Holomorphie in <math>z_0</math>, ausgeweitet werden. Dafür wird das Konzept des [[Hardy-Raum]]s <math>H^1(D)</math> eines Gebietes <math>D</math> benötigt. Erfüllt <math>f</math> im Randpunkt <math>z_0 = e^{it_0}</math> die lokale <math>H^1</math>-Bedingung, so existiert eine Zahl <math>\lambda > 0</math>, sodass <math>f(re^{it})</math> für <math>r \to 1^-</math> in <math>L^1(t_0 - \lambda, t_0 + \lambda)</math> gegen eine (integrierbare) Funktion <math>t \mapsto f(e^{it})</math> konvergiert (siehe auch [[Lp-Raum]]), also
Der Satz von Fatou kann, unter Umgehung der Bedingung der Holomorphie in <math>z_0</math>, ausgeweitet werden. Dafür wird das Konzept des [[Hardy-Raum]]s <math>H^1(D)</math> eines Gebietes <math>D</math> benötigt. Erfüllt <math>f</math> im Randpunkt <math>z_0 = e^{it_0}</math> die lokale <math>H^1</math>-Bedingung, so existiert eine Zahl <math>\lambda > 0</math>, sodass <math>f(re^{it})</math> für <math>r \to 1^-</math> in <math>L^1(t_0 - \lambda, t_0 + \lambda)</math> gegen eine (integrierbare) Funktion <math>t \mapsto f(e^{it})</math> konvergiert (siehe auch [[Lp-Raum]]), also
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dann konvergiert <math>f</math> in jedem Punkt <math>z_1 = e^{it_1}</math> gegen <math>f(z_1)</math>, an dem der Differenzenquotient
dann konvergiert <math>f</math> in jedem Punkt <math>z_1 = e^{it_1}</math> gegen <math>f(z_1)</math>, an dem der Differenzenquotient
:<math>q_{z_1}(z) = \frac{f(z) - f(z_1)}{z - z_1}, \qquad |z| < 1</math>
:<math>q_{z_1}(z) = \frac{f(z) - f(z_1)}{z - z_1}, \qquad |z| < 1</math>
die lokale <math>H^1</math>-Bedingung in <math>z_1</math> erfüllt.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 153.</ref> Dabei steht <math>\sup</math> für das [[Supremum]].
die lokale <math>H^1</math>-Bedingung in <math>z_1</math> erfüllt.<ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;153.</ref> Dabei steht <math>\sup</math> für das [[Supremum]].


;Satz von [[Albert Ingham|Ingham]]
==== Satz von Ingham ====
Ein im Jahr 1935 gegebener Satz von Albert Ingham war Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen von [[Donald Newman]], der diesen mit einfachen funktionentheoretischen Mitteln beweisen konnte. Sei eine [[Dirichletreihe]]
Ein im Jahr 1935 gegebener Satz von [[Albert Ingham]] war Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen von [[Donald Newman]], der diesen mit einfachen funktionentheoretischen Mitteln beweisen konnte. Sei eine [[Dirichletreihe]]
:<math>f(s) = \sum_{n=1}^\infty \frac{a_n}{n^s}</math>
:<math>f(s) = \sum_{n=1}^\infty \frac{a_n}{n^s}</math>
für alle <math>s</math> mit <math>\mathrm{Re}(s) > 1</math> konvergent (d.&nbsp;h., sie stellt in dieser offenen Halbebene eine holomorphe Funktion dar). Lässt sich <math>f</math> nun holomorph auf eine offene Menge fortsetzen, die <math>\{s \in \C \colon \mathrm{Re}(s) \geq 1\}</math> vollständig enthält, und sind die <math>a_n</math> ''beschränkt'', so gilt bereits für alle <math>t \in \R</math><ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, S. 133–134.</ref>
für alle <math>s</math> mit <math>\mathrm{Re}(s) > 1</math> konvergent (d.&nbsp;h., sie stellt in dieser offenen Halbebene eine holomorphe Funktion dar). Lässt sich <math>f</math> nun holomorph auf eine offene Menge fortsetzen, die <math>\{s \in \C \colon \mathrm{Re}(s) \geq 1\}</math> vollständig enthält, und sind die <math>a_n</math> ''beschränkt'', so gilt bereits für alle <math>t \in \R</math><ref>Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments.'' Berlin / Heidelberg / New York 2004, S.&nbsp;133–134.</ref>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{a_n}{n^{1+it}} = f(1+it).</math>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{a_n}{n^{1+it}} = f(1+it).</math>
Für unbeschränkte <math>a_n</math> ist die obere Aussage bekanntlich falsch.
Für unbeschränkte <math>a_n</math> ist die obige Aussage bekanntlich falsch.


== Methoden zur Grenzwertbestimmung ==
== Methoden zur Grenzwertbestimmung ==
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=== Teleskopreihen ===
=== Teleskopreihen ===


Hat eine Reihe die Gestalt <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (b_n - b_{n+1})</math> mit einer Folge <math>b_n</math>, die gegen einen Grenzwert <math>B</math> konvergiert, so konvergiert jene ebenfalls und hat den Grenzwert <math>b_1 - B</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.''6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 241.</ref> Dieses Resultat lässt sich weiter verallgemeinern. Sind die Glieder der Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> gegeben durch
Hat eine Reihe die Gestalt <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (b_n - b_{n+1})</math> mit einer Folge <math>b_n</math>, die gegen einen Grenzwert <math>B</math> konvergiert, so konvergiert jene ebenfalls und hat den Grenzwert <math>b_1 - B</math>.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;241.</ref> Dieses Resultat lässt sich weiter verallgemeinern. Sind die Glieder der Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> gegeben durch
:<math> a_n = c_1 x_{n} + c_2 x_{n+1} + \cdots + c_k x_{n+k-1}</math> mit <math> k \geq 2</math>,
:<math> a_n = c_1 x_{n} + c_2 x_{n+1} + \cdots + c_k x_{n+k-1}</math> mit <math> k \geq 2</math>,
wobei <math>x_n</math> gegen den Grenzwert <math>x</math> konvergiert und <math>c_1 + c_2 + \cdots + c_k = 0</math>, so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> und der Grenzwert ist explizit gegeben durch<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 242.</ref>
wobei <math>x_n</math> gegen den Grenzwert <math>x</math> konvergiert und <math>c_1 + c_2 + \cdots + c_k = 0</math>, so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> und der Grenzwert ist explizit gegeben durch<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;242.</ref>
:<math>\sum_{n=1}^\infty a_n = c_1 x_1 + (c_1 + c_2)x_2 + \cdots + (c_1 + c_2 + \cdots + c_{k-1})x_{k-1} + (c_2 + 2c_3 + \cdots + (k-1)c_k)x</math>.
:<math>\sum_{n=1}^\infty a_n = c_1 x_1 + (c_1 + c_2)x_2 + \cdots + (c_1 + c_2 + \cdots + c_{k-1})x_{k-1} + (c_2 + 2c_3 + \cdots + (k-1)c_k)x</math>.
Ein Anwendungsbeispiel dieser Regel ist<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;243.</ref>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{(3n+1)(3n+10)} = \sum_{n=1}^\infty \left( \frac{1}{9 (3n+1)}-\frac{1}{9 (3n+10)} \right) = \frac{1}{9} \cdot \frac{1}{4} + \frac{1}{9} \cdot \frac{1}{7} + \frac{1}{9} \cdot \frac{1}{10} + 3 \cdot \left( -\frac{1}{9} \right) \cdot 0 = \frac{23}{420}.</math>


=== Abelscher Grenzwertsatz ===
=== Abelscher Grenzwertsatz ===
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stetig nach <math>x=1</math> fortsetzen lässt. Ferner gilt
stetig nach <math>x=1</math> fortsetzen lässt. Ferner gilt
:<math>f(1) = \sum_{n=0}^\infty a_n.</math>
:<math>f(1) = \sum_{n=0}^\infty a_n.</math>

[[Datei:45-45-triangle.svg|mini|240px|In einem [[Rechtwinkliges Dreieck|rechtwinkligen]], [[Gleichschenkliges Dreieck|gleichschenkligen Dreieck]] mit <math>45</math>°-Winkeln (entspricht <math>\tfrac{\pi}{4}</math> im [[Bogenmaß]]) berechnet sich der [[Tangens und Kotangens|Tangens]] von <math>\tfrac{\pi}{4}</math> durch das Verhältnis beider (gleichlanger) [[Kathete]]n, ist also gerade <math>1</math>. Entsprechend nimmt seine [[Umkehrfunktion]], der [[Arkustangens und Arkuskotangens|Arkustangens]], an der Stelle <math>1</math> den Wert <math>\tfrac{\pi}{4}</math> an.]]
[[Datei:45-45-triangle.svg|mini|240px|In einem [[Rechtwinkliges Dreieck|rechtwinkligen]], [[Gleichschenkliges Dreieck|gleich&shy;schenkligen Dreieck]] mit <math>45</math>°-Winkeln (entspricht <math>\tfrac{\pi}{4}</math> im [[Bogenmaß]]) berechnet sich der [[Tangens und Kotangens|Tangens]] von <math>\tfrac{\pi}{4}</math> durch das Verhältnis beider (gleichlanger) [[Kathete]]n, ist also gerade <math>1</math>. Entsprechend nimmt seine [[Umkehrfunktion]], der [[Arkustangens und Arkuskotangens|Arkustangens]], an der Stelle <math>1</math> den Wert <math>\tfrac{\pi}{4}</math> an.]]
Mit diesem Ansatz können manche klassischen Reihengrenzwerte berechnet werden.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996,S. 244.</ref> Beispielsweise gilt für alle <math>x</math> mit <math>|x| < 1</math> gilt die Reihendarstellung
Mit diesem Ansatz können manche klassischen Reihengrenzwerte berechnet werden.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;244.</ref> Beispielsweise gilt für alle <math>x</math> mit <math>|x| < 1</math> gilt die Reihendarstellung
:<math>\arctan(x) = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n \frac{x^{2n+1}}{2n+1}.</math>
:<math>\arctan(x) = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n \frac{x^{2n+1}}{2n+1}.</math>
Mit dem [[Leibniz]]-Kriterium und der Abel-Summierbarkeit folgt damit die [[Leibniz-Reihe]]:<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 220.</ref>
Mit dem [[Leibniz]]-Kriterium und der Abel-Summierbarkeit folgt damit die [[Leibniz-Reihe]]:<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;220.</ref>
:<math> \sum_{n=0}^\infty \frac{(-1)^n}{2n+1} = 1 - \frac{1}{3} + \frac{1}{5} - \frac{1}{7} + \cdots = \arctan(1) = \frac{\pi}{4}.</math>
:<math> \sum_{n=0}^\infty \frac{(-1)^n}{2n+1} = 1 - \frac{1}{3} + \frac{1}{5} - \frac{1}{7} + \cdots = \arctan(1) = \frac{\pi}{4}.</math>


Ähnlich verhält es sich mit der Taylorreihe des [[Natürlicher Logarithmus|natürlichen Logarithmus]]:
Ähnlich verhält es sich mit der Taylorreihe des [[Natürlicher Logarithmus|natürlichen Logarithmus]]:
:<math>\log(1+x) = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n \frac{x^{n+1}}{n+1}.</math>
:<math>\log(1+x) = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n \frac{x^{n+1}}{n+1}.</math>
Damit folgt, dass die alternierende harmonische Reihe den Grenzwert <math>\log(2)</math> besitzt:<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 218–219.</ref>
Damit folgt, dass die alternierende harmonische Reihe den Grenzwert <math>\log(2)</math> besitzt:<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;218–219.</ref>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n-1}}{n} = 1 - \frac{1}{2} + \frac{1}{3} - \frac{1}{4} + \cdots = \log(2).</math>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n-1}}{n} = 1 - \frac{1}{2} + \frac{1}{3} - \frac{1}{4} + \cdots = \log(2).</math>
Beide Reihen zeigen zwar ein klares „Bildungsgesetz“, sind jedoch für numerische Berechnungen unbrauchbar.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 256–257.</ref>
Beide Reihen zeigen zwar ein klares „Bildungsgesetz“, sind jedoch für numerische Berechnungen unbrauchbar.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;256–257.</ref>


=== Differential- und Integralrechnung ===
=== Integrale ===


Ansätze über [[Differentialrechnung|Differential-]] und [[Integralrechnung]] greifen primär auf Eigenschaften von [[Potenzreihen]] zurück. In manchen Fällen kann der Grenzwert einer Reihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n</math> ermittelt werden, indem man die allgemeinere Potenzreihe <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n x^n</math> für Werte <math>|x| \leq 1</math> studiert. Im einfachsten Fall gilt:
In einigen Fällen können Reihen direkt auf gewisse [[Integralrechnung|Integrale]] zurückgeführt werden, wobei Letztere dann mit Methoden der Analysis, zum Beispiel durch Auswertung mit Angabe einer [[Stammfunktion]], gelegentlich geschlossen berechnet werden können. Die Umwandlung von Integral in Reihe ergibt sich dabei im Falle von Funktionenreihen oft durch gliedweise Integration. Ein Beispiel ist die Leibniz-Reihe:<ref>Jörg Arndt, Christoph Haenel: ''Pi. Algorithmen, Computer, Arithmetik.'' 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2000, ISBN 978-3-540-66258-7, S. 69–70.</ref>

:<math> \sum_{n=0}^\infty \frac{(-1)^n}{2n+1} = \int_0^1 \frac{\mathrm{d}x}{x^2 + 1} = \arctan(1) - \arctan(0) = \frac{\pi}{4}.</math>
* Die Reihe <math>f(x) = \textstyle \sum_{n=0}^\infty a_n x^n</math> hat [[Konvergenzradius]] <math>R > 1</math>,
* und es lässt sich <math>f(x)</math> durch bekannte Funktionen geschlossen ausdrücken.

Dann kann mit
:<math>f(1) = \sum_{n=0}^\infty a_n</math>
direkt ein geschlossener Grenzwert hingeschrieben werden, und Konvergenz folgt ebenso automatisch. Ist der Konvergenzradius jedoch genau <math>R = 1</math>, muss im Rahmen des Abelschen Grenzwertsatzes zunächst Konvergenz nachgewiesen werden (siehe oben).

Dieser Ansatz kann schnell auf Reihen des Typs
:<math>\sum_{n=0}^\infty n^k a_n</math>
mit <math>k \in \N_0</math> verallgemeinert werden. In der obigen Situation mit Konvergenzradius <math>R > 1</math> sind diese sämtlich absolut konvergent, und Grenzwerte können geschlossen über die höheren [[Ableitungsfunktion|Ableitungen]] der Funktion <math>f</math> an der Stelle <math>x=1</math> ausgedrückt werden. Zum Beispiel gilt mit obiger Notation

:<math> \sum_{n=0}^\infty na_n = f'(1),</math>
:<math> \sum_{n=0}^\infty n^2 a_n = f''(1) + f'(1),</math>
:<math> \sum_{n=0}^\infty n^3 a_n = f'''(1) + 3f''(1) + f'(1)</math>
und ganz allgemein
:<math> \sum_{n=0}^\infty n^k a_n = \sum_{\ell=1}^{k} \Bigl\{{k \atop \ell}\Bigr\} f^{(\ell)}(1),\quad</math> (für <math>k \in \N</math>),
wobei <math>\textstyle \bigl\{\!{k \atop \ell}\!\bigr\}</math> die [[Stirling-Zahl]]en zweiter Art sind.<ref>Tsuneo Arakawa, Tomoyoshi Ibukiyama, Masanobu Kankeo: ''Bernoulli Numbers and Zeta Functions.'' Springer Monographs in Mathematics, Springer Japan, 2014, S.&nbsp;28–29.</ref> Ein einfaches Beispiel betrifft die Reihe
:<math>\sum_{n=0}^\infty \frac{n}{2^n} = \frac{0}{1} + \frac{1}{2} + \frac{2}{4} + \frac{3}{8} + \frac{4}{16} + \cdots.</math>
Es gilt mit der [[Geometrische Reihe|geometrischen Reihe]] <math>f(x) = \textstyle \sum_{n=0}^\infty \frac{x^n}{2^n} = \tfrac{1}{1 - \tfrac{x}{2}}</math> für alle <math>|x| < 2</math> (weshalb die betrachtete Reihe definitiv absolut konvergiert), und mit <math>f'(x) = \tfrac{1}{2(1 - \tfrac{x}{2})^2}</math> der Grenzwert <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty \frac{n}{2^n} = f'(1) = 2</math>.

Mitunter noch einfacher gestaltet sich dieser Ansatz beim Übergang zu [[Fourierreihe]]n durch den Variablenwechsel <math>x = e^{it}</math>. Man betrachtet dann
:<math>\phi(t) = \sum_{n=0}^\infty a_n e^{itn}</math>
im Punkt <math>t=0</math> und beim Ableiten dieser Reihe sind keine Stirling-Zahlen mehr vonnöten (allerdings wird gleichzeitig wegen [[Kettenregel|Verkettung]] das Aufstellen geschlossener Ableitungsterme meist schwieriger). Im Rahmen der [[Charakteristische Funktion (Stochastik)|charakteristischen Funktion]] ist dieses Vorgehen in der Wahrscheinlichkeitstheorie bei der Berechnung von [[Moment (Stochastik)|Momenten]] diskreter [[Zufallsvariable]]n nützlich, siehe auch [[momenterzeugende Funktion]].

In einigen Fällen können Reihen direkt auf gewisse [[Integralrechnung|Integrale]] zurückgeführt werden, wobei Letztere dann mit Methoden der Analysis, zum Beispiel durch Auswertung mit Angabe einer [[Stammfunktion]], gelegentlich geschlossen berechnet werden können. Die Umwandlung von Integral in Reihe ergibt sich dabei im Falle von Funktionenreihen oft durch gliedweise Integration. Ein Beispiel ist die Leibniz-Reihe:<ref>Jörg Arndt, Christoph Haenel: ''Pi. Algorithmen, Computer, Arithmetik.'' 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2000, ISBN 978-3-540-66258-7, S.&nbsp;69–70.</ref>
:<math> \sum_{n=0}^\infty \frac{(-1)^n}{2n+1} = \sum_{n=0}^\infty \int_0^1 (-1)^n x^{2n} \mathrm{d}x = \int_0^1 \frac{\mathrm{d}x}{x^2 + 1} = \arctan(1) - \arctan(0) = \frac{\pi}{4}.</math>


[[David Harold Bailey|David Bailey]], [[Peter Borwein]] und [[Simon Plouffe]] benutzten die Integralformel
[[David Harold Bailey|David Bailey]], [[Peter Borwein]] und [[Simon Plouffe]] benutzten die Integralformel
:<math> \pi = \int_0^{\frac{1}{\sqrt{2}}} \frac{4\sqrt{2} - 8x^3 - 4\sqrt{2} x^4 - 8 x^5}{1 - x^8} \mathrm{d}x = \int_{0}^1 \frac{16y - 16}{y^4 - 2y^3 + 4y - 4} \mathrm{d}y = \sum_{n=0}^\infty \frac{1}{16^n} \left( \frac{4}{8n+1} - \frac{2}{8n+4} - \frac{1}{8n+5} - \frac{1}{8n+6}\right)</math>
:<math> \pi = \int_0^{\frac{1}{\sqrt{2}}} \frac{4\sqrt{2} - 8x^3 - 4\sqrt{2} x^4 - 8 x^5}{1 - x^8} \mathrm{d}x = \int_{0}^1 \frac{16y - 16}{y^4 - 2y^3 + 4y - 4} \mathrm{d}y = \sum_{n=0}^\infty \frac{1}{16^n} \left( \frac{4}{8n+1} - \frac{2}{8n+4} - \frac{1}{8n+5} - \frac{1}{8n+6}\right)</math>
für den Beweis der [[Bailey-Borwein-Plouffe-Formel]] für die Kreiszahl <math>\pi</math>.<ref>[[David H. Bailey]], [[Peter Borwein|Peter B. Borwein]], [[Simon Plouffe]]: ''On the Rapid Computation of Various Polylogarithmic Constants.'' In: ''Mathematics of Computation.'' Band 66, Nr. 218, 1997, S. 903–913.</ref>
beim Beweis der [[Bailey-Borwein-Plouffe-Formel]] für die Kreiszahl <math>\pi</math>.<ref>[[David H. Bailey]], [[Peter Borwein|Peter B. Borwein]], [[Simon Plouffe]]: ''On the Rapid Computation of Various Polylogarithmic Constants.'' In: ''Mathematics of Computation.'' Band 66, Nr.&nbsp;218, 1997, S.&nbsp;903–913.</ref>
Ein anderes Beispiel betrifft eine Lösung des [[Basler Problem]]s über den Ansatz
Ein anderes Beispiel betrifft eine Lösung des [[Basler Problem]]s über den Ansatz
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} = \frac{4}{3}\int_0^1 \frac{\mathrm{artanh}(x)}{x}\mathrm{d}x = \frac{\pi^2}{6}</math>,
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} = \frac{4}{3}\int_0^1 \frac{\mathrm{artanh}(x)}{x}\mathrm{d}x = \frac{\pi^2}{6}</math>,
wobei <math>\mathrm{artanh}</math> den [[Areatangens Hyperbolicus]] bezeichnet.<ref>James D. Harper: ''Another simple proof of <math>1+\frac1{2^2}+\frac1{3^2}+\cdots=\frac {\pi^2}{6}</math>.'' In: '' American Mathematical Monthly.'' Band 110, Nr. 6, 2003, S. 540–541.</ref>
wobei <math>\mathrm{artanh}</math> den [[Areatangens Hyperbolicus]] bezeichnet.<ref>James D. Harper: ''Another simple proof of <math>1+\frac1{2^2}+\frac1{3^2}+\cdots=\frac {\pi^2}{6}</math>.'' In: '' American Mathematical Monthly.'' Band 110, Nr.&nbsp;6, 2003, S.&nbsp;540–541.</ref>


=== Fourieranalysis ===
=== Fourieranalysis ===

==== Darstellung bekannter Funktionen durch eine Fourierreihe ====


Die Grenzwertbestimmung über Fourierreihen ähnelt dem Grenzwertsatz von Abel insofern, als dass die Reihe auch hier als Wert einer zu bestimmenden Funktion interpretiert wird. Weiß man, dass <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_n </math> absolut konvergiert, so kann man diesen Wert als <math>f(0)</math> mit
Die Grenzwertbestimmung über Fourierreihen ähnelt dem Grenzwertsatz von Abel insofern, als dass die Reihe auch hier als Wert einer zu bestimmenden Funktion interpretiert wird. Weiß man, dass <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_n </math> absolut konvergiert, so kann man diesen Wert als <math>f(0)</math> mit
:<math> f(x) := \sum_{n = -\infty}^{\infty} a_n e^{2\pi i x n}</math>
:<math> f(x) := \sum_{n = -\infty}^{\infty} a_n e^{2\pi i x n}</math>
auffassen. Dann ist <math>f</math> eine 1-periodische Funktion und die rechte Seite ihre Darstellung als [[Fourierreihe]]. Über die Umrechungsformel
auffassen. Dann ist <math>f</math> eine 1-periodische Funktion und die rechte Seite ihre Darstellung als [[Fourierreihe]]. Über die Umrechnungsformel
:<math>a_n = \int_0^1 f(x)e^{-2\pi i n x}\mathrm{d}x</math>
:<math>a_n = \int_0^1 f(x)e^{-2\pi i n x}\mathrm{d}x</math>
können die Koeffizienten der Reihe aus <math>f</math> zurückgewonnen werden. Es muss also ein „passendes“ <math>f</math> zu den <math>a_n</math> gefunden werden. Zum Beispiel findet man mit partieller Integration schnell
können die Koeffizienten der Reihe aus <math>f</math> zurückgewonnen werden. Es muss also ein „passendes“ <math>f</math> zu den <math>a_n</math> gefunden werden. Zum Beispiel findet man mit partieller Integration schnell
:<math> \frac{(\pi - x)^2}{4} = \frac{\pi^2}{12} + \sum_{n=1}^\infty \frac{\cos(xn)}{n^2},</math>
:<math> \frac{(\pi - x)^2}{4} = \frac{\pi^2}{12} + \sum_{n=1}^\infty \frac{\cos(xn)}{n^2},</math>
womit durch Einsetzen von <math>x=0</math> die Antwort auf das [[Basler Problem]] folgt.<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S. 36.</ref> Ist <math>f</math> lediglich als auf dem Intervall <math>[0,1]</math> integrierbar vorausgesetzt, und hat die assoziierte Fourierreihe <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_n e^{2\pi i x n}</math>, so gilt außerdem die ''Parsevalsche Identität''<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S. 79–80.</ref>
womit durch Einsetzen von <math>x=0</math> die Antwort auf das [[Basler Problem]] folgt.<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S.&nbsp;36.</ref> Ist <math>f</math> lediglich als auf dem Intervall <math>[0,1]</math> integrierbar vorausgesetzt, und hat die assoziierte Fourierreihe <math>\textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_n e^{2\pi i x n}</math>, so gilt außerdem die ''Parsevalsche Identität''<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S.&nbsp;79–80.</ref>
:<math> \sum_{n=-\infty}^\infty |a_n|^2 = \int_0^1 |f(x)|^2 \mathrm{d}x.</math>
:<math> \sum_{n=-\infty}^\infty |a_n|^2 = \int_0^1 |f(x)|^2 \mathrm{d}x.</math>

==== Poisson-Summation ====

Gelten für <math>f \colon \R \to \C</math> geeignete Wachstumsbedingungen, ist es zum Beispiel eine [[Schwartz-Funktion]], so gilt ferner die [[Poissonsche Summenformel]]:
:<math> \sum_{n=-\infty}^\infty f(n) = \sum_{n=-\infty}^\infty \hat{f}(n).</math>
Diese ermöglicht es, eine Reihe über Funktionswerte an ganzen Stellen in jene bezüglich der [[Fourier-Transformation|Fourier-Transformierten]]
:<math> \hat{f}(x) := \int_{-\infty}^\infty f(y) e^{-2\pi i x y} \mathrm{d}y</math>
umzuwandeln, und umgekehrt.<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S. 154.</ref> Benutzt wird diese Summenformel unter anderem für den Nachweis der Transformationsformel für die [[Jacobische Thetafunktion|Jacobische Theta-Reihe]].

Verwandt dazu ist der folgende Satz. Ist <math>\alpha, \beta > 0</math> mit <math>\alpha \beta = \pi</math>, und <math>\varphi \colon [0,\infty) \to \C</math> stetig mit endlicher [[Variation (Mathematik)|Variation]] auf <math>(0,\infty)</math>, die über <math>(0,\infty)</math> integrierbar ist, so gilt für<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part II.'' New York 1989, S.&nbsp;235.</ref>
:<math> \psi(r) := \int_0^\infty \varphi(x)\cos(rx)\mathrm{d}x</math>
bereits
:<math> \alpha \left( \frac{\varphi(0)}{2} + \sum_{k=1}^\infty \varphi(\alpha k)\right) = \psi(0) + 2\sum_{k=1}^\infty \psi(\beta k).</math>


=== Residuensatz ===
=== Residuensatz ===


In manchen Fällen, besonders bei unendlichen Reihen über rationale Funktionen, kann der [[Residuensatz]] aus der [[Funktionentheorie]] verwendet werden. Ist <math>f \colon \C \to \overline{\C}</math> eine [[meromorphe Funktion]] mit endlichen vielen, nicht ganzzahligen Polstellen <math>z_1, \dots, z_n</math>, so gilt, falls zusätzlich <math>f(z) = O(|z|^{-\nu})</matH> mit <math>|z| \to \infty</math> und <math>\nu > 1</math>, die Formel
In manchen Fällen, besonders bei unendlichen Reihen über rationale Funktionen, kann der [[Residuensatz]] aus der [[Funktionentheorie]] verwendet werden. Ist <math>f \colon \C \to \overline{\C}</math> eine [[meromorphe Funktion]] mit endlichen vielen, nicht ganzzahligen Polstellen <math>z_1, \dots, z_n</math>, so gilt, falls zusätzlich <math>f(z) = O(|z|^{-\nu})</math> mit <math>|z| \to \infty</math> und <math>\nu > 1</math>, die Formel
:<math> \sum_{k=-\infty}^\infty f(k) = - \sum_{j=1}^n \mathrm{Res}_{z = z_j} \left( \pi \cot(\pi z) f(z)\right).</math>
:<math> \sum_{k=-\infty}^\infty f(k) = -\sum_{j=1}^n \mathrm{Res}_{z = z_j} \left( \pi \cot(\pi z) f(z)\right).</math>
Ähnlich gilt<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 188.</ref>
Ähnlich gilt<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;188.</ref>
:<math> \sum_{k=-\infty}^\infty (-1)^k f(k) = - \sum_{j=1}^n \mathrm{Res}_{z = z_j} \left( \pi \csc(\pi z) f(z)\right).</math>
:<math> \sum_{k=-\infty}^\infty (-1)^k f(k) = -\sum_{j=1}^n \mathrm{Res}_{z = z_j} \left( \pi \csc(\pi z) f(z)\right).</math>
Dabei bezeichnet <math>\cot</math> den [[Tangens und Kotangens|Kotangens]] und <math>\csc</math> den [[Sekans und Kosekans|Kosekans]]. Diese Aussage beinhaltet folgenden Spezialfall: Sind <math>P(z)</math> und <math>Q(z)</math> Polynome, so dass <math>\deg(Q) \geq \deg(P)+2</math> und <math>Q(k) \not= 0</math> für alle <math>k \in \Z</math>, so folgt
Dabei bezeichnet <math>\cot</math> den [[Tangens und Kotangens|Kotangens]] und <math>\csc</math> den [[Sekans und Kosekans|Kosekans]]. Diese Aussage beinhaltet folgenden Spezialfall: Sind <math>P(z)</math> und <math>Q(z)</math> Polynome, sodass <math>\deg(Q) \geq \deg(P)+2</math> und <math>Q(k) \not= 0</math> für alle <math>k \in \Z</math>, so folgt
:<math> \sum_{k=-\infty}^\infty \frac{P(k)}{Q(k)} = -\sum_{Q(w) = 0} \mathrm{Res}_{z = w} \left( \frac{\pi \cot(\pi w)P(z)}{Q(z)} \right).</math>
:<math> \sum_{k=-\infty}^\infty \frac{P(k)}{Q(k)} = -\sum_{Q(w) = 0} \mathrm{Res}_{z = w} \left( \frac{\pi \cot(\pi w)P(z)}{Q(z)} \right).</math>
Mit diesem Verfahren lässt sich zum Beispiel <math> \textstyle \sum_{k=-\infty}^\infty \frac{1}{k^2+1} = \pi \coth(\pi) = \pi \frac{e^{2\pi} + 1}{e^{2\pi}-1}</math> und <math> \textstyle \sum_{k=-\infty}^\infty \frac{(-1)^k}{k^2+1} = \pi \ \mathrm{csch}(\pi) = \pi \frac{2e^{\pi}}{e^{2\pi} - 1}</math> zeigen.
Mit diesem Verfahren lässt sich zum Beispiel <math> \textstyle \sum_{k=-\infty}^\infty \frac{1}{k^2+1} = \pi \coth(\pi) = \pi \frac{e^{2\pi} + 1}{e^{2\pi}-1}</math> und <math> \textstyle \sum_{k=-\infty}^\infty \frac{(-1)^k}{k^2+1} = \pi \ \mathrm{csch}(\pi) = \pi \frac{2e^{\pi}}{e^{2\pi} - 1}</math> zeigen.


Ist <math>f</math> eine [[ganze Funktion]], so dass es eine Folge <math>0 < R_n \to \infty</math> gibt, so dass
Ist <math>f</math> eine [[ganze Funktion]], sodass es eine Folge <math>0 < R_n \to \infty</math> gibt, sodass
:<math> \lim_{n \to \infty} \oint_{|z| = R_n} \frac{f(z)}{z \cos\left(\frac{\pi z}{2}\right)} = 0</math>,
:<math> \lim_{n \to \infty} \oint_{|z| = R_n} \frac{f(z)}{z \cos\left(\frac{\pi z}{2}\right)}\mathrm{d}z = 0</math>,
dann gilt<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part I.'' New York 1985, S.&nbsp;96.</ref>
dann gilt<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part I.'' New York 1985, S.&nbsp;96.</ref>
:<math> \lim_{N \to \infty} \sum_{k = -N}^N \frac{(-1)^k f(2k+1)}{2k+1} = \frac{\pi}{2} f(0).</math>
:<math> \lim_{N \to \infty} \sum_{k = -N}^N \frac{(-1)^k f(2k+1)}{2k+1} = \frac{\pi}{2} f(0).</math>
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=== Dreiecksungleichungen ===
=== Dreiecksungleichungen ===


Es gilt stets für reelle oder auch [[Komplexe Zahl|komplexe]] <math>z_n</math>
Es gilt stets
:<math> \left| \sum_{n=1}^\infty a_n \right| \leq \sum_{n=1}^\infty |a_n|.</math>
:<math> \left| \sum_{n=1}^\infty z_n \right| \leq \sum_{n=1}^\infty |z_n|.</math>
Dies ist die [[Dreiecksungleichung]] für Reihen.<ref>T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 260.</ref> Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Varianten solcher „Dreiecksungleichungen“ gefunden. Sind zum Beispiel <math>a_1, \dotsc, a_n</math> positive Zahlen mit <math>\textstyle \sum_{j=1}^n \tfrac{1}{a_j} = 1</math>, so gilt stets<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, Josip E. Pečarić, Arlington M. Fink: ''Classical and new inequalities in analysis.'' Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1993, ISBN 0-7923-2064-6, S. 499.</ref>
Dies ist die [[Dreiecksungleichung]] für Reihen.<ref>Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;260.</ref> Sind die Zahlen <math>z_n</math> reell, gilt Gleichheit genau dann, wenn sämtliche <math>z_n</math> nicht-negativ oder nicht-positiv sind. Für allgemeine komplexe Zahlen gilt Gleichheit genau dann, wenn alle <math>z_n</math> auf einer gleichen, bei <math>0</math> startenden, Halbgeraden in der [[Komplexe Ebene|komplexen Ebene]] liegen (mit anderen Worten, dass alle <math>z_n \not= 0</math> dasselbe komplexe Argument haben). Dies ergibt sich mit <math>\cos(0)=1</math> aus der umgekehrten Dreiecksungleichung, siehe unten.

Allgemeiner gilt für Multireihen
:<math>\left| \sum_{n_1=1}^\infty \sum_{n_2=1}^\infty \cdots \sum_{n_\ell=1}^\infty z_{n_1,n_2,\ldots,n_\ell}\right| \leq \sum_{n_1=1}^\infty \left| \sum_{n_2=1}^\infty \cdots \sum_{n_\ell=1}^\infty z_{n_1,n_2,\ldots,n_\ell}\right| \leq \sum_{n_1=1}^\infty \sum_{n_2=1}^\infty \left| \sum_{n_3=1}^\infty \cdots \sum_{n_\ell=1}^\infty z_{n_1,n_2,\ldots,n_\ell}\right| \leq \cdots \leq \sum_{n_1=1}^\infty \sum_{n_2=1}^\infty \cdots \sum_{n_\ell=1}^\infty \left| z_{n_1,n_2,\ldots,n_\ell}\right|.</math>

Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Varianten solcher „Dreiecksungleichungen“ gefunden. Sind zum Beispiel <math>a_1, \dotsc, a_n</math> positive Zahlen mit <math>\textstyle \sum_{j=1}^n \tfrac{1}{a_j} = 1</math>, so gilt stets<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, Josip E. Pečarić, Arlington M. Fink: ''Classical and new inequalities in analysis.'' Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1993, ISBN 0-7923-2064-6, S.&nbsp;499.</ref>
:<math> \left| \sum_{j=1}^n z_j \right|^2 \leq \sum_{j=1}^n a_j |z_j|^2.</math>
:<math> \left| \sum_{j=1}^n z_j \right|^2 \leq \sum_{j=1}^n a_j |z_j|^2.</math>
Allgemeiner gilt für irgendwelche positiven Zahlen <math>p_1, \dotsc, p_n</math> und <math>r > 1</math> sogar stets<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S. 500.</ref>
Allgemeiner gilt für irgendwelche positiven Zahlen <math>p_1, \dotsc, p_n</math> und <math>r > 1</math> sogar stets<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S.&nbsp;500.</ref>
:<math> \left| \sum_{j=1}^n z_j \right|^r \leq \left( \sum_{j=1}^n p_j^{\frac{1}{1-r}}\right)^{r-1}\left(\sum_{j=1}^n p_j |z_j|^r\right).</math>
:<math> \left| \sum_{j=1}^n z_j \right|^r \leq \left( \sum_{j=1}^n p_j^{\frac{1}{1-r}}\right)^{r-1}\left(\sum_{j=1}^n p_j |z_j|^r\right).</math>
Auch umgekehrte Dreiecksungleichungen wurden gefunden. Ist <math>0 < \theta < \tfrac{\pi}{2}</math> und <math>a</math> eine reelle Zahl, so dass <math>a - \theta < \mathrm{arg}(z_j) < a + \theta</math>, mit dem [[Komplexe Zahlenebene|Hauptwert des Arguments]] <math>\mathrm{arg}</math> der komplexen Zahlen <math>z_j</math>, gilt stets<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S. 492.</ref>
Auch umgekehrte Dreiecksungleichungen wurden gefunden. Ist <math>0 \leq \theta < \tfrac{\pi}{2}</math> und <math>a</math> eine reelle Zahl, sodass für komplexen Zahlen <math>z_1, \ldots, z_n</math> stets ein <math>a - \theta \leq \alpha_j \leq a+\theta</math> und <math>r_j \geq 0</math> existiert mit <math>z_j = r_j e^{i\alpha_j}</math>, so gilt<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S.&nbsp;492.</ref>
:<math> \left| \sum_{j=1}^n z_j \right| \geq \cos(\theta) \sum_{j=1}^n |z_j|.</math>
:<math> \sum_{j=1}^n |z_j| \leq \frac{1}{\cos(\theta)}\left| \sum_{j=1}^n z_j \right|.</math>
Diese Ungleichung verallgemeinert das Kriterium absoluter Konvergenz auf komplexe Zahlen: Liegen alle Summanden <math>z_j</math> einer Reihe in einem gemeinsamen Winkelbereich, dessen Aufspannung weniger als <math>\pi</math> (also 180 Grad) entspricht, konvergiert <math>\textstyle \sum_{j=1}^\infty z_j</math> genau dann absolut, wenn die Folge der Absolutwerte der Partialsummen <math>\textstyle\left| \sum_{j=1}^n z_j\right|</math> beschränkt ist. Zu beachten ist jedoch, dass dieses Kriterium und auch eine Ungleichung oberen Typs für den Fall reeller <math>z_j</math> mit gemischten Vorzeichen im Allgemeinen nicht existiert, da <math>\cos(\tfrac{\pi}{2}) = 0</math>, weshalb hier je nach Einzelfall andere Methoden zur Abschätzung gefunden werden müssen. Aus unter anderem diesem Grund sind Reihen mit reellen Gliedern gemischten Vorzeichens nicht nur besonders interessant, sondern gleichzeitig auch besonders schwierig.
Unter den abgewandelten Bedingungen <math>a < \mathrm{arg}(z_j) < a + \theta</math> gilt ferner

:<math> \left| \sum_{j=1}^n z_j \right| \geq \max\left\{\frac{\sqrt{2}}{2} ,\cos(\theta) \right\} \sum_{j=1}^n |z_j|.</math>
Sind allgemein <math>z_1, \dotsc, z_m</math> komplexe Zahlen, so existiert stets eine (von diesen Zahlen abhängige) Teilmenge <math>I \subset \{1, \dotsc, m\}</math> so dass<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S. 506.</ref>
Sind allgemein <math>z_1, \dotsc, z_m</math> komplexe Zahlen, so existiert stets eine (von diesen Zahlen abhängige) Teilmenge <math>I \subset \{1, \dotsc, m\}</math>, sodass<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S.&nbsp;506.</ref>
:<math> \left| \sum_{j \in I} z_j \right| \geq \frac{1}{\pi} \sum_{j=1}^m |z_j|.</math>
:<math> \sum_{j=1}^m |z_j| \leq \pi \left| \sum_{j \in I} z_j \right|.</math>
Dabei bezeichnet <math>\pi</math> die [[Kreiszahl]].

=== Vergleich zum geometrischen Mittel ===
{{Hauptartikel|Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel}}

Für nicht-negative Zahlen <math>a_1, a_2, \dotsc, a_n</math> gilt
:<math> n \cdot \sqrt[n]{a_1 a_2 \cdots a_n} \leq \sum_{k=1}^n a_k.</math>
Diese Ungleichung ist scharf in dem Sinne, dass Gleichheit genau dann gilt, falls <math>a_1 = a_2 = \cdots = a_n</math>. In allen anderen Fällen ist die linke Seite echt kleiner als die rechte.<ref>Edwin F. Beckenbach, Richard Bellmann: ''Inequalities.'' Berlin / Heidelberg / New York 1965, S.&nbsp;4.</ref> Diese Ungleichung vergleicht [[Arithmetisches Mittel|arithmetisches]] und [[geometrisches Mittel]].


=== Integralvergleich ===
=== Integralvergleich ===


Ist <math>f \colon [1, \infty) \to \R_{\geq 0}</math> monoton fallend, so gilt<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 2''.(= ''Grundstudium Mathematik.''). 2., korrigierte Auflage, Basel 2006, ISBN 3-7643-7105-6, S. 96.</ref>
Ist <math>f \colon [1, \infty) \to \R_{\geq 0}</math> monoton fallend, so gilt<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 2'' (= ''Grundstudium Mathematik.''). 2., korrigierte Auflage, Basel 2006, ISBN 3-7643-7105-6, S.&nbsp;96.</ref>
:<math> \sum_{n=2}^{N} f(n) \leq \int_1^N f(x)\mathrm{d}x \leq \sum_{n=1}^{N-1} f(n).</math>
:<math> \sum_{n=2}^{N} f(n) \leq \int_1^N f(x)\mathrm{d}x \leq \sum_{n=1}^{N-1} f(n).</math>
Daraus folgt direkt das [[Integralkriterium]], also dass unter obigen Voraussetzungen die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^{\infty} f(n)</math> genau dann konvergiert, falls <math>\textstyle \int_1^\infty f(x)\mathrm{d}x</math> existiert.<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 2''. 2., korrigierte Auflage, Basel 2006, S. 95–96.</ref>
Daraus folgt direkt das [[Integralkriterium]], also dass unter obigen Voraussetzungen die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^{\infty} f(n)</math> genau dann konvergiert, falls <math>\textstyle \int_1^\infty f(x)\mathrm{d}x</math> existiert.<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 2.'' 2., korrigierte Auflage, Basel 2006, S.&nbsp;95–96.</ref>


=== Fehler- und Restgliedabschätzung ===
=== Fehler- und Restgliedabschätzung ===
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==== Alternierende Reihen ====
==== Alternierende Reihen ====


Ist <math>a_n</math> eine monoton fallende [[Nullfolge]], so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (-1)^n a_n</math> nach dem [[Leibnizkriterium]] gegen einen Grenzwert <math>S</math> und es gilt<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1''. 3. Auflage, Basel 2006, S. 199.</ref>
Ist <math>a_n</math> eine monoton fallende [[Nullfolge]], so konvergiert <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (-1)^{n-1} a_n</math> nach dem [[Leibnizkriterium]] gegen einen Grenzwert <math>S</math> und es gilt<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Auflage, Basel 2006, S.&nbsp;199.</ref>
:<math> \left|S - \sum_{n=1}^N (-1)^n a_n \right| \leq |a_{N+1}|.</math>
:<math> \left|S - \sum_{n=1}^N (-1)^{n-1} a_n \right| \leq a_{N+1}.</math>
Ferner gilt stets <math>|S| \leq a_1</math>.<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2. Edition, New York 1997, S. 217.</ref>
Ferner gilt stets <math>|S| \leq a_1</math>.<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2.&nbsp;Edition, New York 1997, S.&nbsp;217.</ref> Dies kann weitreichend verallgemeinert werden: Es gilt unter oberen Voraussetzungen
:<math>\left| \sum_{n=m}^M (-1)^{n-1} a_n \right| \leq a_m</math>
für alle <math>M \geq m \geq 1</math>.<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2.&nbsp;Edition, New York 1997, S.&nbsp;220.</ref>


==== Abelsche Ungleichung ====
==== Abelsche Ungleichung ====
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Sei <math>a_n</math> eine monoton fallende Nullfolge und <math>b_n</math> eine Folge mit beschränkten Partialsummen, also
Sei <math>a_n</math> eine monoton fallende Nullfolge und <math>b_n</math> eine Folge mit beschränkten Partialsummen, also
:<math>\sup_{N \in \N} \left| \sum_{n=1}^N b_n \right| =: B < \infty</math>
:<math>\sup_{N \in \N} \left| \sum_{n=1}^N b_n \right| =: B < \infty</math>
Dann konvergiert <math>\textstyle \sum_{k=1}^\infty a_k b_k</math> und es gilt für alle <math>m \in \N</math> die Ungleichung<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2. Edition, New York 1997, S. 222.</ref><ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' Providence (RI) 2015, S. 4.</ref>
Dann konvergiert <math>\textstyle \sum_{k=1}^\infty a_k b_k</math> und es gilt für alle <math>m \in \N</math> die Ungleichung<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2.&nbsp;Edition, New York 1997, S.&nbsp;222.</ref><ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' Providence (RI) 2015, S.&nbsp;4.</ref>
:<math> \left| \sum_{k=m}^\infty a_k b_k \right| \leq 2Ba_m</math>.
:<math> \left| \sum_{k=m}^\infty a_k b_k \right| \leq 2Ba_m</math>.


==== Taylorreihen ====
==== Taylorreihen ====


Es können auch Restglieder in Taylorreihen abgeschätzt werden. Ist <math>f</math> innerhalb einer offenen Menge, die die Kreisscheibe <math>\overline{B_R(0)}</math> enthält, holomorph bzw. analytisch, so gilt für alle <math>|z| < R</math><ref name="KBKM">[[Kathrin Bringmann]], Chris Jennings-Shaffer, [[Karl Mahlburg]]: [https://link.springer.com/article/10.1007/s11139-020-00377-5 ''On a Tauberian theorem of Ingham and Euler–Maclaurin summation.''] In: ''The Ramanujan Journal.'' 15 Mai 2021, {{DOI|10.1007/s11139-020-00377-5}}, S. 18.</ref>
Es können auch Restglieder in Taylorreihen abgeschätzt werden. Ist <math>f</math> innerhalb einer offenen Menge der komplexen Zahlen, die die Kreisscheibe <math>\overline{B_R(0)}</math> enthält, [[Holomorphe Funktion|holomorph]] bzw. [[Analytische Funktion|analytisch]], so gilt für alle <math>|z| < R</math><ref name="KBKM">[[Kathrin Bringmann]], Chris Jennings-Shaffer, [[Karl Mahlburg]]: ''On a Tauberian theorem of Ingham and Euler–Maclaurin summation.'' In: ''The Ramanujan Journal.'' 15.&nbsp;Mai 2021, [[doi:10.1007/s11139-020-00377-5]], S.&nbsp;18.</ref>
:<math>f(z) = \sum_{k=0}^{N-1} \frac{f^{(k)}(0)}{k!} z^k + \frac{z^N}{2\pi i} \oint_{\partial B_R(0)} \frac{f(w)}{w^N (w - z)}\mathrm{d}w.</math>
:<math>f(z) = \sum_{k=0}^{N-1} \frac{f^{(k)}(0)}{k!} z^k + \frac{z^N}{2\pi i} \oint_{\partial B_R(0)} \frac{f(w)}{w^N (w - z)}\mathrm{d}w.</math>
Damit folgt für <math>|z| < R</math> die Restgliedabschätzung
Damit folgt für <math>|z| < R</math> die Restgliedabschätzung
:<math> \left| \sum_{k=N}^{\infty} \frac{f^{(k)}(0)}{k!} z^k \right| \leq \frac{|z|^N}{2\pi} \oint_{\partial B_R(0)} \left| \frac{f(w)}{w^N (w - z)} \mathrm{d}w\right| \leq \left(\frac{|z|}{R}\right)^N R \max_{|w|=R} \left| \frac{f(w)}{w-z}\right|</math>.
:<math> \left| \sum_{k=N}^{\infty} \frac{f^{(k)}(0)}{k!} z^k \right| \leq \frac{|z|^N}{2\pi} \oint_{\partial B_R(0)} \left| \frac{f(w)}{w^N (w - z)} \mathrm{d}w\right| \leq R \left(\frac{|z|}{R}\right)^N \max_{|w|=R} \left| \frac{f(w)}{w-z}\right|</math>.
Ist insbesondere <math>z</math> hinreichend klein, etwa <math>|z| < \tfrac{R}{2}</math>, so kann dies vereinfacht durch<ref name="KBKM"/>
Ist insbesondere <math>z</math> hinreichend klein, etwa <math>|z| < \tfrac{R}{2}</math>, so kann dies vereinfacht durch<ref name="KBKM" />
:<math> \left|\sum_{k=N}^{\infty} \frac{f^{(k)}(0)}{k!} z^k\right| \ll_{R, N} z^N \max_{|w|=R} |f(w)|</math>
:<math> \left|\sum_{k=N}^{\infty} \frac{f^{(k)}(0)}{k!} z^k\right| \ll_{R, N} z^N \max_{|w|=R} |f(w)|</math>
ausgedrückt werden, wobei die implizite Konstante von <math>R</math> und <math>N</math>, aber nicht von <math>z</math> und <math>f</math> abhängt.
ausgedrückt werden, wobei die implizite Konstante von <math>R</math> und <math>N</math>, aber nicht von <math>z</math> und <math>f</math> abhängt.
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Eine Funktion <math>f \colon I \to \R^+</math> auf einem Intervall <math>I</math> gehört der Klasse <math>Q(I)</math> an, falls für alle <math>0 < \lambda < 1</math> sowie <math>x,y \in I</math> die Ungleichung
Eine Funktion <math>f \colon I \to \R^+</math> auf einem Intervall <math>I</math> gehört der Klasse <math>Q(I)</math> an, falls für alle <math>0 < \lambda < 1</math> sowie <math>x,y \in I</math> die Ungleichung
:<math>f(\lambda x + (1-\lambda)y) \leq \frac{f(x)}{\lambda} + \frac{f(y)}{1-\lambda}</math>
:<math>f(\lambda x + (1-\lambda)y) \leq \frac{f(x)}{\lambda} + \frac{f(y)}{1-\lambda}</math>
erfüllt ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt für <math>[m,M] \subset I</math>, <math>(x_1, \dotsc, x_n) \in [m,M]^n</math>, und beliebige positive <math>p_1, \dotsc, p_n</math> die Ungleichung<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S. 412–413.</ref>
erfüllt ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt für <math>[m,M] \subset I</math>, <math>(x_1, \dotsc, x_n) \in [m,M]^n</math>, und beliebige positive <math>p_1, \dotsc, p_n</math> die Ungleichung<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S.&nbsp;412–413.</ref>
:<math> \sum_{j=1}^n \frac{f(x_j)}{p_j} \leq f(m) \sum_{j=1}^n \frac{M-m}{p_j(M - x_j)} + f(M) \sum_{j=1}^n \frac{M - m}{p_j (x_j - m)}.</math>
:<math> \sum_{j=1}^n \frac{f(x_j)}{p_j} \leq f(m) \sum_{j=1}^n \frac{M-m}{p_j(M - x_j)} + f(M) \sum_{j=1}^n \frac{M - m}{p_j (x_j - m)}.</math>
Eine direkte Folgerung ist im Falle von <math>m=0=f(0)</math> sowie <math>\textstyle M := \sum_{j=1}^n x_j</math>:<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S. 413.</ref>
Eine direkte Folgerung ist im Falle von <math>m=0=f(0)</math> sowie <math>\textstyle M := \sum_{j=1}^n x_j</math>:<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S.&nbsp;413.</ref>
:<math> \sum_{j=1}^n f(x_j) \leq f\left( \sum_{j=1}^n x_j \right) \left( \sum_{j=1}^n x_j \right) \left( \sum_{j=1}^n \frac{1}{x_j} \right).</math>
:<math> \sum_{j=1}^n f(x_j) \leq f\left( \sum_{j=1}^n x_j \right) \left( \sum_{j=1}^n x_j \right) \left( \sum_{j=1}^n \frac{1}{x_j} \right).</math>


=== Besselsche Ungleichung ===
=== Besselsche Ungleichung und die Halasz-Montgomery-Ungleichungen ===


Es sei <math>V</math> ein <math>\C</math>-[[Vektorraum]] mit [[Skalarprodukt]] <math>\langle, \rangle</math>. Ist <math>(e_j)_{j \in J}</math> ein orthonormales System von <math>|J|</math> Vektoren aus <math>V</math>, so gilt
Bezeichnet <math>f \colon \R \to \C</math> eine 1-periodische Funktion mit <math>f(x) \sim \textstyle \sum_{n=-\infty}^\infty a_n e^{2\pi i nx}</math>, so gilt die Besselsche Ungleichung<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory'' (= ''Graduate Studies in Mathematics.'' Band 160). American Mathematical Society, Providence (RI) 2014, S. 210.</ref>
:<math>\sum_{n=-\infty}^\infty |a_n|^2 \leq \int_{0}^{1} |f(x)|^2 \mathrm{d}x.</math>
:<math> \sum_{j \in J} |\langle e_j, v\rangle|^2 \leq \langle v,v\rangle.</math>
Dies ist die sog. ''Besselsche Ungleichung''.<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;226.</ref> Diese lässt sich auf die ''Halasz-Montgomery-Ungleichungen'' verallgemeinern. Sind <math>(w_j)_{j \in J}</math> dieses Mal ''irgendwelche'' Elemente aus <math>V</math>, so gelten<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;226–227.</ref>
:<math>\sum_{j \in J} |\langle w_j, v\rangle| \leq \left( \langle v,v\rangle \sum_{r,s \in J} |\langle w_r, w_s \rangle|\right)^{\frac12}</math>
:<math>\sum_{j \in J} |\langle w_j, v\rangle|^2 \leq \langle v,v\rangle \sup_{j \in J} \sum_{s \in J} |\langle w_j, w_s \rangle|.</math>


=== Hausdorff-Young-Ungleichung ===
=== Hausdorff-Young-Ungleichung ===


Sei <math>f \colon \R \to \C</math> 1-periodisch, auf <math>[0,1]</math> integrierbar mit assoziierter Fourierreihe <math>\textstyle \sum_{n = -\infty}^\infty a_n e^{2\pi i x n}</math>. Sind <math>1 \leq p \leq 2</math> und <math>2 \leq q \leq \infty</math> so gewählt, dass <math>\tfrac{1}{p} + \tfrac{1}{q} = 1</math>, so gilt die [[Hausdorff-Young-Ungleichung]]<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S. 49.</ref>
Sei <math>f \colon \R \to \C</math> 1-periodisch, auf <math>[0,1]</math> integrierbar mit assoziierter Fourierreihe <math>\textstyle \sum_{n = -\infty}^\infty a_n e^{2\pi i x n}</math>. Sind <math>1 \leq p \leq 2</math> und <math>2 \leq q \leq \infty</math> so gewählt, dass <math>\tfrac{1}{p} + \tfrac{1}{q} = 1</math>, so gilt die [[Hausdorff-Young-Ungleichung]]<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S.&nbsp;49.</ref>
:<math> \left( \sum_{n=-\infty}^\infty |a_n|^q \right)^{\frac{1}{q}} \leq \left( \int_0^1 |f(x)|^{p} \mathrm{d}x \right)^{\frac{1}{p}}</math>
:<math> \left( \sum_{n=-\infty}^\infty |a_n|^q \right)^{\frac{1}{q}} \leq \left( \int_0^1 |f(x)|^{p} \mathrm{d}x \right)^{\frac{1}{p}}</math>
und ihre „Duale“
und ihre „Duale“
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{{Hauptartikel|Höldersche Ungleichung}}
{{Hauptartikel|Höldersche Ungleichung}}


Für beliebige komplexe Zahlen <math>a_j, b_j \in \C</math> gilt die folgende Ungleichung für Partialsummen<ref>Thomas William Körner: ''Fourier Analysis.'' Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S. 152.</ref>
Für beliebige komplexe Zahlen <math>a_j, b_j \in \C</math> gilt die folgende Ungleichung für Partialsummen<ref>Thomas William Körner: ''Fourier Analysis.'' Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S.&nbsp;152.</ref>
:<math> \sum_{j=1}^n |a_j| |b_j| \leq \left( \sum_{j=1}^n |a_j|^2\right)^{\frac12} \left( \sum_{j=1}^n |b_j|^2 \right)^{\frac{1}{2}}.</math>
:<math> \sum_{j=1}^n |a_j b_j| \leq \left( \sum_{j=1}^n |a_j|^2\right)^{\frac12} \left( \sum_{j=1}^n |b_j|^2 \right)^{\frac{1}{2}}.</math>
Diese wird als ''Cauchy-Schwarzsche Ungleichung'' bezeichnet. Konvergieren beide Reihen für <math>n\to\infty</math> zur Rechten, kann auch auf die Konvergenz der linken Seite geschlossen werden, und es gilt die entsprechende Ungleichung für die Grenzwerte.<ref>Robert B. Burckel: ''Classical Analysis in the Complex Plane'', Birkhäuser, New York, 2021, S. 296.</ref><ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2. Edition, New York 1997, S. 214.</ref><ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 31.</ref> Eine unter Zusatzbedingungen verbesserte Version stammt von [[Nicolaas Govert de Bruijn]]:<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S. 89.</ref> Sind <math>a_1, \dotsc, a_n</math> reell und <math>z_1, \dotsc, z_n</math> komplex, dann gilt
Diese wird als ''Cauchy-Schwarzsche Ungleichung'' bezeichnet. Konvergieren beide Reihen für <math>n\to\infty</math> zur Rechten, kann auch auf die Konvergenz der linken Seite geschlossen werden, und es gilt die entsprechende Ungleichung für die Grenzwerte.<ref>Robert B. Burckel: ''Classical Analysis in the Complex Plane.'' Birkhäuser, New York 2021, S.&nbsp;296.</ref><ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2.&nbsp;Edition, New York 1997, S.&nbsp;214.</ref><ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;31.</ref> Eine unter Zusatzbedingungen verbesserte Version stammt von [[Nicolaas Govert de Bruijn]]:<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S.&nbsp;89.</ref> Sind <math>a_1, \dotsc, a_n</math> reell und <math>z_1, \dotsc, z_n</math> komplex, dann gilt
:<math>\left| \sum_{j=1}^n a_j z_j \right|^2 \leq \frac12 \left( \sum_{j=1}^n |z_j|^2 + \left| \sum_{j=1}^n z_j^2 \right| \right)\left( \sum_{j=1}^n a_j^2 \right)</math>.
:<math>\left| \sum_{j=1}^n a_j z_j \right|^2 \leq \frac12 \left( \sum_{j=1}^n |z_j|^2 + \left| \sum_{j=1}^n z_j^2 \right| \right)\left( \sum_{j=1}^n a_j^2 \right)</math>.


Hat man allgemein <math>1 < p,q < \infty</math> mit <math>\tfrac{1}{p} + \tfrac{1}{q} = 1</math>, so gilt allgemeiner die ''Höldersche Ungleichung''
Hat man allgemein <math>1 < p,q < \infty</math> mit <math>\tfrac{1}{p} + \tfrac{1}{q} = 1</math>, so gilt allgemeiner die ''Höldersche Ungleichung''
:<math> \sum_{j=1}^n |a_j| |b_j| \leq \left( \sum_{j=1}^n |a_j|^p\right)^{\frac1p} \left( \sum_{j=1}^n |b_j|^q \right)^{\frac{1}{q}}.</math>
:<math> \sum_{j=1}^n |a_j b_j| \leq \left( \sum_{j=1}^n |a_j|^p\right)^{\frac1p} \left( \sum_{j=1}^n |b_j|^q \right)^{\frac{1}{q}}.</math>
Es kann aus der Konvergenz des rechten Ausdrucks auf die Konvergenz der linken Reihe rückgeschlossen werden.<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 32.</ref> Im Grenzfall <math> q=\infty </math> entspricht dies
Es kann aus der Konvergenz des rechten Ausdrucks auf die Konvergenz der linken Reihe rückgeschlossen werden.<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;32.</ref> Im Grenzfall <math> q=\infty </math> entspricht dies
:<math>\sum_{j=1}^\infty |a_j| |b_j| \leq \left( \sum_{j=1}^\infty |a_j| \right) \cdot \sup_{j \in \N} |b_j| </math>.
:<math>\sum_{j=1}^\infty |a_jb_j| \leq \left( \sum_{j=1}^\infty |a_j| \right) \cdot \sup_{j \in \N} |b_j| </math>.
Die Hölder-Ungleichung lässt sich gewichten. Für positive <math>w_1, \dotsc, w_n</math> gilt<ref>B. J. Venkatachala: ''Inequalities. An Approach Through problems.'' Hindustan Book Agency, New Dehli, 2009, S.&nbsp;30.</ref>
:<math> \sum_{j=1}^n w_j |a_j b_j| \leq \left( \sum_{j=1}^n w_j |a_j|^p\right)^{\frac1p} \left( \sum_{j=1}^n w_j|b_j|^q \right)^{\frac{1}{q}}.</math>


=== Minkowski-Ungleichung ===
=== Minkowski-Ungleichung ===
{{Hauptartikel|Minkowski-Ungleichung}}
{{Hauptartikel|Minkowski-Ungleichung}}


Wenn <math>p \geq 1</math> ist und <math>a_j</math> und <math>b_j</math> beliebige komplexe Zahlen sind, so gilt bereits die Minkowski-Ungleichung<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 33.</ref>
Wenn <math>p \geq 1</math> ist und <math>a_j</math> und <math>b_j</math> beliebige komplexe Zahlen sind, so gilt bereits die Minkowski-Ungleichung<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6.&nbsp;Auflage, Frankfurt am Main 2005, S.&nbsp;33.</ref>
:<math> \left( \sum_{j=1}^\infty |a_j + b_j|^p\right)^{\frac{1}{p}} \leq \left( \sum_{j=1}^\infty |a_j|^p \right)^{\frac{1}{p}} + \left( \sum_{j=1}^\infty |b_j|^p \right)^{\frac{1}{p}}.</math>
:<math> \left( \sum_{j=1}^\infty |a_j + b_j|^p\right)^{\frac{1}{p}} \leq \left( \sum_{j=1}^\infty |a_j|^p \right)^{\frac{1}{p}} + \left( \sum_{j=1}^\infty |b_j|^p \right)^{\frac{1}{p}}.</math>

Die Minkowski-Ungleichung lässt sich verallgemeinern: Ist <math>f \colon [0,\infty) \to \R</math> stetig, streng monoton steigend und [[Konvexe Funktion|konvex]] mit <math>f(0)=0</math> sowie <math>F(x) := \log(f(e^x))</math> konvex für alle <math>x \in \R</math>, so gilt für alle nicht-negativen <math>a_1, \dots, a_n</math> und <math>b_1, \dots, b_n</math>
:<math>f^{-1}\left(\sum_{j=1}^n f(a_j+b_j) \right) \leq f^{-1}\left( \sum_{j=1}^n f(a_j)\right) + f^{-1}\left( \sum_{j=1}^n f(b_j)\right).</math>
Dabei ist <math>f^{-1}</math> die [[Umkehrfunktion]] von <math>f</math>.<ref>D. Mitrinovic: ''Analytic inequalities.'' Berlin / Heidelberg / New York 1970, S.&nbsp;56–57.</ref>


=== Gutzmersche Ungleichung ===
=== Gutzmersche Ungleichung ===


Ist <math>f</math> eine in einer Umgebung <math>U</math> von <math>0</math> [[holomorphe Funktion]] mit Potenzreihe <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> mit dem Konvergenzradius <math>r > 0</math>, dann gilt für jedes <math>0 < \varrho < r</math> mit <math>B_\varrho(0) \subset U</math> die Ungleichung
Ist <math>f</math> eine in einer Umgebung <math>U</math> von <math>0</math> [[holomorphe Funktion]] mit Potenzreihe <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> mit dem [[Konvergenzradius]] <math>r > 0</math>, dann gilt für jedes <math>0 < \varrho < r</math> mit <math>B_\varrho(0) \subset U</math> die Ungleichung
:<math>\sum_{n=0}^\infty |a_n|^2 \varrho^{2n} \leq \left( \max_{|z| = \varrho} |f(z)|\right)^2.</math>
:<math>\sum_{n=0}^\infty |a_n|^2 \varrho^{2n} \leq \left( \max_{|z| = \varrho} |f(z)|\right)^2.</math>
Die Ungleichung geht auf [[August Gutzmer]] aus dem Jahr 1888 zurück.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 118.</ref>
Die Ungleichung geht auf [[August Gutzmer]] aus dem Jahr 1888 zurück.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;118.</ref>


=== Hilbert-Ungleichung ===
=== Hilbert-Ungleichung ===


Ist <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> auf der abgeschlossenen [[Einheitskreis]]&shy;scheibe <math>\{ z \in \C \colon |z| \leq 1\}</math> holomorph, so gilt bereits die ''Hilbert-Ungleichung''<ref>Terry Sheil-Small: ''Complex Polynomials.'' In: ''Cambridge Studies in advanced mathematics.'' Band 75, Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-40068-6, S. 129–130.</ref>
Ist <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> auf der abgeschlossenen [[Einheitskreis]]&shy;scheibe <math>\{ z \in \C \colon |z| \leq 1\}</math> holomorph, so gilt bereits die ''Hilbert-Ungleichung''<ref>Terry Sheil-Small: ''Complex Polynomials.'' In: ''Cambridge Studies in advanced mathematics.'' Band 75, Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-40068-6, S.&nbsp;129–130.</ref>
:<math> \sum_{m=0}^\infty \sum_{n=0}^\infty \frac{|a_m| |a_n|}{m+n+1} \leq \pi \sum_{n=0}^\infty |a_n|^2 < \infty.</math>
:<math> \sum_{m=0}^\infty \sum_{n=0}^\infty \frac{|a_m a_n|}{m+n+1} \leq \pi \sum_{n=0}^\infty |a_n|^2 < \infty.</math>
Der Faktor <math>\pi</math> ist dabei optimal.<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;146.</ref>
Dies kann auf allgemeinere diskrete Mengen ausgeweitet werden. Sind <math>\lambda_1 < \lambda_2 < \cdots < \lambda_R</math> und
:<math>\delta := \min_{s \not= r} |\lambda_r - \lambda_s|, \qquad \delta_r := \min_{s : s \not= r} |\lambda_r - \lambda_s|,</math>
dann gelten<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;138.</ref>
:<math>\left| \sum_{{1 \leq r,s \leq R \atop r \not= s}} \frac{u_r \overline{u_s}}{\lambda_r - \lambda_s}\right| \leq \pi \delta^{-1} \sum_{r=1}^R |u_r|^2,</math>
:<math>\left| \sum_{{1 \leq r,s \leq R \atop r \not= s}} \frac{u_r \overline{u_s}}{\lambda_r - \lambda_s}\right| \leq \sqrt{22} \sum_{r=1}^R |u_r|^2 \delta_r^{-1}.</math>
Eine weitere Variante der Hilbert-Ungleichung betrifft stetige Funktionen <math>f \colon [0,1] \to \R</math>. Es gilt<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;146–147.</ref>
:<math>\sum_{n=0}^\infty \left( \int_0^1 x^n f(x) \mathrm{d}x\right)^2 \leq \pi \int_0^1 f(x)^2 \mathrm{d}x.</math>
Eine andere Variante betrifft bestimmte Exponentialreihen. Für komplexe <math>a_n</math> und reelle Zahlen <math>1 \leq t_1 < t_2 < \cdots < t_R \leq T</math> mit <math>t_r + 1 \leq t_{r+1}</math> für alle <math>1 \leq r < R</math> gilt<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;139.</ref>
:<math>\sum_{r=1}^R \left| \sum_{n=1}^N a_n n^{it_r} \right|^2 \leq 2 \log(N) \left( T \sum_{n=1}^N |a_n|^2 + 16\sum_{n=1}^N n |a_n|^2\right).</math>

=== Van der Corputsche Ungleichung ===

Diese ist eine Anwendung der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung. Für komplexe Zahlen <math>a_n</math> sowie natürliche Zahlen <math>N, H</matH> gilt<ref>Emmanuel Kowalski: ''An Introduction to Probabilistic Number Theory.'' In: ''Cambridge studies in advanced mathematics.'' Band 192, S.&nbsp;145.</ref><ref>Hugh L. Montgomery: ''Ten lectures on the interface between analytic number theory and harmonic analysis.'' AMS, Providence 1994, S.&nbsp;18.</ref>
:<math>\left| \sum_{n=1}^N a_n\right|^2 \leq \frac{N+H}{H+1} \sum_{n=1}^N |a_n|^2 + \frac{2(N+H)}{H+1} \sum_{h=1}^H \left( 1 - \frac{h}{H+1}\right) \left| \sum_{n=1}^{N-h} a_{n+h}\overline{a_n}\right|.</math>
Dabei bezeichnet <math>\overline{z}</math> die [[komplexe Konjugation]] der Zahl <math>z</math>.

Diese Aussage kann weiter verallgemeinert werden. Sei <math>T</math> ein Fourier-Polynom
:<math>T(x) := \sum_{h=0}^H b_h \cos(2\pi h x)</math>
mit <math>T(0) = 1</math> und <math>T(x) \geq 0</math> für alle <math>x \in \R</math>. Dann gilt<ref>Hugh L. Montgomery: ''Ten lectures on the interface between analytic number theory and harmonic analysis.'' AMS, Providence 1994, S.&nbsp;18–19.</ref>
:<math>\left| \sum_{n=1}^N a_n\right|^2 \leq (N+H) \left( b_0 \sum_{n=1}^N |a_n|^2 + \sum_{h=1}^H \left|b_h \sum_{n=1}^{N-h}a_{n+h} \overline{a_n} \right|\right).</math>

=== Exponentialsummen ===

==== Kusmin-Landau-Ungleichung ====

Es sei <math>f \colon \Z \to \R</math>, sodass <math>\Delta f(n) := f(n+1)-f(n)</math> monoton für <math>a+1 \leq n \leq b-1</math> für gewählte ganzzahlige <math>a < b</math>. Es gebe nun <math>N \in \Z</math> und <math>0 < \vartheta, \varphi < 1,</math> sodass
:<math> N + \vartheta \leq \Delta f(n) \leq N + 1 - \varphi</math>
für alle <math>a+1 \leq n \leq b-1</math>. Dann gilt<ref>Ekkehard Krätzel: ''Analytische Funktionen in der Zahlentheorie.'' Teubner-Texte zur Mathematik, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden November 2000, S.&nbsp;10.</ref>
:<math> \left| \sum_{a < n \leq b} e^{2\pi i f(n)}\right| \leq \frac{1}{2} \left( \cot\left( \frac{\pi \vartheta}{2}\right) + \cot\left( \frac{\pi \varphi}{2}\right) \right).</math>
In einer Variante bleibt die Gültigkeit dieser Ungleichung bestehen, wenn <math>f \colon [a,b] \to \R</math> stetig differenzierbar ist mit monotoner Ableitungsfunktion <math>f'</math>, sodass <math> N + \vartheta \leq f'(t) \leq N + 1 - \varphi</math>.<ref>Ekkehard Krätzel: ''Analytische Funktionen in der Zahlentheorie.'' Teubner-Texte zur Mathematik, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden November 2000, S.&nbsp;12.</ref>

==== Der Satz von van der Corput ====

Sei <math>f \colon \Z \to \R</math>, und seien ganze <math>a,b</math> mit <math>b \geq a+3 \geq 3</math> gewählt. Es sei <math>\Delta^2 f(n) := f(n+2) - 2f(n+1) + f(n)</math> stets positiv oder stets negativ. Ist <math>|\Delta^2f(n)| \geq \lambda > 0</math>, so ist<ref>Ekkehard Krätzel: ''Analytische Funktionen in der Zahlentheorie.'' Teubner-Texte zur Mathematik, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden November 2000, S.&nbsp;14.</ref>
:<math> \left| \sum_{a < n \leq b} e^{2\pi i f(n)}\right| \leq \frac{5|f(b) - f(b-1) - f(a+2) + f(a+1)| + 11}{\sqrt{\lambda}}.</math>
Ist überdies <math>|\Delta^2 f(n)| \leq c\lambda</math> mit einem <math>c \geq 1</math>, so gilt
:<math> \left| \sum_{a < n \leq b} e^{2\pi i f(n)}\right| \leq 5c(a-b) \sqrt{\lambda} + \frac{11}{\sqrt{\lambda}}.</math>

Sowohl die Kusmin-Landau-Ungleichung als auch der Satz von van der Corput besitzen höherdimensionale Verallgemeinerungen.<ref>Ekkehard Krätzel: ''Analytische Funktionen in der Zahlentheorie.'' Teubner-Texte zur Mathematik, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden November 2000, Kapitel 4.</ref>

==== Weyl-Ungleichung ====

Ist <math>P</math> ein reelles Polynom mit Grad <math>k</math>, dessen Leitkoeffizient <math>\alpha</math> eine Approximation
:<math> \left| \alpha - \frac{a}{q}\right| \leq \frac{c}{q^2}</math>
mit <math>q \geq 1</math> und <math>\mathrm{ggT}(a,q) = 1</math> sowie einem fixierten <math>c > 0</math> hat, so gibt es für jedes <math>\varepsilon > 0</math> eine Konstante <math>C(c, \varepsilon) > 0</math> mit<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' Providence (R.I.) 2014, S. 132.</ref>
:<math> \left| \sum_{m=1}^N e^{2\pi i P(m)}\right| \leq C(c, \varepsilon) N^{1 + \varepsilon} \left( \frac{1}{N} + \frac{1}{q} + \frac{q}{N^k}\right)^{\frac{1}{2^{k-1}}}.</math>

==== Das große Sieb ====

Es seien <math>a_n</math> komplexe Zahlen, <math>M \in \Z, N \in \N</math> und <math>\alpha</math> eine reelle Zahl. Definiere die Exponentialsumme
:<math> S(\alpha) := \sum_{M < n \leq M + N} a_n e^{2\pi i n \alpha}.</math>
Dann gilt für jedes <math>\delta > 0</math> die Abschätzung
:<math>|S(\alpha)|^2 \leq \frac{1}{\delta} \int_{\alpha - \frac{\delta}{2}}^{\alpha + \frac{\delta}{2}} |S(\beta)|^2 \mathrm{d}\beta + \int_{\alpha - \frac{\delta}{2}}^{\alpha + \frac{\delta}{2}} |S(\beta)S'(\beta)| \mathrm{d}\beta.</math>
Mit Hilfe dieser Integralungleichung können weitere Ungleichungen des folgenden Typs erhalten werden.<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;154–156.</ref> Ist <math>(\alpha_r)_{1 \leq r \leq R}</math> eine Familie reeller Zahlen
:<math> \delta = \min_{i \not= j} || \alpha_i - \alpha_j ||</math>
wobei <math>0 \leq ||x|| < 1</math> das eindeutige Element von <math>x + \Z</math> in <math>[0,1)</math> ist, gilt die Ungleichung (auch ''Das große Sieb'' genannt)<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;159.</ref>
:<math> \sum_{r=1}^R |S(\alpha_r)|^2 \leq \left( N - 1 + \frac{1}{\delta} \right) \sum_{M < n \leq M+N} |a_n|^2.</math>
Der Faktor <math>N - 1 + \tfrac{1}{\delta}</math> kann in dieser Abschätzung nicht verbessert werden.<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;155.</ref> Aufgrund dieser Tatsache gilt die Ungleichung als scharf und sehr mächtig. Das große Sieb hat zahlreiche Anwendungen in der analytischen Zahlentheorie, siehe auch [[Siebtheorie]].


=== Bohr-Ungleichung ===
=== Bohr-Ungleichung ===
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Im Jahr 1914 konnte [[Harald Bohr]] zeigen, dass falls die Potenzreihe <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> in der Einheitskreisscheibe <math>\mathbb{E} = \{ z \in \C \colon |z| < 1\}</math> konvergiert und die holomorphe Funktion <math>|f(z)| < 1</math> in <math>\mathbb{E}</math> erfüllt, bereits
Im Jahr 1914 konnte [[Harald Bohr]] zeigen, dass falls die Potenzreihe <math>\textstyle f(z) = \sum_{n=0}^\infty a_n z^n</math> in der Einheitskreisscheibe <math>\mathbb{E} = \{ z \in \C \colon |z| < 1\}</math> konvergiert und die holomorphe Funktion <math>|f(z)| < 1</math> in <math>\mathbb{E}</math> erfüllt, bereits
:<math> \sum_{n=0}^\infty \frac{|a_n|}{6^n} \leq 1</math>
:<math> \sum_{n=0}^\infty \frac{|a_n|}{6^n} \leq 1</math>
gilt.<ref>Harald Bohr: ''A theorem concerning power series.'' In: ''Proceedings of the London Mathematical Society.'' Band 13, Nr. 2, 1914, S. 1–5.</ref> Dass sogar <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty \frac{|a_n|}{3^n} \leq 1</math> gilt und <math>r=\tfrac13</math> der größtmögliche ''Bohr-Radius'' ist, konnte unabhängig von [[Friedrich Wilhelm Wiener]], [[Marcel Riesz]] und [[Issai Schur]] gezeigt werden.
gilt.<ref>Harald Bohr: ''A theorem concerning power series.'' In: ''Proceedings of the London Mathematical Society.'' Band 13, Nr.&nbsp;2, 1914, S.&nbsp;1–5.</ref> Dass sogar <math>\textstyle \sum_{n=0}^\infty \frac{|a_n|}{3^n} \leq 1</math> gilt und <math>r=\tfrac13</math> der größtmögliche ''Bohr-Radius'' ist, konnte unabhängig von [[Friedrich Wilhelm Wiener]], [[Marcel Riesz]] und [[Issai Schur]] gezeigt werden.


=== Duality Principle ===
=== Dualitätsprinzip ===


Für Einträge <math>(c_{n,r})</math> einer <math>N\times R</math>-[[Matrix (Mathematik)|Matrix]] und eine reelle Zahl <math>D \geq 0</math> sind die folgenden Aussagen äquivalent:<ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' 3. Edition, Providence (RI) 2015, S.&nbsp;74.</ref>
Für Einträge <math>(c_{n,r})</math> einer <math>N\times R</math>-[[Matrix (Mathematik)|Matrix]] und eine reelle Zahl <math>D \geq 0</math> sind die folgenden Aussagen äquivalent:<ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' 3.&nbsp;Edition, Providence (RI) 2015, S.&nbsp;74.</ref>
* <math>\sum_{r=1}^R \left| \sum_{n=1}^N c_{n,r} z_n \right|^2 \leq D \sum_{n=1}^N |z_n|^2</math>, für ''alle'' komplexen Zahlen <math>z_1, \dotsc, z_N</math>,
* <math>\sum_{r=1}^R \left| \sum_{n=1}^N c_{n,r} z_n \right|^2 \leq D \sum_{n=1}^N |z_n|^2</math>, für ''alle'' komplexen Zahlen <math>z_1, \dotsc, z_N</math>,
* <math>\left| \sum_{r=1}^R \sum_{n=1}^N c_{n,r} z_nw_r \right|^2 \leq D \sum_{n=1}^N |z_n|^2 \sum_{r=1}^R |w_r|^2</math>, für ''alle'' komplexen Zahlen <math>z_1, \dotsc, z_N, w_1, \dotsc, w_R</math>,
* <math>\left| \sum_{r=1}^R \sum_{n=1}^N c_{n,r} z_nw_r \right|^2 \leq D \sum_{n=1}^N |z_n|^2 \sum_{r=1}^R |w_r|^2</math>, für ''alle'' komplexen Zahlen <math>z_1, \dotsc, z_N, w_1, \dotsc, w_R</math>,
* <math>\sum_{n=1}^N \left| \sum_{r=1}^R c_{n,r} w_r \right|^2 \leq D \sum_{r=1}^R |w_r|^2</math>, für ''alle'' komplexen Zahlen <math>w_1, \dotsc, w_R</math>.
* <math>\sum_{n=1}^N \left| \sum_{r=1}^R c_{n,r} w_r \right|^2 \leq D \sum_{r=1}^R |w_r|^2</math>, für ''alle'' komplexen Zahlen <math>w_1, \dotsc, w_R</math>.
Dies wird auch als ''Duality principle'' bezeichnet. Eine Folgerung dessen ist die Existenz einer von den <math>c_{n,r}</math> abhängigen Konstanten <math>D \geq 0</math>, so dass für ''alle'' <math>z_1, \dotsc, z_N</math>
Dies wird auch als ''Dualitätsprinzip'' bezeichnet.<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;156–159.</ref> Eine Folgerung dessen ist die Existenz einer von den <math>c_{n,r}</math> abhängigen Konstanten <math>D \geq 0</math>, sodass für ''alle'' <math>z_1, \dotsc, z_N</math>
:<math> \sum_{r=1}^R \left| \sum_{n=1}^N c_{n,r} z_n\right|^2 \leq D \left( \sum_{n=1}^N |z_n|^2 \right) \sup_{||w|| = 1} \sum_{n=1}^N \left| \sum_{r=1}^R c_{n,r} w_r\right|,</math>
:<math> \sum_{r=1}^R \left| \sum_{n=1}^N c_{n,r} z_n\right|^2 \leq D \left( \sum_{n=1}^N |z_n|^2 \right) \sup_{||w|| = 1} \sum_{n=1}^N \left| \sum_{r=1}^R c_{n,r} w_r\right|,</math>
wobei <math>\textstyle ||w|| := \sqrt{\sum_{r=1}^R |w_r|^2}</math>. Dabei steht <math>\sup</math> für das [[Supremum]].
wobei <math>\textstyle ||w|| := \sqrt{\sum_{r=1}^R |w_r|^2}</math>. Dabei steht <math>\sup</math> für das [[Supremum]].
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[[Don Zagier]] zeigte die Ungleichung
[[Don Zagier]] zeigte die Ungleichung
:<math> 2XY \sum_{j=1}^m \sum_{k=1}^n |x_j - y_k| \geq X^2 \sum_{k_1=1}^n \sum_{k_2=1}^n |y_{k_1} - y_{k_2}| + Y^2 \sum_{j_1=1}^m \sum_{j_2=1}^m |x_{j_1}-x_{j_2}|</math>
:<math> X^2 \sum_{k_1=1}^n \sum_{k_2=1}^n |y_{k_1} - y_{k_2}| + Y^2 \sum_{j_1=1}^m \sum_{j_2=1}^m |x_{j_1}-x_{j_2}| \leq 2XY \sum_{j=1}^m \sum_{k=1}^n |x_j - y_k|</math>
mit positiven Zahlen <math>x_j, y_k</math>, <math>X := \textstyle \sum_{j=1}^m x_j</math> und <math>Y := \textstyle \sum_{k=1}^n y_k</math>.<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S. 584–585.</ref>
mit positiven Zahlen <math>x_j, y_k</math>, <math>X := \textstyle \sum_{j=1}^m x_j</math> und <math>Y := \textstyle \sum_{k=1}^n y_k</math>.<ref>Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: ''Classical and New Inequalities in Analysis.'' Dordrecht 1993, S.&nbsp;584–585.</ref>
Verwandt hierzu ist die für reelle Zahlen <math>x_1 \leq x_2 \leq \ldots \leq x_n</math> gültige Ungleichung
:<math>\left( \sum_{j=1}^n \sum_{k=1}^n |x_j - x_k|\right)^2 \leq \frac{2(n^2-1)}{3}\left( \sum_{j=1}^n \sum_{k=1}^n (x_j - x_k)^2 \right),</math>
die 2003 auch eine Aufgabe in der [[Internationale Mathematik-Olympiade|Internationalen Mathematik-Olympiade]] war.<ref>B. J. Venkatachala: ''Inequalities. An Approach Through problems.'' Hindustan Book Agency, New Dehli, 2009, S.&nbsp;203.</ref>

Sind <math>a_1, \ldots, a_n</math> positive Zahlen und <math>\sigma \in S_n</math> eine [[Permutation]], so gilt<ref>B. J. Venkatachala: ''Inequalities. An Approach Through problems.'' Hindustan Book Agency, New Dehli, 2009, S.&nbsp;211.</ref>
:<math>\sum_{j=1}^n a_j \leq \sum_{j=1}^n \frac{a_j^2}{a_{\sigma(j)}}.</math>

Zudem gilt die [[Carleman-Ungleichung]]
:<math> \sum_{j=1}^n (a_1 \cdots a_j)^{\frac{1}{j}} \leq e \sum_{j=1}^n a_j</math>
mit der [[Eulersche Zahl|Eulerschen Zahl]] <math>e</math>.


== Spezielle Reihen ==
== Spezielle Reihen ==
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Es gilt für alle Werte <math>q \not= 1</math> und <math>N \in \N</math> die Formel
Es gilt für alle Werte <math>q \not= 1</math> und <math>N \in \N</math> die Formel
:<math>\sum_{n=0}^N q^n = \frac{1-q^{N+1}}{1-q}.</math>
:<math>\sum_{n=0}^N q^n = \frac{1-q^{N+1}}{1-q}.</math>
Daraus ergibt sich für <math>|q| < 1</math> die ''geometrische Reihe''<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1''. 3. Auflage, Basel 2006, S. 196–197.</ref>
Daraus ergibt sich für <math>|q| < 1</math> die ''geometrische Reihe''<ref>Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis 1.'' 3.&nbsp;Auflage, Basel 2006, S.&nbsp;196–197.</ref>
:<math> \sum_{n=0}^\infty q^n = \frac{1}{1-q}.</math>
:<math> \sum_{n=0}^\infty q^n = \frac{1}{1-q}.</math>
Eine sehr weitreichende Verallgemeinerung der geometrischen Reihe sind die [[Hypergeometrische Reihe|hypergeometrischen Reihen]].
Eine sehr weitreichende Verallgemeinerung der geometrischen Reihe sind die [[Verallgemeinerte hypergeometrische Funktion|hypergeometrischen Reihen]].


=== Harmonische Reihe ===
=== Harmonische Reihe ===
{{Hauptartikel|Harmonische Reihe}}


Die [[harmonische Reihe]]
Die harmonische Reihe
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac1n = 1 + \frac12 + \frac13 + \frac14 + \cdots </math>
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac1n = 1 + \frac12 + \frac13 + \frac14 + \cdots </math>
ist divergent. Dies ist ein Beispiel dafür, dass das Nullfolgenkriterium für Konvergenz nur [[Notwendige und hinreichende Bedingung|notwendig, aber nicht hinreichend]] ist. Die Divergenz ist von „logarithmischer Geschwindigkeit“, dies sieht man zum Beispiel durch
ist divergent. Dies ist ein Beispiel dafür, dass das Nullfolgenkriterium für Konvergenz nur [[Notwendige und hinreichende Bedingung|notwendig, aber nicht hinreichend]] ist. Die Divergenz ist von „logarithmischer Geschwindigkeit“, dies sieht man zum Beispiel durch
:<math> \sum_{n \leq x} \frac1n \sim \int_1^x \frac{\mathrm{d}t}{t} = \log(x) \,\, \overset{x \to \infty}{\longrightarrow} \,\, \infty.</math>
:<math> \sum_{n \leq x} \frac1n \sim \int_1^x \frac{\mathrm{d}t}{t} = \log(x) \,\, \overset{x \to \infty}{\longrightarrow} \,\, \infty.</math>
Es wurde jedoch die Frage untersucht, was passiert, wenn man die harmonische Reihe „ausdünnt“. Man spricht dann von [[Harmonische Reihe#Verwandte Reihen|subharmonischen Reihen]]. [[Leonhard Euler]] zeigte, dass auch, wenn man sich nur auf die Menge der Primzahlen beschränkt, immer noch Divergenz vorliegt. [[Viggo Brun]] gelang zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Durchbruch, indem er zeigte, dass bei erneuter Einschränkung auf die Komponenten <math>p</math> und <math>p+2</math> von [[Primzahlzwilling]]en <math>(p, p+2)</math>, die Reihe konvergent ist:<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin Heidelberg, 1995, S.&nbsp;182.</ref>
Es wurde jedoch die Frage untersucht, was passiert, wenn man die harmonische Reihe „ausdünnt“, also systematisch Summanden weglässt. Man spricht dann von [[Harmonische Reihe#Verwandte Reihen|subharmonischen Reihen]]. [[Leonhard Euler]] zeigte, dass auch, wenn man sich nur auf die Menge der Primzahlen beschränkt, immer noch Divergenz vorliegt. [[Viggo Brun]] gelang zu Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts ein Durchbruch, indem er zeigte, dass bei erneuter Einschränkung auf die Komponenten <math>p</math> und <math>p+2</math> von [[Primzahlzwilling]]en <math>(p, p+2)</math>, die Reihe konvergent ist:<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;182.</ref>
:<math>\sum_{p, p+2 \ \text{Primzahl}} \left( \frac{1}{p} + \frac{1}{p+2}\right) = \left( \frac{1}{3} + \frac{1}{5} \right) + \left( \frac{1}{5} + \frac{1}{7} \right) + \left( \frac{1}{11} + \frac{1}{13} \right) + \left( \frac{1}{17} + \frac{1}{19} \right) + \left( \frac{1}{29} + \frac{1}{31} \right) + \dotsb < \infty.</math>
:<math>\sum_{p, p+2 \ \text{Primzahl}} \left( \frac{1}{p} + \frac{1}{p+2}\right) = \left( \frac{1}{3} + \frac{1}{5} \right) + \left( \frac{1}{5} + \frac{1}{7} \right) + \left( \frac{1}{11} + \frac{1}{13} \right) + \left( \frac{1}{17} + \frac{1}{19} \right) + \left( \frac{1}{29} + \frac{1}{31} \right) + \dotsb < \infty.</math>
Der Grenzwert dieser Reihe ist auch als [[Brunsche Konstante]] bekannt. Die Frage, ob Konvergenz nach Wegstreichen von Zahlen mit bestimmten Ziffern in ihrer Dezimalschreibweise vorliegt, ist Gegenstand der [[Kempner-Reihe]]n. Es kann damit Konvergenz erreicht werden.
Der Grenzwert dieser Reihe ist auch als [[Brunsche Konstante]] bekannt. Die Frage, ob Konvergenz nach Wegstreichen von Zahlen mit bestimmten Ziffern in ihrer Dezimalschreibweise vorliegt, ist Gegenstand der [[Kempner-Reihe]]n. Es kann damit Konvergenz erreicht werden.
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==== Kreiszahl ====
==== Kreiszahl ====


Es wurden neben der [[Leibniz-Reihe]]
Von historischer Bedeutung ist etwa das [[Basler Problem]], das nach dem Grenzwert der Reihe <math>1 + \tfrac14 + \tfrac19 + \cdots </math> aller reziproken Quadratzahlen fragte. [[Leonhard Euler]] publizierte 1735 in seiner ''De Summis Serierum Reciprocarum'' die Lösung:
:<math>\pi = 4 - \frac{4}{3} + \frac{4}{5} - \frac{4}{7} + \frac{4}{9} - \frac{4}{11} + \cdots = \sum_{n=0}^\infty \frac{4(-1)^{n}}{2n+1}</math>
zahlreiche weitere, teils sehr schnell konvergente, Reihendarstellungen für die [[Kreiszahl]] <math>\pi</math> gefunden. Von historischer Bedeutung ist etwa das [[Basler Problem]], das nach dem Grenzwert der Reihe <math>1 + \tfrac14 + \tfrac19 + \cdots </math> aller reziproken Quadratzahlen fragte. [[Leonhard Euler]] publizierte 1735 in seiner ''De Summis Serierum Reciprocarum'' die Lösung:
:<math> \frac{\pi^2}{6} = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2}.</math>
:<math> \frac{\pi^2}{6} = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2}.</math>
Dabei ist <math>\pi = 3{,}14\ldots </math> die [[Kreiszahl]]. Euler konnte allgemein für <math>k \in \mathbb{N}</math> sogar<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 245–246.</ref>
Euler konnte allgemein für <math>k \in \mathbb{N}</math> sogar<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;245–246.</ref>
:<math> (-1)^{k-1} \frac{(2\pi)^{2k}}{2(2k)!} B_{2k} = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^{2k}}</math>
:<math> (-1)^{k-1} \frac{(2\pi)^{2k}}{2(2k)!} B_{2k} = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^{2k}}</math>
mit den [[Bernoulli-Zahl]]en <math>B_{k}</math> zeigen. Der Fall ungerader Exponenten ist deutlich schwieriger, und es existieren hier keine geschlossenen Analoga. Allerdings konnte [[Matyáš Lerch]] im Jahr 1900 folgende Reihenidentität aufzeigen:<ref>[[Matyáš Lerch]]: ''[http://www.fc.up.pt/fa/index.php?p=nav&f=books.0136.W_0136_000034#faimg Sur la fonction ζ(s) pour les valeurs impaires de l’argument.]'' In: ''Jornal de sciencias mathematicas e astronomicas.'' Band 14, 1900, S.&nbsp;65–69 (französisch; [https://zbmath.org/pdf/02665212.pdf Jahrbuch-Zusammenfassung]).</ref>
mit den [[Bernoulli-Zahl]]en <math>B_{k}</math> zeigen. Der Fall ungerader Exponenten ist deutlich schwieriger, und es existieren hier keine geschlossenen Analoga. Allerdings konnte [[Matyáš Lerch]] im Jahr 1900 folgende Reihenidentität aufzeigen:<ref>[[Matyáš Lerch]]: [http://www.fc.up.pt/fa/index.php?p=nav&f=books.0136.W_0136_000034#faimg ''Sur la fonction ζ(s) pour les valeurs impaires de l’argument.''] In: ''Jornal de sciencias mathematicas e astronomicas.'' Band 14, 1900, S.&nbsp;65–69 (französisch; [https://zbmath.org/pdf/02665212.pdf Jahrbuch-Zusammenfassung]), abgerufen am 5.&nbsp;März 2024.</ref>


:<math>\frac{7\pi^3}{180} = \sum_{n=1}^\infty \left( \frac{1}{n^3} + \frac{2}{n^3 (e^{2\pi n}-1)} \right).</math>
:<math>\frac{7\pi^3}{180} = \sum_{n=1}^\infty \left( \frac{1}{n^3} + \frac{2}{n^3 (e^{2\pi n}-1)} \right).</math>


Während all diese Reihen vergleichsweise langsam konvergieren, ist die 1914 von [[Srinivasa Ramanujan]] veröffentlichte, auf Untersuchungen von [[Elliptische Funktion|elliptischen Funktionen]] und [[Modulform|Modulfunktionen]] basierende Gleichung zur Berechnung der Kreiszahl gut geeignet:<ref>{{Internetquelle |autor=Srinivasa Ramanujan |url=https://www.imsc.res.in/~rao/ramanujan/CamUnivCpapers/Cpaper6/page1.htm |titel=Modular equations and approximations to <math>\pi</math> |hrsg=''Quarterly Journal of Mathematics.'' Band 45 |seiten=350–372 |datum=1914 |abruf=2023-05-11}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=[[Jonathan Borwein]], [[Peter Borwein]], D. H. Bailey, S. Ramanujan |url=http://www.cecm.sfu.ca/~pborwein/PAPERS/P40.pdf |titel=Modular equations and approximations to pi or how to compute one billion digits of pi |hrsg=''American Mathematical Monthly.'' Band 96 |seiten=201–219 |datum=1989 |format=PDF |abruf=2023-05-11}}</ref>
Während all diese Reihen vergleichsweise langsam konvergieren, ist die 1914 von [[Srinivasa Ramanujan]] veröffentlichte, auf Untersuchungen von [[Elliptische Funktion|elliptischen Funktionen]] und [[Modulform|Modulfunktionen]] basierende Gleichung zur Berechnung der Kreiszahl gut geeignet:<ref>{{Internetquelle |autor=Srinivasa Ramanujan |url=https://www.imsc.res.in/~rao/ramanujan/CamUnivCpapers/Cpaper6/page1.htm |titel=Modular equations and approximations to <math>\pi</math> |werk=Quarterly Journal of Mathematics. Band 45 |datum=1914 |seiten=350–372 |abruf=2024-03-05}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=[[Jonathan Borwein]], [[Peter Borwein]], D. H. Bailey, S. Ramanujan |url=http://www.cecm.sfu.ca/~pborwein/PAPERS/P40.pdf |titel=Modular equations and approximations to pi or how to compute one billion digits of pi |werk=American Mathematical Monthly. Band 96 |datum=1989 |seiten=201–219 |format=PDF |abruf=2024-03-05}}</ref>


:<math>\frac{1}{\pi} = \frac{2 \sqrt{2}}{9801} \sum_{n=0}^\infty\,\frac{(4n)! (1103 + 26390\,n)}{(n!)^4 \, 396^{4n}}.</math>
:<math>\frac{1}{\pi} = \frac{2 \sqrt{2}}{9801} \sum_{n=0}^\infty\,\frac{(4n)! (1103 + 26390\,n)}{(n!)^4 \, 396^{4n}}.</math>


Die Brüder [[David Chudnovsky|David]] und [[Gregory Chudnovsky]] berechneten mit ihrer Hilfe 2 Milliarden Nachkommastellen von <math>\pi</math> in den frühen neunziger Jahren.<ref>David H. Bailey, Jonathan M. Borwein: ''Pi: The next generation'', Springer, Switzerland 2016, S. 175.</ref> Der davon inspirierte [[Chudnovsky-Algorithmus]] basiert auf der folgenden verwandten Reihendarstellung:<ref name="baruah">{{Literatur |Autor=Nayandeep Deka Baruah, Bruce C. Berndt, Heng Huat Chan |Titel=Ramanujan’s series for 1/π: a survey |Sammelwerk=American Mathematical Monthly |Band=116 |Nummer=7 |Datum=2009 |Seiten=567–587 |DOI=10.4169/193009709X458555 |JSTOR=40391165}}</ref>
Die Brüder [[David Chudnovsky|David]] und [[Gregory Chudnovsky]] berechneten mit ihrer Hilfe 2 Milliarden Nachkommastellen von <math>\pi</math> in den frühen neunziger Jahren.<ref>David H. Bailey, Jonathan M. Borwein: ''Pi: The next generation.'' Springer, Switzerland 2016, S.&nbsp;175.</ref> Der davon inspirierte [[Chudnovsky-Algorithmus]] basiert auf der folgenden verwandten Reihendarstellung:<ref name="baruah">{{Literatur |Autor=Nayandeep Deka Baruah, Bruce C. Berndt, Heng Huat Chan |Titel=Ramanujan’s series for 1/π: a survey |Sammelwerk=American Mathematical Monthly |Band=116 |Nummer=7 |Datum=2009 |Seiten=567–587 |DOI=10.4169/193009709X458555 |JSTOR=40391165}} Abgerufen am 5.&nbsp;März 2024.</ref>
:<math> \frac{1}{\pi} = \frac{\sqrt{10005}}{4270934400} \sum^\infty_{n=0} \frac{(-1)^n (6n)! (545140134n + 13591409)}{(3n)!\, (n!)^3 \, 640320^{3n}}.\!</math>
:<math> \frac{1}{\pi} = \frac{\sqrt{10005}}{4270934400} \sum^\infty_{n=0} \frac{(-1)^n (6n)! (545140134n + 13591409)}{(3n)!\, (n!)^3 \, 640320^{3n}}.</math>


1995 entdeckte [[Simon Plouffe]] zusammen mit [[Peter Borwein]] und [[David Harold Bailey]] die [[Bailey-Borwein-Plouffe-Formel]]:
1995 entdeckte [[Simon Plouffe]] zusammen mit [[Peter Borwein]] und [[David Harold Bailey]] die [[Bailey-Borwein-Plouffe-Formel]]:
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:<math>\pi = \sum_{n=0}^{\infty}\dfrac1{16^n}\left(\dfrac4{8n+1} - \dfrac2{8n+4} - \dfrac1{8n+5} - \dfrac1{8n+6}\right).</math>
:<math>\pi = \sum_{n=0}^{\infty}\dfrac1{16^n}\left(\dfrac4{8n+1} - \dfrac2{8n+4} - \dfrac1{8n+5} - \dfrac1{8n+6}\right).</math>


Diese Reihe ermöglicht es, die <math>n</math>-te Stelle einer [[Dualsystem|binären]], [[Hexadezimalsystem|hexadezimalen]] oder einer zu einer beliebigen anderen Zweierpotenz als [[Stellenwertsystem#Basis|Basis]] gehörenden [[Stellenwertsystem|Darstellung]] von <math>\pi</math> zu berechnen, ohne dass zuvor die <math>n-1</math> vorherigen Ziffernstellen berechnet werden müssen.<ref>J. Arndt, C. Haenel: ''Pi. Algorithmen, Computer, Arithmetik.'' 2. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2000, S. 19.</ref>
Diese Reihe ermöglicht es, die <math>n</math>-te Stelle einer [[Dualsystem|binären]], [[Hexadezimalsystem|hexadezimalen]] oder einer zu einer beliebigen anderen Zweierpotenz als [[Stellenwertsystem#Basis|Basis]] gehörenden [[Stellenwertsystem|Darstellung]] von <math>\pi</math> zu berechnen, ohne dass zuvor die <math>n-1</math> vorherigen Ziffernstellen berechnet werden müssen.<ref>J. Arndt, C. Haenel: ''Pi. Algorithmen, Computer, Arithmetik.'' 2.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2000, S.&nbsp;19.</ref>


==== Eulersche Zahl ====
==== Eulersche Zahl ====


Die [[Eulersche Zahl]] <math>e = 2{,}718\ldots</math> ist die Basis des [[Natürlicher Logarithmus|natürlichen Logarithmus]]. Ihre bekannteste Reihendarstellung ergibt sich aus der Taylor-Entwicklung der natürlichen [[Exponentialfunktion]]:<ref>Terence Tao: ''Analysis II.'' New Delhi 2006, S. 90.</ref>
Die [[Eulersche Zahl]] <math>e = 2{,}718\ldots</math> ist die Basis des [[Natürlicher Logarithmus|natürlichen Logarithmus]]. Ihre bekannteste Reihendarstellung ergibt sich aus der Taylor-Entwicklung der natürlichen [[Exponentialfunktion]]:<ref>Terence Tao: ''Analysis II.'' New Delhi 2006, S.&nbsp;90.</ref>
:<math> e = \sum_{n=0}^\infty \frac{1}{n!} = 1 + 1 + \frac12 + \frac16 + \frac{1}{24} + \frac{1}{120} + \cdots.</math>
:<math> e = \sum_{n=0}^\infty \frac{1}{n!} = 1 + 1 + \frac12 + \frac16 + \frac{1}{24} + \frac{1}{120} + \cdots.</math>
Aufgrund ihrer schnellen Konvergenz ist diese Reihe nicht nur zur Berechnung von Dezimalstellen der Eulerschen Zahl geeignet. Es kann mit ihrer Hilfe auch ein elementarer Beweis erbracht werden, dass <math>e</math> eine [[irrationale Zahl]] ist.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 198–199.</ref>
Aufgrund ihrer schnellen Konvergenz ist diese Reihe nicht nur zur Berechnung von Dezimalstellen der Eulerschen Zahl geeignet. Es kann mit ihrer Hilfe auch ein elementarer Beweis erbracht werden, dass <math>e</math> eine [[irrationale Zahl]] ist.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;198–199.</ref> Allerdings reicht die Konvergenzgeschwindigkeit bei Weitem nicht aus, die [[Transzendente Zahl|Transzendenz]] von <math>e</math> nachzuweisen (im Gegensatz etwa zur [[Liouville-Zahl]]), und für den Beweis dieser Aussage sind speziellere Techniken vonnöten.<ref>Peter Bundschuh: ''Einführung in die Zahlentheorie.'' 6.&nbsp;Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2008, S.&nbsp;257.</ref>


==== Weitere Konstanten ====
==== Weitere Konstanten ====
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Für zahlreiche weitere mathematische Konstanten existieren diverse Reihendarstellungen. Zum Beispiel geht die Reihendarstellung
Für zahlreiche weitere mathematische Konstanten existieren diverse Reihendarstellungen. Zum Beispiel geht die Reihendarstellung
:<math> \sqrt{2} = 1 + \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n-1}}{2^{2n}(2n-1)} \binom{2n}{n} = 1 + \frac{1}{2} - \frac{1}{2 \cdot 4} + \frac{1 \cdot 3}{2 \cdot 4 \cdot 6} - \cdots</math>
:<math> \sqrt{2} = 1 + \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n-1}}{2^{2n}(2n-1)} \binom{2n}{n} = 1 + \frac{1}{2} - \frac{1}{2 \cdot 4} + \frac{1 \cdot 3}{2 \cdot 4 \cdot 6} - \cdots</math>
mit den zentralen [[Binomialkoeffizient]]en <math>\textstyle \binom{2n}{n}</math> auf [[Isaac Newton]] zurück.<ref>Steven R. Finch : ''Mathematical Constants'' (=''Encyclopedia of Mathematics and its Applications.'') Cambridge University Press, Cambridge/ New York 2003, ISBN 0-521-81805-2, S. 2.</ref>
mit den zentralen [[Binomialkoeffizient]]en <math>\textstyle \binom{2n}{n}</math> auf [[Isaac Newton]] zurück.<ref>Steven R. Finch: ''Mathematical Constants'' (= ''Encyclopedia of Mathematics and its Applications.''). Cambridge University Press, Cambridge / New York 2003, ISBN 0-521-81805-2, S.&nbsp;2.</ref>


[[Roger Apéry]] nutzte im Jahr 1979 die Reihe
[[Roger Apéry]] nutzte im Jahr 1979 die Reihe
:<math> \zeta(3) = \frac{5}{2}\sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^3 \binom{2n}{n}},</math>
:<math> \zeta(3) = \frac{5}{2}\sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^3 \binom{2n}{n}},</math>
um die [[Irrationale Zahl|Irrationalität]] von <math>\zeta(3)</math>, der [[Apéry-Konstante]], zu zeigen.<ref>Roger Apéry: ''Irrationalité de <math>\zeta(2)</math> et <math>\zeta(3)</math>.'' In: ''Astérisque.'' Band 61, 1979, S. 11–13.</ref> Es gilt hingegen auch
um die [[Irrationale Zahl|Irrationalität]] von <math>\zeta(3)</math>, der [[Apéry-Konstante]], zu zeigen.<ref>Roger Apéry: ''Irrationalité de <math>\zeta(2)</math> et <math>\zeta(3)</math>.'' In: ''Astérisque.'' Band 61, 1979, S.&nbsp;11–13.</ref> Es gilt hingegen auch


:<math> \zeta(2) = 3\sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2 \binom{2n}{n}}, \quad \zeta(4) = \frac{36}{17} \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^4 \binom{2n}{n}}. </math>
:<math> \zeta(2) = 3\sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2 \binom{2n}{n}}, \quad \zeta(4) = \frac{36}{17} \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^4 \binom{2n}{n}}. </math>


Reihen dieser Art werden auch als ''Apéry-Reihen'' bezeichnet.<ref>Weiping Wanga, Ce Xub: ''Alternating multiple zeta values, and explicit formulas of some Euler-Apéry-type series.'' ([https://arxiv.org/pdf/1909.02943.pdf Volltext als PDF; 255&nbsp;kB.])</ref> In dem Wunsche, Apérys Beweismethode gegebenenfalls auch auf andere [[Spezielle Werte der Riemannschen Zeta-Funktion|Zeta-Werte]] anwenden zu können, sind diese bis heute Gegenstand intensiver Forschung. Beiträge lieferten unter anderem Ablinger, [[David Harold Bailey|Bailey]], [[Jonathan Borwein|Borwein]], Sun und Zucker.<ref>Jakob Ablinger: ''Discovering and proving infinite binomial sums identities.'' In: ''Experimental Mathematics.'' Band 26, Nr. 1, 2017, S. 62–71 ([[doi:10.1080/10586458.2015.1116028]]).</ref><ref>D. H. Bailey, J. M. Borwein, D. M. Bradley: ''Experimental determination of Apéry-like identities for ζ(2n + 2).'' In: ''Experimental mathematics.'' Band 15, Nr. 3, 2006, S. 281–289.</ref><ref>Z.-W. Sun: ''A new series for <math>\pi^3</math> and related congruences.'' In: ''International Journal of Mathematics.'' Band 26, Nr. 8, 2015, Artikel: 1550055.</ref><ref>I. J. Zucker: ''On the series <math> \textstyle \sum_{k=1}^\infty {2k \choose k}^{-1} k^{-n}</math> and related sums.'' In: ''Journal of Number Theory.'' Band 20, Nr. 1, 1985, S. 92–102.</ref> Beim Versuch einer Verallgemeinerung stößt man natürlicherweise auf Verbindungen zu [[Harmonische Reihe#Verwandte Reihen|allgemeinen harmonischen Summen]] und multiplen [[Polylogarithmus|Polylogarithmen]]. Doch trotz Formeln wie zum Beispiel<ref>S. R. Finch: ''Mathematical Constants.'' Cambridge/ New York 2003, S. 45.</ref>
Reihen dieser Art werden auch als ''Apéry-Reihen'' bezeichnet.<ref>Weiping Wanga, Ce Xub: ''Alternating multiple zeta values, and explicit formulas of some Euler-Apéry-type series.'' ([https://arxiv.org/pdf/1909.02943.pdf Volltext als PDF; 255&nbsp;kB; abgerufen am 5.&nbsp;März 2024]).</ref> In dem Wunsche, Apérys Beweismethode gegebenenfalls auch auf andere [[Spezielle Werte der Riemannschen Zeta-Funktion|Zeta-Werte]] anwenden zu können, sind diese bis heute Gegenstand intensiver Forschung. Beiträge lieferten unter anderem Ablinger, [[David Harold Bailey|Bailey]], [[Jonathan Borwein|Borwein]], Sun und Zucker.<ref>Jakob Ablinger: ''Discovering and proving infinite binomial sums identities.'' In: ''Experimental Mathematics.'' Band 26, Nr.&nbsp;1, 2017, S.&nbsp;62–71 ([[doi:10.1080/10586458.2015.1116028]]).</ref><ref>D. H. Bailey, J. M. Borwein, D. M. Bradley: ''Experimental determination of Apéry-like identities for ζ(2n + 2).'' In: ''Experimental mathematics.'' Band 15, Nr.&nbsp;3, 2006, S.&nbsp;281–289.</ref><ref>Z.-W. Sun: ''A new series for <math>\pi^3</math> and related congruences.'' In: ''International Journal of Mathematics.'' Band 26, Nr.&nbsp;8, 2015, Artikel: 1550055.</ref><ref>I. J. Zucker: ''On the series <math> \textstyle \sum_{k=1}^\infty {2k \choose k}^{-1} k^{-n}</math> and related sums.'' In: ''Journal of Number Theory.'' Band 20, Nr.&nbsp;1, 1985, S.&nbsp;92–102.</ref> Beim Versuch einer Verallgemeinerung stößt man natürlicherweise auf Verbindungen zu [[Harmonische Reihe#Verwandte Reihen|allgemeinen harmonischen Summen]] und multiplen [[Polylogarithmus|Polylogarithmen]]. Doch trotz Formeln wie zum Beispiel<ref>S. R. Finch: ''Mathematical Constants.'' Cambridge / New York 2003, S.&nbsp;45.</ref>


:<math> \zeta(7) = \frac{5}{2} \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^7 \binom{2n}{n}} + \frac{25}{2} \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^3 \binom{2n}{n}} \sum_{k=1}^{n-1} \frac{1}{k^4}</math>
:<math> \zeta(7) = \frac{5}{2} \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^7 \binom{2n}{n}} + \frac{25}{2} \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^3 \binom{2n}{n}} \sum_{k=1}^{n-1} \frac{1}{k^4}</math>
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steht der Durchbruch bis heute aus. In diesem Kontext ist auch die Reihe
steht der Durchbruch bis heute aus. In diesem Kontext ist auch die Reihe
:<math> \log(\Phi)^2 = \frac{1}{2}\sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^2 \binom{2n}{n}} </math>
:<math> \log(\Phi)^2 = \frac{1}{2}\sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n+1}}{n^2 \binom{2n}{n}} </math>
mit dem [[Natürlicher Logarithmus|natürlichen Logarithmus]] des [[Goldener Schnitt|Goldenen Schnittes]] <math>\Phi</math> bemerkenswert.<ref>S. R. Finch: ''Mathematical Constants.'' Cambridge/ New York 2003, S. 20.</ref>
mit dem [[Natürlicher Logarithmus|natürlichen Logarithmus]] des [[Goldener Schnitt|Goldenen Schnittes]] <math>\Phi</math> bemerkenswert.<ref>S. R. Finch: ''Mathematical Constants.'' Cambridge / New York 2003, S.&nbsp;20.</ref>


Reihen mit rationalen Gliedern sind für die [[Euler-Mascheroni-Konstante]] <math>\gamma</math> vergleichsweise schwer zu finden. Ein berühmtes Beispiel ist eine von [[Giovanni Enrico Eugenio Vacca]] gegebene Reihe
Reihen mit rationalen Gliedern sind für die [[Euler-Mascheroni-Konstante]] <math>\gamma</math> vergleichsweise schwer zu finden. Ein berühmtes Beispiel ist eine von [[Giovanni Enrico Eugenio Vacca]] gegebene Reihe
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+ 3\left(\frac18 - \dots - \frac1{15}\right) + \dots
+ 3\left(\frac18 - \dots - \frac1{15}\right) + \dots
</math>
</math>
aus dem Jahr 1910.<ref>S. R. Finch: ''Mathematical Constants.'' Cambridge/ New York 2003, S. 31.</ref> Es bedeutet <math>\lfloor \rfloor</math> die [[Gaußklammer]].
aus dem Jahr 1910.<ref>S. R. Finch: ''Mathematical Constants.'' Cambridge / New York 2003, S.&nbsp;31.</ref> Es bedeutet <math>\lfloor \rfloor</math> die [[Gaußklammer]].


== Summenformeln und Transformationen ==
== Summenformeln und Transformationen ==

=== Partielle Summation ===

Sind die Glieder von Reihen, bzw. ihrer Partialsummen, von der Gestalt <math>a_nb_n</math>, so kann durch Umordnung „partiell summiert“ werden. Etwa gilt für <math>N \in \Z</math> und <math>M \in \N</math><ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' Providence (RI) 2015, S.&nbsp;3.</ref>
:<math> \sum_{n=N+1}^{N+M} a_n b_n = A_{N+M}b_{N+M+1} + \sum_{n=N+1}^{N+M} A_n (b_{n} - b_{n+1}), \quad</math> wobei <math>A_n := \sum_{m=N+1}^n a_m</math>.
Dies bezeichnet man auch als [[Abelsche partielle Summation]]. Bestätigen lässt sich dies durch sukzessives [[Ausmultiplizieren]] und Verrechnen der Terme. Trotz ihrer Einfachheit erweist sich die partielle Summation als sehr hilfreich in vielen Situationen. Sie kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn die Zahlen <math>a_n</math> „schwanken“ (etwa ständige Vorzeichenwechsel), womit deren Summen <math>A_n</math> verhältnismäßig klein sind, während die Zahlen <math>b_n</math> sukzessive kleiner werden, da dann die Differenzen <math>b_n - b_{n+1}</math> eventuell viel schneller gegen Null streben als die <math>b_n</math> selbst. Zum Beispiel ist sie dazu geeignet, die Existenz einer [[Dirichletreihe#Konvergente Dirichletreihen|Abszisse bedingter Konvergenz]] für [[Dirichletreihe]]n zu zeigen.

Eine Variante der partiellen Summation ist die Identität<ref>Anil Nerode, Noam Greenberg: ''Algebraic Curves and Riemann Surfaces for Undergraduates.'' Switzerland 2022, S. 309.</ref>
:<math> \sum_{k=0}^n a_k (b_{k+1}-b_k) + \sum_{k=1}^n b_k (a_k - a_{k-1}) = a_n b_{n+1} - a_0 b_0.</math>

Eine weitere Variante betrifft den Fall, dass <math>b_n = f(n)</math> mit einem auf dem Intervall <math>[1,x]</math> stetig [[Differenzierbarkeit|differenzierbaren]] <math>f</math>. Dann gilt mit <math>\textstyle A(t) := \sum_{1 \leq n \leq t} a_n</math><ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' Providence (RI) 2015, S.&nbsp;4.</ref>
:<math> \sum_{1 \leq n \leq x} a_n f(n) = A(x)f(x) - \int_1^x A(t) f'(t) \mathrm{d}t.</math>
Diese Transformation ist dann hilfreich, wenn <math>A(x)</math> durch „Schwankungen“ der Summanden verhältnismäßig klein ist, während <math>f'</math> „schnell“ gegen Null geht. Ein Beispiel ist <math>f(x) = \tfrac{1}{x}</math>, dessen Ableitung für <math>x \to \infty</math> sogar quadratisch gegen Null strebt.

=== Integralvergleich ===

Ist <math>f</math> eine reellwertige, monotone Funktion auf dem Intervall <math>[M,N]</math> mit ganzen <math>M < N</math>, so existiert eine Konstante <math>\vartheta = \vartheta(M,N) \in [0,1]</math>, sodass<ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' Providence (RI) 2015, S.&nbsp;4–5.</ref>
:<math> \sum_{n=M+1}^N f(n) = \int_M^N f(x)\mathrm{d}x + \vartheta \cdot \left( f(N) - f(M)\right).</math>


=== Euler-Maclaurin-Formel ===
=== Euler-Maclaurin-Formel ===
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Eine Möglichkeit, eine Reihe auszuwerten oder anzunähern, bietet die ''Euler-Maclaurin-Summenformel''. Diese drückt Summen explizit in der Sprache der Integralrechnung aus und ist allgemein gegeben durch:
Eine Möglichkeit, eine Reihe auszuwerten oder anzunähern, bietet die ''Euler-Maclaurin-Summenformel''. Diese drückt Summen explizit in der Sprache der Integralrechnung aus und ist allgemein gegeben durch:
:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
\sum_{n=N+1}^M f(n) =&
\sum_{n=N}^M f(n) =&
\int^M_N f(x)\,\mathrm{d}x + \frac{f(M) - f(N)}{2} +
\int^M_N f(x)\,\mathrm{d}x + \frac{f(M) + f(N)}{2} +
\sum_{k=1}^{\lfloor p/2\rfloor} \frac{B_{2k}}{(2k)!} (f^{(2k - 1)}(M) - f^{(2k - 1)}(N)) + (-1)^{p+1}\int_N^M f^{(p)}(x) \frac{B_p(x-\lfloor x\rfloor)}{p!}\,\mathrm{d}x.
\sum_{k=1}^{\lfloor p/2\rfloor} \frac{B_{2k}}{(2k)!} (f^{(2k - 1)}(M) - f^{(2k - 1)}(N)) + (-1)^{p+1}\int_N^M f^{(p)}(x) \frac{B_p(x-\lfloor x\rfloor)}{p!}\,\mathrm{d}x.
\end{align}</math>
\end{align}</math>
Hierbei ist <math>f</math> eine auf dem Intervall <math>(N,M)</math> mindestens <math>p</math>-mal [[Differenzierbarkeit|differenzierbare]] Funktion und <math> p \geq 1 </math> eine natürliche Zahl. Es bezeichnen zudem <math>B_k</math> die [[Bernoulli-Zahl]]en, <math>B_\nu(x)</math> die [[Bernoulli-Polynome]] und <math>\lfloor x\rfloor</math> den ganzzahligen Anteil von <math>x</math>.<ref>H. M. Edwards: ''Riemann’s Zeta Function.'' New York 1974, S.&nbsp;104.</ref>
Hierbei ist <math>f</math> eine auf dem Intervall <math>(N,M)</math> mindestens <math>p</math>-mal [[Differenzierbarkeit|differenzierbare]] Funktion und <math> p \geq 1 </math> eine natürliche Zahl. Es bezeichnen zudem <math>B_k</math> die [[Bernoulli-Zahl]]en, <math>B_\nu(x)</math> die [[Bernoulli-Polynome]] und <math>\lfloor x\rfloor</math> den ganzzahligen Anteil von <math>x</math>.<ref>H. M. Edwards: ''Riemann’s Zeta Function.'' New York 1974, S.&nbsp;104.</ref> Die ersten Formen haben die Gestalt:
<math display=block>\begin{align}
\sum_{n=N}^M f(n) - \int_N^M f(x)\,\mathrm{d}x &= \frac{f(M) + f(N)}{2} + \int_N^M f'(x)\left( x-\lfloor x\rfloor - \frac12\right)\,\mathrm{d}x \\
&=\frac{f(M) + f(N)}{2} + \frac{1}{6}\frac{f'(M) - f'(N)}{2!} - \int_N^M f''(x)\frac{P_2(x)}{2!}\,\mathrm{d}x \\
&=\frac{f(M) + f(N)}{2} + \frac{1}{6}\frac{f'(M) - f'(N)}{2!} + \int_N^M f'''(x)\frac{P_3(x)}{3!}\,\mathrm{d}x \\
&=\frac{f(M) + f(N)}{2} + \frac{1}{6}\frac{f'(M) - f'(N)}{2!} - \frac{1}{30}\frac{f'''(M) - f'''(N)}{4!}-\int_N^M f^{(4)}(x) \frac{P_4(x)}{4!}\, \mathrm{d}x \\
&=\frac{f(M) + f(N)}{2} + \frac{1}{6}\frac{f'(M) - f'(N)}{2!} - \frac{1}{30}\frac{f'''(M) - f'''(N)}{4!} + \int_N^M f^{(5)}(x)\frac{P_5(x)}{5!}\,\mathrm{d}x \\
&=\frac{f(M) + f(N)}{2} + \frac{1}{6}\frac{f'(M) - f'(N)}{2!} - \frac{1}{30}\frac{f'''(M) - f'''(N)}{4!} + \frac{1}{42}\frac{f^{(5)}(M) - f^{(5)}(N)}{6!} - \int_N^M f^{(6)}(x)\frac{P_6(x)}{6!}\,\mathrm{d}x \\
&=\frac{f(M) + f(N)}{2} + \frac{1}{6}\frac{f'(M) - f'(N)}{2!} - \frac{1}{30}\frac{f'''(M) - f'''(N)}{4!} + \frac{1}{42}\frac{f^{(5)}(M) - f^{(5)}(N)}{6!} + \int_N^M f^{(7)}(x)\frac{P_7(x)}{7!}\,\mathrm{d}x,
\end{align}</math>
wobei abkürzend <math>P_\nu(x) := B_\nu(x-\lfloor x\rfloor)</math>.

Eine Anwendung dieser Summenformel ist die effiziente Berechnung der Partialsummen konvergenter oder auch divergenter Reihen. Ein Beispiel ist die harmonische Reihe:
:<math> \sum_{m=1}^n \frac{1}{m} = \log(n) + \gamma + \frac{1}{2n} - \frac{1}{12n^2} + \frac{\vartheta_n}{60n^4}</math>
mit der [[Euler-Mascheroni-Konstante]]n <math>\gamma</math> und einer beschränkten Folge <math>\vartheta_n \in [0,1]</math>.<ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' Providence (RI) 2015, S.&nbsp;5.</ref> Zum Beispiel ist
:<math>H_{1000} = 1 + \frac12 + \frac13 + \cdots + \frac{1}{1000} = 7{,}4854708605503449126 \ldots,\quad</math> und <math>\quad \log(1000) + \gamma + \frac{1}{2000} - \frac{1}{12000000} = 7{,}4854708605503\color{red}{365793} \ldots.</math>


=== Abel-Plana-Summenformel ===
=== Abel-Plana-Summenformel ===
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:<math> \sum_{k=m}^n f(k) = \int_{m}^n f(x) \mathrm{d}x + \frac{f(m) + f(n)}{2} - i \int_0^\infty \frac{f(n+iu) - f(n-iu) - f(m+iu) + f(m - iu)}{e^{2\pi u} - 1} \mathrm{d}u.</math>
:<math> \sum_{k=m}^n f(k) = \int_{m}^n f(x) \mathrm{d}x + \frac{f(m) + f(n)}{2} - i \int_0^\infty \frac{f(n+iu) - f(n-iu) - f(m+iu) + f(m - iu)}{e^{2\pi u} - 1} \mathrm{d}u.</math>


=== Die Poissonsche Summationsformel ===
=== Asymptotik von Reihen mit holomorphen Gliedern ===


==== Klassisch ====
In manchen Anwendungen ist es vonnöten, Reihen der Gestalt <math>\textstyle g(z) = \sum_{n = 1}^\infty f(nz)</math> für <math>z \to 0^+</math> (in einem Winkelbereich) zu verstehen. Erfüllt <math>f</math> gewisse Eigenschaften, darunter Holomorphie, kann dies bewerkstelligt werden. Im Folgenden sei stets <math>D_{\theta} := \{ re^{i\alpha} \colon r \geq 0, |\alpha| \leq \theta \}</math> mit einem <math>0 \leq \theta < \tfrac{\pi}{2}</math>.


Gelten für <math>f \colon \R \to \C</math> geeignete Wachstumsbedingungen, ist es zum Beispiel eine [[Schwartz-Funktion]], so gilt ferner die [[Poissonsche Summenformel]]:
Es sei nun <math>f \colon \C \to \C</math> eine Funktion, die in einer Umgebung von <math>D_\theta</math> holomorph ist, insbesondere im Ursprung. Ferner gebe es für jedes <math>k \in \N_0</math> ein <math>\varepsilon > 0</math>, so dass <math>f(w) = O(w^{-1-\varepsilon}),</math> wenn <math>|w| \to \infty</math> in <math>D_\theta</math>. Dann gilt für alle <math>a \in \R</math> und <math>N \in \N_0</math>:
:<math> \sum_{m=0}^\infty f(w(m+a)) = \frac{1}{w} \int_0^\infty f(x) \mathrm{d}x - \sum_{n=0}^{N-1} \frac{B_{n+1}(a)f^{(n)}(0)}{(n+1)!}w^n + O_N(w^{N})</math>
:<math> \sum_{n=-\infty}^\infty f(n) = \sum_{n=-\infty}^\infty \hat{f}(n).</math>
Diese ermöglicht es, eine Reihe über Funktionswerte an ganzen Stellen in jene bezüglich der [[Fourier-Transformation|Fourier-Transformierten]]
gleichmäßig, sofern <math>w \to 0</math> in <math>D_\theta</math>.<ref>[[Kathrin Bringmann]], Chris Jennings-Shaffer, [[Karl Mahlburg]]: [https://link.springer.com/article/10.1007/s11139-020-00377-5 ''On a Tauberian theorem of Ingham and Euler–Maclaurin summation.''] In: ''The Ramanujan Journal.'' {{DOI|10.1007/s11139-020-00377-5}}, 2021, S. 4–5.</ref> Dabei bezeichnen <math>B_n(x)</math> die [[Bernoulli-Polynom]]e und <math>O_N</math> das [[Landau-Symbol]] (die Konstante hängt nur von der Wahl von <math>N</math> ab). Die Aussage lässt sich sogar auf den Fall verallgemeinern, dass <math>f</math> einen einfachen Pol im Ursprung mit Residuum <math>b_{-1}</math> hat. Gelten sonst alle Voraussetzungen wie oben, so gilt in dieser Situation für <math> a \in \R \setminus (-\N_0)</math>
:<math> \hat{f}(x) := \int_{-\infty}^\infty f(y) e^{-2\pi i x y} \mathrm{d}y</math>
:<math> \sum_{m=0}^\infty f(w(m+a)) = \frac{b_{-1}\operatorname{Log}(\frac{1}{w})}{w} + \frac{b_{-1}(1-a)}{w} \sum_{m=0}^\infty \frac{1}{(m+a)(m+1)} + \frac{1}{w} \int_0^\infty \left( f(x) - \frac{b_{-1}e^{-x}}{x}\right) \mathrm{d}x - \sum_{n=0}^{N-1} \frac{B_{n+1}(a)f^{(n)}(0)}{(n+1)!}w^n + O_N(w^{N})</math>
umzuwandeln, und umgekehrt.<ref>E. Stein, R. Shakarchi: ''Complex analysis.'' Princeton (NJ) 2003, S.&nbsp;154.</ref> Benutzt wird diese Summenformel unter anderem beim Nachweis der Transformationsformel für die [[Jacobische Thetafunktion|Jacobische Theta-Reihe]].
gleichmäßig, sofern <math>w \to 0</math> in <math>D_\theta</math>.<ref>[[Kathrin Bringmann]], Chris Jennings-Shaffer, [[Karl Mahlburg]]: [https://link.springer.com/article/10.1007/s11139-020-00377-5 ''On a Tauberian theorem of Ingham and Euler–Maclaurin summation.''] In: ''The Ramanujan Journal.'' 2021, S. 5.</ref>

Verwandt dazu ist der folgende Satz. Ist <math>\alpha, \beta > 0</math> mit <math>\alpha \beta = \pi</math>, und <math>\varphi \colon [0,\infty) \to \C</math> eine stetige Funktion mit endlicher [[Variation (Mathematik)|Variation]] auf <math>(0,\infty)</math>, die über <math>(0,\infty)</math> integrierbar ist, so gilt für<ref>Bruce C. Berndt: ''Ramanujan’s Notebooks Part II.'' New York 1989, S.&nbsp;235.</ref>
:<math> \psi(r) := \int_0^\infty \varphi(x)\cos(rx)\mathrm{d}x</math>
bereits
:<math> \alpha \left( \frac{\varphi(0)}{2} + \sum_{k=1}^\infty \varphi(\alpha k)\right) = \psi(0) + 2\sum_{k=1}^\infty \psi(\beta k).</math>

==== Verallgemeinerungen ====

Die Poisson’sche Summationsformel kann sehr weitreichend verallgemeinert werden. Zu Grunde liegen Folgen <math>a_n</math>, die besondere Eigenschaften mitbringen müssen:

# Die zugehörige Dirichlet-Reihe <math>L(a;s) := \sum_{n = 1}^\infty a_n n^{-s}</math> konvergiert für alle <math>s</math> mit <math>\mathrm{Re}(s) > 1</math>, besitzt eine holomorphe Fortsetzung nach <math>\C \setminus \{1\}</math> und hat einen Pol der Ordnung <math>r \geq 0</math> in <math>s=1</math>.
# Die Komplettierung <math>\Lambda(a;s) := \gamma(s)L(a;s)</math> erfüllt eine Funktionalgleichung <math>\Lambda(a;s) = w \Lambda(a^*;1-s)</math>, wobei <math>a^*_n</math> eine andere – zu <math>a_n</math> „duale“ – Folge ist und <math>w</math> eine komplexe Zahl mit <math>|w|=1</math>. Es ist zudem <math>\gamma(s) := A^s \prod_{j=1}^g \Gamma(b_js + c_j)</math> für positive <math>A, b_j</math> (mit der [[Gammafunktion]] <math>\Gamma(s)</math>) ein sog. „Gammafaktor“, und für <math>a^*_n</math> wird all dies analog definiert (mit Gammafaktor <math>\gamma^*(s)</math> etc.).

Gelten dann alle Notationen wie oben, und setzt man für <math>0 < c < 1</math>
:<math> K(x) := \frac{1}{2\pi i} \int_{c - i\infty}^{c + i\infty} \frac{\gamma(s)}{\gamma(1-s)} x^{-s} \mathrm{d}x</math> und <math>g(x) := \int_0^\infty f(t)K(xt)\mathrm{d}t,</math>
so gilt
:<math> \sum_{n=0}^\infty a_n f(n) = \mathrm{res}_{s=1} \left( L(a;s) \int_0^\infty f(t)t^{s-1} \mathrm{d}t\right) + w \sum_{n=1}^\infty a^*_n g(n),</math>
vorausgesetzt, alle Ausdrücke konvergieren. Es bezeichnet <math>\mathrm{res}_{s=1}</math> dabei das [[Residuum (Funktionentheorie)|Residuum]] an der Stelle <math>s=1</math>.

Beispiele für diesen Formalismus sind:

Ist <math>a_n = 1</math>, so gilt <math>L(a;s) = \zeta(s)</math> mit der [[Riemannsche Zeta-Funktion|Riemannschen Zeta-Funktion]]. Setzt man <math>\gamma(s) := \pi^{-\frac{s}{2}}\Gamma(s)</math>, ist diese wegen ihrer Funktionalgleichung selbst-dual. Es gilt ferner
:<math> \int_0^\infty \cos(2\pi x)x^{s-1} \mathrm{d}x = (2\pi)^{-s} \cos\left( \frac{\pi s}{2} \right) \Gamma(s),</math>
aber gleichzeitig auch
:<math> \frac{\gamma(s)}{\gamma(1-s)} = 2(2\pi)^{-s} \cos\left( \frac{\pi s}{2} \right) \Gamma(s)</math>
mit dem Eulerschen Ergänzungssatz sowie der Duplikationsformel für die Gammafunktion. Damit ergibt sich <math>K(x) = 2\cos(2\pi x)</math> und für gerade Funktionen <math>f</math>
:<math> \sum_{n = 1}^\infty f(n) + \frac{f(0)}{2} = \int_0^\infty f(x)\mathrm{d}x + 2 \sum_{n = 1}^\infty \int_0^\infty f(t) \cos(2\pi nt) \mathrm{d}t,</math>
was eine Variante der Poisson’schen Summationsformel ist.<ref>Henri Cohen: ''Number Theory, Volume II. Analytic and Modern Tools.'' Springer Verlag, S.&nbsp;177.</ref>

=== Van der Corputsche Summenformel ===

Sei <math>\eta > 0</math> vorgegeben. Dann gibt es eine Konstante <math>C(\eta) > 0</math> mit folgender Eigenschaft: Für <math>b > a</math> seien <math>f \colon [a,b] \to \R</math> und <math>g \colon [a,b] \to [0,\infty)</math> stetig differenzierbare Funktionen. Es seien <math>f'</math>, <math>g</math> und <math>|g'|</math> monoton fallend. Dann gilt<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;117.</ref>
:<math>\sum_{a < n \leq b} g(n)e^{2\pi i f(n)} = \sum_{f'(b) - \eta < h < f'(a) + \eta} \int_a^b g(\xi) e^{2\pi i (f(\xi) - h\xi)}\mathrm{d}\xi + R,</math>
mit der Restgliedabschätzung
:<math>|R| \leq C(\eta) (|g'(a)| + g(a)\log(|f'(a)| + |f'(b)| + 2)).</math>

=== Perronsche Formel ===
{{Hauptartikel|Perronsche Formel}}

Die ''Perronsche Formel'' behandelt Folgen <math>a_n</math>, die höchstens polynomiell anwachsen. Sie stellt eine Verbindung der Partialsummen <math>\textstyle \sum_{n \leq x} a_n</math> zu der Dirichlet-erzeugenden Funktion <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n n^{-s}</math> über Kurvenintegrale her.

Es sei <math>\textstyle F(s) := \sum_{n=1}^\infty a_n n^{-s}</math> eine [[Dirichlet-Reihe]], die irgendwo konvergiert, <math>\sigma_c</math> ihre [[Dirichletreihe#Konvergente Dirichletreihen|Konvergenzabszisse]]. Für jedes <math>x \in \mathbb{R} \setminus \N</math> definiert man die summatorische Funktion
:<math> A^*(x) = \sum_{n < x} a_n + \frac{1}{2}a_x</math>
wobei <math>a_x</math> für alle nicht-natürlichen <math>x</math> einfach 0 ist. Dann gilt für <math> \kappa > \max(0, \sigma_c)</math> die Formel
:<math> A^*(x) = \frac{1}{2\pi i} \int_{\kappa - i\infty}^{\kappa + i\infty} F(s) x^s \frac{\mathrm{d}s}{s},</math>
wobei das Integral im Falle von <math>x \in \mathbb{R}_{>0} \setminus \N</math> bedingt konvergiert und für <math>x \in \N</math> im Sinne des [[Cauchyscher Hauptwert|Cauchyschen Hauptwertes]] existiert.<ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;27.</ref>


=== Integraltransformationen ===
=== Mellintransformation ===
{{Hauptartikel|Mellintransformation}}


[[Srinivasa Ramanujan]], der für seine starke analytische Intuition bekannt ist, machte laut [[Godfrey Harold Hardy]] „intensiven Gebrauch“ von der Formel<ref>H. M. Edwards: ''Riemann’s Zeta Function.'' New York 1974, S.&nbsp;218.</ref>
[[Srinivasa Ramanujan]], der für seine starke analytische Intuition bekannt ist, machte laut [[Godfrey Harold Hardy]] „intensiven Gebrauch“ von der Formel<ref>H. M. Edwards: ''Riemann’s Zeta Function.'' New York 1974, S.&nbsp;218.</ref>
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Dann gilt für <math>0 < \sigma < \delta</math>
Dann gilt für <math>0 < \sigma < \delta</math>
:<math>\int_0^\infty \Phi(x)x^{s-1}\mathrm{d}x = \frac{\pi}{\sin(\pi s)} \phi(-s).</math>
:<math>\int_0^\infty \Phi(x)x^{s-1}\mathrm{d}x = \frac{\pi}{\sin(\pi s)} \phi(-s).</math>
Allgemeiner ist die [[Mellintransformation]] in der Lage, [[Potenzreihe]]n in [[Dirichletreihe]]n überzuführen.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 418–429.</ref>
Allgemeiner ist die Mellintransformation in der Lage, [[Potenzreihe]]n in [[Dirichletreihe]]n überzuführen.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;418–429.</ref>

=== Möbiussche Umkehrformel ===
{{Hauptartikel|Möbius-Inversion}}

Sind <math>F</math> und <math>G</math> reell- oder komplexwertige Funktionen auf <math>[1,\infty)</math>, und ist
:<math>G(x) = \sum_{1 \leq n \leq x} F\left( \frac{x}{n}\right)\quad</math> (für alle <math>x \geq 1</math>),
so lässt sich <math>F</math> aus <math>G</math> „rekonstruieren“ durch<ref>Olivier Ramaré: ''Excursions in Multiplicative Number Theory.'' Birkhäuser, Switzerland 2022, S.&nbsp;60.</ref>
:<math>F(x) = \sum_{1 \leq n \leq x} \mu(n)G\left(\frac{x}{n}\right)\quad</math> (für alle <math>x \geq 1</math>).
Dabei bezeichnet <math>\mu</math> die [[Möbiusfunktion]] aus der Zahlentheorie. Die Summationsschranken können unter der Fortsetzung von <math>F</math> und <math>G</math> auf <math>[0,\infty)</math> via <math>F(x) = G(x) = 0</math> für alle <math>0 \leq x < 1</math> weggelassen werden. In diesem Fall folgt aus <math>G(x) = \textstyle \sum_{n=1}^\infty F(\tfrac{x}{n})</math> stets <math>F(x) = \textstyle \sum_{n=1}^\infty \mu(n)G(\tfrac{x}{n})</math>.

Eine Variante dieser Umkehrformel betrifft Dirichletreihen. Es gilt
:<math>g(x) = \sum_{m=1}^\infty \frac{f(mx)}{m^s}\quad</math> (für alle <math>x \geq 1</math>) <math>\quad \iff \quad f(x) = \sum_{m=1}^\infty \mu(m)\frac{g(mx)}{m^s}\quad</math> (für alle <math>x \geq 1</math>)
für alle <math>s \in \C</math>, sodass beide Reihen für alle <math>x \in [1,\infty)</math> absolut konvergieren.

=== Reihentransformationen ===

Es zeigte [[Sarvadaman Chowla]] eine Identität zwischen Reihen periodischer Funktionen. Ist <math>c_n = O(n^\phi)</math> eine Folge mit <math>\phi < \tfrac13</math>, so gilt für fast alle reellen <math>\theta</math> (also alle bis auf [[Nullmenge]])
:<math> \sum_{n=1}^\infty \frac{c_n}{n} \{ n \theta\} = - \frac{1}{\pi} \sum_{n=1}^\infty \frac{G_n}{n} \sin(2\pi n \theta),</math>
wobei <math>\textstyle G_n = \sum_{d|n} c_d</math> mit <math>\{ \theta\} = \theta - \lfloor \theta \rfloor - \tfrac12</math>.<ref>S. Chowla: ''On some infinite series involving arithmetical functions.'' Proc. Indian Acad. Sci. 5, 511–513 (1937). https://doi.org/10.1007/BF03050153.</ref> Es bedeutet <math>\lfloor \rfloor</math> die [[Gaußklammer]]. Ein Spezialfall dieser Identität ist, mit <math>c_1 = 1</math> und <math>c_n = 0</math> für alle <math>n > 1</math>,
:<math> \{ \theta \} = - \frac{1}{\pi} \sum_{n=1}^\infty \frac{\sin(2\pi i n \theta)}{n}, \quad (\theta \notin \Z).</math>

In manchen Fällen kann Konvergenz beschleunigt werden. Dazu kann die Reihe in eine andere transformiert werden. Ein Beispiel ist die [[Eulersche Reihentransformation]]. Ist
:<math> \sum_{k=0}^\infty (-1)^k a_k</math>
eine ''beliebige konvergente'' Reihe, so ist stets<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;253.</ref>
:<math>\sum_{k=0}^\infty (-1)^k a_k = \sum_{n=0}^\infty \frac{1}{2^{n+1}} \sum_{k=0}^n (-1)^k {n \choose k} a_{k}.</math>
Eine Anwendung ist<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;255.</ref>
:<math> \frac{\pi}{4} = 1 - \frac13 + \frac15 - \frac17 + \cdots = \frac12 \left( 1 + \frac13 + \frac{1\cdot 2}{3 \cdot 5} + \frac{1 \cdot 2 \cdot 3}{3 \cdot 5 \cdot 7} + \cdots \right).</math>

== Asymptotische Analysis und Taubersätze ==

=== Asymptotik von Reihen mit holomorphen Gliedern ===

In manchen Anwendungen ist es vonnöten, Reihen der Gestalt <math>\textstyle g(z) = \sum_{n = 1}^\infty f(nz)</math> für <math>z \to 0^+</math> (in einem Winkelbereich) zu verstehen. Erfüllt <math>f</math> gewisse Eigenschaften, darunter Holomorphie, kann dies bewerkstelligt werden. Im Folgenden sei stets <math>D_{\theta} := \{ re^{i\alpha} \colon r \geq 0, |\alpha| \leq \theta \}</math> mit einem <math>0 \leq \theta < \tfrac{\pi}{2}</math>.

Es sei nun <math>f \colon \C \to \C</math> eine Funktion, die in einer Umgebung von <math>D_\theta</math> holomorph ist, insbesondere im Ursprung. Ferner gebe es für jedes <math>k \in \N_0</math> ein <math>\varepsilon > 0</math>, sodass <math>f(w) = O(w^{-1-\varepsilon}),</math> wenn <math>|w| \to \infty</math> in <math>D_\theta</math>. Dann gilt für alle <math>a \in \R</math> und <math>N \in \N_0</math>:
:<math> \sum_{m=0}^\infty f(w(m+a)) = \frac{1}{w} \int_0^\infty f(x) \mathrm{d}x - \sum_{n=0}^{N-1} \frac{B_{n+1}(a)f^{(n)}(0)}{(n+1)!}w^n + O_N(w^{N})</math>
gleichmäßig, sofern <math>w \to 0</math> in <math>D_\theta</math>.<ref>[[Kathrin Bringmann]], Chris Jennings-Shaffer, [[Karl Mahlburg]]: ''On a Tauberian theorem of Ingham and Euler–Maclaurin summation.'' In: ''The Ramanujan Journal.'' [[doi:10.1007/s11139-020-00377-5]], 2021, S.&nbsp;4–5.</ref> Dabei bezeichnen <math>B_n(x)</math> die [[Bernoulli-Polynom]]e und <math>O_N</math> das [[Landau-Symbol]] (die Konstante hängt nur von der Wahl von <math>N</math> ab). Die Aussage lässt sich sogar auf den Fall verallgemeinern, dass <math>f</math> einen einfachen Pol im Ursprung mit Residuum <math>b_{-1}</math> hat. Gelten sonst alle Voraussetzungen wie oben, so gilt in dieser Situation für <math> a \in \R \setminus (-\N_0)</math>
:<math> \sum_{m=0}^\infty f(w(m+a)) = \frac{b_{-1}\operatorname{Log}(\frac{1}{w})}{w} + \frac{b_{-1}(1-a)}{w} \sum_{m=0}^\infty \frac{1}{(m+a)(m+1)} + \frac{1}{w} \int_0^\infty \left( f(x) - \frac{b_{-1}e^{-x}}{x}\right) \mathrm{d}x - \sum_{n=0}^{N-1} \frac{B_{n+1}(a)f^{(n)}(0)}{(n+1)!}w^n + O_N(w^{N})</math>
gleichmäßig, sofern <math>w \to 0</math> in <math>D_\theta</math>.<ref>Kathrin Bringmann, Chris Jennings-Shaffer, [[Karl Mahlburg]]: ''On a Tauberian theorem of Ingham and Euler–Maclaurin summation.'' In: ''The Ramanujan Journal.'' [[doi:10.1007/s11139-020-00377-5]], 2021, S.&nbsp;5.</ref>

=== Taubersatz von Wiener-Ikahara ===
{{Hauptartikel|Satz von Wiener-Ikehara}}

Der Satz von Wiener-Ikahara trifft manchmal Aussagen über Summen <math>\textstyle \sum_{n \leq x} a_n</math>, wenn die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_nn^{-s}</math> gewisse Eigenschaften hat. Im Jahre 1954 konnte Delange den Satz von Wiener-Ikehara deutlich verallgemeinern, nämlich auf Singularitäten gemischten Typs.<ref>Gérald Tenenbaum: ''Introduction to analytic and probabilistic number theory'', AMS, 1990, S.&nbsp;350</ref> Es sei <math>\textstyle F(s) = \sum_{n=1}^\infty a_nn^{-s}</math> eine Dirichlet-Reihe mit nicht-negativen Koeffizienten, die auf einer Halbebene <math> \mathrm{Re}(s) > \sigma > 0 </math> konvergiert. Man nehme an, <math> F </math> lasse sich mit Ausnahme des Punktes <math> s = \sigma </math> holomorph auf die gesamte Gerade <math> \mathrm{Re}(s) = \sigma </math> fortsetzen und dass es sich in einer kleinen Umgebung um <math> s=\sigma </math> in der Form
:<math> F(s) = \frac{1}{(s-\sigma)^{w+1}} \sum_{j=0}^q g_j(s)\left\{ \log\left( \frac{1}{s-\sigma} \right) \right\}^j + g(s)</math>
schreiben lässt, wobei <math> w </math> eine reelle Zahl und die Funktionen <math> g_j </math> und <math> g </math> holomorph sind mit <math> g_q(\sigma) \not= 0</math>.
Dann gilt: Ist <math> w </math> keine negative ganze Zahl, so folgt
:<math> \sum_{n \leq x} a_n \sim \frac{g_q(\sigma)}{\sigma \Gamma(w+1)} x^\sigma (\log(x))^w (\log(\log(x)))^q, </math>
und ist es eine negative ganze Zahl <math> w = -m - 1 </math> und <math> q \geq 1 </math>:
:<math> \sum_{n \leq x} a_n \sim (-1)^m m! \frac{q g_q(\sigma)}{\sigma} \frac{x^\sigma (\log(\log(x)))^{q-1}}{(\log(x))^{m+1}}.</math>
Dabei bedeutet das Symbol <math>\sim</math>, dass beide Seiten für wachsende Werte <math>x</math> asymptotisch gleich schnell anwachsen, ihr [[Quotient]] also für <math>x \to \infty</math> gegen 1 strebt.


== Weitere Anwendungen ==
== Weitere Anwendungen ==
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definiert. Allerdings ist der Konvergenzbegriff für unendliche Produkte subtiler; es ist <math>0</math> als Grenzwert nur zugelassen, falls ab einem gewissen <math>M</math> die Partialprodukte <math>\textstyle \prod_{n=M}^N a_n</math> für <math>N \to \infty</math> gegen einen Grenzwert <math>\not= 0</math> konvergieren. Durch Logarithmusbildung bzw. Exponenzierung besteht ein Zusammenhang zwischen unendlichen Produkten und Reihen. So ist ein unendliches Produkt
definiert. Allerdings ist der Konvergenzbegriff für unendliche Produkte subtiler; es ist <math>0</math> als Grenzwert nur zugelassen, falls ab einem gewissen <math>M</math> die Partialprodukte <math>\textstyle \prod_{n=M}^N a_n</math> für <math>N \to \infty</math> gegen einen Grenzwert <math>\not= 0</math> konvergieren. Durch Logarithmusbildung bzw. Exponenzierung besteht ein Zusammenhang zwischen unendlichen Produkten und Reihen. So ist ein unendliches Produkt
:<math>\prod_{n=1}^\infty (1 + a_n)</math>
:<math>\prod_{n=1}^\infty (1 + a_n)</math>
genau dann absolut konvergent, falls die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> absolut konvergiert.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4. Auflage, Berlin 2006, S. 199–200.</ref>
genau dann absolut konvergent (bzw. unbedingt konvergent, der Grenzwert hängt also nicht von der Reihenfolge der Faktoren ab), falls die Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> absolut konvergiert.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;234.</ref><ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' 4.&nbsp;Auflage, Berlin 2006, S.&nbsp;199–200.</ref> <math>\textstyle \prod_{n=1}^\infty (1 + a_n)</math> konvergiert, falls <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty (a_n - \tfrac12 a_n^2)</math> und <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty |a_n|^3</math> konvergieren. Andererseits kann besagtes Produkt unter Umständen bedingt konvergieren, selbst wenn <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n</math> und <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty a_n^2</math> ''beide'' divergieren.<ref>Konrad Knopp: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Berlin u.&nbsp;a. 1996, S.&nbsp;237.</ref>


=== Wahrscheinlichkeitstheorie ===
=== Wahrscheinlichkeitstheorie ===


In der [[Wahrscheinlichkeitstheorie]] sind unendliche Reihen unter anderem im Kontext mit [[Stochastischer Prozess|stochastischen Prozessen]] von Bedeutung. Ein Resultat in dieser Richtung ist etwa der [[Dreireihensatz|kolmogoroffsche Dreireihensatz]].<ref>Achim Klenke: ''Wahrscheinlichkeitstheorie'' (= ''Springer-Lehrbuch Masterclass.''). 3. überarbeitete und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Berlin/ Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36018-3, S. 332.</ref> Das asymptotische Verhalten der Partialsummen der unendlichen Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty X_n</math> mit gewissen identisch [[Wahrscheinlichkeitsverteilung|verteilten]] [[Zufallsvariable]]n <math>X_n</math> ist Gegenstand des [[Gesetz der großen Zahlen|Gesetzes der großen Zahlen]]<ref>Achim Klenke: ''Wahrscheinlichkeitstheorie.'' 3. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2013, S. 111 ff.</ref> und des [[Zentraler Grenzwertsatz|zentralen Grenzwertsatzes]].<ref>Achim Klenke: ''Wahrscheinlichkeitstheorie.'' 3. Auflage. Berlin/ Heidelberg 2013, S. 326.</ref> In Kontexten der probabilistischen Zahlentheorie untersuchte unter anderem [[Emmanuel Kowalski]] Zufallsreihen.<ref>Emmanuel Kowalski: ''An Introduction to Probabilistic Number Theory.'' In: ''Cambridge studies in advanced mathematics.'' Band 192, S. 47 ff.</ref>
In der [[Wahrscheinlichkeitstheorie]] sind unendliche Reihen unter anderem im Kontext mit [[Stochastischer Prozess|stochastischen Prozessen]] von Bedeutung. Ein Resultat in dieser Richtung ist etwa der [[Dreireihensatz|kolmogoroffsche Dreireihensatz]].<ref>Achim Klenke: ''Wahrscheinlichkeitstheorie'' (= ''Springer-Lehrbuch Masterclass.''). 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36018-3, S.&nbsp;332.</ref> Das asymptotische Verhalten der Partialsummen der unendlichen Reihe <math>\textstyle \sum_{n=1}^\infty X_n</math> mit gewissen identisch [[Wahrscheinlichkeitsverteilung|verteilten]] [[Zufallsvariable]]n <math>X_n</math> ist Gegenstand des [[Gesetz der großen Zahlen|Gesetzes der großen Zahlen]]<ref>Achim Klenke: ''Wahrscheinlichkeitstheorie.'' 3.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2013, S.&nbsp;111&nbsp;ff.</ref> und des [[Zentraler Grenzwertsatz|zentralen Grenzwertsatzes]].<ref>Achim Klenke: ''Wahrscheinlichkeitstheorie.'' 3.&nbsp;Auflage. Berlin/Heidelberg 2013, S.&nbsp;326.</ref> Allerdings tauchen sie bereits bei der [[Wahrscheinlichkeitstheorie#Axiomatischer Aufbau|Axiomatisierung der Wahrscheinlichkeitstheorie]] durch [[Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow|Kolmogoroff]] auf: Darin wird verlangt, dass ein [[Wahrscheinlichkeitsmaß]] <math>P</math> für eine [[Abzählbarkeit|abzählbare]] Folge von disjunkten Ereignissen <math>(A_n)_{n \in \N} \subseteq \Omega</math> eines [[Wahrscheinlichkeitsraum]]s <math>\Omega</math> stets
:<math>P\left( \bigcup_{n=1}^\infty A_n \right) = \sum_{n=1}^\infty P(A_n)</math>
erfüllen muss. Die Reihe zur Rechten ist dabei stets absolut konvergent mit einem Grenzwert in <math>[0,1]</math>, da das Maß nicht-negativ und monoton ist und zudem <math>P(\Omega) = 1</math> verlangt wird.<ref>Achim Klenke: ''Wahrscheinlichkeitstheorie.'' 3.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2013, S.&nbsp;12.</ref> Eine Verallgemeinerung auf Ebene endlicher Vereinigungen ist die Inklusions-/Exklusionsformel, die für beliebige Ereignisse <math>A_1, \ldots, A_n</math> gilt:<ref>Herold Dehling, Beate Haupt: ''Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik.'' 2. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2004, ISBN 3-540-20380-X, S. 13.</ref>
:<math> P(A_1 \cup A_2 \cup \ldots \cup A_n) = \sum_{k=1}^n (-1)^{k-1} \sum_{1 \leq j_1 < \ldots < j_k \leq n} P(A_{j_1} \cap \ldots \cap A_{j_k}).</math>

In Kontexten der probabilistischen Zahlentheorie untersuchte unter anderem [[Emmanuel Kowalski]] Zufallsreihen.<ref>Emmanuel Kowalski: ''An Introduction to Probabilistic Number Theory.'' In: ''Cambridge studies in advanced mathematics.'' Band 192, S.&nbsp;47&nbsp;ff.</ref>


=== Finanzmathematik ===
=== Finanzmathematik ===


[[Annuitätendarlehen]] sind das gängigste Modell zur Finanzierung privater [[Immobilie]]n. Zwischen Kreditgeber und -nehmer werden ein [[Zinssatz]], eine monatlich zu zahlende Rate und eine Laufzeit vereinbart. Am Ende der Laufzeit bleibt eine Restschuld, für die dann ein neuer Kreditvertrag abgeschlossen wird, wobei die Zinsrate an die aktuelle [[Geldmarkt]]situation angepasst wird. Um das [[Risiko]] zu kennen, ist es ergo für jeden Hausbauer wichtig, die Restschuld zu bestimmen.<ref name="AHHK290">T. Arens, Fr. Hettich, Ch. Karpfinger, U. Kockelhorn, K. Lichtenegger, H. Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Berlin/ Heidelberg 2022, S. 290.</ref>
[[Annuitätendarlehen]] sind das gängigste Modell zur Finanzierung privater [[Immobilie]]n. Zwischen Kreditgeber und -nehmer werden ein [[Zinssatz]], eine monatlich zu zahlende Rate und eine Laufzeit vereinbart. Am Ende der Laufzeit bleibt eine Restschuld, für die dann ein neuer Kreditvertrag abgeschlossen wird, wobei die Zinsrate an die aktuelle [[Geldmarkt]]situation angepasst wird. Um das [[Risiko]] zu kennen, ist es ergo für jeden Hausbauer wichtig, die Restschuld zu bestimmen.<ref name="AHHK290">Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S.&nbsp;290.</ref>


Es bezeichnen <math>K</math> die Kreditsumme, <math>R</math> die monatliche Rate und <math>p</math> die jährliche Zinsrate. Die nach <math>n</math> Monaten noch verbleibende Restschuld sei <math>a_n</math>. Die im <math>n</math>-ten Monat zu entrichtenden Zinsen werden im Bankwesen zu <math>\left( \tfrac{p}{12}\right)a_{n-1}</math> bestimmt. Die <math>a_n</math> folgen mit <math>a_0 := K</math> der Rekursion
Es bezeichnen <math>K</math> die Kreditsumme, <math>R</math> die monatliche Rate und <math>p</math> die jährliche Zinsrate. Die nach <math>n</math> Monaten noch verbleibende Restschuld sei <math>a_n</math>. Die im <math>n</math>-ten Monat zu entrichtenden Zinsen werden im Bankwesen zu <math>\left( \tfrac{p}{12}\right)a_{n-1}</math> bestimmt. Die <math>a_n</math> folgen mit <math>a_0 := K</math> der Rekursion
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Reihen haben auch bedeutende Anwendung in der [[Analytische Zahlentheorie|analytischen Zahlentheorie]]. So kann es in vielen Fällen helfen, einer zu untersuchenden [[Zahlentheoretische Funktion|zahlentheoretischen Funktion]] <math>a_n</math> die erzeugenden Funktionen
Reihen haben auch bedeutende Anwendung in der [[Analytische Zahlentheorie|analytischen Zahlentheorie]]. So kann es in vielen Fällen helfen, einer zu untersuchenden [[Zahlentheoretische Funktion|zahlentheoretischen Funktion]] <math>a_n</math> die erzeugenden Funktionen
:<math>F(z) := \sum_{n=0}^\infty a_n z^n \quad</math> oder <math>\quad f(s) := \sum_{n=1}^\infty \frac{a_n}{n^s}</math>
:<math>F(z) := \sum_{n=0}^\infty a_n z^n \quad</math> oder <math>\quad f(s) := \sum_{n=1}^\infty \frac{a_n}{n^s}</math>
zuzuordnen. Mit Hilfe von [[Tauber-Theorem|Tauber-Sätzen]],<ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' 3. Edition, Providence (RI) 2015, S. 317–348.</ref> [[Integraltransformation]]en (wie der [[Perronsche Formel|Perronschen Formel]])<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' Providence, (RI) 2014, S. 157–162.</ref> oder der [[Kreismethode]]<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' Providence, (RI) 2014, S. 111–150.</ref> können dann gegebenenfalls detaillierte Aussagen über das langfristige Verhalten der <math>a_n</math> getroffen werden. Handelt es sich bei <math>F(z)</math> sogar (im Wesentlichen) um eine [[Modulfunktion]], kann in bestimmten Fällen eine exakte Formel in Form einer unendlichen Reihe für die <math>a_n</math> hergeleitet werden. Dies ist etwa bei der [[Partitionsfunktion]] der Fall.<ref>George Andrews: ''The Theory of Partitions.'' Cambridge 1984, S. 71 ff.</ref>
zuzuordnen. Mit Hilfe von [[Tauber-Theorem|Tauber-Sätzen]],<ref>G. Tenenbaum: ''Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory.'' 3.&nbsp;Edition, Providence (RI) 2015, S.&nbsp;317–348.</ref> [[Integraltransformation]]en (wie der [[Perronsche Formel|Perronschen Formel]])<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' Providence (RI) 2014, S.&nbsp;157–162.</ref> oder der [[Kreismethode]]<ref>Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' Providence (RI) 2014, S.&nbsp;111–150.</ref> können dann gegebenenfalls detaillierte Aussagen über das langfristige Verhalten der <math>a_n</math> getroffen werden. Handelt es sich bei <math>F(z)</math> sogar (im Wesentlichen) um eine [[Modulform]], kann in bestimmten Fällen eine exakte Formel in Form einer unendlichen Reihe für die <math>a_n</math> hergeleitet werden. Dies ist etwa bei der [[Partitionsfunktion]] der Fall:<ref>George Andrews: ''The Theory of Partitions.'' Cambridge 1984, S.&nbsp;71&nbsp;ff.</ref>
:<math>p(n) = \frac{2\pi}{(24n-1)^{\frac34}} \sum_{k=1}^\infty \frac{A_k(n)}{k} I_{\frac{3}{2}}\left(\frac{\pi \sqrt{24n-1}}{6k}\right),</math>
wobei <math>I_{\frac32}</math> die [[Bessel-Funktion]] und <math>A_k</math> eine sog. [[Kloosterman-Summe]] bezeichnet.


Auch bei ''Dichteresultaten'', etwa im Umfeld der [[Duffin-Schaeffer-Vermutung]] oder des [[Satz von Green-Tao|Satzes von Green-Tao]], spielen unendliche Reihen eine zentrale Rolle. Die Duffin-Schaeffer-Vermutung besagt, dass für jede Funktion <math>f \colon \N \to (0,\infty)</math> die Ungleichung
Auch bei ''Dichteresultaten'', etwa im Umfeld der [[Duffin-Schaeffer-Vermutung]] oder des [[Satz von Green-Tao|Satzes von Green-Tao]], spielen unendliche Reihen eine zentrale Rolle. Die Duffin-Schaeffer-Vermutung besagt, dass für jede Funktion <math>f \colon \N \to (0,\infty)</math> die Ungleichung
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für ''fast alle'' <math>\alpha \in [0,1]</math> (im Sinne des [[Lebesgue-Maß]]es) für unendlich viele ''teilerfremde'' <math>q > p > 0</math> lösbar ist, genau dann, wenn<ref>Kevin Broughan: ''Equivalents of the Riemann Hypothesis. Volume One: Arithmetic Equivalents.'' In: ''Encyclopedia of Mathematics and Its Applications.'' Band 164, S.&nbsp;143.</ref>
für ''fast alle'' <math>\alpha \in [0,1]</math> (im Sinne des [[Lebesgue-Maß]]es) für unendlich viele ''teilerfremde'' <math>q > p > 0</math> lösbar ist, genau dann, wenn<ref>Kevin Broughan: ''Equivalents of the Riemann Hypothesis. Volume One: Arithmetic Equivalents.'' In: ''Encyclopedia of Mathematics and Its Applications.'' Band 164, S.&nbsp;143.</ref>
:<math> \sum_{q=1}^\infty \frac{\varphi(q)f(q)}{q} = \infty.</math>
:<math> \sum_{q=1}^\infty \frac{\varphi(q)f(q)}{q} = \infty.</math>
Dabei ist <math>\varphi(q)</math> die [[Eulersche Phi-Funktion]]. Gilt hingegen <math> \textstyle \sum_{q=1}^\infty \frac{\varphi(q)f(q)}{q} < \infty</math>, so ist die entsprechende Ungleichung fast sicher nicht unendlich oft erfüllt.<ref>Dimitris Koukoulopoulos, [[James Maynard]]: ''On the Dufin-Shaeffer conjecture.'' In: ''Annals of Mathematics.'' Band 192, 2020, S. 251–307.</ref> Aus probabilistischer Sicht handelt es sich um ein [[Null-Eins-Gesetz]]. Während diese letzte Richtung über Argumente des [[Borel-Cantelli-Lemma]]s recht schnell ersichtlich sind, galt die andere Richtung, also aus der Reihendivergenz die fast sichere unendlich frequentierte Lösbarkeit zu folgern, lange als extrem schwieriges zahlentheoretisches Problem. Ein vollständiger Beweis der Vermutung konnte erst 2019 durch Dimitris Koukoulopoulos und [[James Maynard]] erbracht werden. Eine Abschwächung der Vermutung war bereits als [[Satz von Chintschin]] bekannt, wobei die Beweise hier vergleichsweise elementar sind.<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2. Edition, New York 1997, S. 216–217.</ref> Darüber hinaus „messen“ Reihen in gewisser Weise „ab“, wie dicht gewisse arithmetische Objekte, etwa Primzahlen, in anderen Objekten verteilt sind. Verwandt zum Satz von Green-Tao, der besagt, dass die Folge der Primzahlen beliebig lange arithmetische Progressionen enthält, ist eine Vermutung von [[Paul Erdős]]. Sie sagt aus, dass eine Folge <math>a_1 < a_2 < a_3 < \cdots </math> natürlicher Zahlen mit der Eigenschaft
Dabei ist <math>\varphi(q)</math> die [[Eulersche Phi-Funktion]]. Gilt hingegen <math> \textstyle \sum_{q=1}^\infty \frac{\varphi(q)f(q)}{q} < \infty</math>, so ist die entsprechende Ungleichung fast sicher nicht unendlich oft erfüllt.<ref>Dimitris Koukoulopoulos, [[James Maynard]]: ''On the Dufin-Shaeffer conjecture.'' In: ''Annals of Mathematics.'' Band 192, 2020, S.&nbsp;251–307.</ref> Aus probabilistischer Sicht handelt es sich um ein [[Null-Eins-Gesetz]]. Während diese letzte Richtung über Argumente des [[Borel-Cantelli-Lemma]]s recht schnell ersichtlich ist, galt die andere Richtung, also aus der Reihendivergenz die fast sichere unendlich frequentierte Lösbarkeit zu folgern, lange als extrem schwieriges zahlentheoretisches Problem. Ein vollständiger Beweis der Vermutung konnte erst 2019 durch Dimitris Koukoulopoulos und [[James Maynard]] erbracht werden. Eine Abschwächung der Vermutung war bereits als [[Satz von Chintschin]] bekannt, wobei die Beweise hier vergleichsweise elementar sind.<ref>Serge Lang: ''Undergraduate Analysis.'' 2.&nbsp;Edition, New York 1997, S.&nbsp;216–217.</ref> Darüber hinaus „messen“ Reihen in gewisser Weise „ab“, wie dicht gewisse arithmetische Objekte, etwa Primzahlen, in anderen Objekten verteilt sind. Verwandt zum Satz von Green-Tao, der besagt, dass die Folge der Primzahlen beliebig lange arithmetische Progressionen enthält, ist eine Vermutung von [[Paul Erdős]]. Sie sagt aus, dass eine Folge <math>a_1 < a_2 < a_3 < \cdots </math> natürlicher Zahlen mit der Eigenschaft
:<math> \sum_{j=1}^\infty \frac{1}{a_j} = \infty</math>
:<math> \sum_{j=1}^\infty \frac{1}{a_j} = \infty</math>
bereits beliebig lange arithmetische Progressionen enthalten muss. Diese weit offene Vermutung würde zusammen mit dem Satz von Euler, <math>\textstyle \sum_{p \, \text{Primzahl}} \frac{1}{p} = \infty</math>, den Satz von Green-Tao implizieren.<ref>[[Ben Green]], [[Terence Tao]]: ''The primes contain arbitrarily long arithmetic progressions.'' In: ''Annals of Mathematics.'' Band 167. Jahrgang, Nr. 2, 2008, S. 481–547.</ref>
bereits beliebig lange arithmetische Progressionen enthalten muss. Diese weit offene Vermutung würde zusammen mit dem Satz von Euler, <math>\textstyle \sum_{p \, \text{Primzahl}} \frac{1}{p} = \infty</math>, den Satz von Green-Tao implizieren.<ref>[[Ben Green]], [[Terence Tao]]: ''The primes contain arbitrarily long arithmetic progressions.'' In: ''Annals of Mathematics.'' Band 167. Jahrgang, Nr.&nbsp;2, 2008, S.&nbsp;481–547.</ref>


Bereits der im 19. Jahrhundert bewiesene [[Satz von Dirichlet (Primzahlen)|Dirichletsche Primzahlsatz]] kann über die Divergenz bestimmter unendlicher Reihen formuliert werden. Dirichlet konnte nachweisen, dass für teilerfremde <math>a \in \Z</math> und <math>N \in \N</math><ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 1995, S. 36.</ref>
Bereits der im 19. Jahrhundert bewiesene [[Satz von Dirichlet (Primzahlen)|Dirichletsche Primzahlsatz]] kann über die Divergenz bestimmter unendlicher Reihen formuliert werden. Dirichlet konnte nachweisen, dass für teilerfremde <math>a \in \Z</math> und <math>N \in \N</math><ref>Jörg Brüdern: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1995, S.&nbsp;36.</ref>
:<math> \sum_{p \ \text{Primzahl} \atop p \equiv a \pmod{N}} \frac{1}{p} = \infty,</math>
:<math> \sum_{p \ \text{Primzahl} \atop p \equiv a \pmod{N}} \frac{1}{p} = \infty,</math>
und verifizierte sogar das noch stärkere Resultat
und verifizierte sogar das noch stärkere Resultat
:<math> \lim_{x \to 1^+} \frac{\sum\limits_{p \ \text{Primzahl} \atop p \equiv l_1 \pmod{N}} \frac{1}{p^x}}{\sum\limits_{p \ \text{Primzahl} \atop p \equiv l_2 \pmod{N}} \frac{1}{p^x}} = 1</math>
:<math> \lim_{x \to 1^+} \frac{\sum\limits_{p \ \text{Primzahl} \atop p \equiv l_1 \pmod{N}} \frac{1}{p^x}}{\sum\limits_{p \ \text{Primzahl} \atop p \equiv l_2 \pmod{N}} \frac{1}{p^x}} = 1</math>
für zu <math>N</math> teilerfremde <math>l_1</math> und <math>l_2</math>.<ref name="WN51">Władysław Narkiewicz: ''The Development in Prime Number Theory: from Euclid to Hardy and Littlewood'' Berlin/ Heidelberg 2000, S. 51.</ref> Trivialerweise implizieren diese Resultate die Aussage, dass es unendlich viele Primzahlen in der entsprechenden arithmetischen Progression <math>(a + kN)_{k \in \Z}</math> gibt, wobei letzteres Resultat sogar auf eine Form der „Gleichverteilung“ hinweist.
für zu <math>N</math> teilerfremde <math>l_1</math> und <math>l_2</math>.<ref name="WN51">Władysław Narkiewicz: ''The Development in Prime Number Theory. From Euclid to Hardy and Littlewood.'' Berlin/Heidelberg 2000, S.&nbsp;51.</ref> Trivialerweise implizieren diese Resultate die Aussage, dass es unendlich viele Primzahlen in der entsprechenden arithmetischen Progression <math>(a + kN)_{k \in \Z}</math> gibt, wobei letzteres Resultat sogar auf eine Form der „Gleichverteilung“ hinweist.


== Anmerkungen ==
== Anmerkungen ==

<references group="Anm." />
<references group="Anm." />


== Literatur (Auswahl) ==
== Literatur (Auswahl) ==


* Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5. Auflage, Springer Spektrum, Berlin/ Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-64388-4.
* Herbert Amann, Joachim Escher: ''Analysis III.'' Zweite Auflage, Birkhäuser, Basel 2008, ISBN 978-3-7643-8883-6.
* Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: ''Mathematik.'' 5.&nbsp;Auflage, Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-64388-4.
* Edwin F. Beckenbach, Richard Bellmann: ''Inequalities.'' Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete, Band 30, Second Revised Printing, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1965.
* Ludmila Bourchtein, Andrei Bourchtein: ''Theory of Infinite Sequences and Series.'' Birkhäuser, Cham 2022, ISBN 978-3-030-79430-9.
* Ludmila Bourchtein, Andrei Bourchtein: ''Theory of Infinite Sequences and Series.'' Birkhäuser, Cham 2022, ISBN 978-3-030-79430-9.
* [[Jörg Brüdern]]: ''Einführung in die analytische Zahlentheorie.'' Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 1995, ISBN 3-540-58821-3.
* Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s'' (= ''Sources and Studies in the History of Mathematics and Physical Sciences.''). Springer, New York (NY) 2008, ISBN 978-0-387-73467-5.
* Giovanni Ferraro: ''The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s'' (= ''Sources and Studies in the History of Mathematics and Physical Sciences.''). Springer, New York (NY) 2008, ISBN 978-0-387-73467-5.
* [[Eberhard Freitag]], Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' Springer-Verlag, 1993/ 4., korrigierte und erweiterte Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2006, ISBN 3-540-31764-3.
* [[Eberhard Freitag]], Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1.'' Springer-Verlag, 1993/ 4., korrigierte und erweiterte Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2006, ISBN 3-540-31764-3.
* Izrail Solomonovic Gradshteyn, Iosif Mojseevic Ryzhik: ''Table of Integrals, Series and Products.'' Herausgegeben von Alan Jeffrey und Daniel Zwillinger. 7.&nbsp;Ausgabe. Elsevier Academic Press, Amsterdam u.&nbsp;a. 2007, ISBN 978-0-12-373637-6.
* Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1'' (= ''Springer-Lehrbuch.''). 5., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2002, ISBN 3-540-41855-5.
* [[Konrad Knopp]]: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen''. 6. Auflage, Springer-Verlag, Berlin u. a. 1996, ISBN 3-540-59111-7 (''Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen'' 2).
* [[Konrad Knopp]]: ''Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen.'' 6.&nbsp;Auflage, Springer-Verlag, Berlin u.&nbsp;a. 1996, ISBN 3-540-59111-7 (''Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen'' 2).
* Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments'' (= ''Grundlehren der mathematischen Wissenschaften.''). Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg/ New York 2004, ISBN 3-540-21058-X.
* Jacob Korevaar: ''Tauberian Theory. A century of developments'' (= ''Grundlehren der mathematischen Wissenschaften.''). Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 2004, ISBN 3-540-21058-X.
* D. Mitrinovic: ''Analytic inequalities.'' Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften Band 165, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1970, ISBN 978-3-642-99972-7.
* Izrail Solomonovic Gradshteyn, Iosif Mojseevic Ryzhik: ''Table of Integrals, Series and Products''. Herausgegeben von Alan Jeffrey und Daniel Zwillinger. 7. Ausgabe. Elsevier Academic Press, Amsterdam u. a. 2007, ISBN 978-0-12-373637-6.
* [[Thomas Sonar]]: ''3000 Jahre Analysis. Geschichte Kulturen – Menschen''. 2. Auflage. Springer, Berlin 2016, ISBN 978-3-662-48917-8.
* Anil Nerode, Noam Greenberg: ''Algebraic Curves and Riemann Surfaces for Undergraduates.'' Springer-Verlag, Switzerland 2022, ISBN 978-3-031-11615-5.
* Marius Overholt: ''A Course in Analytic Number Theory.'' (= Graduate Studies in Mathematics. Band 160). American Mathematical Society, Providence (R.I.) 2014, ISBN 978-1-4704-1706-2.
* Reinhold Remmert, Georg Schumacher: ''Funktionentheorie 1'' (= ''Springer-Lehrbuch.''). 5., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2002, ISBN 3-540-41855-5.
* [[Thomas Sonar]]: ''3000 Jahre Analysis. Geschichte – Kulturen – Menschen.'' 2.&nbsp;Auflage. Springer, Berlin 2016, ISBN 978-3-662-48917-8.
* [[Terence Tao]]: ''Analysis I'' (= ''Text and Readings in Mathematics.''). Third Edition, Hindustan Book Agency, New Delhi 2006, ISBN 81-85931-62-3.
* [[Terence Tao]]: ''Analysis I'' (= ''Text and Readings in Mathematics.''). Third Edition, Hindustan Book Agency, New Delhi 2006, ISBN 81-85931-62-3.
* Terence Tao: ''Analysis II'' (= ''Texts and readings in mathematics.'') Hindustan Book Agency, New Delhi 2006, ISBN 81-85931-62-3.
* Terence Tao: ''Analysis II'' (= ''Texts and readings in mathematics.''). Hindustan Book Agency, New Delhi 2006, ISBN 81-85931-62-3.
* K. Zeller, W. Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren'' (= ''Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete.'' Band 15). Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg/ New York 1970.
* K. Zeller, W. Beekmann: ''Theorie der Limitierungsverfahren'' (= ''Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete.'' Band 15). Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1970.
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
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<references />
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[[Kategorie:Folgen und Reihen|!Reihe]]
[[Kategorie:Folgen und Reihen|!Reihe]]

Aktuelle Version vom 22. Mai 2024, 21:05 Uhr

Animation der Konvergenz der Reihe gegen 1. Mit jedem neuen Summanden wird der „Abstand“ zum Grenzwert halbiert.

Eine Reihe, selten Summenfolge oder unendliche Summe und vor allem in älteren Darstellungen auch unendliche Reihe genannt, ist ein Objekt aus dem mathematischen Teilgebiet der Analysis. Anschaulich ist eine Reihe eine Summe mit unendlich vielen Summanden, wie etwa

Man kann Reihen als rein formale Objekte studieren, jedoch sind Mathematiker in vielen Fällen an der Frage interessiert, ob eine Reihe konvergiert, ob also die Summe endlich vieler Summanden durch Hinzunahme hinreichend vieler weiterer Summanden einem festen Wert beliebig nahe kommt. So konvergiert etwa die obige Beispielreihe gegen den Wert (siehe Bild), allerdings existieren auch divergente (also nicht konvergente) Reihen, wie zum Beispiel

Allgemein wird eine Reihe mit bezeichnet, und dies ist, falls existent, gleichzeitig die Bezeichnung für den Grenzwert.

Präzise wird eine Reihe als eine Folge definiert, deren Glieder die Partialsummen einer anderen Folge sind. Wenn man die Zahl 0 zur Indexmenge zählt, ist die -te Partialsumme die Summe der ersten (von den unendlich vielen) Summanden. Falls die Folge dieser Partialsummen einen Grenzwert besitzt, so wird dieser der Wert oder die Summe der Reihe genannt.

Eine systematische Theorie der Reihen findet ihren Ursprung im 17. Jahrhundert, wo sie besonders durch Gottfried Wilhelm Leibniz und Isaac Newton vorangetrieben wurde. Dabei stand sie in enger Verbindung zu anschaulichen Problemen aus der Geometrie, wie der Integration von Kurven. Als formale Objekte wurden Reihen im 18. Jahrhundert von Mathematikern wie Leonhard Euler studiert, der ihnen drei Bände seines Gesamtwerkes, der Opera Omnia, widmete. Erst im 19. Jahrhundert stieß dieser Umgang, der Fragen nach Konvergenz oder Divergenz außen vor ließ, auf Kritik. In einer wegweisenden Schrift aus dem Jahr 1821 schuf Augustin-Louis Cauchy die Grundlagen der bis heute gebräuchlichen „quantitativen“ Theorie unendlicher Reihen und bereitete der mathematisch strengen Aufarbeitung der Analysis, etwa durch Karl Weierstraß, den Weg. Von zentraler Bedeutung in diesem Zusammenhang war das Cauchy-Kriterium für die Charakterisierung des Konvergenzbegriffs. Bis in die heutige Zeit sind Reihen, etwa im Kontext der Zahlentheorie, ein Objekt intensiver mathematischer Forschung.

Für die Untersuchung einer unendlichen Reihe sind vor allen Dingen die Fragen nach ihrer Konvergenz und, wenn diese gegeben ist, nach dem Grenzwert von Bedeutung. Für beides existieren keine brauchbaren allgemeinen Methoden. Allerdings wurden Kriterien entwickelt, die in einigen Spezialfällen Antworten liefern.

Besonders bedeutende Anwendungen haben Reihen in der Analysis (zum Beispiel über Taylorreihen zu analytischen Funktionen), den Ingenieurwissenschaften (etwa in der Elektrotechnik und Signalverarbeitung über Fourierreihen), aber auch in der Wirtschaftswissenschaft und Finanzmathematik. Einige bedeutende mathematische Konstanten, etwa die Kreiszahl oder die Eulersche Zahl , konnten mit Hilfe von Algorithmen, die auf unendlichen Reihen fußen, auf viele Billionen Nachkommastellen angenähert werden.

Einführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unendliche Summierbarkeit und erste Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kreiszahl ist irrational und hat damit unendlich viele Nachkommastellen ungleich . Durch Addition der Werte und mit der -ten Nachkommastelle lässt sie sich als Reihe darstellen.

Unter einer Reihe versteht man, veranschaulicht, eine niemals endende Summe von Zahlen. Die Dezimalschreibweise einer reellen Zahl kann zum Beispiel als Reihe aufgefasst werden, etwa

oder auch mit der Kreiszahl :

.

Die durch die Punkte angedeuteten Summen enden niemals, da die Dezimalentwicklung von periodisch und die Kreiszahl irrational ist. Es gibt Reihen, denen kein Wert zugeordnet werden kann, etwa

aber auch solche, die gegen einen Grenzwert konvergieren (wie die obigen Beispiele mit Grenzwerten bzw. ).

Darüber hinaus treten Reihen in vielen Bereichen der Mathematik auf und besitzen zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Klassischerweise treten sie dann in Erscheinung, wenn mathematische Terme beliebig gut angenähert werden sollen oder die Entwicklung (theoretisch) nicht endender Prozesse analysiert wird. Auch in der Physik spielen Reihen eine wichtige Rolle. Eine einfache „Anwendung“ kann über das klassische Paradoxon von Achilles und der Schildkröte gegeben werden:[1]

Graphische Veranschaulichung des Paradoxons (hinsichtlich des Beispiels nicht maßstabsgetreu)

Der für seine Schnelligkeit bekannte Heros Achilles liefert sich einen Wettkampf mit einer Schildkröte. Beide starten von der gleichen Position aus. Jedoch gewährt Achilles, der einhundert Mal schneller als die Schildkröte ist, dieser 100 Meter Vorsprung. Das Paradoxon besagt nun, dass Achilles die Schildkröte niemals einholen wird: Hat nämlich Achilles 100 Meter zurückgelegt, so hat sich die Schildkröte in der Zwischenzeit einen Meter von ihrer bisherigen Position weiter bewegt. Und läuft Achilles nun auch diesen weiteren Meter, so ist ihm die Schildkröte einen weiteren Zentimeter voraus. Und bewegt sich Achilles diesen Zentimeter, so hat die Schildkröte einen Zehntel Millimeter Vorsprung usw.

Das scheinbare Paradoxon entsteht dadurch, dass die Zeit nicht berücksichtigt wurde.[2] Genau genommen ist die Aussage, dass Achilles die Schildkröte niemals aufholen wird, nicht korrekt. Die in dem Paradoxon aufgeführten Zwischenschritte, in denen die Schildkröte stets einen rasch abnehmenden Vorsprung vor Achilles hat, sind allesamt mit Zeitabschnitten verbunden, die jedoch ebenso rasant abnehmen (zum Beispiel dann, wenn Achilles nur noch einen Zentimeter läuft). Brauchte Achilles für die ersten 100 Meter noch „eine Zeiteinheit“, so wird er für einen Meter nur noch „ Zeiteinheiten“ brauchen.[Anm. 1] Im nächsten Schritt braucht er für einen Zentimeter nur noch „ Zeiteinheiten“. Der Zeitpunkt, an dem Achilles und Schildkröte schließlich die gleiche Position haben werden, ist also, da deren Abstände immer weiter abnehmen, gegeben durch die unendliche Reihe

Obwohl also unendlich viele Terme addiert bzw. Zeitabschnitte betrachtet wurden, entsteht im Grenzwert eine endliche Zahl bzw. wird Achilles nach endlicher Zeit, nämlich nach Zeiteinheiten, die Schildkröte einholen.

Elementare Anwendungsbeispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Konzept der Reihe spielt disziplinübergreifend eine zentrale Rolle in der Mathematik. Hauptanwendungsgebiet ist zunächst die Analysis, jedoch auch alle durch diese Sparte beeinflussten Bereiche, nicht zuletzt angewandte Gebiete wie die Ingenieurwissenschaften.

Annäherung von Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reihen entfalten ihre Nützlichkeit zum Beispiel dann, wenn es darum geht, bestimmte Funktionen annähernd auszurechnen, die für Anwendungen zwar nützlich, aber dennoch kompliziert sind. Ein besonders berühmtes und zugleich wichtiges Beispiel ist die Darstellung der natürlichen Exponentialfunktion durch ihre Taylorreihe im Punkt :

wobei die Fakultät von bezeichnet. Bemerkenswert ist, dass sich jeder Term auf der rechten Seite durch die vier Grundrechenarten berechnen lässt, was auf nicht mehr zutrifft. Die Konstruktion dieser Reihe ist dadurch motiviert, dass die (termweise) Ableitung der rechten Seite die Reihe unverändert lässt und diese in den Wert 1 annimmt (was beides auch auf zutreffen „soll“). Für kleine Werte nähert sich diese Reihe relativ schnell dem Grenzwert an und ist dort für eine Berechnung durchaus geeignet. Neben der (punktweisen) Berechnungsmöglichkeit liefert diese Reihendarstellung auch erste Analysemöglichkeiten: Da für alle Terme positiv sind, ist erkennbar, dass die Exponentialfunktion für jede Art polynomiellen Wachstums übersteigen wird, da beliebig hohe Potenzen in der Summation auftreten.

Animation der Approximation des Sinus durch seine Taylorreihe

Ein weiteres Beispiel sind die Winkelfunktionen, etwa der Sinus. Es gibt auch hier kein einfaches, „geschlossenes“ Verfahren, für Eingabewerte den Ausgabewert zu berechnen, aber mittels Reihen können gute Näherungswerte relativ schnell berechnet werden, die in der Praxis ausreichen. Es gilt die Reihenentwicklung[3]

kurz:

Etwa ist und, wegen für alle , als Näherung bis zum -Term

Wahrscheinlichkeitstheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Münzwurf mit einer Euromünze

Bei der Untersuchung bestimmter Zufallsexperimente in der Wahrscheinlichkeitstheorie spielen Reihen eine wichtige Rolle. Ein einfaches Beispiel betrifft den „potenziell unendlichen Münzwurf“: Eine faire Münze wird dabei so oft geworfen, bis sie das erste Mal „“ (= Kopf) zeigt. Mit der anderen Möglichkeit „“ (= Zahl) gibt es damit folgende Möglichkeiten, wie das Experiment endet:

usw.

Da sowohl als auch mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten, und die Würfe unabhängig ablaufen, haben die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten die Werte usw. Da aber gleichzeitig fast sicher irgendeines dieser Ereignisse eintreten muss, folgt

wobei die als die zum fast sicheren Ereignis gehörige Wahrscheinlichkeit („100 %“) zu interpretieren ist.[4] Die besondere Bedeutung der Theorie der Reihen in der Praxis wird in diesem Zusammenhang jedoch beim Übergang zu Erwartungswerten ersichtlich. Um dies zu sehen, hilft es, das obige Experiment als ein Glücksspiel zu deuten, bei dem zum Beispiel stets die Zahl an Euro ausgezahlt wird, die angibt, wie oft „Zahl“ geworfen wurde (also zum Beispiel 3 Euro bei ZZZK) – zu Beginn aber eine Gebühr von 2 Euro verlangt wird. Es muss der Gewinn stets mit der zugehörigen Wahrscheinlichkeit gewichtet werden, und somit beträgt der zu erwartende Gewinn

pro Runde.[5] Die Teilnahme an diesem Glücksspiel ist demnach nicht zu empfehlen, da der Spieler pro Runde durchschnittlich 1 Euro verlieren wird. Für die Grenzwertermittlung der Reihe, die nicht ganz einfach ist, werden Methoden aus der Analysis herangezogen.

Definition und Grundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Begriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Reihe wird selten Summenfolge[6] oder unendliche Summe[7][8] und vor allem in älteren Darstellungen auch unendliche Reihe genannt.[9]

Für reelle und komplexe Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist eine beliebige reelle (oder komplexe) Folge gegeben ( ist die Menge der nichtnegativen ganzen Zahlen und bezeichnet die „ist-Element-von“-Relation), kann man aus ihr eine neue Folge der Partialsummen bilden. Die -te Partialsumme ist die Summe der ersten Glieder von , ihre Definition lautet:

Die Folge der -ten Partialsummen heißt Reihe.

Zu bemerken ist, dass aus der Definition folgt, dass andersherum jede Zahlenfolge zu einer Reihe wird, wenn man diese als Partialsummen der Folge auffasst. Eine Reihe ist also nichts anderes als eine Folge spezieller „Bauart“, deren Glieder rekursiv durch und definiert sind. Allerdings führt die einfache rekursive Struktur der Reihen zu vergleichsweise sehr handlichen Konvergenzkriterien, siehe unten.[10]

Konvergenz und Divergenz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obwohl Reihen auch als formale Objekte studiert werden können, also „ohne Wert“, sind in der Mathematik die Fälle von besonderem Interesse, in denen sich die Reihe langfristig einem ganz bestimmten Wert annähert. Falls die Reihe , also die Folge der Partialsummen

( ist das Summenzeichen)

konvergiert, so nennt man ihren Grenzwert

den Wert der Reihe[11] oder die Summe der Reihe.[12] Dieser ist eindeutig bestimmt und wird meistens als notiert.[10][Anm. 2] Reihen, die nicht konvergieren, nennt man divergent.

Bildliche Veranschaulichung des Konvergenzprinzips. Um den Grenzwert lassen sich beliebig dünne „Schläuche“ mit Breite legen, und in jedem noch so dünnen Schlauch liegen fast alle Folgeglieder.

Anschaulich bedeutet Konvergenz, dass sich eine Folge auf Dauer einer reellen oder komplexen Zahl beliebig nah annähert. Da der Umgang mit „dem Unendlichen“ zunächst nicht sinnvoll ist, umgeht man diese Schwierigkeit, indem man den Konvergenzbegriff mit endlichen Mitteln erklärt. Die Reihe nennt man dann konvergent gegen den Grenzwert , wenn es zu jeder noch so kleinen Zahl einen Index gibt, sodass für alle noch größeren Indizes

erfüllt ist. Hat eine Reihe etwa den Grenzwert , so besagt die Wahl , dass alle bis auf endlich viele Partialsummen

zwischen und liegen. Ebenso lässt sich mit – ab einem gewissen Index liegen also alle Partialsummen zwischen und – usw. verfahren. In manchen Fällen ist dieses Kriterium für Konvergenz jedoch nicht brauchbar, da bereits ein Grenzwert bekannt sein muss, um es überhaupt anwenden zu können. Es ist im Allgemeinen jedoch überaus schwierig, den Grenzwert einer konvergenten Reihe anzugeben. Dies kann aber leicht umgangen werden, denn eine Reihe konvergiert genau dann, wenn es für jede Zahl einen Index gibt, sodass für alle größeren Indizes bereits

gilt.[13] Man bezeichnet dies als das Cauchy-Kriterium, und es kommt ohne Verwendung eines expliziten Grenzwertes aus. Allerdings eignet sich das Cauchy-Kriterium im Rahmen praktischer Konvergenztests von Reihen eher selten. Hierfür sind speziellere, aber dafür leichter handzuhabende Kriterien entwickelt worden, die jedoch nicht allgemeingültig sind (siehe unten). Häufigere Anwendung findet das Cauchy-Kriterium aber innerhalb mathematischer Beweise, etwa wenn aus der Konvergenz einer Reihe eine Schlussfolgerung gezogen werden soll. Ein erstes Beispiel ist die Aussage, dass aus der Konvergenz einer Reihe bereits für folgt, also dass die Folge der Summanden eine Nullfolge bildet. In der Tat, ist beliebig gewählt, folgt mit dem Cauchy-Kriterium, angewandt auf den „Ein-Summand“-Spezialfall schon

für alle .

Damit muss gegen 0 konvergieren. Zu beachten ist, dass die Rückrichtung dieser Aussage nicht richtig ist, da die Betrachtung einzelner Summanden im Allgemeinen keine wirkungsvollen Rückschlüsse auf ganze Summen zulässt. Dies ist einer der Gründe schlechthin, weshalb die Theorie der unendlichen Reihen so schwierig ist.

In manchen Fällen müssen auch Reihen der Form untersucht werden. Diese heißen konvergent genau dann, wenn die beiden Reihen

konvergieren.[14]

Hinsichtlich divergenter Reihen ist zu beachten, dass das Phänomen der Divergenz keinesfalls mit der Unbeschränktheit der Partialsummen gleichzusetzen ist. So existieren divergente Reihen, deren Partialsummen beschränkt sind, zum Beispiel

Das Themenfeld der Reihenkonvergenz ist bis heute ein schwieriges Gebiet, und es gibt kein allgemeingültiges und zugleich brauchbares Kriterium, um schnell zu entscheiden, ob eine vorgelegte Reihe konvergiert oder divergiert. Ein Grund hierfür ist, dass es keinen „klaren Übergang“ zwischen Konvergenz und Divergenz gibt. So existiert etwa keine „am langsamsten konvergierende Reihe“, und ebenso keine „am langsamsten divergierende Reihe“.[15] Ist etwa mit einer Nullfolge konvergent, so auch , und letztere Reihe konvergiert langsamer als die vorherige. Darüber hinaus zeigte Alfred Pringsheim, dass die Glieder einer konvergenten Reihe keinesfalls mit einer „Mindestgeschwindigkeit“ gegen streben müssen. Es kann sogar jede konvergente Reihe für einen Beweis dieser Behauptung herangezogen werden.[16]

Bedingte und absolute Konvergenz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konvergenzschema einer alternierenden Reihe, also mit wechselnden Vorzeichen gekoppelt mit monoton gegen Null fallenden Summanden

Es gibt unterschiedliche Arten der Konvergenz. Dies betrifft nicht die Konvergenzdefinition, die stets dieselbe ist, sondern die „Güte“ der Konvergenz. So kann man zwei Typen konvergenter Reihen angeben: jene, die gewissermaßen „stabil“ konvergieren, und solche, bei denen größere Vorsicht zum Nachweis einer Konvergenz geboten ist, etwa bei der Umordnung von Summanden innerhalb der Reihe.

Eine Reihe heißt absolut konvergent, wenn auch die zugehörige Reihe der Absolutbeträge konvergiert. Darin ist die Betragsfunktion.

Durch das Summieren der Beträge werden alle möglichen Vorzeichen bzw. Ausrichtungen der quasi „ignoriert“, was den Nachweis einer Konvergenz erschwert, da dann kein „Wegkürzen“ mehr möglich ist. Etwa ist die alternierende Reihe

konvergent, nicht aber die harmonische Reihe

Es ist ein erstes Beispiel einer bedingt konvergenten Reihe, also einer, die nicht absolut konvergiert.[17] Zudem zeigt das Beispiel der harmonischen Reihe, dass die Eigenschaft der Glieder, eine Nullfolge zu sein, nicht ausreicht, um Konvergenz zu erreichen. Es lässt sich das Nullfolgenkriterium also nicht umkehren.

Aus mathematischer Sicht ist absolute Konvergenz ein Vorteil, da diese das Rechnen mit Reihen vereinfacht. Hintergrund dessen ist, dass sich bei absolut konvergenten Reihen kanonisch die Dreiecksungleichung verwenden lässt, was in vielen Fällen verhältnismäßig einfache Schlussfolgerungen ermöglicht. Etwa ist es im Falle bedingter Konvergenz nicht ohne Weiteres erlaubt, die Reihenfolge der Summanden zu ändern, ohne dabei möglicherweise den Grenzwert zu verändern. Damit entfällt bei bedingt konvergenten Reihen das noch für endliche Summen gültige Kommutativgesetz. Im Gegensatz dazu ist es bei absolut konvergenten Reihen unerheblich, in welcher Reihenfolge summiert wird, da der Grenzwert stets derselbe bleibt.[18] Dies kann wie folgt gesehen werden:[19] Ist absolut konvergent und eine Bijektion, so findet man zu ein mit

für alle .

Ist nun groß genug, beinhaltet die Menge . Dann gilt für alle mit der Dreiecksungleichung

Mit folgt insgesamt, wieder mit der Dreiecksungleichung,

für alle

Zusätzlich besagt der Riemannsche Umordnungssatz, dass bei einer bedingt konvergenten Reihe mit reellen Gliedern durch Umordnungen jede reelle Zahl als Grenzwert und auch die Divergenz der neu entstehenden Reihe erzwungen werden kann.

Die absolute Konvergenz kann auch auf Multireihen ausgedehnt werden.[20] Konvergiert für jedes , und konvergiert , dann konvergieren die Reihen

  • für jedes ,
  • für jedes ,

und es gilt

.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfänge im 17. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kurve hat dieselbe Länge wie das entsprechende gerade Segment.

Reihen wurden in der Mathematik hauptsächlich eingeführt, um geometrische Probleme zu lösen. Ihre zunächst eher sporadische Verwendung gewann um 1650 an Bedeutung und war zum Beispiel entscheidend für die Entstehung der Infinitesimalrechnung. Besonders zu Zeiten von Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz wurden viele Ergebnisse erzielt, und ein großer Teil des frühen Wissens um die Reihen geht auf sie zurück.[21]

Obwohl Reihen schon früher gelegentlich vorkamen, wurden sie in der Mathematik erst ab dem 17. Jahrhundert wirklich bedeutsam. Ihre Verwendung erfolgte vor allem im Zusammenhang mit dem Problem der Quadratur und der Abmessung von Kurven durch Einteilung in lineare Segmente (siehe auch Rektifizierbarkeit). Im 17. Jahrhundert versuchten die Mathematiker, neue Methoden für die Quadratur gekrümmter Linien zu finden, die die Schwierigkeiten der sogenannten Exhaustionsmethode vermeiden.[22]

Der Geistliche und Mathematiker Pietro Mengoli veröffentlichte 1650 in seinem Werk Novae quadraturae arithmeticae, seu de additione fractionum Resultate bezüglich unendlicher Reihen und baute seine Argumente auf zwei Axiome auf.[23] Unter anderem fand er die Grenzwerte:[24]

Ferner fragte er nach dem Grenzwert der Reihe

blieb bei dessen Suche aber erfolglos. Dieses Problem wurde später von Jakob Bernoulli aufgegriffen, und schließlich als Basler Problem bekannt. Erst Leonhard Euler fand den korrekten Grenzwert mit der Kreiszahl im Jahr 1735 und veröffentlichte ihn in seinem Werk De Summis Serierum Reciprocarum.[25]

Isaac Newton im Jahr 1689

Im Jahr 1666 verfasste Newton eine Schrift De Analysi per Aequationes Numero Terminorum Infinitas, die zwar erst 1711 publiziert wurde, aber zuvor in Manuskriptform Wellen schlug. In dieser entwickelte er das heute als Newtonverfahren bekannte Prinzip, Nullstellen einer Funktion numerisch anzunähern. Er betrachtete den Spezialfall analytischer Funktionen, und es gibt nirgends einen Hinweis darauf, dass er das Verfahren auf geometrische Weise erhalten hat. Er wandte diese Technik auf die Umkehrung von Reihen an und gewann unter anderem dadurch die Reihenentwicklungen für Sinus und Kosinus.[26] Inspiriert durch das von John Wallis verfasste Werk Arithmetica infinitorum entdeckte er zudem die allgemeine Binomialreihe, in heutiger Notation

die sich zur numerischen Annäherung von Wurzeln eignet. Dies geht aus einem Brief von Newton an Leibniz aus dem Jahre 1676 hervor.[27] Newton hat für sein Theorem jedoch nie einen Beweis geliefert, denn für ihn gab es genug numerische und experimentelle Evidenz.[28]

Fast zur gleichen Zeit, ab 1672, befasste sich Gottfried Wilhelm Leibniz mit der Theorie der unendlichen Reihen. Diese spielte eine wichtige Rolle bei seinen späteren Beiträgen zum Aufbau der Infinitesimalrechnung.[29] Leibniz untersuchte Reihen oft mit einer geometrischen Fragestellung oder Anschauung; Beispiele hierfür sind seine Behandlung der geometrischen Reihe[30] und der berühmten Leibniz-Reihe

die er über die Geometrie des Kreises erklärte.[31]

18. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brook Taylor

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die hauptsächlich von den gegenseitigen Widersachern Newton und Leibniz initiierte Theorie der unendlichen Reihen systematisch ausgebaut. Einen ersten Höhepunkt erlebte sie durch das Werk Methodus incrementorum von Brook Taylor, das 1715 veröffentlicht wurde. Darin entwickelte Taylor die heute nach ihm benannte Taylorreihe

systematisch, also die Möglichkeit, eine hinreichend gutartige Funktion anhand all ihrer Ableitungen in einem Punkt in Umgebung dieses Punktes zu rekonstruieren. Dabei bezeichnet die -te Ableitung der Funktion im Punkt und die Fakultät von . Dieser Ansatz war bereits Newton bekannt gewesen, jedoch hatte er diesbezüglich nur kurze Ausführungen geliefert und es bleibt unklar, ob er die Wichtigkeit der Potenzreihen richtig einschätzte.[32] Diese wurde in den folgenden Jahren jedoch zunehmend erfasst. Abraham de Moivre bewies einen Satz über Potenzreihen zu rekursiven Folgen und erkannte, wie andere Mathematiker dieser Zeit, dass diese eng mit sogenannten charakteristischen Polynomen der entsprechenden Rekursion zusammenhingen. Etwa gab Daniel Bernoulli 1728 mit deren Hilfe eine geschlossene Formel für die sonst nur über eine Rekursion definierte Fibonacci-Folge an.[33]

James Stirling argumentierte in seiner 1730 publizierten Methodus differentialis, dass langsam konvergente Reihen „ebenso unnütz“ wie divergente Reihen seien, und stellte Verfahren vor, um die Konvergenz gewisser Reihen zu beschleunigen.[34] Diese sollten auch dazu dienen, die Werte gewisser endlicher Summen schnell ausrechnen oder zumindest approximieren zu können. Unter seinen Entdeckungen fand sich auch die nach ihm benannte Stirlingformel, welche die Fakultät einer natürlichen Zahl über einen asymptotischen Reihenausdruck sehr schnell für große annähert.[35] Die 1742 von Colin Maclaurin veröffentlichte und zeitgleich auch von Leonhard Euler entdeckte und genutzte Euler-Maclaurin-Formel, die die Arbeiten von Newton zur geometry of fluxions aufgriff,[36] ging in eine ähnliche Richtung.[37] Mit ihrer Hilfe konnte Maclaurin neue Beweise zu Aussagen von Newton und Stirling über Taylorreihen anfertigen und die Reihenkonvergenz durch seinen neuartigen Zugang in einigen Fällen beschleunigen.[38]

Leonhard Euler

Besonders wichtige Beiträge zur Theorie der Reihen lieferte jedoch Leonhard Euler. Sie galten als eines seiner Lieblingsthemenfelder, und alleine drei Bände seiner Opera Omnia sind ihnen gewidmet.[39] Zahlreiche bedeutende Entdeckungen Eulers fußen letztlich auf seiner Intuition. Darunter fallen seine Verallgemeinerung der Fakultät über die Gammafunktion,[40] die Lösung des Basler Problems und zahlreiche weitere gefundene Grenzwerte bestimmter Reihen, wie etwa[41]

(die Nenner sind „perfekte Quadrate minus 1, die selbst auch andere Potenzen sind“, etwa usw.)[42]

sowie seine Entdeckung der Euler-Maclaurin-Formel im Jahr 1732 (Beweis 1736).[43] Euler zog praktischen Nutzen aus dieser Formel, um unendliche Reihen, die langsam konvergieren, schnell numerisch anzunähern. So gab er gute Näherungen für die Werte und , wobei die Riemannsche Zeta-Funktion bezeichnet, und fand auf 20 Stellen genau:

Erwiesenermaßen etablierte Eulers ursprüngliche Methode der Berechnung von für höhere Werte von die numerische Mathematik als ein neues Forschungsgebiet.[44] Neuartig war auch sein Zugang zur Zahlentheorie über unendliche Reihen. Mit dem sog. Satz von Euler zeigte er, dass

gilt und deutete sein Resultat dahingehend, dass Primzahlen dichter in den natürlichen Zahlen liegen müssten als Quadratzahlen. Es war zudem Euler, der als erster divergente Reihen systematisch untersuchte.[45] Dabei entging Euler jedoch keinesfalls die Problematik, welche die Zuweisung eines Summenwertes zu einer divergenten Reihe mit sich bringen konnte. So hatte schon Guido Grandi aus

die Gleichheit abgeleitet, und damit die Möglichkeit der Erschaffung der Welt aus dem Nichts „bewiesen“. Später bemerkte man weitere Widersprüche, die durch das unbedarfte Rechnen mit divergenten Reihen entstehen können.[46] Obwohl Euler für seinen Umgang mit divergenten Reihen kritisiert wurde, wird sein intuitiver Zugang bis heute anerkannt. So konnte er einige korrekte Resultate mit dessen Hilfe entdecken, und seine Intuition nahm Ideen aus der Theorie der Limitierungsverfahren, die den Umgang mit divergenten Reihen ab dem 19. Jahrhundert systematisch formalisierte, vorweg.[47]

Nach 1760 entwickelte sich die Theorie der unendlichen Reihen schließlich maßgeblich in die Richtung, die Euler vorgegeben hatte. Der formale Zugang (es wurden etwa Fragen der Konvergenz oft ignoriert, und Terme wurden abstrakt umgeformt) bereitete vielen bemerkenswerten Resultaten den Boden, etwa der Lagrangeschen Inversionsformel, 1768 gezeigt von Joseph-Louis Lagrange in seiner Nouvelle méthode pour résoudre les équations littérales par le moyen des séries,[48] und der Theorie erzeugender Funktionen von Pierre-Simon Laplace.[49] Im Jahr 1797 konnte Lagrange schließlich die Theorie der analytischen Funktionen konstruieren mit dem Ziel, die Differentialrechnung rein durch formale Betrachtungen aufzubauen.[50]

19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Augustin-Louis Cauchy

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stieß die formale Herangehensweise an die Theorie der unendlichen Reihen, also etwa jenseits von Fragen der Konvergenz, zunehmend auf Ablehnung. Ziel war es, zu einem „quantitativen Verständnis“ von Reihen zu gelangen. Die erste Arbeit in diese Richtung stammt von Carl Friedrich Gauß aus dem Jahr 1813. Zuvor hatte Joseph Fourier bereits Reihen trigonometrischer Funktionen untersucht, dabei aber einen anderen Ansatz gewählt als vorher Euler und Lagrange. Schließlich gab Augustin-Louis Cauchy die erste systematische Abhandlung eines rein quantitativen Zugangs zur Theorie der Reihen im Jahr 1821. Ein wesentlicher Grund, weshalb die formale Herangehensweise nicht mehr breite Akzeptanz fand, war, dass sie an einen Punkt gelangt war, an der die Analysis nicht weiter wachsen konnte.[51] Cauchy erklärte dazu:

„Was die Methoden anbelangt, so habe ich mich bemüht, ihnen die ganze Strenge zu geben, die man in der Geometrie braucht, um niemals auf die Argumente zurückgreifen zu müssen, die aus der Allgemeinheit der Algebra stammen. Derartige Begründungen, die zwar allgemein anerkannt sind, insbesondere beim Übergang von konvergenten zu divergenten Reihen und von reellen Größen zu imaginären Ausdrücken, können, wie mir scheint, nur manchmal als Induktionen betrachtet werden, die geeignet sind, die Wahrheit darzustellen, die aber wenig geeignet sind, die in den mathematischen Wissenschaften so gepriesene Exaktheit zu erreichen. Gleichzeitig muss man feststellen, dass sie dazu neigen, den algebraischen Formeln eine unbestimmte Ausdehnung zuzuschreiben, während in Wirklichkeit der größte Teil dieser Formeln nur unter bestimmten Bedingungen und für bestimmte Werte der in ihnen enthaltenen Mengen existiert. Indem ich diese Bedingungen und Werte bestimme und den Sinn der von mir verwendeten Bezeichnungen genau festlege, lasse ich jede Ungewissheit verschwinden; und dann handelt es sich bei den verschiedenen Formeln um nichts anderes als um Beziehungen zwischen reellen Größen, Beziehungen, die immer leicht zu überprüfen sind, wenn man die Größen selbst durch Zahlen ersetzt. Um diesen Prinzipien treu zu bleiben, war ich zugegebenermaßen gezwungen, mehrere Vorschläge zu akzeptieren, die auf den ersten Blick etwas hart erscheinen. Zum Beispiel: Eine divergente Reihe hat keine Summe.“

Augustin-Louis Cauchy[52]

Im weiteren Verlauf verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt entsprechend auf den „quantitativen Umgang“ mit Reihen, der sich in vielerlei Hinsicht als schwieriger und gleichzeitig fruchtbarer erwies. So kam die Frage nach Kriterien auf, wie man entscheiden könnte, ob eine unendliche Reihe überhaupt konvergiert. Beiträge in diese Richtung stammen unter anderem von Niels Henrik Abel, Augustin-Louis Cauchy, Peter Gustav Lejeune Dirichlet und Carl Friedrich Gauß. In dieser Zeit machten sich auch Cauchy und Karl Weierstraß um den Aufbau der modernen Funktionentheorie verdient. Besonders Weierstraß verwendete dafür systematisch eine moderne, bis heute gebräuchliche Theorie der Potenzreihen.[53] In seinem 1859 verfassten Artikel Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grösse.[54] nutzte Bernhard Riemann diese „strenge“ Funktionentheorie, um Primzahlen zu untersuchen. Die Schwierigkeit lag darin, der Reihe

auch außerhalb ihres Konvergenzbereichs einen „quantitativen Sinn“ zu geben.[55] Zuvor hatte Euler ebenfalls diese sogenannte Zeta-Funktion studiert, jedoch nur als formales Objekt und nicht über den komplexen Zahlen, weshalb ihm strenge Beweise, etwa für ihre Funktionalgleichung, verwehrt geblieben waren. Auch wurden die Unterschiede zwischen bedingter und absoluter Konvergenz herausgearbeitet. So zeigte Riemann im Jahr 1866 den Riemannschen Umordnungssatz.[56] Auch konnten mit Hilfe der Reihen pathologische Beispiele in der Analysis konstruiert werden. Karl Weierstraß zeigte 1872, dass die Weierstraß-Funktion

, mit und mit

in zwar überall stetig, aber nirgends differenzierbar ist.[57]

Die Theorie der divergenten Reihen wurde jedoch nicht gänzlich verworfen. War sie von Cauchy und Abel noch als „Erfindung des Teufels“ gebrandmarkt worden, lieferte ironischerweise der Abelsche Grenzwertsatz einen Grundstein für eine moderne und widerspruchsfreie Theorie der Limitierungsverfahren divergenter Reihen, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Émile Borel und Ferdinand Georg Frobenius vorangetrieben wurde.[58]

20. Jahrhundert bis heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde unter anderem eine „strenge“ Theorie der divergenten Reihen, unter Vorbehalt gewisser Voraussetzungen, aufgebaut. Bei diesen Limitierungsverfahren wird, unter Berücksichtigung des quantitativen Verständnisses von Reihen, durch Limesbildung der Konvergenzbegriff verallgemeinert, sodass die Klasse „konvergenter Reihen“ ausgedehnt wird.[59] Der Autodidakt Srinivasa Ramanujan hatte 1910 unter anderem durch die Behauptung

Srinivasa Ramanujan

für Aufmerksamkeit gesorgt, wobei neben weitestgehender Ablehnung (wegen der offensichtlichen Divergenz der Reihe zur linken Seite) der Brite Godfrey Harold Hardy darin eine korrekte „Auswertung“ des Funktionswertes mit der Riemannschen Zeta-Funktion wiedererkannte (siehe auch Summe aller natürlichen Zahlen). Ramanujan hatte, ähnlich wie Leonhard Euler, eine gute Intuition für Limitierungsverfahren gehabt, und damit einige tiefgreifende Resultate vorhergesagt, ohne dafür strenge Beweise anzugeben.[60] Zu seinen zahlreichen Entdeckungen gehörten Reihenformeln wie[61]

und auch[62]

Dabei bezeichnen und den Sinus hyperbolicus, Cosinus hyperbolicus, Kotangens und den Kotangens hyperbolicus, bezeichnet die Eulersche Zahl.

Der Ramanujanexperte Bruce Berndt wies darauf hin, dass unter den Veröffentlichungen im 20. Jahrhundert, die durch Ramanujan vorhergesagte Formeln im Nachhinein bewiesen, ein Großteil zum Thema der unendlichen Reihen gehörte.[63]

Konvergenzklassen in der Theorie der Limitierungsverfahren wurden als unterschiedlich groß erkannt. Zum Beispiel zeigte bereits Abel, dass, falls konvergiert, auch der Grenzwert

existieren muss. Die Umkehrung dieses Resultats ist jedoch nicht richtig: Es existieren Reihen, die sich im obigen Sinne limitieren lassen mit divergenter Reihe . Das Resultat Abels, das also eine Konvergenzklasse, nämlich die „klassische Konvergenz“, in eine größere Klasse einbettet, ist Spezialfall eines Abelschen Theorems. Sätze, die hinreichende Bedingungen für Umkehrungen von Abelschen Sätzen herausarbeiten, wurden durch Arbeiten von Alfred Tauber initiiert.[64] Tauber zeigte, dass, falls existiert und , die Reihe konvergieren muss. Die sogenannten Tauber-Theoreme spielen bis heute in der Zahlentheorie, etwa beim Beweis des Primzahlsatzes, eine bedeutende Rolle.[65] Besonders Godfrey Harold Hardy und John Edensor Littlewood griffen die Ideen Taubers auf und verallgemeinerten sie. Im Jahr 1949 erschien Hardys Buch mit dem Titel Divergent Series.[66]

Auch in der Theorie der Fourierreihen wurden weitere Erfolge erzielt. 1923 konstruierte Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow eine -integrable Funktion, deren Fourierreihe fast überall divergiert.[67] Dies widersprach Vermutungen seines Lehrers Nikolai Nikolajewitsch Lusin, der die punktweise Konvergenz solcher Fourierreihen vermutete. Für quadratintegrable Funktionen (Klasse ) vermutete man ebenfalls lange, dass sich Gegenbeispiele finden lassen würden, bis Lennart Carleson 1966 Lusins Vermutung für diese Klasse bewies.[68]

Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden Reihen verstärkt auch in formalen algebraischen Rahmen, also jenseits von Konvergenzfragen, als abstrakte Strukturen untersucht. So formen etwa die formalen Potenzreihen mit Koeffizienten in einem Ring zusammen mit komponentenweiser Addition und dem Cauchyprodukt einen Ring .[69] Häufig wird die Wahl getroffen. In diesem Fall ist sogar faktoriell.[70] Im Jahr 1959 konnten E. D. Cashwell und C. J. Everett zeigen, dass der Ring der formalen Dirichletreihen isomorph zu einem Potenzreihenring mit abzählbar vielen Veränderlichen, und damit insbesondere faktoriell, ist.[71] Ferner erwies sich der „algebraische“ Umgang mit Reihen auch für die Kombinatorik von großem Nutzen. Diese Initiative wurde unter anderem von George Andrews seit den 1970er Jahren vorangetrieben, der zahlreiche kombinatorische Fragen, etwa zu den Partitionen, durch Reihenumformungen beantworten konnte, und an einem systematischen Ausbau der Theorie sogenannter „-Reihen“ maßgeblich beteiligt war.[72][73] Allerdings waren derartige Ansätze bereits zu den Zeiten Leonhard Eulers bekannt, der unter anderem den Pentagonalzahlensatz bewies.[74]

Bis zum heutigen Tage sind Konvergenzfragen von Reihen von höchster Bedeutung und keinesfalls gelöst. So wird etwa die Riemannsche Vermutung, eines der sieben Millennium-Probleme, auf dessen Lösung der Preis von 1 Million US-Dollar ausgesetzt ist, von der Konvergenz der Reihe

für alle Werte impliziert.[75] Dabei hängt die Möbiusfunktion eng mit der Verteilung der Primzahlen zusammen. Bis dato ist lediglich Konvergenz für und die Tatsache

bekannt, was äquivalent zum Primzahlsatz ist.[76]

Rechnen mit Reihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zu gewöhnlichen (endlichen) Summen gelten für Reihen einige übliche Regeln der Addition nur bedingt. Man kann also nicht bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen mit ihnen wie mit endlichen Summenausdrücken rechnen. Es stellen sich grundsätzlich die Fragen:

  • Wie kann man Reihen addieren, und wie wirkt sich das auf Konvergenz und Grenzwerte aus?
  • Wie kann man Reihen multiplizieren, und wie wirkt sich das auf Konvergenz und Grenzwerte aus?

Summen und Vielfache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann konvergente Reihen gliedweise addieren, subtrahieren oder mit einem festen Faktor (aber nicht einer anderen Reihe) multiplizieren (vervielfachen). Die resultierenden Reihen sind ebenfalls konvergent, und ihr Grenzwert ist die Summe bzw. Differenz der Grenzwerte der Ausgangsreihen bzw. das Vielfache des Grenzwertes der Ausgangsreihe. D. h.:

.[77]

Produkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann absolut konvergente Reihen gliedweise miteinander multiplizieren. Die Produktreihe ist ebenfalls absolut konvergent und ihr Grenzwert ist das Produkt der Grenzwerte der Ausgangsreihen. D. h.:[78]

Da die Schreibweise (auf der linken Seite der Gleichung) der Produktreihe mit zwei Indizes in bestimmten Zusammenhängen „unhandlich“ ist, wird die Produktreihe auch in Form des Cauchyprodukts geschrieben. Der Name ergibt sich daraus, dass die Glieder der Produktreihe mit Hilfe des Cauchyschen Diagonalverfahrens gebildet werden, dabei werden die Glieder der Ausgangsfolgen in einem quadratischen Schema paarweise angeordnet, und die (durchnummerierten) Diagonalen dieses Schemas bilden die Produktglieder. Für die Produktreihe braucht man dann nur noch einen einzelnen Index. Die Produktreihe hat dann die folgende Form:

Der Satz von Mertens besagt, dass das Produkt beider Reihen und auch noch dann gegen das Produkt der Grenzwerte konvergiert, wenn mindestens eine der beiden Reihen absolut konvergiert.[79] Es konvergiert die Reihe mit genau dann für alle konvergenten , falls absolut konvergiert.[80]

Anwendungen haben Reihenprodukte zum Beispiel beim Nachweis von Funktionalgleichungen. Setzt man etwa

so konvergiert die betroffene Reihe für alle absolut. Mit dem binomischen Lehrsatz erhält man für und :

Damit folgt mit dem Cauchyprodukt für alle

was die Funktionalgleichung der Exponentialfunktion ist.[81]

Rechnen innerhalb der Reihe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klammerung (Assoziativität)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann innerhalb einer konvergenten Reihe die Glieder beliebig durch Klammern zusammenfassen. Man kann also beliebig viele Klammern in den „unendlichen Summenausdruck“ einfügen, man darf sie nur nicht innerhalb eines (aus mehreren Termen zusammengesetzten) Gliedes setzen. Der Wert der Reihe ändert sich durch die zusätzlich eingefügte Klammerung dann nicht.

Dies gilt für divergente Reihen im Allgemeinen nicht, was man leicht am folgenden Beispiel erkennt: Die Reihe

divergiert, während die beklammerte Reihe

gegen Null konvergiert und die anders beklammerte Reihe

gegen noch eine andere Zahl konvergiert.[82]

Andererseits kann man aber keine Klammern ohne Weiteres weglassen. Man kann das aber immer dann, wenn die resultierende Reihe wieder konvergent ist. In diesem Falle bleibt auch der Reihenwert unverändert: Sind die Glieder einer konvergenten Reihe selbst in Summenform (mit und ), so „darf“ man die sie umschließenden Klammern genau dann weglassen, wenn die dadurch entstehende neue Reihe wieder konvergiert.[82]

Umordnung (Kommutativität)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Umordnung einer Reihe wird durch eine Permutation ihrer Indexmenge dargestellt. Ist die Indexmenge zum Beispiel die Menge der natürlichen Zahlen mit Null und eine bijektive Abbildung der natürlichen Zahlen auf sich, so heißt

eine Umordnung der Reihe[83]

Man kann konvergente Reihen unter Beibehaltung ihres Wertes dann und nur dann beliebig umordnen, wenn sie unbedingt bzw. absolut konvergent sind. Es gilt für unbedingt (oder absolut) konvergente Reihen:

für alle bijektiven .

Bedingt konvergente Reihen dürfen zur Erhaltung des Grenzwerts nur endlich umgeordnet werden, d. h. ab einem gewissen Index muss für die Umordnung gelten. Der Riemannsche Umordnungssatz sagt aus, dass durch geeignete Umordnung einer fixierten, bedingt konvergenten Reihe reeller Zahlen jeder reelle Grenzwert erreicht werden kann.[84]

Reihen von Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein zentrales Problem der Analysis besteht darin, „komplizierte“ Funktionen zu studieren. Dabei bedeutet „kompliziert“ zum Beispiel, dass die Rechenvorschrift nicht aus einer endlichen Abfolge aus Anwendungen der vier Grundrechenarten besteht. Eine in diesem Sinne „einfache“ Vorschrift wäre: Nimm die Eingangszahl mal Zwei, dann das Ergebnis plus Eins, multipliziere dies mit sich selbst, teile dann alles durch die Drei. In Kurzform: . Jedoch lassen sich sehr viele Phänomene in der Natur nicht so einfach beschreiben. Die Mathematik ist demnach bestrebt, Analyseverfahren nichttrivialer Funktionen zu entwickeln. Solche Verfahren kommen in den unterschiedlichsten Bereichen innerhalb der Mathematik und auch ihrer Anwendungen zum Einsatz.

Haben die betrachteten Funktionen Zielmengen , in denen nicht gerechnet werden kann, so ist keine Darstellung als unendliche Reihe möglich.

Eine naheliegende Möglichkeit, „komplizierte“ Funktionen zu konstruieren und untersuchen, ist, sie als Reihe von Funktionen zu schreiben, wobei jeder einzelne Summand in der Praxis „einfache Eigenschaften“ besitzt:[85]

Anstatt also Folgen von Zahlen kann man auch Folgen von Funktionen betrachten und entsprechend Reihen definieren. Zudem ist zu beachten, dass im Darstellungsbereich alle notwendigerweise an allen Stellen aus dem Definitionsbereich von definiert sein müssen. Ferner muss im Zielbereich der Funktionen die Addition von Termen definiert sein, da sonst keine sinnvolle Reihe gebildet werden kann.

Eigenschaften der Grenzfunktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Falle der Konvergenz einer Funktionenreihe kommt noch die Frage nach den Eigenschaften der Grenzfunktion auf. Meistens wird gefragt: „Falls die einzeln betrachtet alle stetig/differenzierbar/integrierbar sind, ist es auch die Funktion ?“ Antworten bzw. hinreichende Entscheidungskriterien auf diese Fragen liefern Sätze aus der Analysis. Häufig nützt es zum Beispiel, wenn die Funktionenreihe nicht nur in jedem Punkt gegen die Grenzfunktion konvergiert, sondern im Definitionsbereich sogar gleichmäßige Konvergenz vorliegt. In einem solchen Fall ist, falls die alle stetige Funktionen waren, auch die Grenzfunktion stetig.[86] Ähnliche Voraussetzungen gelten für Beschränktheit (falls alle Partialsummen beschränkt sind),[87] Differenzierbarkeit und Integrierbarkeit der Grenzfunktion, falls alle Summanden die entsprechenden Eigenschaften haben.

Vertauschen von Reihen mit Differentialoperator und Integral[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gebiet der gleichmäßigen Konvergenz darf eine Reihe gliedweise integriert werden:

Ebenso darf sie gliedweise differenziert werden, sofern die entstehende Reihe gleichmäßig konvergiert:[88]

Da Differenzierbarkeit eine lokale Eigenschaft ist, kann dies unter Ausschöpfen offener Bereiche durch kompakte Mengen gegebenenfalls auch auf allgemeinere Funktionen ausgeweitet werden.

In einigen Anwendungen stellen die oberen Kriterien beim Vertauschen von Summe und Integral jedoch zu große Hürden dar. Zum einen decken sie nicht Maßräume unendlichen Volumens ab (wie zum Beispiel Intervalle wie oder mit dem eindimensionalen Lebesgue-Maß), zum anderen kann die Forderung nach gleichmäßiger Konvergenz große Schwierigkeiten mit sich bringen. Mit Resultaten aus der Funktionalanalysis, wie dem Satz von Fischer-Riesz, können jedoch weit allgemeinere Aussagen erzielt werden, die allerdings auch deutlich schwerer zu beweisen sind. Einer davon ist der Satz über die gliedweise Integration von Reihen: Ist ein Banachraum (zum Beispiel ) und eine Folge in (wobei ein Maß auf und eine zugehörige -Algebra des Raumes ist), und gilt

,

so ist -fast überall absolut konvergent und -integrierbar. Es gilt zudem[89]

Dies ist eine Folgerung aus dem Satz von der majorisierten Konvergenz. Zu beachten ist, dass dieser sehr allgemeine Satz gänzlich auf Forderungen wie gleichmäßige Konvergenz verzichtet. Unter Benutzung der -Folgenräume sowie des Zählmaßes ist ein Spezialfall, dass unter Voraussetzung von bereits Konvergenz der Doppelreihe und zudem

folgt.[90]

Es existieren jedoch auch Anwendungen, in denen weder gleichmäßige Konvergenz von noch Integrierbarkeit der oben gewählten „Majorante“ vorliegt. In solchen Fällen kann der Satz von der majorisierten Konvergenz unter Umständen dennoch einen Ausweg darstellen, wobei jedoch die Einzelfälle genauer betrachtet werden müssen. Es ist lediglich notwendig, die Partialsummen der zu integrierenden punktweise konvergenten Funktionenreihe durch eine integrierbare und von unabhängige Majorante nach oben abzuschätzen, wobei aber manchmal auf die gegebenenfalls zu grobe Dreiecksungleichung verzichtet werden kann. Ein Beispiel ist der Beweis der Leibnizreihe

durch Integrale. Jeder der Terme erfüllt

Allerdings ist die Reihe im Intervall zwar punktweise konvergent, aber weder gleichmäßig konvergent, noch ist die absolute „Majorante“ auf integrierbar, weshalb die Dreiecksungleichung nicht verwendet werden kann. Mit der feineren Abschätzung alternierender Reihen werden jedoch die Vorzeichenwechsel berücksichtigt, und es ergibt sich mit der Monotonie der Folge

für alle und . Da offenbar über absolut integrierbar ist, darf Summation und Integration vertauscht werden:

Hierbei bezeichnet den Arkustangens.

Holomorphe Grenzfunktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt auch hinreichende Kriterien für die Holomorphie der Grenzfunktion. Genauer lässt sich der Weierstraßsche Konvergenzsatz auf unendliche Reihen anwenden:[91] Ist eine Folge holomorpher Funktionen, so konvergiert gegen eine holomorphe Funktion , falls sie in normal konvergiert, d. h. für jeden Punkt gibt es eine Umgebung , sodass

Typen von Funktionenreihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann fragen, ob und durch welche Reihe sich eine Funktion darstellen lässt. So eine Darstellung nennt sich Reihenentwicklung. Es existieren je nach Kontext verschiedene relevante Reihenentwicklungen für gewisse Klassen von Funktionen.

Potenzreihen, Taylorreihen und analytische Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei analytischen Funktionen wird eine Funktion um einen „Definitionspunkt“ herum über Polynome angenähert. Eine Möglichkeit, dies zu realisieren und zu verstehen, besteht darin, die Funktion zunächst sehr stark einzuschränken, also nur Eingabewerte aus einem sehr „kleinen“ Vorrat einzusetzen. Klein bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die betrachteten Eingabewerte sehr nahe beieinander liegen. Soll eine Funktion etwa um 0 herum studiert werden, würden Werte wie 0,000001 vielleicht noch in Betracht gezogen, möglicherweise aber nicht mehr 1, geschweige denn 100. In diesem Zusammenhang nennt man die 0 auch den Entwicklungspunkt. Hinter diesem Prinzip steckt eine gewisse Form der „Stetigkeit“: Wurde eine analytische Funktion im Punkt 0 gut verstanden, so lässt sich daraus schon auf ihr Verhalten in zum Beispiel 0,000001 schließen, und das nur anhand der vier Grundrechenarten. Präziser wird die Annäherung über Polynome realisiert, also Ausdrücke wie , und ganz allgemein

Eine analytische Funktion kann also um jeden Wert ihres Definitionsbereichs durch Anwendung der Grundrechenarten entwickelt werden. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei hinreichend „komplizierten“ Funktionen nur um eine Näherung handelt. Eine zentrale Eigenschaft der Analytizität ist aber, dass für solche komplizierten Funktionen beliebig lange Polynomketten, also addierte -Terme, zur Annäherung gefunden werden können. Je länger diese Terme sind, desto besser. Lässt man diesen Prozess gegen Unendlich streben, ist die Annäherung in den umliegenden Punkten perfekt, es herrscht also Gleichheit. In diesem Sinne sind also analytische Funktionen, zumindest lokal, gerade „unendlich lange Polynome“. Diese werden auch als Potenzreihen bezeichnet. Obwohl dabei unendlich viele Terme addiert werden, kann Konvergenz vorliegen, wenn das Funktionsargument nahe genug am Entwicklungspunkt liegt. Wählt man zum Beispiel den Entwicklungspunkt 0 und für die Koeffizienten die Dezimalstellen der Kreiszahl , also

so gilt

Für Werte wird dann „erst recht“ endlich sein. Diesem Gedanken folgend kann man etwa über das Majorantenkriterium (siehe unten) zeigen, dass Potenzreihen entweder überall oder innerhalb von Intervallen (für komplexe Zahlen Kreisscheiben) mit dem Entwicklungspunkt als Zentrum konvergieren.

Sinus und Kosinus bilden die Länge eines Kreisbogens auf die Länge zweier gradliniger Lote ab. Zu beachten ist, dass die Kreisbogenlänge b eigentlich der krummen „Strecke“ zwischen den Punkten A und B (sprich b = OAB) entspricht. Wegen der Wahl Radius = r = 1 beträgt der volle Kreisumfang Längeneinheiten, was auch im dimensionslosen Maß genau 360 Grad entspricht und damit eine Identifizierung des Kreisbogens mit dem einschließenden Winkel erlaubt.

Beispiel: Eine in der Schule behandelte Funktion, die sich im Allgemeinen nicht durch nur endlichfache Anwendung der vier Grundrechenarten berechnen lässt, ist der Sinus, also die Vorschrift . Hier wird die Vorschrift zunächst nicht über eine Zahlenrechnung, sondern geometrisch erklärt. Zur Länge eines Kreisbogens soll die zugehörige gerade Strecke gefunden werden, die den Endpunkt des Bogens mit der Grundachse verbindet, analog beim Kosinus (siehe Bild). Alle betrachteten Strecken haben Längen, im Verhältnis zur Einheit dimensionslos, also entspricht dies einer Abbildung von Zahlen auf Zahlen. Krumme Kreislinien („komplizierte Strecken“) werden auf ungleich lange gerade Linien („einfache Strecken“) abgebildet, was vermuten lässt, dass sich diese Umrechnung nicht in einfacher Weise mit den vier Grundrechenarten darstellen lässt. Es zeigt sich jedoch, dass der Sinus eine analytische Funktion ist, weshalb eine Annäherung durch einfache Terme möglich ist. Es gilt zum Beispiel für sehr kleine Werte von

Dies entspricht einem „Studium“ der Sinusfunktion in oben erklärtem Sinne, da die „komplizierte Sinusfunktion“ durch eine einfache Abbildung angenähert wurde. Dabei war der Entwicklungspunkt 0, in der Tat ist wegen die Annäherung hier perfekt, doch auch für umliegende Werte ist sie brauchbar. Es gilt zum Beispiel

und .

Zur exakten Berechnung erhält man für den Sinus[92]

wobei die Fakultät bezeichnet. Die Formel erweitert sich auch auf alle komplexen Zahlen und setzt den Sinus dort als holomorphe Funktion fort, wobei dort keine geometrische Interpretation über Dreiecke mehr zur Verfügung steht, aber im Gegenzug die enge Verbindung zur komplexen Exponentialfunktion deutlicher wird.

Über das Beispiel des Sinus erklärt sich auch das allgemeine Verfahren zum Aufstellen einer Taylorreihe zu einer analytischen Funktion . Wird als Entwicklungspunkt gewählt, so gilt die Formel

mit -te Ableitung von an der Stelle ,

für alle , die nahe genug an liegen. Dabei bezeichnet die -te Ableitung von an der Stelle . Genau genommen muss gelten, wobei die Zahl den Konvergenzradius der Taylorreihe bezeichnet.[93] Ist der Entwicklungspunkt , spricht man gelegentlich auch von einer Maclaurinschen Reihe.[94] Sind auch negative ganzzahlige Exponenten von vorhanden, verallgemeinert sich das Konzept zu Laurent-Reihen.

Beispiel: Approximation der Zahl   

Taylorentwicklungen lassen sich zum Beispiel an der Wurzelfunktion demonstrieren, etwa um den Punkt . Diese ist dort analytisch, man hat die Ableitungen und . Also gilt mit der Taylor-Formel die Approximation

für Zahlen , die nahe an liegen. Der Ausdruck auf der rechten Seite kann, wie oben, durch Anwendung nur der vier Grundrechenarten schnell berechnet werden. Er stimmt nach Einsetzen von exakt mit dem Funktionswert überein, doch auch in der näheren Umgebung von ist die Annäherung noch sehr genau. Man hat etwa

und es gilt für den exakten Wert .

Die Theorie der analytischen Funktionen wird erst über den komplexen Zahlen vollständig erfassbar. Hier spricht man synonym von holomorphen Funktionen und es gilt der Cauchysche Entwicklungssatz: Ist mit offenem , die größte Kreisscheibe um in und holomorph, so ist um in eine Taylorreihe entwickelbar, die in auf kompakten Teilmengen absolut und gleichmäßig konvergiert. Die Koeffizienten sind gegeben durch[95]

, wobei

Dabei wird der Integrationsweg in mathematisch positiver Richtung einfach durchlaufen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass für den Beweis des Entwicklungssatzes lediglich die Reihenentwicklungen der Funktionen benötigt werden (siehe auch geometrische Reihe) sowie Vertauschbarkeit von Summation und Integration. Für den Fall wurde dies bereits 1831 von Cauchy durchgeführt.[96]

Da jede holomorphe Funktion analytisch ist und umgekehrt, lassen sich Eigenschaften von Potenzreihen direkt auf holomorphe Funktionen übertragen. Dies stellt gleichzeitig den Weierstraßschen Zugang zur Funktionentheorie dar, der die Darstellbarkeit von Funktionen als Potenzreihen zum Ausgangspunkt hat.[53]

Potenzreihen können auch als sog. Lambertreihen geschrieben werden.

Fourierreihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Fourierreihe einer Funktion bezeichnet man ihre Entwicklung nach trigonometrischen Funktionen. Dies betrifft vornehmlich periodische Funktionen, also Funktionen, die sich intervallweise immer wieder in ihrem Abbildungsverhalten wiederholen. Da eine Normierung der Periode durch entsprechende Skalierung im Funktionsargument erreicht werden kann, genügt es, sich -periodische Funktionen anzuschauen, also solche mit der Eigenschaft .

Fourierreihen spielen eine Rolle bei der Überlagerung von Wellen, zum Beispiel bei der Erzeugung von Klängen. Erklingen mehrere Töne gleichzeitig, etwa bei einem Musikstück, so entspricht dies physikalisch einer Überlagerung verschiedener Schallwellen. Um die Gesamtsituation zu erfassen, ist die Addition der entsprechenden (nach Phase und Amplitude skalierten) Sinuskurven erforderlich. Gewisse periodische Signale, zum Beispiel in der Elektrotechnik, haben jedoch ein derart komplexes Muster, dass eine unendliche Anzahl verschiedener Sinuswellen benötigt wird, um sie exakt darzustellen.

Animation der Approximation des Sägezahnsignals durch sich überlappende Sinuskurven

Ist eine -periodische Funktion, etwa ein Signal, gegeben, so ist eine Entwicklung in eine Fourierreihe (zumindest formal) dann möglich, wenn auf dem Interval integrierbar ist. In diesem Fall macht es Sinn, den -ten Fourierkoeffizienten über die Formel

zu definieren. Es ist dabei die Eulersche Identität zu beachten, die den entscheidenden Zusammenhang zwischen der komplexen Exponentialfunktion und den trigonometrischen Funktionen herstellt. Da -periodisch ist, sollten diese Integrale „alle Daten“ von beinhalten. Die Aussage ist nun, dass die Kollektion der Koeffizienten mit unter Umständen ausreicht, das gesamte Signal vollständig zu rekonstruieren. Dies wird über die Konvergenz der zunächst nur formalen Fourierreihe

realisiert.[97] Ist zum Beispiel stetig differenzierbar, so wird die zugehörige Fourierreihe gleichmäßig gegen konvergieren. Allgemein bezeichnet man Kriterien, die Konvergenz(arten) von Fourierreihen festlegen, auch als Dirichlet-Bedingungen. Zum Beispiel verrät das Verhalten der Funktion einiges über die Fourierkoeffizienten: Wenn eine 1-periodische Funktion mit ihren Ableitungen bis zur -ten Ordnung stetig ist, dann streben für die Terme gegen Null.[98] Ist umgekehrt stetig und konvergiert , so ist bereits stetig differenzierbar und es gilt .[99]

Es kann die Fourierreihe zu auch ausschließlich in Termen von Sinus und Kosinus ohne komplexe Zahlen statt der Exponentialfunktion ausgedrückt werden, wobei die Wellenüberlagerung ersichtlicher wird. Allerdings ist die Nutzung komplexer Zahlen in der Elektrotechnik, auch im Kontext von Wellen, durchaus üblich.[100]

Fourierreihen können auch im Komplexen betrachtet werden. Ist auf dem offenen Streifen

holomorph und -periodisch, gilt also stets , so besitzt eine Fourier-Entwicklung

Dies ist auf ganz absolut und lokal gleichmäßig konvergent. Eine Berechnung der Koeffizienten ist für jedes durch

möglich.[101] Entscheidend für die Herleitung der Existenz einer Fourierreihe auf horizontalen Streifen ist das Abbildungsverhalten der komplexen Exponentialfunktion sowie die Existenz der Laurent-Reihe.[102] Die Entwicklung holomorpher Funktionen in Fourierreihen spielt zum Beispiel eine große Rolle in der Theorie der Modulformen.[103]

Dirichletreihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dirichletreihen kommen vor allen Dingen in der Zahlentheorie zum Einsatz. Damit ist die Teildisziplin der Mathematik gemeint, die sich mit den Eigenschaften ganzer und auch rationaler Zahlen befasst. Viele Fragestellungen, etwa aus der multiplikativen Zahlentheorie, hängen dabei mit Primfaktorzerlegungen zusammen. An diesem Punkt kommen Dirichletreihen ins Spiel. Diese ahmen in manchen Fällen Primfaktorzerlegungen nach und übertragen dieses zahlentheoretische Element damit direkt in die Funktionentheorie.

Als Dirichletreihe bezeichnet man eine Entwicklung

mit

In gewisser Weise handelt es sich um eine „Potenzreihe unter Vertauschung der Rollen“: Bei Dirichletreihen wird über die Basis der Potenz summiert und nicht über den Exponenten, wie es bei in Potenzreihen noch der Fall war. Während Potenzreihen im Komplexen auf Kreisscheiben konvergieren, konvergieren Dirichletreihen im Komplexen auf rechten Halbebenen. Ist eine Dirichletreihe zudem in einem Punkt konvergent, so ist sie in jedem Punkt mit absolut konvergent. Der Bereich der absoluten Konvergenz ist wieder eine Halbebene, die von der Halbebene der Konvergenz umschlossen wird.

Die sich aus den Potenzgesetzen ergebende Rechenregel macht Dirichletreihen für die Zahlentheorie interessant. Sind nämlich die Koeffizienten ebenfalls (stark) multiplikativ, gilt also so existiert im Bereich der absoluten Konvergenz das Euler-Produkt

Kann die Funktion , ähnlich wie ein Polynom, auch über ihre Nullstellen in ein Produkt faktorisiert werden, können damit Verbindungen zwischen Primzahlen und Eigenschaften von Nullstellen spezieller Funktionen aufgebaut werden. Dies betrifft zum Beispiel die Riemannsche Zeta-Funktion

deren Nullstellen in Dualität zur Folge der Primzahlen steht.[104] Die Lage der Nullstellen in der komplexen Ebene ist Gegenstand der Riemannschen Vermutung. Eine ähnlich tiefe Vermutung, die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer, befasst sich ebenfalls mit Nullstellen von Dirichletreihen, die ein Euler-Produkt besitzen. Eine sehr weitreichende Verallgemeinerung findet die Riemannsche Zeta-Funktion in den L-Funktionen.

Partialbruchzerlegungen und elliptische Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der komplexen Ebene können manche Funktionen durch „Interpolation ihrer Singularitäten“ generiert werden. Dies trifft auf rationale Funktionen zu, kann aber in einigen Fällen durch unendliche Reihen ausgedehnt werden. Ist eine ganze Funktion, die für Konstanten stets die Ungleichung

erfüllt, so gilt bereits[105]

Ist zusätzlich eine ungerade Funktion, ist also stets , gilt

Für führt dies, nach einem Shift im Argument, zur Partialbruchzerlegung des Kotangens:

Dieses Konzept lässt sich auf Gitter ausweiten. Seien zwei komplexe Zahlen, die über linear unabhängig sind und sei das Gitter, das von und erzeugt wird. Dann ist die Weierstraßsche -Funktion zum Gitter wie folgt definiert:[106]

Die Reihe konvergiert lokal gleichmäßig absolut in . Es handelt sich um eine doppelperiodische, also elliptische Funktion.[107] Eng verwandt zu den elliptischen Funktionen sind die sog. Eisensteinreihen.[108]

Konvergenzkriterien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwar gibt es kein brauchbares, allgemeingültiges Kriterium, um zu entscheiden, ob eine Reihe konvergiert,[109] aber in manchen Spezialfällen lassen sich unter zusätzlichen Annahmen Kriterien angeben, die auf ganz unterschiedlichen mathematischen Techniken basieren.

Allgemeine Kriterien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nullfolgenkriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn die Reihe konvergiert, dann konvergiert die Folge der Summanden für gegen 0. Kontraponiert: Ist keine Nullfolge, so divergiert die entsprechende Reihe.[13]

Zudem gilt der Satz von Olivier: Ist monoton fallend und konvergent, so folgt bereits .[110]

Beispiel  

Es kann die Reihe (trotz beschränkter Partialsummen) nicht konvergieren, da nicht gegen 0 konvergiert.

Die Umkehrung ist nicht allgemeingültig (ein Gegenbeispiel ist die harmonische Reihe). Das Nullfolgenkriterium wird daher in erster Linie zum Nachweis der Divergenz einer Reihe verwendet.

Teleskopreihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Teleskopreihe konvergiert genau dann, wenn die Folge gegen eine Zahl konvergiert. Der Wert der Reihe ist dann .

Beispiel  

Es gilt , da gegen konvergiert, und .

Majorantenkriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn alle Glieder der Reihe nichtnegative reelle Zahlen sind, konvergiert und für alle zudem gilt, dann konvergiert auch die Reihe absolut, und es ist[111]

.
Beispiel  

Es konvergiert für alle die Reihe . In der Tat, da , folgt über

die Behauptung mit dem Majorantenkriterium.

Minorantenkriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn alle Glieder der Reihe nichtnegative reelle Zahlen sind, divergiert und für alle zudem mit nichtnegativen reellen Zahlen gilt, dann divergiert auch die Reihe .

Beispiel  

Es gilt für alle . Da nun

folgt die Divergenz der Reihe mit dem Minorantenkriterium.

Quotientenkriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es wird die Reihe mit für alle bis auf endlich viele betrachtet (alternativ kann im Voraus die Folge auch unter Weglassen der Nullen auf eine Teilfolge verdichtet werden, die ohne Einschränkung wieder als bezeichnet werden kann). Dann gilt:[112]

  • Falls , so ist die Reihe absolut konvergent (dabei steht für den Limes superior).
  • Falls , so ist die Reihe divergent (dabei steht für den Limes inferior).
  • In den verbleibenden Fällen kann keine Aussage getroffen werden, d. h., sowohl bedingte oder absolute Konvergenz, aber auch Divergenz sind möglich.

Die Berechnung der obigen Limites superior und inferior kann schwierig sein, weshalb in vielen Fällen lediglich eine Abschätzung gemacht wird. Ist zum Beispiel für alle bis auf endlich viele für eine feste Zahl , so gilt insbesondere , also ist die Reihe absolut konvergent.

Wurzelkriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu einer Reihe wird die Größe betrachtet (dabei steht für den Limes superior). Dann gelten folgende Aussagen:[113]

  • Ist , so konvergiert die Reihe absolut.
  • Ist , so ist die Reihe divergent.
  • Ist , so kann keine Aussage getroffen werden, d. h., sowohl bedingte oder absolute Konvergenz, aber auch Divergenz sind möglich.

Im Falle von Potenzreihen dient das Wurzelkriterium beim Beweis der Formel von Cauchy-Hadamard für deren Konvergenzradius.[114]

Die Berechnung der obigen Limites superior und inferior kann schwierig sein, weshalb in vielen Fällen lediglich eine Abschätzung gemacht wird. Ist zum Beispiel für alle bis auf endlich viele für eine feste Zahl , so gilt insbesondere , also ist die Reihe absolut konvergent.

Kriterium von du Bois-Reymond und Dedekind[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dieses Kriterium kann in zwei Unterkriterien unterteilt werden.

  1. Es ist die Reihe konvergent, falls absolut und wenigstens bedingt konvergiert.
  2. Es ist die Reihe konvergent, falls außer der absoluten Konvergenz von lediglich die Beschränktheit der Partialsummen von und vorausgesetzt wird.[115]

Gaußsches und Weierstraßsches Kriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kann man den Quotienten in der Form mit einer beschränkten Folge und schreiben, so ist die Reihe im Falle konvergent, und im Falle divergent.[116]

Dieses Kriterium von Gauß kann für komplexe Folgen ausgeweitet werden, wo es als Kriterium von Weierstraß benannt ist. Erfüllen die komplexen Glieder

mit und beschränkten , so konvergiert die zugehörige Reihe genau dann absolut, wenn . Ist , so sind wenigstens die Reihen und konvergent.[117]

Kriterien unter Monotoniebedingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monotoniekriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gilt für alle , so konvergiert genau dann, wenn die Folge beschränkt ist, und der Grenzwert ist .[118] Ist in diesem Szenario zusätzlich monoton fallend, impliziert die Konvergenz der Reihe auch .[119]

Es ist für beliebige positive die Reihe

konvergent.[120]

Integralkriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist eine monoton fallende Funktion mit

für alle ,

dann konvergiert genau dann, wenn das uneigentliche Integral

existiert.[121][Anm. 3]

Beispiel  

Die Dirichletreihe konvergiert für und divergiert für , was mit dem Integralkriterium gezeigt werden kann. Als Funktion von aufgefasst, ergibt diese Reihe die Riemannsche Zeta-Funktion.

Leibniz-Kriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Reihe der Form

mit nichtnegativen wird alternierende Reihe genannt. Eine solche Reihe konvergiert, wenn die Folge monoton gegen 0 konvergiert.[122] Die Umkehrung ist nicht allgemeingültig.

Kriterium von Abel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist die Reihe konvergent, falls die Reihe konvergiert, und die Folge monoton und beschränkt ist.[115]

Kriterium von Dirichlet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist die Reihe konvergent, falls

also die Partialsummen der beschränkt sind, und wenn eine monoton fallende Nullfolge ist.[115] Dabei steht für das Supremum.

Cauchysches Verdichtungskriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist eine monoton fallende Nullfolge, so konvergiert die Reihe genau dann, wenn die Reihe konvergiert.[123]

Multiplikative Funktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist eine multiplikative Funktion, falls für alle teilerfremden und gilt.

Es konnte Peter D. T. A. Elliott Folgendes zeigen: Es sei multiplikativ, sodass

existiert, und ferner

Dann gilt bereits, dass die Reihen

sämtlich konvergieren.[124]

Funktionentheoretische Mittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sätze von Tauber und Littlewood[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Satz von Tauber, bewiesen von Alfred Tauber im Jahr 1897,[125] nutzt das Randverhalten einer Potenzreihe, um ein hinreichendes Kriterium für dortige Konvergenz zu geben. Ist

für alle konvergent, existiert und gilt für , so konvergiert gegen . John Edensor Littlewood konnte dieses Resultat verbessern, indem er zeigte, dass bereits die abgeschwächte Bedingung für alle mit einer Konstante für die Aussage des Satzes hinreichend ist.[126] Diese Bedingung kann im allgemeinen Fall nicht weiter verbessert werden: Zu jeder positiven, wachsenden Funktion mit existiert eine Abel-summierbare Folge mit , sodass divergiert.[127] Wird allerdings gefordert, dass die fast alle nichtnegativ sind, kann die Bedingung der Beschränktheit von gänzlich weggelassen werden.[128]

genau dann, wenn .[129]

Ist stets für eine reelle Zahl , dann folgt aus bereits .[130]

Kriterien von Fatou und Korevaar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wieder habe einen Konvergenzradius von mindestens 1. Gibt es sogar eine Konstante , sodass mit , so folgt bereits[131]

Ist um holomorph fortsetzbar und gibt es eine nicht-fallende Funktion , sodass für und für mit einer Konstanten ; gilt zudem für alle , dann konvergiert gegen und zudem gilt[132]

Eine ähnliche Aussage gilt für Dirichlet-Reihen: Ist eine Funktion, die für alle konvergiert und sich nach holomorph fortsetzen lässt; gilt ferner für ein wie oben, so gilt bereits[133]

Abel-Summierbarkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man nennt eine formale Reihe Abel-summierbar gegen , falls[134]

wobei die Reihe zur Linken für alle konvergiere. Es ist eine Abel-summierbare Reihe genau dann konvergent, wenn[135]

Satz von Fatou[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Satz Fatou besagt, dass, wenn die Potenzreihe

für alle konvergiert, und sich die Funktion in einer Umgebung des Randpunkts holomorph fortsetzen lässt, aus bereits folgt, dass konvergiert, und den Wert annimmt.[136]

Der Satz von Fatou kann, unter Umgehung der Bedingung der Holomorphie in , ausgeweitet werden. Dafür wird das Konzept des Hardy-Raums eines Gebietes benötigt. Erfüllt im Randpunkt die lokale -Bedingung, so existiert eine Zahl , sodass für in gegen eine (integrierbare) Funktion konvergiert (siehe auch Lp-Raum), also

Ist die Menge der Randpunkte , mit , an der singulär ist in dem Sinne, dass sie dort nicht die lokale -Bedingung erfüllt, eine Nullmenge, und gilt

dann konvergiert in jedem Punkt gegen , an dem der Differenzenquotient

die lokale -Bedingung in erfüllt.[137] Dabei steht für das Supremum.

Satz von Ingham[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein im Jahr 1935 gegebener Satz von Albert Ingham war Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen von Donald Newman, der diesen mit einfachen funktionentheoretischen Mitteln beweisen konnte. Sei eine Dirichletreihe

für alle mit konvergent (d. h., sie stellt in dieser offenen Halbebene eine holomorphe Funktion dar). Lässt sich nun holomorph auf eine offene Menge fortsetzen, die vollständig enthält, und sind die beschränkt, so gilt bereits für alle [138]

Für unbeschränkte ist die obige Aussage bekanntlich falsch.

Methoden zur Grenzwertbestimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es existiert kein allgemein brauchbares Verfahren, den Grenzwert einer konvergenten Reihe explizit auszurechnen. In einigen Fällen lassen sich Grenzwerte auch nicht auf „elementare“ mathematische Konstanten zurückführen, etwa im Fall der Apéry-Konstante

Allerdings gibt es einige Techniken, die in speziellen Situationen die geschlossene Berechnung eines konvergenten Reihenausdrucks ermöglichen.

Teleskopreihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hat eine Reihe die Gestalt mit einer Folge , die gegen einen Grenzwert konvergiert, so konvergiert jene ebenfalls und hat den Grenzwert .[139] Dieses Resultat lässt sich weiter verallgemeinern. Sind die Glieder der Reihe gegeben durch

mit ,

wobei gegen den Grenzwert konvergiert und , so konvergiert und der Grenzwert ist explizit gegeben durch[140]

.

Ein Anwendungsbeispiel dieser Regel ist[141]

Abelscher Grenzwertsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei eine konvergente Reihe. Eine Möglichkeit, ihren Grenzwert zu bestimmen, geht über die von den erzeugte Funktion. Niels Henrik Abel konnte beweisen, dass sich die Funktion

stetig nach fortsetzen lässt. Ferner gilt

In einem rechtwinkligen, gleich­schenkligen Dreieck mit °-Winkeln (entspricht im Bogenmaß) berechnet sich der Tangens von durch das Verhältnis beider (gleichlanger) Katheten, ist also gerade . Entsprechend nimmt seine Umkehrfunktion, der Arkustangens, an der Stelle den Wert an.

Mit diesem Ansatz können manche klassischen Reihengrenzwerte berechnet werden.[142] Beispielsweise gilt für alle mit gilt die Reihendarstellung

Mit dem Leibniz-Kriterium und der Abel-Summierbarkeit folgt damit die Leibniz-Reihe:[143]

Ähnlich verhält es sich mit der Taylorreihe des natürlichen Logarithmus:

Damit folgt, dass die alternierende harmonische Reihe den Grenzwert besitzt:[144]

Beide Reihen zeigen zwar ein klares „Bildungsgesetz“, sind jedoch für numerische Berechnungen unbrauchbar.[145]

Differential- und Integralrechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ansätze über Differential- und Integralrechnung greifen primär auf Eigenschaften von Potenzreihen zurück. In manchen Fällen kann der Grenzwert einer Reihe ermittelt werden, indem man die allgemeinere Potenzreihe für Werte studiert. Im einfachsten Fall gilt:

  • Die Reihe hat Konvergenzradius ,
  • und es lässt sich durch bekannte Funktionen geschlossen ausdrücken.

Dann kann mit

direkt ein geschlossener Grenzwert hingeschrieben werden, und Konvergenz folgt ebenso automatisch. Ist der Konvergenzradius jedoch genau , muss im Rahmen des Abelschen Grenzwertsatzes zunächst Konvergenz nachgewiesen werden (siehe oben).

Dieser Ansatz kann schnell auf Reihen des Typs

mit verallgemeinert werden. In der obigen Situation mit Konvergenzradius sind diese sämtlich absolut konvergent, und Grenzwerte können geschlossen über die höheren Ableitungen der Funktion an der Stelle ausgedrückt werden. Zum Beispiel gilt mit obiger Notation

und ganz allgemein

(für ),

wobei die Stirling-Zahlen zweiter Art sind.[146] Ein einfaches Beispiel betrifft die Reihe

Es gilt mit der geometrischen Reihe für alle (weshalb die betrachtete Reihe definitiv absolut konvergiert), und mit der Grenzwert .

Mitunter noch einfacher gestaltet sich dieser Ansatz beim Übergang zu Fourierreihen durch den Variablenwechsel . Man betrachtet dann

im Punkt und beim Ableiten dieser Reihe sind keine Stirling-Zahlen mehr vonnöten (allerdings wird gleichzeitig wegen Verkettung das Aufstellen geschlossener Ableitungsterme meist schwieriger). Im Rahmen der charakteristischen Funktion ist dieses Vorgehen in der Wahrscheinlichkeitstheorie bei der Berechnung von Momenten diskreter Zufallsvariablen nützlich, siehe auch momenterzeugende Funktion.

In einigen Fällen können Reihen direkt auf gewisse Integrale zurückgeführt werden, wobei Letztere dann mit Methoden der Analysis, zum Beispiel durch Auswertung mit Angabe einer Stammfunktion, gelegentlich geschlossen berechnet werden können. Die Umwandlung von Integral in Reihe ergibt sich dabei im Falle von Funktionenreihen oft durch gliedweise Integration. Ein Beispiel ist die Leibniz-Reihe:[147]

David Bailey, Peter Borwein und Simon Plouffe benutzten die Integralformel

beim Beweis der Bailey-Borwein-Plouffe-Formel für die Kreiszahl .[148] Ein anderes Beispiel betrifft eine Lösung des Basler Problems über den Ansatz

,

wobei den Areatangens Hyperbolicus bezeichnet.[149]

Fourieranalysis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grenzwertbestimmung über Fourierreihen ähnelt dem Grenzwertsatz von Abel insofern, als dass die Reihe auch hier als Wert einer zu bestimmenden Funktion interpretiert wird. Weiß man, dass absolut konvergiert, so kann man diesen Wert als mit

auffassen. Dann ist eine 1-periodische Funktion und die rechte Seite ihre Darstellung als Fourierreihe. Über die Umrechnungsformel

können die Koeffizienten der Reihe aus zurückgewonnen werden. Es muss also ein „passendes“ zu den gefunden werden. Zum Beispiel findet man mit partieller Integration schnell

womit durch Einsetzen von die Antwort auf das Basler Problem folgt.[150] Ist lediglich als auf dem Intervall integrierbar vorausgesetzt, und hat die assoziierte Fourierreihe , so gilt außerdem die Parsevalsche Identität[151]

Residuensatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In manchen Fällen, besonders bei unendlichen Reihen über rationale Funktionen, kann der Residuensatz aus der Funktionentheorie verwendet werden. Ist eine meromorphe Funktion mit endlichen vielen, nicht ganzzahligen Polstellen , so gilt, falls zusätzlich mit und , die Formel

Ähnlich gilt[152]

Dabei bezeichnet den Kotangens und den Kosekans. Diese Aussage beinhaltet folgenden Spezialfall: Sind und Polynome, sodass und für alle , so folgt

Mit diesem Verfahren lässt sich zum Beispiel und zeigen.

Ist eine ganze Funktion, sodass es eine Folge gibt, sodass

,

dann gilt[153]

Wird durch ersetzt, gilt unter sonst gleichen Bedingungen[154]

Ungleichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ungleichungen für Reihen verwenden oft spezielle analytische Methoden, etwa aus der Fourier-Analysis.

Dreiecksungleichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gilt stets für reelle oder auch komplexe

Dies ist die Dreiecksungleichung für Reihen.[155] Sind die Zahlen reell, gilt Gleichheit genau dann, wenn sämtliche nicht-negativ oder nicht-positiv sind. Für allgemeine komplexe Zahlen gilt Gleichheit genau dann, wenn alle auf einer gleichen, bei startenden, Halbgeraden in der komplexen Ebene liegen (mit anderen Worten, dass alle dasselbe komplexe Argument haben). Dies ergibt sich mit aus der umgekehrten Dreiecksungleichung, siehe unten.

Allgemeiner gilt für Multireihen

Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Varianten solcher „Dreiecksungleichungen“ gefunden. Sind zum Beispiel positive Zahlen mit , so gilt stets[156]

Allgemeiner gilt für irgendwelche positiven Zahlen und sogar stets[157]

Auch umgekehrte Dreiecksungleichungen wurden gefunden. Ist und eine reelle Zahl, sodass für komplexen Zahlen stets ein und existiert mit , so gilt[158]

Diese Ungleichung verallgemeinert das Kriterium absoluter Konvergenz auf komplexe Zahlen: Liegen alle Summanden einer Reihe in einem gemeinsamen Winkelbereich, dessen Aufspannung weniger als (also 180 Grad) entspricht, konvergiert genau dann absolut, wenn die Folge der Absolutwerte der Partialsummen beschränkt ist. Zu beachten ist jedoch, dass dieses Kriterium und auch eine Ungleichung oberen Typs für den Fall reeller mit gemischten Vorzeichen im Allgemeinen nicht existiert, da , weshalb hier je nach Einzelfall andere Methoden zur Abschätzung gefunden werden müssen. Aus unter anderem diesem Grund sind Reihen mit reellen Gliedern gemischten Vorzeichens nicht nur besonders interessant, sondern gleichzeitig auch besonders schwierig.

Sind allgemein komplexe Zahlen, so existiert stets eine (von diesen Zahlen abhängige) Teilmenge , sodass[159]

Dabei bezeichnet die Kreiszahl.

Vergleich zum geometrischen Mittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für nicht-negative Zahlen gilt

Diese Ungleichung ist scharf in dem Sinne, dass Gleichheit genau dann gilt, falls . In allen anderen Fällen ist die linke Seite echt kleiner als die rechte.[160] Diese Ungleichung vergleicht arithmetisches und geometrisches Mittel.

Integralvergleich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist monoton fallend, so gilt[161]

Daraus folgt direkt das Integralkriterium, also dass unter obigen Voraussetzungen die Reihe genau dann konvergiert, falls existiert.[162]

Fehler- und Restgliedabschätzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alternierende Reihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist eine monoton fallende Nullfolge, so konvergiert nach dem Leibnizkriterium gegen einen Grenzwert und es gilt[163]

Ferner gilt stets .[164] Dies kann weitreichend verallgemeinert werden: Es gilt unter oberen Voraussetzungen

für alle .[165]

Abelsche Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei eine monoton fallende Nullfolge und eine Folge mit beschränkten Partialsummen, also

Dann konvergiert und es gilt für alle die Ungleichung[166][167]

.

Taylorreihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es können auch Restglieder in Taylorreihen abgeschätzt werden. Ist innerhalb einer offenen Menge der komplexen Zahlen, die die Kreisscheibe enthält, holomorph bzw. analytisch, so gilt für alle [168]

Damit folgt für die Restgliedabschätzung

.

Ist insbesondere hinreichend klein, etwa , so kann dies vereinfacht durch[168]

ausgedrückt werden, wobei die implizite Konstante von und , aber nicht von und abhängt.

Symmetrische Ungleichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Funktion auf einem Intervall gehört der Klasse an, falls für alle sowie die Ungleichung

erfüllt ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt für , , und beliebige positive die Ungleichung[169]

Eine direkte Folgerung ist im Falle von sowie :[170]

Besselsche Ungleichung und die Halasz-Montgomery-Ungleichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei ein -Vektorraum mit Skalarprodukt . Ist ein orthonormales System von Vektoren aus , so gilt

Dies ist die sog. Besselsche Ungleichung.[171] Diese lässt sich auf die Halasz-Montgomery-Ungleichungen verallgemeinern. Sind dieses Mal irgendwelche Elemente aus , so gelten[172]

Hausdorff-Young-Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei 1-periodisch, auf integrierbar mit assoziierter Fourierreihe . Sind und so gewählt, dass , so gilt die Hausdorff-Young-Ungleichung[173]

und ihre „Duale“

.

Cauchy-Schwarzsche Ungleichung und Höldersche Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für beliebige komplexe Zahlen gilt die folgende Ungleichung für Partialsummen[174]

Diese wird als Cauchy-Schwarzsche Ungleichung bezeichnet. Konvergieren beide Reihen für zur Rechten, kann auch auf die Konvergenz der linken Seite geschlossen werden, und es gilt die entsprechende Ungleichung für die Grenzwerte.[175][176][177] Eine unter Zusatzbedingungen verbesserte Version stammt von Nicolaas Govert de Bruijn:[178] Sind reell und komplex, dann gilt

.

Hat man allgemein mit , so gilt allgemeiner die Höldersche Ungleichung

Es kann aus der Konvergenz des rechten Ausdrucks auf die Konvergenz der linken Reihe rückgeschlossen werden.[179] Im Grenzfall entspricht dies

.

Die Hölder-Ungleichung lässt sich gewichten. Für positive gilt[180]

Minkowski-Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn ist und und beliebige komplexe Zahlen sind, so gilt bereits die Minkowski-Ungleichung[181]

Die Minkowski-Ungleichung lässt sich verallgemeinern: Ist stetig, streng monoton steigend und konvex mit sowie konvex für alle , so gilt für alle nicht-negativen und

Dabei ist die Umkehrfunktion von .[182]

Gutzmersche Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist eine in einer Umgebung von holomorphe Funktion mit Potenzreihe mit dem Konvergenzradius , dann gilt für jedes mit die Ungleichung

Die Ungleichung geht auf August Gutzmer aus dem Jahr 1888 zurück.[183]

Hilbert-Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist auf der abgeschlossenen Einheitskreis­scheibe holomorph, so gilt bereits die Hilbert-Ungleichung[184]

Der Faktor ist dabei optimal.[185] Dies kann auf allgemeinere diskrete Mengen ausgeweitet werden. Sind und

dann gelten[186]

Eine weitere Variante der Hilbert-Ungleichung betrifft stetige Funktionen . Es gilt[187]

Eine andere Variante betrifft bestimmte Exponentialreihen. Für komplexe und reelle Zahlen mit für alle gilt[188]

Van der Corputsche Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese ist eine Anwendung der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung. Für komplexe Zahlen sowie natürliche Zahlen gilt[189][190]

Dabei bezeichnet die komplexe Konjugation der Zahl .

Diese Aussage kann weiter verallgemeinert werden. Sei ein Fourier-Polynom

mit und für alle . Dann gilt[191]

Exponentialsummen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kusmin-Landau-Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei , sodass monoton für für gewählte ganzzahlige . Es gebe nun und sodass

für alle . Dann gilt[192]

In einer Variante bleibt die Gültigkeit dieser Ungleichung bestehen, wenn stetig differenzierbar ist mit monotoner Ableitungsfunktion , sodass .[193]

Der Satz von van der Corput[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei , und seien ganze mit gewählt. Es sei stets positiv oder stets negativ. Ist , so ist[194]

Ist überdies mit einem , so gilt

Sowohl die Kusmin-Landau-Ungleichung als auch der Satz von van der Corput besitzen höherdimensionale Verallgemeinerungen.[195]

Weyl-Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist ein reelles Polynom mit Grad , dessen Leitkoeffizient eine Approximation

mit und sowie einem fixierten hat, so gibt es für jedes eine Konstante mit[196]

Das große Sieb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es seien komplexe Zahlen, und eine reelle Zahl. Definiere die Exponentialsumme

Dann gilt für jedes die Abschätzung

Mit Hilfe dieser Integralungleichung können weitere Ungleichungen des folgenden Typs erhalten werden.[197] Ist eine Familie reeller Zahlen

wobei das eindeutige Element von in ist, gilt die Ungleichung (auch Das große Sieb genannt)[198]

Der Faktor kann in dieser Abschätzung nicht verbessert werden.[199] Aufgrund dieser Tatsache gilt die Ungleichung als scharf und sehr mächtig. Das große Sieb hat zahlreiche Anwendungen in der analytischen Zahlentheorie, siehe auch Siebtheorie.

Bohr-Ungleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1914 konnte Harald Bohr zeigen, dass falls die Potenzreihe in der Einheitskreisscheibe konvergiert und die holomorphe Funktion in erfüllt, bereits

gilt.[200] Dass sogar gilt und der größtmögliche Bohr-Radius ist, konnte unabhängig von Friedrich Wilhelm Wiener, Marcel Riesz und Issai Schur gezeigt werden.

Dualitätsprinzip[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Einträge einer -Matrix und eine reelle Zahl sind die folgenden Aussagen äquivalent:[201]

  • , für alle komplexen Zahlen ,
  • , für alle komplexen Zahlen ,
  • , für alle komplexen Zahlen .

Dies wird auch als Dualitätsprinzip bezeichnet.[202] Eine Folgerung dessen ist die Existenz einer von den abhängigen Konstanten , sodass für alle

wobei . Dabei steht für das Supremum.

Weitere Ungleichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Don Zagier zeigte die Ungleichung

mit positiven Zahlen , und .[203] Verwandt hierzu ist die für reelle Zahlen gültige Ungleichung

die 2003 auch eine Aufgabe in der Internationalen Mathematik-Olympiade war.[204]

Sind positive Zahlen und eine Permutation, so gilt[205]

Zudem gilt die Carleman-Ungleichung

mit der Eulerschen Zahl .

Spezielle Reihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Konvergenz und dem numerischen Wert einer Reihe ist auch der symbolische Wert einer Reihe von Bedeutung. Beispielsweise lassen sich so mathematische Konstanten darstellen und numerisch berechnen. Für wichtige Reihendarstellungen existieren zudem Tabellierungen in Reihentafeln.

Geometrische Reihe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konvergenz der geometrischen Reihe für

Es gilt für alle Werte und die Formel

Daraus ergibt sich für die geometrische Reihe[206]

Eine sehr weitreichende Verallgemeinerung der geometrischen Reihe sind die hypergeometrischen Reihen.

Harmonische Reihe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die harmonische Reihe

ist divergent. Dies ist ein Beispiel dafür, dass das Nullfolgenkriterium für Konvergenz nur notwendig, aber nicht hinreichend ist. Die Divergenz ist von „logarithmischer Geschwindigkeit“, dies sieht man zum Beispiel durch

Es wurde jedoch die Frage untersucht, was passiert, wenn man die harmonische Reihe „ausdünnt“, also systematisch Summanden weglässt. Man spricht dann von subharmonischen Reihen. Leonhard Euler zeigte, dass auch, wenn man sich nur auf die Menge der Primzahlen beschränkt, immer noch Divergenz vorliegt. Viggo Brun gelang zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Durchbruch, indem er zeigte, dass bei erneuter Einschränkung auf die Komponenten und von Primzahlzwillingen , die Reihe konvergent ist:[207]

Der Grenzwert dieser Reihe ist auch als Brunsche Konstante bekannt. Die Frage, ob Konvergenz nach Wegstreichen von Zahlen mit bestimmten Ziffern in ihrer Dezimalschreibweise vorliegt, ist Gegenstand der Kempner-Reihen. Es kann damit Konvergenz erreicht werden.

Darstellung mathematischer Konstanten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kreiszahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es wurden neben der Leibniz-Reihe

zahlreiche weitere, teils sehr schnell konvergente, Reihendarstellungen für die Kreiszahl gefunden. Von historischer Bedeutung ist etwa das Basler Problem, das nach dem Grenzwert der Reihe aller reziproken Quadratzahlen fragte. Leonhard Euler publizierte 1735 in seiner De Summis Serierum Reciprocarum die Lösung:

Euler konnte allgemein für sogar[208]

mit den Bernoulli-Zahlen zeigen. Der Fall ungerader Exponenten ist deutlich schwieriger, und es existieren hier keine geschlossenen Analoga. Allerdings konnte Matyáš Lerch im Jahr 1900 folgende Reihenidentität aufzeigen:[209]

Während all diese Reihen vergleichsweise langsam konvergieren, ist die 1914 von Srinivasa Ramanujan veröffentlichte, auf Untersuchungen von elliptischen Funktionen und Modulfunktionen basierende Gleichung zur Berechnung der Kreiszahl gut geeignet:[210][211]

Die Brüder David und Gregory Chudnovsky berechneten mit ihrer Hilfe 2 Milliarden Nachkommastellen von in den frühen neunziger Jahren.[212] Der davon inspirierte Chudnovsky-Algorithmus basiert auf der folgenden verwandten Reihendarstellung:[213]

1995 entdeckte Simon Plouffe zusammen mit Peter Borwein und David Harold Bailey die Bailey-Borwein-Plouffe-Formel:

Diese Reihe ermöglicht es, die -te Stelle einer binären, hexadezimalen oder einer zu einer beliebigen anderen Zweierpotenz als Basis gehörenden Darstellung von zu berechnen, ohne dass zuvor die vorherigen Ziffernstellen berechnet werden müssen.[214]

Eulersche Zahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Eulersche Zahl ist die Basis des natürlichen Logarithmus. Ihre bekannteste Reihendarstellung ergibt sich aus der Taylor-Entwicklung der natürlichen Exponentialfunktion:[215]

Aufgrund ihrer schnellen Konvergenz ist diese Reihe nicht nur zur Berechnung von Dezimalstellen der Eulerschen Zahl geeignet. Es kann mit ihrer Hilfe auch ein elementarer Beweis erbracht werden, dass eine irrationale Zahl ist.[216] Allerdings reicht die Konvergenzgeschwindigkeit bei Weitem nicht aus, die Transzendenz von nachzuweisen (im Gegensatz etwa zur Liouville-Zahl), und für den Beweis dieser Aussage sind speziellere Techniken vonnöten.[217]

Weitere Konstanten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für zahlreiche weitere mathematische Konstanten existieren diverse Reihendarstellungen. Zum Beispiel geht die Reihendarstellung

mit den zentralen Binomialkoeffizienten auf Isaac Newton zurück.[218]

Roger Apéry nutzte im Jahr 1979 die Reihe

um die Irrationalität von , der Apéry-Konstante, zu zeigen.[219] Es gilt hingegen auch

Reihen dieser Art werden auch als Apéry-Reihen bezeichnet.[220] In dem Wunsche, Apérys Beweismethode gegebenenfalls auch auf andere Zeta-Werte anwenden zu können, sind diese bis heute Gegenstand intensiver Forschung. Beiträge lieferten unter anderem Ablinger, Bailey, Borwein, Sun und Zucker.[221][222][223][224] Beim Versuch einer Verallgemeinerung stößt man natürlicherweise auf Verbindungen zu allgemeinen harmonischen Summen und multiplen Polylogarithmen. Doch trotz Formeln wie zum Beispiel[225]

steht der Durchbruch bis heute aus. In diesem Kontext ist auch die Reihe

mit dem natürlichen Logarithmus des Goldenen Schnittes bemerkenswert.[226]

Reihen mit rationalen Gliedern sind für die Euler-Mascheroni-Konstante vergleichsweise schwer zu finden. Ein berühmtes Beispiel ist eine von Giovanni Enrico Eugenio Vacca gegebene Reihe

aus dem Jahr 1910.[227] Es bedeutet die Gaußklammer.

Summenformeln und Transformationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Partielle Summation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sind die Glieder von Reihen, bzw. ihrer Partialsummen, von der Gestalt , so kann durch Umordnung „partiell summiert“ werden. Etwa gilt für und [228]

wobei .

Dies bezeichnet man auch als Abelsche partielle Summation. Bestätigen lässt sich dies durch sukzessives Ausmultiplizieren und Verrechnen der Terme. Trotz ihrer Einfachheit erweist sich die partielle Summation als sehr hilfreich in vielen Situationen. Sie kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn die Zahlen „schwanken“ (etwa ständige Vorzeichenwechsel), womit deren Summen verhältnismäßig klein sind, während die Zahlen sukzessive kleiner werden, da dann die Differenzen eventuell viel schneller gegen Null streben als die selbst. Zum Beispiel ist sie dazu geeignet, die Existenz einer Abszisse bedingter Konvergenz für Dirichletreihen zu zeigen.

Eine Variante der partiellen Summation ist die Identität[229]

Eine weitere Variante betrifft den Fall, dass mit einem auf dem Intervall stetig differenzierbaren . Dann gilt mit [230]

Diese Transformation ist dann hilfreich, wenn durch „Schwankungen“ der Summanden verhältnismäßig klein ist, während „schnell“ gegen Null geht. Ein Beispiel ist , dessen Ableitung für sogar quadratisch gegen Null strebt.

Integralvergleich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist eine reellwertige, monotone Funktion auf dem Intervall mit ganzen , so existiert eine Konstante , sodass[231]

Euler-Maclaurin-Formel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Möglichkeit, eine Reihe auszuwerten oder anzunähern, bietet die Euler-Maclaurin-Summenformel. Diese drückt Summen explizit in der Sprache der Integralrechnung aus und ist allgemein gegeben durch:

Hierbei ist eine auf dem Intervall mindestens -mal differenzierbare Funktion und eine natürliche Zahl. Es bezeichnen zudem die Bernoulli-Zahlen, die Bernoulli-Polynome und den ganzzahligen Anteil von .[232] Die ersten Formen haben die Gestalt:

wobei abkürzend .

Eine Anwendung dieser Summenformel ist die effiziente Berechnung der Partialsummen konvergenter oder auch divergenter Reihen. Ein Beispiel ist die harmonische Reihe:

mit der Euler-Mascheroni-Konstanten und einer beschränkten Folge .[233] Zum Beispiel ist

und

Abel-Plana-Summenformel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnlichkeit zur Euler-Maclaurin-Summenformel hat die Abel-Plana-Summenformel. Sei holomorph für mit und . Man nehme an, dass

gleichmäßig für . Dann gilt[234]

Die Poissonsche Summationsformel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klassisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gelten für geeignete Wachstumsbedingungen, ist es zum Beispiel eine Schwartz-Funktion, so gilt ferner die Poissonsche Summenformel:

Diese ermöglicht es, eine Reihe über Funktionswerte an ganzen Stellen in jene bezüglich der Fourier-Transformierten

umzuwandeln, und umgekehrt.[235] Benutzt wird diese Summenformel unter anderem beim Nachweis der Transformationsformel für die Jacobische Theta-Reihe.

Verwandt dazu ist der folgende Satz. Ist mit , und eine stetige Funktion mit endlicher Variation auf , die über integrierbar ist, so gilt für[236]

bereits

Verallgemeinerungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Poisson’sche Summationsformel kann sehr weitreichend verallgemeinert werden. Zu Grunde liegen Folgen , die besondere Eigenschaften mitbringen müssen:

  1. Die zugehörige Dirichlet-Reihe konvergiert für alle mit , besitzt eine holomorphe Fortsetzung nach und hat einen Pol der Ordnung in .
  2. Die Komplettierung erfüllt eine Funktionalgleichung , wobei eine andere – zu „duale“ – Folge ist und eine komplexe Zahl mit . Es ist zudem für positive (mit der Gammafunktion ) ein sog. „Gammafaktor“, und für wird all dies analog definiert (mit Gammafaktor etc.).

Gelten dann alle Notationen wie oben, und setzt man für

und

so gilt

vorausgesetzt, alle Ausdrücke konvergieren. Es bezeichnet dabei das Residuum an der Stelle .

Beispiele für diesen Formalismus sind:

Ist , so gilt mit der Riemannschen Zeta-Funktion. Setzt man , ist diese wegen ihrer Funktionalgleichung selbst-dual. Es gilt ferner

aber gleichzeitig auch

mit dem Eulerschen Ergänzungssatz sowie der Duplikationsformel für die Gammafunktion. Damit ergibt sich und für gerade Funktionen

was eine Variante der Poisson’schen Summationsformel ist.[237]

Van der Corputsche Summenformel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei vorgegeben. Dann gibt es eine Konstante mit folgender Eigenschaft: Für seien und stetig differenzierbare Funktionen. Es seien , und monoton fallend. Dann gilt[238]

mit der Restgliedabschätzung

Perronsche Formel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Perronsche Formel behandelt Folgen , die höchstens polynomiell anwachsen. Sie stellt eine Verbindung der Partialsummen zu der Dirichlet-erzeugenden Funktion über Kurvenintegrale her.

Es sei eine Dirichlet-Reihe, die irgendwo konvergiert, ihre Konvergenzabszisse. Für jedes definiert man die summatorische Funktion

wobei für alle nicht-natürlichen einfach 0 ist. Dann gilt für die Formel

wobei das Integral im Falle von bedingt konvergiert und für im Sinne des Cauchyschen Hauptwertes existiert.[239]

Mellintransformation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Srinivasa Ramanujan, der für seine starke analytische Intuition bekannt ist, machte laut Godfrey Harold Hardy „intensiven Gebrauch“ von der Formel[240]

Eine äquivalente Form ist

Dabei bezeichnet die Gammafunktion. Diese Identitäten sind jedoch nur formal zu verstehen, und Konvergenz liegt nur unter bestimmten Voraussetzungen vor. Hardy gab schließlich strenge Kriterien:[241] Es sei und , wobei fest gewählt ist. Man nehme an, dass holomorph im Bereich ist, und es Konstanten und gibt mit

für alle . Für und definiere man

Im Fall gilt die Reihendarstellung

Dann gilt für

Allgemeiner ist die Mellintransformation in der Lage, Potenzreihen in Dirichletreihen überzuführen.[242]

Möbiussche Umkehrformel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sind und reell- oder komplexwertige Funktionen auf , und ist

(für alle ),

so lässt sich aus „rekonstruieren“ durch[243]

(für alle ).

Dabei bezeichnet die Möbiusfunktion aus der Zahlentheorie. Die Summationsschranken können unter der Fortsetzung von und auf via für alle weggelassen werden. In diesem Fall folgt aus stets .

Eine Variante dieser Umkehrformel betrifft Dirichletreihen. Es gilt

(für alle ) (für alle )

für alle , sodass beide Reihen für alle absolut konvergieren.

Reihentransformationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es zeigte Sarvadaman Chowla eine Identität zwischen Reihen periodischer Funktionen. Ist eine Folge mit , so gilt für fast alle reellen (also alle bis auf Nullmenge)

wobei mit .[244] Es bedeutet die Gaußklammer. Ein Spezialfall dieser Identität ist, mit und für alle ,

In manchen Fällen kann Konvergenz beschleunigt werden. Dazu kann die Reihe in eine andere transformiert werden. Ein Beispiel ist die Eulersche Reihentransformation. Ist

eine beliebige konvergente Reihe, so ist stets[245]

Eine Anwendung ist[246]

Asymptotische Analysis und Taubersätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Asymptotik von Reihen mit holomorphen Gliedern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In manchen Anwendungen ist es vonnöten, Reihen der Gestalt für (in einem Winkelbereich) zu verstehen. Erfüllt gewisse Eigenschaften, darunter Holomorphie, kann dies bewerkstelligt werden. Im Folgenden sei stets mit einem .

Es sei nun eine Funktion, die in einer Umgebung von holomorph ist, insbesondere im Ursprung. Ferner gebe es für jedes ein , sodass wenn in . Dann gilt für alle und :

gleichmäßig, sofern in .[247] Dabei bezeichnen die Bernoulli-Polynome und das Landau-Symbol (die Konstante hängt nur von der Wahl von ab). Die Aussage lässt sich sogar auf den Fall verallgemeinern, dass einen einfachen Pol im Ursprung mit Residuum hat. Gelten sonst alle Voraussetzungen wie oben, so gilt in dieser Situation für

gleichmäßig, sofern in .[248]

Taubersatz von Wiener-Ikahara[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Satz von Wiener-Ikahara trifft manchmal Aussagen über Summen , wenn die Reihe gewisse Eigenschaften hat. Im Jahre 1954 konnte Delange den Satz von Wiener-Ikehara deutlich verallgemeinern, nämlich auf Singularitäten gemischten Typs.[249] Es sei eine Dirichlet-Reihe mit nicht-negativen Koeffizienten, die auf einer Halbebene konvergiert. Man nehme an, lasse sich mit Ausnahme des Punktes holomorph auf die gesamte Gerade fortsetzen und dass es sich in einer kleinen Umgebung um in der Form

schreiben lässt, wobei eine reelle Zahl und die Funktionen und holomorph sind mit . Dann gilt: Ist keine negative ganze Zahl, so folgt

und ist es eine negative ganze Zahl und :

Dabei bedeutet das Symbol , dass beide Seiten für wachsende Werte asymptotisch gleich schnell anwachsen, ihr Quotient also für gegen 1 strebt.

Weitere Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unendliche Produkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein unendliches Produkt wird, analog zur unendlichen Reihe, als Folge der Partialprodukte

definiert. Allerdings ist der Konvergenzbegriff für unendliche Produkte subtiler; es ist als Grenzwert nur zugelassen, falls ab einem gewissen die Partialprodukte für gegen einen Grenzwert konvergieren. Durch Logarithmusbildung bzw. Exponenzierung besteht ein Zusammenhang zwischen unendlichen Produkten und Reihen. So ist ein unendliches Produkt

genau dann absolut konvergent (bzw. unbedingt konvergent, der Grenzwert hängt also nicht von der Reihenfolge der Faktoren ab), falls die Reihe absolut konvergiert.[250][251] konvergiert, falls und konvergieren. Andererseits kann besagtes Produkt unter Umständen bedingt konvergieren, selbst wenn und beide divergieren.[252]

Wahrscheinlichkeitstheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Wahrscheinlichkeitstheorie sind unendliche Reihen unter anderem im Kontext mit stochastischen Prozessen von Bedeutung. Ein Resultat in dieser Richtung ist etwa der kolmogoroffsche Dreireihensatz.[253] Das asymptotische Verhalten der Partialsummen der unendlichen Reihe mit gewissen identisch verteilten Zufallsvariablen ist Gegenstand des Gesetzes der großen Zahlen[254] und des zentralen Grenzwertsatzes.[255] Allerdings tauchen sie bereits bei der Axiomatisierung der Wahrscheinlichkeitstheorie durch Kolmogoroff auf: Darin wird verlangt, dass ein Wahrscheinlichkeitsmaß für eine abzählbare Folge von disjunkten Ereignissen eines Wahrscheinlichkeitsraums stets

erfüllen muss. Die Reihe zur Rechten ist dabei stets absolut konvergent mit einem Grenzwert in , da das Maß nicht-negativ und monoton ist und zudem verlangt wird.[256] Eine Verallgemeinerung auf Ebene endlicher Vereinigungen ist die Inklusions-/Exklusionsformel, die für beliebige Ereignisse gilt:[257]

In Kontexten der probabilistischen Zahlentheorie untersuchte unter anderem Emmanuel Kowalski Zufallsreihen.[258]

Finanzmathematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Annuitätendarlehen sind das gängigste Modell zur Finanzierung privater Immobilien. Zwischen Kreditgeber und -nehmer werden ein Zinssatz, eine monatlich zu zahlende Rate und eine Laufzeit vereinbart. Am Ende der Laufzeit bleibt eine Restschuld, für die dann ein neuer Kreditvertrag abgeschlossen wird, wobei die Zinsrate an die aktuelle Geldmarktsituation angepasst wird. Um das Risiko zu kennen, ist es ergo für jeden Hausbauer wichtig, die Restschuld zu bestimmen.[259]

Es bezeichnen die Kreditsumme, die monatliche Rate und die jährliche Zinsrate. Die nach Monaten noch verbleibende Restschuld sei . Die im -ten Monat zu entrichtenden Zinsen werden im Bankwesen zu bestimmt. Die folgen mit der Rekursion

Unter Betrachtung der erzeugenden Funktion der kann unter Ausnutzung dieser Rekursion

gezeigt werden, und durch einige Umformungen erhält man

Durch Koeffizientenvergleich erhält man damit die geschlossene Formel[259]

Zahlentheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reihen haben auch bedeutende Anwendung in der analytischen Zahlentheorie. So kann es in vielen Fällen helfen, einer zu untersuchenden zahlentheoretischen Funktion die erzeugenden Funktionen

oder

zuzuordnen. Mit Hilfe von Tauber-Sätzen,[260] Integraltransformationen (wie der Perronschen Formel)[261] oder der Kreismethode[262] können dann gegebenenfalls detaillierte Aussagen über das langfristige Verhalten der getroffen werden. Handelt es sich bei sogar (im Wesentlichen) um eine Modulform, kann in bestimmten Fällen eine exakte Formel in Form einer unendlichen Reihe für die hergeleitet werden. Dies ist etwa bei der Partitionsfunktion der Fall:[263]

wobei die Bessel-Funktion und eine sog. Kloosterman-Summe bezeichnet.

Auch bei Dichteresultaten, etwa im Umfeld der Duffin-Schaeffer-Vermutung oder des Satzes von Green-Tao, spielen unendliche Reihen eine zentrale Rolle. Die Duffin-Schaeffer-Vermutung besagt, dass für jede Funktion die Ungleichung

für fast alle (im Sinne des Lebesgue-Maßes) für unendlich viele teilerfremde lösbar ist, genau dann, wenn[264]

Dabei ist die Eulersche Phi-Funktion. Gilt hingegen , so ist die entsprechende Ungleichung fast sicher nicht unendlich oft erfüllt.[265] Aus probabilistischer Sicht handelt es sich um ein Null-Eins-Gesetz. Während diese letzte Richtung über Argumente des Borel-Cantelli-Lemmas recht schnell ersichtlich ist, galt die andere Richtung, also aus der Reihendivergenz die fast sichere unendlich frequentierte Lösbarkeit zu folgern, lange als extrem schwieriges zahlentheoretisches Problem. Ein vollständiger Beweis der Vermutung konnte erst 2019 durch Dimitris Koukoulopoulos und James Maynard erbracht werden. Eine Abschwächung der Vermutung war bereits als Satz von Chintschin bekannt, wobei die Beweise hier vergleichsweise elementar sind.[266] Darüber hinaus „messen“ Reihen in gewisser Weise „ab“, wie dicht gewisse arithmetische Objekte, etwa Primzahlen, in anderen Objekten verteilt sind. Verwandt zum Satz von Green-Tao, der besagt, dass die Folge der Primzahlen beliebig lange arithmetische Progressionen enthält, ist eine Vermutung von Paul Erdős. Sie sagt aus, dass eine Folge natürlicher Zahlen mit der Eigenschaft

bereits beliebig lange arithmetische Progressionen enthalten muss. Diese weit offene Vermutung würde zusammen mit dem Satz von Euler, , den Satz von Green-Tao implizieren.[267]

Bereits der im 19. Jahrhundert bewiesene Dirichletsche Primzahlsatz kann über die Divergenz bestimmter unendlicher Reihen formuliert werden. Dirichlet konnte nachweisen, dass für teilerfremde und [268]

und verifizierte sogar das noch stärkere Resultat

für zu teilerfremde und .[269] Trivialerweise implizieren diese Resultate die Aussage, dass es unendlich viele Primzahlen in der entsprechenden arithmetischen Progression gibt, wobei letzteres Resultat sogar auf eine Form der „Gleichverteilung“ hinweist.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aus Gründen der Einfachheit wird davon ausgegangen, dass sowohl Achilles als auch die Schildkröte mit konstanter Geschwindigkeit laufen.
  2. In manchen Anwendungen ist es zweckmäßig, den Summenindex bei anderen Werten wie zum Beispiel beginnen zu lassen.
  3. Die (lokale) Integrierbarkeit von folgt hier bereits mit der geforderten Monotonie.

Literatur (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis III. Zweite Auflage, Birkhäuser, Basel 2008, ISBN 978-3-7643-8883-6.
  • Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-64388-4.
  • Edwin F. Beckenbach, Richard Bellmann: Inequalities. Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete, Band 30, Second Revised Printing, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1965.
  • Ludmila Bourchtein, Andrei Bourchtein: Theory of Infinite Sequences and Series. Birkhäuser, Cham 2022, ISBN 978-3-030-79430-9.
  • Jörg Brüdern: Einführung in die analytische Zahlentheorie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 1995, ISBN 3-540-58821-3.
  • Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s (= Sources and Studies in the History of Mathematics and Physical Sciences.). Springer, New York (NY) 2008, ISBN 978-0-387-73467-5.
  • Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. Springer-Verlag, 1993/ 4., korrigierte und erweiterte Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2006, ISBN 3-540-31764-3.
  • Izrail Solomonovic Gradshteyn, Iosif Mojseevic Ryzhik: Table of Integrals, Series and Products. Herausgegeben von Alan Jeffrey und Daniel Zwillinger. 7. Ausgabe. Elsevier Academic Press, Amsterdam u. a. 2007, ISBN 978-0-12-373637-6.
  • Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Springer-Verlag, Berlin u. a. 1996, ISBN 3-540-59111-7 (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen 2).
  • Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments (= Grundlehren der mathematischen Wissenschaften.). Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 2004, ISBN 3-540-21058-X.
  • D. Mitrinovic: Analytic inequalities. Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften Band 165, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1970, ISBN 978-3-642-99972-7.
  • Anil Nerode, Noam Greenberg: Algebraic Curves and Riemann Surfaces for Undergraduates. Springer-Verlag, Switzerland 2022, ISBN 978-3-031-11615-5.
  • Marius Overholt: A Course in Analytic Number Theory. (= Graduate Studies in Mathematics. Band 160). American Mathematical Society, Providence (R.I.) 2014, ISBN 978-1-4704-1706-2.
  • Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 1 (= Springer-Lehrbuch.). 5., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2002, ISBN 3-540-41855-5.
  • Thomas Sonar: 3000 Jahre Analysis. Geschichte – Kulturen – Menschen. 2. Auflage. Springer, Berlin 2016, ISBN 978-3-662-48917-8.
  • Terence Tao: Analysis I (= Text and Readings in Mathematics.). Third Edition, Hindustan Book Agency, New Delhi 2006, ISBN 81-85931-62-3.
  • Terence Tao: Analysis II (= Texts and readings in mathematics.). Hindustan Book Agency, New Delhi 2006, ISBN 81-85931-62-3.
  • K. Zeller, W. Beekmann: Theorie der Limitierungsverfahren (= Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete. Band 15). Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1970.
  • Tian-Xiao He: Methods for the Summation of Series. Chapman & Hall (CRC Press), Boca Raton / London / New York 2022, ISBN 978-0-367-50797-8, doi:10.1201/9781003051305.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikibooks: Mathe für Nicht-Freaks: Reihe – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 180–181.
  2. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 181.
  3. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 301.
  4. Richard Isaac: The Pleasures of Probability. Springer Verlag New York, 1995, S. 44–46.
  5. Vgl. William Feller: An Introduction to Probability Theory and its Applications. Wiley, 3rd Edition, New York / London / Sydney, 1968, S. 265–266.
  6. Summenfolge. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.
  7. Wolfgang Stegmüller: Neue Betrachtungen über Aufgaben und Ziele der Wissenschaftstheorie. Wahrscheinlichkeit – Theoretische Begriffe – Induktion. Das ABC der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-61952-6, S. 147 (google.com [abgerufen am 5. März 2024]).
  8. Hubert Weber, Helmut Ulrich: Laplace-Transformation: Grundlagen – Fourierreihen und Fourierintegral – Anwendungen. 8. Auflage. Teubner, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-8351-0140-1, S. 92 (google.com [abgerufen am 5. März 2024]).
  9. Reihe. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.
  10. a b Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 1 (= Grundstudium Mathematik.). 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 2006, ISBN 3-7643-7756-9, S. 195.
  11. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 244.
  12. Otto Forster: Analysis. Band 1: Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen. 8., verbesserte Auflage, Springer Spektrum, Wiesbaden 2006, ISBN 3-528-67224-2, S. 37.
  13. a b Terence Tao: Analysis 1. 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 167.
  14. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 143–144.
  15. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 308.
  16. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 309.
  17. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 1. 3. Auflage, Basel 2006, S. 208.
  18. Ilja Nikolaevic Bronstejn, Konstantin Adolfovic Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6., vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage, Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8171-2006-0, S. 426.
  19. Anil Nerode, Noam Greenberg: Algebraic Curves and Riemann Surfaces for Undergraduates. Switzerland 2022, S. 292.
  20. Thomas William Körner: Fourier Analysis. Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S. 231.
  21. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 1.
  22. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 3.
  23. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 7–8.
  24. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 9.
  25. Euler: De summis serierum reciprocarum. In: Opera Omnia. Reihe I, Band 14, S. 73–86, in der Standard-Notation der Werke von Euler von Eneström ist das E 41, zuerst erschienen in Novi commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae. (Comm. Acad. Petrop.) Ausgabe 7 (1734/35), St. Petersburg 1740, S. 123–134. Die Arbeit wurde im Dezember 1735 der Akademie vorgelegt.
  26. Thomas Sonar: 3000 Jahre Analysis. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17203-8, S. 383–385 (doi:10.1007/978-3-642-17204-5).
  27. Thomas Sonar: 3000 Jahre Analysis. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2011, S. 377.
  28. Thomas Sonar: 3000 Jahre Analysis. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2011, S. 377–378.
  29. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 25.
  30. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 26.
  31. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 27–28.
  32. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 87.
  33. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 137.
  34. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 141.
  35. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 146.
  36. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 147.
  37. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 153.
  38. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 151.
  39. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 155.
  40. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 159.
  41. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 195.
  42. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 193.
  43. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 171.
  44. Lokenath Debnath: The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute. Imperial College Press, Singapore 2010, ISBN 978-1-84816-525-0, S. 217.
  45. Lokenath Debnath: The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute. Singapore 2010, S. 202.
  46. Karl Zeller, Wolfgang Beekmann: Theorie der Limitierungsverfahren (= Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete. 2. Folge). Reprint der 2. Auflage von 1970, Springer-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-642-88471-9, S. 3.
  47. Lokenath Debnath: The legacy of Leonhard Euler: A Tricentennial Tribute. Singapore 2010, S. 209–210.
  48. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 233.
  49. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 231.
  50. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 290.
  51. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 311.
  52. Giovanni Ferraro: The Rise and Development of the Theory of Series up to the Early 1820s. New York (NY) 2008, S. 347.
  53. a b Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 1. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2002, S. 3.
  54. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 458.
  55. Harold Mortimer Edwards: Riemann’s Zeta Function. Academic Press, New York 1974, ISBN 0-12-232750-0, S. 9.
  56. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 328.
  57. Elias Stein, Rami Shakarchi: Complex analysis (= Princeton lectures in analysis.). Princeton University Press, Princeton (NJ) 2003, ISBN 0-691-11385-8, S. 113.
  58. K. Zeller, W. Beekmann: Theorie der Limitierungsverfahren. Berlin 2014, S. 3–4.
  59. K. Zeller, W. Beekmann: Theorie der Limitierungsverfahren. Berlin 2014, S. 4 ff.
  60. Srinivasa Ramanujan Aiyangar, Bruce C. Berndt: Ramanujan’s Notebooks Part I. E-Book, Springer Science+Business Media, New York 1985, ISBN 1-4612-1088-7, S. 133.
  61. Bruce C. Berndt: Ramanujan’s Notebooks Part II. E-Book, Springer-Verlag, New York 1989, ISBN 1-4612-4530-3, S. 248.
  62. Bruce C. Berndt: Ramanujan’s Notebooks Part II. New York 1989, S. 253.
  63. Bruce C. Berndt: Ramanujan’s Notebooks Part II. New York 1989, S. 240.
  64. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 1 ff.
  65. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York, S. 133–134.
  66. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 1.
  67. Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow: Une série de Fourier–Lebesgue divergente presque partout. In: Fundamenta Mathematicae. 1923, Band 4, Nr. 1, S. 324–328, ISSN 0016-2736, hier S. 32.
  68. Lennart Carleson: On convergence and growth of partial sums of Fourier series. In: Acta Mathematica. Band 116, 1966, S. 135–157.
  69. Eberhard Freitag: Funktionentheorie 2. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2009, S. 311.
  70. E. Freitag: Funktionentheorie 2. Berlin/Heidelberg 2009, S. 326 ff.
  71. Edmond D. Cashwell, C. J. Everett: The ring of number-theoretic functions. In: Pacific Journal of Mathematics. 1959, Band 9, Nr. 4, S. 975–985 (doi:10.2140/pjm.1959.9.975).
  72. Krishnaswami Alladi: Ramanujan’s Place in the World of Mathematics: Essays Providing a Comparative Study. Springer-Verlag, New Delhi 2013, S. 122 (eingeschränkte Buchvorschau auf google-books, abgerufen am 5. März 2024).
  73. George E. Andrews: The Theory of Partitions (= Encyclopedia of mathematics and its applications.). Cambridge University Press, Cambridge 1984, ISBN 0-521-30222-6, S. 16 ff.
  74. Lokenath Debnath: The legacy of Leonhard Euler. A Tricentennial Tribute. Imperial College Press, S. xvii.
  75. Władysław Narkiewicz: The Development in Prime Number Theory: from Euclid to Hardy and Littlewood (= Springer Monographs in Mathematics.). Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2000, ISBN 3-540-66289-8, S. 158.
  76. Marius Overholt: A Course in Analytic Number Theory. (= Graduate Studies in Mathematics. Band 160). American Mathematical Society, Providence (R.I.) 2014, ISBN 978-1-4704-1706-2, S. 52.
  77. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 135–136.
  78. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 262.
  79. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 330.
  80. Edwin F. Beckenbach, Richard Bellmann: Inequalities. Berlin / Heidelberg / New York 1965, S. 117.
  81. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 148.
  82. a b Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 134.
  83. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 139.
  84. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 263.
  85. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 430.
  86. Terence Tao: Analysis II. Texts and Readings in Mathematics, Hindustan Book Agency, S. 53.
  87. Terence Tao: Analysis II. New Delhi 2006, S. 54.
  88. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 432.
  89. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis III. Zweite Auflage, Basel 2008, S. 110.
  90. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis III. Zweite Auflage, Basel 2008, S. 104.
  91. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 101.
  92. Terence Tao: Analysis II. New Delhi 2006, S. 101.
  93. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 151 ff.
  94. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 435.
  95. Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 1. 5. Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 2002, S. 189.
  96. Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 1. 5. Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg 2002, S. 190.
  97. E. Stein, R. Shakarchi: Complex analysis. Princeton (NJ) 2003, S. 34.
  98. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 439.
  99. Thomas William Körner: Fourier Analysis. Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-25120-6, S. 33.
  100. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 299.
  101. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 149.
  102. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 148.
  103. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 335.
  104. Dimitris Koukoulopoulos: The Distribution of Prime Numbers. In: Graduate studies in mathematics. Band 203. American Mathematical Society, Providence (RI) 2020, ISBN 978-1-4704-4754-0, S. 57.
  105. George Pólya, Gábor Szegö: Aufgaben und Lehrsätze aus der Analysis. Band 1: Reihen – Integralrechnung – Funktionentheorie (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften. Band 19). 3., berichtigte Auflage, Springer-Verlag, Berlin 1964, S. 116–117.
  106. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 268.
  107. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 257.
  108. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 271–272.
  109. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 322.
  110. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 125.
  111. Serge Lang: Undergraduate Analysis (= Undergraduate texts in mathematics.). 2. Edition, Springer-Verlag, New York 1997, ISBN 0-387-94841-4, S. 209.
  112. Terence Tao: Analysis 1. 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 181.
  113. Terence Tao: Analysis 1. 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 179.
  114. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 1. 3. Auflage, Basel 2006, S. 223.
  115. a b c Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 324.
  116. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 297.
  117. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 412.
  118. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 1. 3. Auflage, Basel 2006, S. 198.
  119. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 125.
  120. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 276.
  121. Serge Lang: Undergraduate Analysis. 2. Edition, New York 1997, S. 210.
  122. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 325.
  123. Terence Tao: Analysis 1. 3. Ausgabe, New Delhi 2006, S. 172.
  124. P. D. T. A. Elliott: Probabilistic Number Theory I (= Grundlehren der mathematischen Wissenschaften. Band 239). Springer, S. 333–334.
  125. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 10.
  126. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 14.
  127. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 54.
  128. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 192.
  129. Hugh L. Montgomery, Robert C. Vaughan: Multiplicative Number Theory I. Classical Theory (= Cambridge studies in advanced mathematics.). Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 978-1-107-40582-0, S. 161.
  130. Gérald Tenenbaum: Introduction to analytic and probabilistic number theory. AMS, 1990, S. 357.
  131. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 172.
  132. Gerald Tenenbaum: Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory (= Graduate Studies in Mathematics. Band 163). 3. Edition, American Mathematical Society, Providence (RI) 2015, ISBN 978-0-8218-9854-3, S. 343.
  133. Gerald Tenenbaum: Introduction to Analytic and Probabilistic Number Theory (= Graduate Studies in Mathematics. Band 163). 3. Edition, American Mathematical Society, Providence (RI) 2015, ISBN 978-0-8218-9854-3, S. 344.
  134. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 4.
  135. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 11.
  136. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 148.
  137. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 153.
  138. Jacob Korevaar: Tauberian Theory. A century of developments. Berlin / Heidelberg / New York 2004, S. 133–134.
  139. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 241.
  140. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 242.
  141. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 243.
  142. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 244.
  143. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 220.
  144. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 218–219.
  145. Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen. 6. Auflage, Berlin u. a. 1996, S. 256–257.
  146. Tsuneo Arakawa, Tomoyoshi Ibukiyama, Masanobu Kankeo: Bernoulli Numbers and Zeta Functions. Springer Monographs in Mathematics, Springer Japan, 2014, S. 28–29.
  147. Jörg Arndt, Christoph Haenel: Pi. Algorithmen, Computer, Arithmetik. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2000, ISBN 978-3-540-66258-7, S. 69–70.
  148. David H. Bailey, Peter B. Borwein, Simon Plouffe: On the Rapid Computation of Various Polylogarithmic Constants. In: Mathematics of Computation. Band 66, Nr. 218, 1997, S. 903–913.
  149. James D. Harper: Another simple proof of . In: American Mathematical Monthly. Band 110, Nr. 6, 2003, S. 540–541.
  150. E. Stein, R. Shakarchi: Complex analysis. Princeton (NJ) 2003, S. 36.
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  152. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage, Berlin 2006, S. 188.
  153. Bruce C. Berndt: Ramanujan’s Notebooks Part I. New York 1985, S. 96.
  154. Bruce C. Berndt: Ramanujan’s Notebooks Part I. New York 1985, S. 97.
  155. Tilo Arens, Frank Hettich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelhorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage, Berlin/Heidelberg 2022, S. 260.
  156. Dragoslav S. Mitrinovic, Josip E. Pečarić, Arlington M. Fink: Classical and new inequalities in analysis. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1993, ISBN 0-7923-2064-6, S. 499.
  157. Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: Classical and New Inequalities in Analysis. Dordrecht 1993, S. 500.
  158. Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: Classical and New Inequalities in Analysis. Dordrecht 1993, S. 492.
  159. Dragoslav S. Mitrinovic, J. Pecaric, A. M. Fink: Classical and New Inequalities in Analysis. Dordrecht 1993, S. 506.
  160. Edwin F. Beckenbach, Richard Bellmann: Inequalities. Berlin / Heidelberg / New York 1965, S. 4.
  161. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 2 (= Grundstudium Mathematik.). 2., korrigierte Auflage, Basel 2006, ISBN 3-7643-7105-6, S. 96.
  162. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 2. 2., korrigierte Auflage, Basel 2006, S. 95–96.
  163. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis 1. 3. Auflage, Basel 2006, S. 199.
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