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„Lateranverträge“ – Versionsunterschied

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Die '''Lateranverträge''' vom 11. Februar 1929, abgeschlossen zwischen dem [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]] (vertreten durch [[Kardinalstaatssekretär]] [[Pietro Gasparri]]) und dem damaligen [[Königreich Italien (1861–1946)|Königreich Italien]] (vertreten durch den [[Italienischer Faschismus|faschistischen]] Ministerpräsidenten [[Benito Mussolini]]), klärten endgültig die so genannte ''[[Römische Frage]]'', den Status der Vatikanstadt nach der Auflösung des [[Kirchenstaat]]s 1870. Im Wesentlichen erkennt der [[Papst]] in den Lateranverträgen die Stadt [[Rom]] als Sitz der italienischen Regierung an, während der italienische Staat die politische und territoriale Souveränität des [[Vatikanstadt|Vatikans]] garantiert. Der Name der Verträge leitet sich vom Ort der Unterzeichnung, dem [[Lateran]]palast, ab.
[[Datei:Benito Mussolini (primo piano).jpg|mini|Ministerpräsident [[Benito Mussolini]], Vertreter des [[Königreich Italien (1861–1946)|Königreichs Italien]]]]

Die '''Lateranverträge''' vom 11. Februar 1929, abgeschlossen zwischen dem [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]] (vertreten durch [[Kardinalstaatssekretär]] [[Pietro Gasparri]]) und dem damaligen [[Königreich Italien (1861–1946)|Königreich Italien]] (vertreten durch den [[Italienischer Faschismus|faschistischen]] Ministerpräsidenten [[Benito Mussolini]]), klärten endgültig die sogenannte ''[[Römische Frage]]'', den Status der Vatikanstadt nach der Auflösung des [[Kirchenstaat]]s 1870. Im Wesentlichen erkennt der [[Papst]] in den Lateranverträgen die Stadt [[Rom]] als Sitz der italienischen Regierung an, während der italienische Staat die politische und territoriale Souveränität des [[Vatikanstadt|Vatikans]] garantiert. Der Name der Verträge leitet sich vom Ort der Unterzeichnung, dem [[Lateran]]palast, ab.
== Vorgeschichte ==
== Vorgeschichte ==
Nach der Besetzung [[Rom]]s durch die italienische Unabhängigkeitsbewegung (vgl. [[Risorgimento]]) am 20. September 1870 wurde unter anderem der [[Kirchenstaat]] aufgelöst, um den italienischen Nationalstaat zu schaffen. Die kirchliche Verwaltung konzentrierte sich ab diesem Zeitpunkt auf die [[Vatikanstadt]], wo de facto die Souveränität des [[Papst]]es weiter bestand, ohne dass sie rechtlich abgesichert gewesen wäre. Die vom italienischen König [[Viktor Emanuel II.|Vittorio Emanuele II.]] angebotenen begrenzten Souveränitätsrechte lehnte Papst [[Pius IX.]] im Mai 1871 ab. Pius und seine Nachfolger waren in ihrem Aktionsradius auf die unmittelbare, von Festungsanlagen umgebene Vatikanstadt begrenzt, was unter anderem auch von der katholischen Propaganda immer wieder thematisiert wurde. Rein rechtlich gesehen war der Papst – und mit ihm die gesamte [[Römische Kurie|Kurie]]&nbsp;– vor Abschluss der Verträge ein normaler Bürger Italiens, dem Italien durch das [[Gesetz der Garantien]] einseitig bestimmte Vorrechte gewährt hatte. Auch der Status der päpstlichen [[Apostolischer Nuntius|Nuntien]] im Ausland war ungeklärt. Zudem stellte sich die Frage, ob der Vatikan weiterhin Verträge (insbesondere [[Staatskirchenvertrag|Konkordate]]) mit andern Ländern hätte abschließen können. Ein Schwebezustand, dessen Beseitigung für alle Beteiligten wünschenswert war.
Nach der Besetzung [[Rom]]s durch die italienische Unabhängigkeitsbewegung (vgl. [[Risorgimento]]) am 20. September 1870 wurde unter anderem der [[Kirchenstaat]] aufgelöst, um den italienischen Nationalstaat zu schaffen. Die kirchliche Verwaltung konzentrierte sich ab diesem Zeitpunkt auf die [[Vatikanstadt]], wo de facto die Souveränität des [[Papst]]es weiter bestand, ohne dass sie rechtlich abgesichert gewesen wäre. Die vom italienischen König [[Viktor Emanuel II.|Vittorio Emanuele II.]] angebotenen begrenzten Souveränitätsrechte lehnte Papst [[Pius IX.]] im Mai 1871 ab. Pius und seine Nachfolger waren in ihrem Aktionsradius auf die unmittelbare, von Festungsanlagen umgebene Vatikanstadt begrenzt, was unter anderem auch von der katholischen Propaganda immer wieder thematisiert wurde. Rein rechtlich gesehen war der Papst – und mit ihm die gesamte [[Römische Kurie|Kurie]]&nbsp;– vor Abschluss der Verträge ein normaler Bürger Italiens, dem Italien durch das [[Garantiegesetz]] einseitig bestimmte Vorrechte gewährt hatte. Auch der Status der päpstlichen [[Apostolischer Nuntius|Nuntien]] im Ausland war ungeklärt. Zudem stellte sich die Frage, ob der Vatikan weiterhin Verträge (insbesondere [[Staatskirchenvertrag|Konkordate]]) mit andern Ländern hätte abschließen können. Ein Schwebezustand, dessen Beseitigung für alle Beteiligten wünschenswert war.


Diese ''Römische Frage'' blieb über fast sechs Jahrzehnte hinweg ein ungeklärtes Konfliktthema zwischen den Päpsten dieser Zeit und der italienischen Monarchie. Eine Lösung wurde erst mit dem faschistischen Staat ausgehandelt. Mussolini war an einer Aussöhnung mit der katholischen Kirche interessiert, um der neuen Staats- und Gesellschaftsform des [[Faschismus]] [[Legitimität]] zu verschaffen. Francesco Pacelli, der Bruder des späteren Papstes [[Pius XII.]], führte drei Monate lang Verhandlungen mit Mussolini, in deren Verlauf alle Details der späteren Verträge festgelegt wurden. Insgesamt wurden rund 20 Textfassungen aufgesetzt, bevor die endgültige Vertragsform gefunden war. Dabei ging es immer wieder um die exakte territoriale Ausdehnung des päpstlichen Territoriums. Unter anderem erhielt der Vatikan keinen Zugang zum Meer, aber die Zusicherung, dass ausgeschiedenen Priestern kein Zugang zum öffentlichen Dienst gewährt wird.
Diese ''[[Römische Frage]]'' blieb über fast sechs Jahrzehnte hinweg ein ungeklärtes Konfliktthema zwischen den Päpsten dieser Zeit und der italienischen Monarchie. Eine Lösung wurde erst mit dem faschistischen Staat ausgehandelt. Mussolini war an einer Aussöhnung mit der katholischen Kirche interessiert, um der neuen Staats- und Gesellschaftsform des [[Faschismus]] [[Legitimität]] zu verschaffen. Francesco Pacelli, der Bruder des späteren Papstes [[Pius XII.]], führte drei Monate lang Verhandlungen mit Mussolini, in deren Verlauf alle Details der späteren Verträge festgelegt wurden. Insgesamt wurden rund 20 Textfassungen aufgesetzt, bevor die endgültige Vertragsform gefunden war. Dabei ging es immer wieder um die exakte territoriale Ausdehnung des päpstlichen Territoriums. Unter anderem erhielt der Vatikan keinen Zugang zum Meer, aber die Zusicherung, dass ausgeschiedenen Priestern kein Zugang zum öffentlichen Dienst gewährt wird.


== Das Vertragswerk ==
== Das Vertragswerk ==
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Darüber hinaus enthält der Vertrag im [[Addendum (Schriftwesen)|Annex]] eine von beiden Partnern paraphierte Karte des rund 44 Hektar großen Gebiets der Vatikanstadt.
Darüber hinaus enthält der Vertrag im [[Addendum (Schriftwesen)|Annex]] eine von beiden Partnern paraphierte Karte des rund 44 Hektar großen Gebiets der Vatikanstadt.

Exterritoriale Besitzungen sind laut Annex:
* der Palast des [[Dikasterium für die Glaubenslehre|Heiligen Offiziums]]
* der Palast der [[Dikasterium für die orientalischen Kirchen|Kongregation für die orientalischen Kirchen]]
* die Vatikanischen Gebäude auf dem [[Gianicolo]] wie die [[Päpstliche Universität Gregoriana]]
* der [[Palazzo della Cancelleria]]
* der [[Palazzo di San Callisto]]
* der [[Palazzo Maffei Marescotti|Palazzo del Vicariato]]
* der [[Palazzo di Propaganda Fide]]
* die Kirchen [[Santa Maria Maggiore]] und [[Lateranbasilika|San Giovanni]]
* der [[Lateranpalast]], Baptisterium und [[Scala Santa]]
* die Kirche [[Sankt Paul vor den Mauern]]
* [[Castel Gandolfo]]: Palazzo Pontificio und [[Palazzo Barberini|Villa Barberini]]


Seit dem Abschluss der Verträge hat es mehrere Ergänzungen gegeben, so die Unterstellung zusätzlicher Gebiete unter die Souveränität des Heiligen Stuhls (unter anderem die Sendeanlage des Vatikanradios in [[Santa Maria di Galeria]]).
Seit dem Abschluss der Verträge hat es mehrere Ergänzungen gegeben, so die Unterstellung zusätzlicher Gebiete unter die Souveränität des Heiligen Stuhls (unter anderem die Sendeanlage des Vatikanradios in [[Santa Maria di Galeria]]).


Ein am 18. Februar unterzeichnetes weiteres Konkordat revidierte 1984 einen Teil der Lateranverträge:<ref>[http://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/Der-Vatikan-wird-75;art312,112487 Die Tagespost: Der Vatikan wird 75 Am 11. Februar 1929 besiegelten die Lateran-Verträge die „Römische Frage“ (kostenpflichtig)], abgerufen am 17. Februar 2009.</ref><ref>[http://www.mein-italien.info/geschichte/lateranvertraege.htm Die Lateran-Verträge]</ref> Es legte u.&nbsp;a. den religiösen [[Religionstheologischer Pluralismus|Pluralismus]] und die Neuordnung staatlicher Leistungen an Priester und kirchliche Einrichtungen fest.
Ein am 18. Februar 1984 unterzeichnetes weiteres Konkordat revidierte einen Teil der Lateranverträge:<ref>[http://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/Der-Vatikan-wird-75;art312,112487 Die Tagespost: Der Vatikan wird 75. Am 11. Februar 1929 besiegelten die Lateran-Verträge die „Römische Frage“ (kostenpflichtig)], abgerufen am 17. Februar 2009.</ref><ref>[http://www.mein-italien.info/geschichte/lateranvertraege.htm Die Lateran-Verträge]</ref> Es legte u.&nbsp;a. den religiösen [[Religionstheologischer Pluralismus|Pluralismus]] und die Neuordnung staatlicher Leistungen an Priester und kirchliche Einrichtungen fest.


== Bedeutung ==
== Bedeutung ==
Die Lateranverträge beendeten den offenen Konflikt zwischen Papst und italienischem Staat und gaben dem päpstlichen Hoheitsgebiet einen staatsrechtlich definierten Status. Damit eröffneten sie dem Papst die Möglichkeit, auf der Ebene der internationalen Politik aktiv einzugreifen, wenn auch mit der Vorgabe, bei Konflikten lediglich schlichtend tätig zu werden. Damit konnte der Heilige Stuhl seine während des Ersten Weltkrieges gestiegene Reputation auch politisch umsetzen.<ref>[http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-OS/9Ard9A8p/86503076-e095-426b-9165-2204f55cd4cd_3.mp3 als Podcast auf Bayern 2 radioWissen Länge 22:20 Minuten]</ref>
Die Lateranverträge beendeten den offenen Konflikt zwischen Papst und italienischem Staat und gaben dem päpstlichen Hoheitsgebiet einen staatsrechtlich definierten Status. Damit eröffneten sie dem Papst die Möglichkeit, auf der Ebene der internationalen Politik aktiv einzugreifen, wenn auch mit der Vorgabe, bei Konflikten lediglich schlichtend tätig zu werden. Damit konnte der Heilige Stuhl seine während des Ersten Weltkrieges gestiegene Reputation auch politisch umsetzen.<ref>{{Webarchiv|url=http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-OS/9Ard9A8p/86503076-e095-426b-9165-2204f55cd4cd_3.mp3 |wayback=20160530094951 |text=als Podcast auf Bayern 2 radioWissen Länge 22:20 Minuten }}</ref>


== Sonstiges ==
== Sonstiges ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.verfassungen.eu/va/lateranvertrag1929.htm Text der Lateranverträge (auf deutsch, das Konkordat fehlt)]
* [http://www.aloha.net/~mikesch/treaty.htm Text der Lateranverträge (auf Englisch)]
* [http://www.aloha.net/~mikesch/treaty.htm Text der Lateranverträge (auf Englisch)]
* [http://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/archivio/documents/rc_seg-st_19290211_patti-lateranensi_it.html Text der Lateranverträge (auf italienisch)]
* [http://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/archivio/documents/rc_seg-st_19290211_patti-lateranensi_it.html Text der Lateranverträge (auf Italienisch)]
* [http://web.infinito.it/utenti/i/interface/Concordato.html Accordo di revisione del Concordato Lateranense – 1984]
* [http://web.infinito.it/utenti/i/interface/Concordato.html Accordo di revisione del Concordato Lateranense – 1984]


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[[Kategorie:Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien]]
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Aktuelle Version vom 6. Mai 2024, 19:25 Uhr

Karte der Vatikanstadt (Annex der Verträge)
_ Vatikanisches Territorium
_ Ebenso, aber Sicherheitsagenden an italienische Exekutive delegiert
_ Status unklar
Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri, Vertreter des Heiligen Stuhls
Ministerpräsident Benito Mussolini, Vertreter des Königreichs Italien

Die Lateranverträge vom 11. Februar 1929, abgeschlossen zwischen dem Heiligen Stuhl (vertreten durch Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri) und dem damaligen Königreich Italien (vertreten durch den faschistischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini), klärten endgültig die sogenannte Römische Frage, den Status der Vatikanstadt nach der Auflösung des Kirchenstaats 1870. Im Wesentlichen erkennt der Papst in den Lateranverträgen die Stadt Rom als Sitz der italienischen Regierung an, während der italienische Staat die politische und territoriale Souveränität des Vatikans garantiert. Der Name der Verträge leitet sich vom Ort der Unterzeichnung, dem Lateranpalast, ab.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Besetzung Roms durch die italienische Unabhängigkeitsbewegung (vgl. Risorgimento) am 20. September 1870 wurde unter anderem der Kirchenstaat aufgelöst, um den italienischen Nationalstaat zu schaffen. Die kirchliche Verwaltung konzentrierte sich ab diesem Zeitpunkt auf die Vatikanstadt, wo de facto die Souveränität des Papstes weiter bestand, ohne dass sie rechtlich abgesichert gewesen wäre. Die vom italienischen König Vittorio Emanuele II. angebotenen begrenzten Souveränitätsrechte lehnte Papst Pius IX. im Mai 1871 ab. Pius und seine Nachfolger waren in ihrem Aktionsradius auf die unmittelbare, von Festungsanlagen umgebene Vatikanstadt begrenzt, was unter anderem auch von der katholischen Propaganda immer wieder thematisiert wurde. Rein rechtlich gesehen war der Papst – und mit ihm die gesamte Kurie – vor Abschluss der Verträge ein normaler Bürger Italiens, dem Italien durch das Garantiegesetz einseitig bestimmte Vorrechte gewährt hatte. Auch der Status der päpstlichen Nuntien im Ausland war ungeklärt. Zudem stellte sich die Frage, ob der Vatikan weiterhin Verträge (insbesondere Konkordate) mit andern Ländern hätte abschließen können. Ein Schwebezustand, dessen Beseitigung für alle Beteiligten wünschenswert war.

Diese Römische Frage blieb über fast sechs Jahrzehnte hinweg ein ungeklärtes Konfliktthema zwischen den Päpsten dieser Zeit und der italienischen Monarchie. Eine Lösung wurde erst mit dem faschistischen Staat ausgehandelt. Mussolini war an einer Aussöhnung mit der katholischen Kirche interessiert, um der neuen Staats- und Gesellschaftsform des Faschismus Legitimität zu verschaffen. Francesco Pacelli, der Bruder des späteren Papstes Pius XII., führte drei Monate lang Verhandlungen mit Mussolini, in deren Verlauf alle Details der späteren Verträge festgelegt wurden. Insgesamt wurden rund 20 Textfassungen aufgesetzt, bevor die endgültige Vertragsform gefunden war. Dabei ging es immer wieder um die exakte territoriale Ausdehnung des päpstlichen Territoriums. Unter anderem erhielt der Vatikan keinen Zugang zum Meer, aber die Zusicherung, dass ausgeschiedenen Priestern kein Zugang zum öffentlichen Dienst gewährt wird.

Das Vertragswerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Vertragswerk besteht aus drei Teilen:

  1. Versöhnungsvertrag – Schaffung des unabhängigen Staates der Vatikanstadt als souveränen Staat. Außerdem garantiert der italienische Staat in diesem Vertragsteil die Unabhängigkeit und Souveränität des Heiligen Stuhls als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt. Im Gegenzug verzichtet der Heilige Stuhl auf die Gebiete des alten Kirchenstaats und erkennt Rom als italienischen Regierungssitz an. Außerdem verpflichtet der Papst sich, in internationale Streitigkeiten nicht parteiisch, sondern nur schlichtend einzugreifen.
  2. Konkordat – regelt die Beziehung des italienischen Staates mit der italienischen Kirche in religiösen und zivilrechtlichen Angelegenheiten.
  3. Finanzkonvention – regelt Entschädigungsleistungen des italienischen Staates gegenüber dem Heiligen Stuhl bezüglich der Eigentumsverluste des Jahres 1870. Unter anderem wird dem Heiligen Stuhl eine Entschädigung in der Höhe von 1,75 Milliarden Lire zugesprochen.

Darüber hinaus enthält der Vertrag im Annex eine von beiden Partnern paraphierte Karte des rund 44 Hektar großen Gebiets der Vatikanstadt.

Exterritoriale Besitzungen sind laut Annex:

Seit dem Abschluss der Verträge hat es mehrere Ergänzungen gegeben, so die Unterstellung zusätzlicher Gebiete unter die Souveränität des Heiligen Stuhls (unter anderem die Sendeanlage des Vatikanradios in Santa Maria di Galeria).

Ein am 18. Februar 1984 unterzeichnetes weiteres Konkordat revidierte einen Teil der Lateranverträge:[1][2] Es legte u. a. den religiösen Pluralismus und die Neuordnung staatlicher Leistungen an Priester und kirchliche Einrichtungen fest.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Lateranverträge beendeten den offenen Konflikt zwischen Papst und italienischem Staat und gaben dem päpstlichen Hoheitsgebiet einen staatsrechtlich definierten Status. Damit eröffneten sie dem Papst die Möglichkeit, auf der Ebene der internationalen Politik aktiv einzugreifen, wenn auch mit der Vorgabe, bei Konflikten lediglich schlichtend tätig zu werden. Damit konnte der Heilige Stuhl seine während des Ersten Weltkrieges gestiegene Reputation auch politisch umsetzen.[3]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Unterzeichnungstag, der 11. Februar, wird im Vatikanstaat als eine Art Nationalfeiertag begangen. Als bauliches Symbol der Verträge dient die Via della Conciliazione zwischen Petersplatz und Tiberufer.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Tagespost: Der Vatikan wird 75. Am 11. Februar 1929 besiegelten die Lateran-Verträge die „Römische Frage“ (kostenpflichtig), abgerufen am 17. Februar 2009.
  2. Die Lateran-Verträge
  3. als Podcast auf Bayern 2 radioWissen Länge 22:20 Minuten (Memento vom 30. Mai 2016 im Internet Archive)