„Papyrus 52“ – Versionsunterschied

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Der '''Papyrus 52''', auch als das '''Johannesfragment''' bekannt, ist ein Fragment aus einem [[Papyrus]][[codex]] mit den Maßen 9 × 6,4&nbsp;cm. Es wird mit den [[Rylands Papyri]] in der [[John Rylands Library]] in [[Manchester]] aufbewahrt. Der [[Altgriechische Sprache|griechische]] Text stammt aus dem [[Evangelium nach Johannes|Johannesevangelium]]. Die Vorderseite (recto) enthält Teile aus {{B|Joh|18|31–33}}, die Rückseite (verso) aus {{B|Joh|18|37–38}}.<ref name = Aland>[[Kurt Aland|Kurt]] und [[Barbara Aland]]: ''Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik''. 2. ergänzte und erweiterte Auflage. [[Deutsche Bibelgesellschaft]], Stuttgart 1989, ISBN 3-438-06011-6, S. 109.</ref>
Der '''Papyrus 52''', auch als das '''Johannesfragment''' bekannt, ist ein Fragment aus einem [[Papyrus]][[codex]] mit den Maßen 8,9 × 5,8&nbsp;cm.<ref> C.&nbsp;H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 11.</ref> Es wird mit den [[Rylands Papyri]] in der [[John Rylands Library]] in [[Manchester]] aufbewahrt. Der [[Altgriechische Sprache|griechische]] Text stammt aus dem [[Evangelium nach Johannes]]. Die Vorderseite (recto) enthält Teile aus {{B|Joh|18|31–33}}, die Rückseite (verso) aus {{B|Joh|18|37–38}}.<ref name="Aland">[[Kurt Aland|Kurt]] und [[Barbara Aland]]: ''Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik''. 2. ergänzte und erweiterte Auflage. [[Deutsche Bibelgesellschaft]], Stuttgart 1989, ISBN 3-438-06011-6, S. 109.</ref>


Rylands {{PapNT|52}} gilt im Allgemeinen als das früheste bekannte Fragment eines kanonischen Textes des [[Neues Testament|Neuen Testaments]]. Der Stil der Schrift ist streng [[Hadrian (Kaiser)|hadrianisch]] (Regierungszeit 117–138 n.&nbsp;Chr.). Eine Zeitbestimmung des Fragmentes allein aufgrund des [[Paläografie|paläographischen]] Befundes ist nicht ganz sicher; meistens wird etwa 125 n.&nbsp;Chr. genannt, ± 25 Jahre (also im Zeitraum von 100 bis 150 n.&nbsp;Chr.).<ref> [[Kurt Aland]] in: Theologische Realenzyklopädie 6, 1980, S. 114–131: ''Bibelhandschriften, Neues Testament'', dort S. 120: „neuerdings scheint sich aber die Überzeugung durchzusetzen, daß das Jahr 125 die Endgrenze darstellt.“</ref>
Rylands {{PapNT|52}} galt lange als das früheste bekannte Fragment eines kanonischen Textes des [[Neues Testament|Neuen Testaments]]. Der Stil der Schrift wurde als streng [[Hadrian (Kaiser)|hadrianisch]] (Regierungszeit 117–138 n.&nbsp;Chr.) eingestuft. Meistens wurde etwa 125 n.&nbsp;Chr. ± 25 Jahre (also ein Zeitraum von 100 bis 150 n.&nbsp;Chr.) genannt.<ref> [[Kurt Aland]] in: Theologische Realenzyklopädie 6, 1980, S. 114–131: ''Bibelhandschriften, Neues Testament'', dort S. 120: „neuerdings scheint sich aber die Überzeugung durchzusetzen, daß das Jahr 125 die Endgrenze darstellt.“</ref> Eine so genaue zeitliche Eingrenzung des kleinen Fragments allein aufgrund des [[Paläografie|paläographischen]] Befundes ist aber nicht möglich. Eine neuere Untersuchung dehnt die mögliche Zeitspanne bis in das dritte Jahrhundert aus.<ref> [[Brent Nongbri]]: ''The Use and Abuse of P52: Papyrological Pitfalls in the Dating of the Fourth Gospel.'' HThR 98, 2005, S. 23–48. </ref>


== Griechischer Text ==
== Griechischer Text ==


Der Papyrus ist auf beiden Seiten beschrieben. Die im folgenden fett gedruckten Buchstaben sind auf dem Papyrus {{PapNT|52}} sichtbar.
Der Papyrus ist auf beiden Seiten beschrieben. Die im Folgenden fett gedruckten Buchstaben sind auf dem Papyrus {{PapNT|52}} sichtbar.


''Johannes 18,31–33'' (recto)
''Johannes 18,31–33'' (recto)


{{Zitat|ΕΙΠΟΝ ΑΥΤΩ '''ΟΙ ΙΟΥΔΑΙ'''ΟΙ '''ΗΜΙ'''Ν ΟΥΚ ΕΞΕΣΤΙΝ <br />ΑΠΟΚΤΕΙΝΑΙ '''OYΔΕΝΑ ΙΝΑ Ο Λ'''ΟΓΟΣ ΤΟΥ ΙΗΣΟΥ <br />ΠΛΗΡΩΘΗ ΟΝ ΕΙ'''ΠΕΝ ΣΕΜΑΙΝΩ'''Ν ΠΟΙΩ ΘΑΝΑΤΩ <br />ΗΜΕΛΛΕΝ ΑΠΟ'''ΘΝΕΣΚΕΙΝ Ε'''ΙΣΗΛΘΕΝ ΟΥΝ ΠΑΛΙΝ <br />ΕΙΣ ΤΟ ΠΡΑΙΤΩ'''ΡΙΟΝ Ο ΠΙ'''ΛΑΤΟΣ ΚΑΙ ΕΦΩΝΗΣΕΝ <br />ΤΟΝ ΙΗΣΟΥΝ '''ΚΑΙ ΕΙΠ'''ΕΝ ΑΥΤΩ ΣΥ ΕΙ ΒΑΣΙΛΕΥΣ <br />ΤΩΝ ΙΟΥΔΑ'''ΙΩ'''N|Übersetzung=[…] sprachen zu ihm
{{Zitat|ΕΙΠΟΝ ΑΥΤΩ '''ΟΙ ΙΟΥΔΑΙ'''ΟΙ '''ΗΜΕ'''ΙΝ ΟΥΚ ΕΞΕΣΤΙΝ <br />ΑΠΟΚΤΕΙΝΑΙ '''OYΔΕΝΑ ΙΝΑ Ο Λ'''ΟΓΟΣ ΤΟΥ ΙΗΣΟΥ <br />ΠΛΗΡΩΘΗ ΟΝ ΕΙ'''ΠΕΝ ΣΗΜΑΙΝΩ'''Ν ΠΟΙΩ ΘΑΝΑΤΩ <br />ΗΜΕΛΛΕΝ ΑΠΟ'''ΘΝΗΣΚΕΙΝ Ι'''ΣΗΛΘΕΝ ΟΥΝ ΠΑΛΙΝ <br />ΕΙΣ ΤΟ ΠΡΑΙΤΩ'''ΡΙΟΝ Ο ΠΙ'''ΛΑΤΟΣ ΚΑΙ ΕΦΩΝΗΣΕΝ <br />ΤΟΝ ΙΗΣΟΥΝ '''ΚΑΙ ΕΙΠ'''ΕΝ ΑΥΤΩ ΣΥ ΕΙ ΒΑΣΙΛΕΥΣ <br />ΤΩΝ ΙΟΥΔΑ'''ΙΩ'''N|Übersetzung=[…] sprachen zu ihm
'''die Juden, „Uns''' ist erlaubt zu töten
'''die Jude'''n, '''„Uns''' ist erlaubt zu töten
''' niemanden,“ damit das Wort''' Jesu sich erfüllen sollte, das
''' niemanden,“ damit das W'''ort Jesu sich erfüllen sollte, das
''' er gesagt hatte, um anzuzeigen''' welche Art des Todes er sollte
er ge'''sagt hatte, um anzuzeige'''n welche Art des Todes er sollte
''' sterben. Er ging ''' wieder in das
''' sterben. G'''ing wieder in das
'''Praetorium des Pilatus''' und rief Jesus
Praeto'''rium Pi'''latus und rief Jesus
''' und sprach''' zu ihm, „Bist du der König der
''' und spra'''ch zu ihm, „Bist du der König der
''' Juden?''' […]}}
Ju'''de'''n?“ […]}}


''Johannes 18,37–38'' (verso)
''Johannes 18,37–38'' (verso)


{{Zitat|ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΕΙΜΙ ΕΓΩ ΕΙΣ <br />'''ΤΟΥΤΟ ΓΕΓΕΝΝΗΜΑΙ''' ΚΑΙ (ΕΙΣ ΤΟΥΤΟ) ΕΛΗΛΥΘΑ ΕΙΣ ΤΟΝ <br />ΚΟ'''ΣΜΟΝ ΙΝΑ ΜΑΡΤ'''ΥΡΗΣΩ ΤΗ ΑΛΗΘΕΙΑ ΠΑΣ Ο ΩΝ <br />Ε'''Κ ΤΗΣ ΑΛΗΘΕ'''IΑΣ ΑΚΟΥΕΙ ΜΟΥ ΤΗΣ ΦΩΝΗΣ <br />Λ'''ΕΓΕΙ ΑΥΤΩ''' Ο ΠΙΛΑΤΟΣ ΤΙ ΕΣΤΙΝ ΑΛΗΘΕΙΑ <br />ΚΑ'''Ι ΤΟΥΤ'''Ο ΕΙΠΩΝ ΠΑΛΙΝ ΕΞΗΛΘΕΝ <br />ΠΡΟΣ '''ΤΟΥΣ Ι'''ΟΥΔΑΙΟΥΣ ΚΑΙ ΛΕΓΕΙ ΑΥΤΟΙΣ <br />ΕΓΩ ΟΥΔΕ'''ΜΙ'''ΑΝ ΕΥΡΙΣΚΩ ΕΝ ΑΥΤΩ ΑΙΤΙΑΝ|Übersetzung=[…] ich ein König bin. Ich bin '''dazu geboren worden'''
{{Zitat|ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΕΙΜΙ ΕΓΩ ΕΙΣ <br />'''ΤΟΥΤΟ ΓΕΓΕΝΝΗΜΑΙ''' ΚΑΙ (ΕΙΣ ΤΟΥΤΟ) ΕΛΗΛΥΘΑ ΕΙΣ ΤΟΝ <br />ΚΟ'''ΣΜΟΝ ΙΝΑ ΜΑΡΤ'''ΥΡΗΣΩ ΤΗ ΑΛΗΘΕΙΑ ΠΑΣ Ο ΩΝ <br />Ε'''Κ ΤΗΣ ΑΛΗΘΕ'''IΑΣ ΑΚΟΥΕΙ ΜΟΥ ΤΗΣ ΦΩΝΗΣ <br />Λ'''ΕΓΕΙ ΑΥΤΩ''' Ο ΠΙΛΑΤΟΣ ΤΙ ΕΣΤΙΝ ΑΛΗΘΕΙΑ <br />ΚΑ'''Ι ΤΟΥΤ'''Ο ΕΙΠΩΝ ΠΑΛΙΝ ΕΞΗΛΘΕΝ <br />ΠΡΟΣ '''ΤΟΥΣ Ι'''ΟΥΔΑΙΟΥΣ ΚΑΙ ΛΕΓΕΙ ΑΥΤΟΙΣ <br />ΕΓΩ ΟΥΔΕ'''ΜΙ'''ΑΝ ΕΥΡΙΣΚΩ ΕΝ ΑΥΤΩ ΑΙΤΙΑΝ|Übersetzung=[…] ich ein König bin. Ich bin '''dazu geboren worden'''
und (dazu) bin ich gekommen in die '''Welt, damit ich Zeugnis ablege'''
und (dazu) bin ich gekommen in die We'''lt, damit ich Zeugnis abl'''ege
für die Wahrheit. Jeder, der ist '''aus der Wahrheit'''
für die Wahrheit. Jeder, der ist au'''s der Wahrh'''eit,
hört auf meine Stimme. '''Sprach zu ihm'''
hört auf meine Stimme. S'''prach zu ihm'''
Pilatus, „Was ist Wahrheit?“ '''und nachdem er dies'''
Pilatus, „Was ist Wahrheit?“ un'''d nachdem er die'''s
gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu '''den Juden'''
gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu '''den Ju'''den
und sprach zu ihnen: „Ich '''nicht'''
und sprach zu ihnen: „Ich ke'''in'''e
finde bei ihm Schuld.“}}
finde bei ihm Schuld.“}}


Es scheint unzureichend Platz für die wiederholte Phrase (ΕΙΣ ΤΟΥΤΟ) in der zweiten Zeile der Rückseite zu sein, und es wurde vermutet, dass diese Worte versehentlich durch [[Haplographie]] ausgelassen wurden.
Es scheint unzureichend Platz für die wiederholte Phrase (ΕΙΣ ΤΟΥΤΟ) in der zweiten Zeile der Rückseite zu sein, und es wurde vermutet, dass diese Worte versehentlich durch [[Haplographie]] ausgelassen wurden.


In Zeile 1 der Vorderseite steht fehlerhaft '''ΗΜΕ'''ΙΝ statt ΗΜΙΝ, dafür fehlt in Zeile 4 ein Ε ('''Ι'''ΣΗΛΘΕΝ statt ΕΙΣΗΛΘΕΝ). Der [[Diphthong]] /ei/ war in der [[Koine]]-Aussprache bereits zu /i/ [[Monophthongierung|monophthongiert]], so dass die jeweils richtigen und falschen Schreibweisen identisch ausgesprochen wurden.
Die Schrift ist großzügig eingeteilt – die Buchstaben variieren zwischen 0,3 und 0,4&nbsp;cm Höhe, die Zeilen sind ca. 0,5&nbsp;cm voneinander entfernt und es gibt einen Rand von 2&nbsp;cm an der Oberseite. C.&nbsp;H. Roberts kommentierte: „Nach den Abständen und der Textgröße zu urteilen ist es unwahrscheinlich anzunehmen, dass das Format durch Ökonomieüberlegungen beeinflusst wurde. Demnach wäre das Manuskript für das öffentliche Vorlesen gedacht gewesen. Wenn der Originaltext tatsächlich den gesamten Text des kanonischen Evangeliums nach Johannes enthielt, dann hätte es aus einem einzelnen zusammengefaltetem Buch mit etwa 130 Seiten (z.&nbsp;B. 33 gefalteten beidseitig beschriebenen Papyrusseiten) bestanden. Geschlossen hätte es etwa die Maße 21 × 20 cm gehabt.“ Roberts beschreibt die Handschrift als „schwer, geschwungen und eher kunstvoll“, aber dennoch nicht die Arbeit eines „erfahrenen Schreibers“ (z.&nbsp;B. kein professioneller Abschreiber).

Die Schrift ist großzügig eingeteilt – die Buchstaben variieren zwischen 0,3 und 0,4&nbsp;cm Höhe, die Zeilen sind ca. 0,5&nbsp;cm voneinander entfernt, es gibt einen Rand von 2&nbsp;cm an der Oberseite, und auf verso ist ein Teil des Innenrands erhalten mit einer Art Verstärkung am Falz. Die Einteilung ergibt 18 Zeilen pro Seite und 29–33 Zeichen pro Zeile. C.&nbsp;H. Roberts kommentierte: „Nach den Abständen und der Textgröße zu urteilen ist es unwahrscheinlich anzunehmen, dass das Format durch Ökonomieüberlegungen beeinflusst wurde.<ref> C.&nbsp;H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 24.</ref> Demnach wäre das Manuskript für das öffentliche Vorlesen gedacht gewesen. Wenn der Originaltext tatsächlich den gesamten Text des kanonischen Evangeliums nach Johannes enthielt, dann wäre das Buch in etwa 130 Seiten im Umfang gewesen, zusammen mit einem Deckblatt und dem Titel wären das 66 Blätter. Geschlossen hätte es etwa die Maße 21 × 20 cm gehabt.“ Es gibt keine Hinweise, die erlauben, Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des Codex zu ziehen, und es gibt keine Spuren einer Nummerierung.<ref> C.&nbsp;H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 27.</ref> Roberts beschreibt die Handschrift als „schwer, geschwungen und eher kunstvoll“, aber dennoch nicht die Arbeit eines „erfahrenen Schreibers“ (z.&nbsp;B. kein professioneller Abschreiber).


== Geschichte und Datierung ==
== Geschichte und Datierung ==
Das Fragment gehörte zu einer Gruppe von Dokumenten, die [[Bernard Grenfell]] 1920 auf einem ägyptischen Markt erwarb. Wegen dieser Herkunft und der Tatsache, dass die ältesten neutestamentlichen Papyri vornehmlich aus Ägypten stammen, weil sie wegen der klimatischen Verhältnisse dort besser erhalten blieben, wird auch für diesen Text eine ägyptische Herkunft vermutet.<ref>Der Papyrus stammt über Umwege wahrscheinlich aus [[Oxyrhynchos]]; zur allgemein angenommenen ägyptischen Herkunft vgl. Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament.'' Band 1, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Würzburg 2006, S. 206.</ref> Die erste Transkription und Übersetzung wurde erst 1934 von [[Colin H. Roberts]] durchgeführt.<ref>Roberts, “An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands Library”, ''Bulletin of the John Rylands Library'' XX, 1936:45-55.</ref>
Das Fragment gehörte zu einer Gruppe von Dokumenten, die [[Bernard Grenfell]] 1920 auf einem ägyptischen Markt erwarb.<ref> C.&nbsp;H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 5.</ref> Wegen dieser Herkunft und der Tatsache, dass die ältesten neutestamentlichen Papyri vornehmlich aus Ägypten stammen, weil sie wegen der klimatischen Verhältnisse dort besser erhalten blieben, wird auch für diesen Text eine ägyptische Herkunft vermutet.<ref>Der Papyrus stammt über Umwege wahrscheinlich aus [[Oxyrhynchos]]; zur allgemein angenommenen ägyptischen Herkunft vgl. Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament.'' Band 1, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Würzburg 2006, S. 206.</ref> Die erste Transkription und Übersetzung wurde erst 1934 von [[Colin H. Roberts]] (1909–1990) durchgeführt.<ref>Roberts, “An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands Library”, ''Bulletin of the John Rylands Library'' XX, 1936:45-55.</ref>
Roberts fand Vergleichshandschriften auf Papyrus, die damals auf den Zeitraum zwischen 50 und 150 datiert wurden, wobei die größte Übereinstimmung mit einem [[Hadrian (Kaiser)|hadrianischen]] Datum bestand. Da der Inhalt frühestens gegen Ende des 1. Jahrhunderts geschrieben wurde,<ref>Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament. Studienausgabe''. Echter, Würzburg 2006, ISBN 3-429-02846-9, S. 207.</ref> schlug er ein Datum in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts vor. In den 70 Jahren seit Roberts’ Essay haben sich die Datierungen seiner Vergleichshandschriften zu späteren Dekaden hin verschoben (wie die meisten undatierten antiken Papyri); doch wurden zwischenzeitlich auch andere Vergleichshandschriften entdeckt, deren wahrscheinliches Datum ebenfalls in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhundert liegt.
Roberts fand Vergleichshandschriften auf Papyrus, die damals auf den Zeitraum zwischen 50 und 150 datiert wurden, wobei die größte Übereinstimmung mit einem [[Hadrian (Kaiser)|hadrianischen]] Datum bestand. Da der Inhalt frühestens gegen Ende des 1. Jahrhunderts geschrieben wurde,<ref>Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament. Studienausgabe''. Echter, Würzburg 2006, ISBN 3-429-02846-9, S. 207.</ref> schlug er ein Datum in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts vor. In den 70 Jahren seit Roberts’ Essay haben sich die Datierungen seiner Vergleichshandschriften zu späteren Dekaden hin verschoben (wie die meisten undatierten antiken Papyri); doch wurden zwischenzeitlich auch andere sicher datierbare Vergleichshandschriften hinzugezogen, deren Abfassungsdatum bis in das dritte Jahrhundert reicht.


Die Bedeutung von {{PapNT|52}} beruht sowohl auf seinem frühen Datum als auch seiner geographischen Entfernung vom Entstehungsort des Johannesevangeliums in [[Kleinasien]] oder Palästina. Da weithin nicht damit gerechnet wird, dass es sich hier um das Original des Evangeliums handelt und eine gewisse Zeitspanne nötig erscheint, um das Werk nach Ägypten gelangen zu lassen, muss die Entstehung des Johannesevangeliums mindestens einige Jahre vor diesem Datum von {{PapNT|52}} liegen.<ref>Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament. Studienausgabe''. Echter, Würzburg 2006, ISBN 3-429-02846-9, S. 206–213.</ref> Das Johannesevangelium wird wahrscheinlich von [[Justin der Märtyrer|Justin dem Märtyrer]] zitiert und ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit vor 160 geschrieben worden. Viele Forscher des Neuen Testaments nehmen jedoch ein noch früheres Datum für die Abschrift von {{PapNT|52}} an, sodass das Evangelium noch früher hätte geschrieben sein können: Damit rückt die Entstehungszeit von {{PapNT|52}} nahe an das traditionell akzeptierte Verfassungsdatum von ca. 90 heran.
Die Bedeutung von {{PapNT|52}} beruht auf seinem möglicherweise hohen Alter. Vermutlich wurde das Johannesevangelium in [[Kleinasien]] oder Palästina abgefasst. Da es sich sicher nicht um das Original des Evangeliums handelt und eine gewisse Zeitspanne nötig war, um das Werk nach Ägypten gelangen zu lassen, muss die Entstehung des Johannesevangeliums mindestens einige Jahre vor diesem Datum von {{PapNT|52}} liegen.<ref>Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament. Studienausgabe''. Echter, Würzburg 2006, ISBN 3-429-02846-9, S. 206–213.</ref> Damit würde die Entstehungszeit von {{PapNT|52}} nahe an das angenommene Abfassungsdatum von ca. 90 heranreichen.
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Skepticism about the use of <math>\mathfrak{P}</math><sup>52</sup> to date the Gospel of John (not about the fragment's authenticity) is based on two issues. First, the papyrus has been rather narrowly dated based on the handwriting alone, without the support of textual evidence. Secondly, in common with every other surviving early Gospel manuscript, this fragment is not from a scroll but from a codex; a bound book not a roll. If it dates to the first half of the second century, this fragment would be amongst the earlier surviving examples of a codex (around [[90]] CE, [[Martial]] describes the codex form as then new to Rome). Nevertheless, while some experts in [[paleography]] have disputed the dating, it is agreed that this piece of papyrus is the earliest known fragment of any portion of the New Testament.<ref>J.K. Elliott, "The Biblical Manuscripts of the John Rylands University Library of Manchester" ''Bulletin of the John Rylands Library'' '''91(2)''' 7–8.</ref> Its closest rival in date is the [[Egerton Gospel]], a late-second-century fragment of a codex that records a gospel not identical to any of the canonical four, but which has closer parallels to ''John'' than with the synoptic gospels; and whose hand employs letter forms consistently rather later than those of P52. Thus the Egerton Gospel may represent a less-developed example of the Johannine gospel tradition (though in a manuscript of slightly later date).
Skepticism about the use of <math>\mathfrak{P}</math><sup>52</sup> to date the Gospel of John (not about the fragment's authenticity) is based on two issues. First, the papyrus has been rather narrowly dated based on the handwriting alone, without the support of textual evidence. Secondly, in common with every other surviving early Gospel manuscript, this fragment is not from a scroll but from a codex; a bound book not a roll. If it dates to the first half of the second century, this fragment would be amongst the earlier surviving examples of a codex (around [[90]] CE, [[Martial]] describes the codex form as then new to Rome). Nevertheless, while some experts in [[paleography]] have disputed the dating, it is agreed that this piece of papyrus is the earliest known fragment of any portion of the New Testament.<ref>J.K. Elliott, "The Biblical Manuscripts of the John Rylands University Library of Manchester" ''Bulletin of the John Rylands Library'' '''91(2)''' 7–8.</ref> Its closest rival in date is the [[Egerton Gospel]], a late-second-century fragment of a codex that records a gospel not identical to any of the canonical four, but which has closer parallels to ''John'' than with the synoptic gospels; and whose hand employs letter forms consistently rather later than those of P52. Thus the Egerton Gospel may represent a less-developed example of the Johannine gospel tradition (though in a manuscript of slightly later date).
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== Textkritik ==
== Textkritik ==
Trotz der geringen Größe von {{PapNT|52}} ist eine plausible Rekonstruktion für die meisten der 14 Zeilen möglich. Weil sein Umfang gemessen am Gesamttext des Johannesevangeliums aber gering ist, wird das Fragment nur sehr selten als Zeugnis bei der [[Textkritik des Neuen Testaments|Textkritik]] des Evangeliums herangezogen.<ref>Tuckett 2001:544; [http://www.skypoint.com/~waltzmn/ManuscriptsPapyri.html#P52 New Testaments Manuscripts: Papyri]; [http://www.historian.net/P52.html "The oldest New Testament: P52"].</ref> Einige Auseinandersetzungen gab es darüber, ob der Name ''ΙΗΣΟΥ(Ν)'' (Jesus) in den fehlenden Teilen von recto Zeile 2 und 5/6 ursprünglich als [[nomina sacra]] geschrieben und daher zu ''ΙΣ'' oder ''ΙΗΣ'' zusammengezogen erschienen sei. Dies stünde in Übereinstimmung mit der sonst üblichen Darstellungspraxis in den erhaltenen frühen Evangelienmanuskripten. Roberts meinte ursprünglich, dass der Name Jesu wahrscheinlich vollständig ausgeschrieben worden sei (C.&nbsp;M. Tuckett folgte ihm in dieser Meinung). Später jedoch änderte Roberts seine Meinung und wurde darin auch von Larry W. Hurtado unterstützt.
Trotz der geringen Größe von {{PapNT|52}} ist eine plausible Rekonstruktion für die meisten der 14 Zeilen möglich. Weil sein Umfang gemessen am Gesamttext des Johannesevangeliums aber gering ist, wird das Fragment nur sehr selten als Zeugnis bei der [[Textkritik des Neuen Testaments|Textkritik]] des Evangeliums herangezogen.<ref>Tuckett 2001:544; [http://www.skypoint.com/~waltzmn/ManuscriptsPapyri.html#P52 New Testaments Manuscripts: Papyri]; [http://www.historian.net/P52.html "The oldest New Testament: P52"].</ref> Einige Auseinandersetzungen gab es darüber, ob der Name ''ΙΗΣΟΥ(Ν)'' (Jesus) in den fehlenden Teilen von recto Zeile 2 und 5/6 ursprünglich als [[nomen sacrum]] geschrieben und daher zu ''ΙΣ'' oder ''ΙΗΣ'' zusammengezogen erschienen sei. Dies stünde in Übereinstimmung mit der sonst üblichen Darstellungspraxis in den erhaltenen frühen Evangelienmanuskripten. Roberts meinte ursprünglich, dass der Name Jesu wahrscheinlich vollständig ausgeschrieben worden sei (C.&nbsp;M. Tuckett folgte ihm in dieser Meinung). Später jedoch änderte Roberts seine Meinung und wurde darin auch von Larry W. Hurtado unterstützt.


Die in {{PapNT|52}} enthaltenen Verse werden auch vom Bodmer Papyrus {{PapNT|66}} bestätigt. Dieser wird üblicherweise auf den Beginn des 3. Jahrhunderts datiert. Doch aufgrund des geringen Umfangs des erhalten gebliebenen Textes von {{PapNT|52}} hat es sich als unmöglich erwiesen, diesen zweifelsfrei dem gleichen pro-[[Alexandrinischer Texttyp|Alexandrinischen Texttyp]] zuzuordnen.
Die in {{PapNT|52}} enthaltenen Verse werden auch vom Bodmer Papyrus {{PapNT|66}} bestätigt. Dieser wird üblicherweise auf den Beginn des 3.&nbsp;Jahrhunderts datiert. Doch aufgrund des geringen Umfangs des erhalten gebliebenen Textes von {{PapNT|52}} hat es sich als unmöglich erwiesen, diesen zweifelsfrei dem gleichen pro-[[Alexandrinischer Texttyp|Alexandrinischen Texttyp]] zuzuordnen.


== Literatur ==
== Literatur ==

*[[Kurt Aland]]: ''Kurzgefaßte Liste der griechischen Handschriften des Neuen Testaments – in Verbindung mit Michael Welte bearb. von Kurt Aland.'' de Gruyter, Berlin/New York 1994, 2. neubearbeitete und ergänzte Auflage, ISBN 3-11-011986-2, (Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung Bd. 1).
* [[Colin Henderson Roberts]] (Hrsg.): {{Digitalisat|IA=MN41504ucmf_0|LT= An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands library|SZ=n9}}, ''Bulletin of the John Rylands Library'' 20:45-55. The Manchester University Press 1935.
* Larry W. Hurtado: 2003. "P52 (P.Rylands Gr 457) and the ''Nomina Sacra''; Method and Probability." ''Tynedale Bulletin'' 54.1.
* [[Kurt Aland]]: ''Kurzgefaßte Liste der griechischen Handschriften des Neuen Testaments – in Verbindung mit Michael Welte bearb. von Kurt Aland.'' de Gruyter, Berlin/New York 1994, 2. neubearbeitete und ergänzte Auflage, ISBN 3-11-011986-2, (Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung Bd. 1).
* Brent Nongbri, 2005. "The Use and Abuse of P52: Papyrological Pitfalls in the Dating of the Fourth Gospel." ''Harvard Theological Review'' 98:23-52.
* Larry W. Hurtado: „P52 (P.Rylands Gr 457) and the ''Nomina Sacra''; Method and Probability. ''Tynedale Bulletin'' 2003. 54.1.
* C.&nbsp;H. Roberts, 1936. “An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands Library.” ''Bulletin of the John Rylands Library'' 20:45-55.
* Brent Nongbri: „The Use and Abuse of P52: Papyrological Pitfalls in the Dating of the Fourth Gospel. ''Harvard Theological Review'' 2005. 98:23-52.
* Udo Schnelle, 1998. ''The History and Theology of the New Testament Writings''.
* [[Udo Schnelle]]: ''Einleitung in das Neue Testament'', 8. durchgehend neubearb. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013.
* Christopher M. Tuckett, 2001. "P52 and ''Nomina Sacra''." ''New Testament Studies'' 47:544-48.
* Christopher M. Tuckett: „P52 and ''Nomina Sacra''. ''New Testament Studies'', 2001. 47:544-48.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://ntvmr.uni-muenster.de/manuscript-workspace/?docID=10052 P52 am Institut für Neutestamentliche Textforschung]
* [http://enriqueta.man.ac.uk/luna/servlet/detail/ManchesterDev~93~3~22986~100256:St-John-Fragment John Rylands Library: St John Fragment]
* [http://www.kchanson.com/ANCDOCS/greek/johnpap.html K. C. Hanson – P52: A Fragment of the Gospel of John]
* [http://12koerbe.de/euangeleion/papyrus.htm 2koerbe – P52 deutschsprachig erläutert]
* [http://12koerbe.de/euangeleion/papyrus.htm 2koerbe – P52 deutschsprachig erläutert]
* Robert B. Waltz. [http://www.skypoint.com/~waltzmn/ManuscriptsPapyri.html#P52 ''NT Manuscripts: Papyri, Papyri {{PapNT|52}}.'']
* Robert B. Waltz. [http://www.skypoint.com/members/waltzmn/ManuscriptsPapyri.html#P52 ''NT Manuscripts: Papyri, Papyri {{PapNT|52}}.'']
* Oliver Achilles. [https://auslegungssache.at/7902/wie-alt-ist-papyrus-52/ Wie alt ist Papyrus 52?]. Enthält u.&nbsp;a. komplett: [[Adolf Deißmann]]: Ein Evangelienblatt aus den Tagen Hadrians. Aus: [[Deutsche Allgemeine Zeitung (1919–1945)]], 74. Jahrgang, Berlin 3. Dezember 1935


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>

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{{SORTIERUNG:Papyrus 0052}}
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[[Kategorie:Bibelhandschrift (2. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Papyrus des Neuen Testaments]]
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[[Kategorie:Handschrift der John Rylands Library (Manchester)]]
[[Kategorie:Handschrift der John Rylands Library (Manchester)]]
[[Kategorie:Oxyrhynchus Papyrus]]
[[Kategorie:Oxyrhynchus Papyrus]]
[[Kategorie:Johannesevangelium]]

[[ar:بردية 52]]
[[ca:Papir 52]]
[[cs:Papyrus 52]]
[[da:Rylands Papyrus (P52)]]
[[en:Rylands Library Papyrus P52]]
[[es:Papiro P52]]
[[fr:Papyrus P52]]
[[id:Rylands Library Papyrus P52]]
[[it:Papiro 52]]
[[nl:Papyrus 52]]
[[pl:Papirus Rylandsa 457]]
[[pt:Papiro P52]]
[[ru:Папирус 52]]
[[sv:Ryland-fragmentet]]
[[uk:Папірус 52]]

Aktuelle Version vom 26. April 2024, 07:34 Uhr

Manuskripte des Neuen Testaments
PapyriUnzialeMinuskelnLektionare
Papyrus 52
Text Johannes 18,31–33.37–38
Sprache griechisch
Datum ca. 125 n. Chr.
Gefunden Ägypten
Lagerort John Rylands Bibliothek
Quelle C. H. Roberts: An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands Library. Manchester 1935.
Größe Fragment
Typ nicht ermittelbar
Kategorie I
John Rylands Library Papyrus P52, recto (Vorderseite)
John Rylands Library Papyrus P52, verso (Rückseite)

Der Papyrus 52, auch als das Johannesfragment bekannt, ist ein Fragment aus einem Papyruscodex mit den Maßen 8,9 × 5,8 cm.[1] Es wird mit den Rylands Papyri in der John Rylands Library in Manchester aufbewahrt. Der griechische Text stammt aus dem Evangelium nach Johannes. Die Vorderseite (recto) enthält Teile aus Joh 18,31–33 EU, die Rückseite (verso) aus Joh 18,37–38 EU.[2]

Rylands 52 galt lange als das früheste bekannte Fragment eines kanonischen Textes des Neuen Testaments. Der Stil der Schrift wurde als streng hadrianisch (Regierungszeit 117–138 n. Chr.) eingestuft. Meistens wurde etwa 125 n. Chr. ± 25 Jahre (also ein Zeitraum von 100 bis 150 n. Chr.) genannt.[3] Eine so genaue zeitliche Eingrenzung des kleinen Fragments allein aufgrund des paläographischen Befundes ist aber nicht möglich. Eine neuere Untersuchung dehnt die mögliche Zeitspanne bis in das dritte Jahrhundert aus.[4]

Griechischer Text[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Papyrus ist auf beiden Seiten beschrieben. Die im Folgenden fett gedruckten Buchstaben sind auf dem Papyrus 52 sichtbar.

Johannes 18,31–33 (recto)

„ΕΙΠΟΝ ΑΥΤΩ ΟΙ ΙΟΥΔΑΙΟΙ ΗΜΕΙΝ ΟΥΚ ΕΞΕΣΤΙΝ
ΑΠΟΚΤΕΙΝΑΙ OYΔΕΝΑ ΙΝΑ Ο ΛΟΓΟΣ ΤΟΥ ΙΗΣΟΥ
ΠΛΗΡΩΘΗ ΟΝ ΕΙΠΕΝ ΣΗΜΑΙΝΩΝ ΠΟΙΩ ΘΑΝΑΤΩ
ΗΜΕΛΛΕΝ ΑΠΟΘΝΗΣΚΕΙΝ ΙΣΗΛΘΕΝ ΟΥΝ ΠΑΛΙΝ
ΕΙΣ ΤΟ ΠΡΑΙΤΩΡΙΟΝ Ο ΠΙΛΑΤΟΣ ΚΑΙ ΕΦΩΝΗΣΕΝ
ΤΟΝ ΙΗΣΟΥΝ ΚΑΙ ΕΙΠΕΝ ΑΥΤΩ ΣΥ ΕΙ ΒΑΣΙΛΕΥΣ
ΤΩΝ ΙΟΥΔΑΙΩN“

„[…] sprachen zu ihm die Juden, „Uns ist erlaubt zu töten niemanden,“ damit das Wort Jesu sich erfüllen sollte, das er gesagt hatte, um anzuzeigen welche Art des Todes er sollte sterben. Ging wieder in das Praetorium Pilatus und rief Jesus und sprach zu ihm, „Bist du der König der Juden?“ […]“

Johannes 18,37–38 (verso)

„ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΕΙΜΙ ΕΓΩ ΕΙΣ
ΤΟΥΤΟ ΓΕΓΕΝΝΗΜΑΙ ΚΑΙ (ΕΙΣ ΤΟΥΤΟ) ΕΛΗΛΥΘΑ ΕΙΣ ΤΟΝ
ΚΟΣΜΟΝ ΙΝΑ ΜΑΡΤΥΡΗΣΩ ΤΗ ΑΛΗΘΕΙΑ ΠΑΣ Ο ΩΝ
ΕΚ ΤΗΣ ΑΛΗΘΕIΑΣ ΑΚΟΥΕΙ ΜΟΥ ΤΗΣ ΦΩΝΗΣ
ΛΕΓΕΙ ΑΥΤΩ Ο ΠΙΛΑΤΟΣ ΤΙ ΕΣΤΙΝ ΑΛΗΘΕΙΑ
ΚΑΙ ΤΟΥΤΟ ΕΙΠΩΝ ΠΑΛΙΝ ΕΞΗΛΘΕΝ
ΠΡΟΣ ΤΟΥΣ ΙΟΥΔΑΙΟΥΣ ΚΑΙ ΛΕΓΕΙ ΑΥΤΟΙΣ
ΕΓΩ ΟΥΔΕΜΙΑΝ ΕΥΡΙΣΚΩ ΕΝ ΑΥΤΩ ΑΙΤΙΑΝ“

„[…] ich ein König bin. Ich bin dazu geboren worden und (dazu) bin ich gekommen in die Welt, damit ich Zeugnis ablege für die Wahrheit. Jeder, der ist aus der Wahrheit, hört auf meine Stimme. Sprach zu ihm Pilatus, „Was ist Wahrheit?“ und nachdem er dies gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu den Juden und sprach zu ihnen: „Ich keine finde bei ihm Schuld.““

Es scheint unzureichend Platz für die wiederholte Phrase (ΕΙΣ ΤΟΥΤΟ) in der zweiten Zeile der Rückseite zu sein, und es wurde vermutet, dass diese Worte versehentlich durch Haplographie ausgelassen wurden.

In Zeile 1 der Vorderseite steht fehlerhaft ΗΜΕΙΝ statt ΗΜΙΝ, dafür fehlt in Zeile 4 ein Ε (ΙΣΗΛΘΕΝ statt ΕΙΣΗΛΘΕΝ). Der Diphthong /ei/ war in der Koine-Aussprache bereits zu /i/ monophthongiert, so dass die jeweils richtigen und falschen Schreibweisen identisch ausgesprochen wurden.

Die Schrift ist großzügig eingeteilt – die Buchstaben variieren zwischen 0,3 und 0,4 cm Höhe, die Zeilen sind ca. 0,5 cm voneinander entfernt, es gibt einen Rand von 2 cm an der Oberseite, und auf verso ist ein Teil des Innenrands erhalten mit einer Art Verstärkung am Falz. Die Einteilung ergibt 18 Zeilen pro Seite und 29–33 Zeichen pro Zeile. C. H. Roberts kommentierte: „Nach den Abständen und der Textgröße zu urteilen ist es unwahrscheinlich anzunehmen, dass das Format durch Ökonomieüberlegungen beeinflusst wurde.[5] Demnach wäre das Manuskript für das öffentliche Vorlesen gedacht gewesen. Wenn der Originaltext tatsächlich den gesamten Text des kanonischen Evangeliums nach Johannes enthielt, dann wäre das Buch in etwa 130 Seiten im Umfang gewesen, zusammen mit einem Deckblatt und dem Titel wären das 66 Blätter. Geschlossen hätte es etwa die Maße 21 × 20 cm gehabt.“ Es gibt keine Hinweise, die erlauben, Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des Codex zu ziehen, und es gibt keine Spuren einer Nummerierung.[6] Roberts beschreibt die Handschrift als „schwer, geschwungen und eher kunstvoll“, aber dennoch nicht die Arbeit eines „erfahrenen Schreibers“ (z. B. kein professioneller Abschreiber).

Geschichte und Datierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Fragment gehörte zu einer Gruppe von Dokumenten, die Bernard Grenfell 1920 auf einem ägyptischen Markt erwarb.[7] Wegen dieser Herkunft und der Tatsache, dass die ältesten neutestamentlichen Papyri vornehmlich aus Ägypten stammen, weil sie wegen der klimatischen Verhältnisse dort besser erhalten blieben, wird auch für diesen Text eine ägyptische Herkunft vermutet.[8] Die erste Transkription und Übersetzung wurde erst 1934 von Colin H. Roberts (1909–1990) durchgeführt.[9] Roberts fand Vergleichshandschriften auf Papyrus, die damals auf den Zeitraum zwischen 50 und 150 datiert wurden, wobei die größte Übereinstimmung mit einem hadrianischen Datum bestand. Da der Inhalt frühestens gegen Ende des 1. Jahrhunderts geschrieben wurde,[10] schlug er ein Datum in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts vor. In den 70 Jahren seit Roberts’ Essay haben sich die Datierungen seiner Vergleichshandschriften zu späteren Dekaden hin verschoben (wie die meisten undatierten antiken Papyri); doch wurden zwischenzeitlich auch andere sicher datierbare Vergleichshandschriften hinzugezogen, deren Abfassungsdatum bis in das dritte Jahrhundert reicht.

Die Bedeutung von 52 beruht auf seinem möglicherweise hohen Alter. Vermutlich wurde das Johannesevangelium in Kleinasien oder Palästina abgefasst. Da es sich sicher nicht um das Original des Evangeliums handelt und eine gewisse Zeitspanne nötig war, um das Werk nach Ägypten gelangen zu lassen, muss die Entstehung des Johannesevangeliums mindestens einige Jahre vor diesem Datum von 52 liegen.[11] Damit würde die Entstehungszeit von 52 nahe an das angenommene Abfassungsdatum von ca. 90 heranreichen.

Textkritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trotz der geringen Größe von 52 ist eine plausible Rekonstruktion für die meisten der 14 Zeilen möglich. Weil sein Umfang gemessen am Gesamttext des Johannesevangeliums aber gering ist, wird das Fragment nur sehr selten als Zeugnis bei der Textkritik des Evangeliums herangezogen.[12] Einige Auseinandersetzungen gab es darüber, ob der Name ΙΗΣΟΥ(Ν) (Jesus) in den fehlenden Teilen von recto Zeile 2 und 5/6 ursprünglich als nomen sacrum geschrieben und daher zu ΙΣ oder ΙΗΣ zusammengezogen erschienen sei. Dies stünde in Übereinstimmung mit der sonst üblichen Darstellungspraxis in den erhaltenen frühen Evangelienmanuskripten. Roberts meinte ursprünglich, dass der Name Jesu wahrscheinlich vollständig ausgeschrieben worden sei (C. M. Tuckett folgte ihm in dieser Meinung). Später jedoch änderte Roberts seine Meinung und wurde darin auch von Larry W. Hurtado unterstützt.

Die in 52 enthaltenen Verse werden auch vom Bodmer Papyrus 66 bestätigt. Dieser wird üblicherweise auf den Beginn des 3. Jahrhunderts datiert. Doch aufgrund des geringen Umfangs des erhalten gebliebenen Textes von 52 hat es sich als unmöglich erwiesen, diesen zweifelsfrei dem gleichen pro-Alexandrinischen Texttyp zuzuordnen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. C. H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 11.
  2. Kurt und Barbara Aland: Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik. 2. ergänzte und erweiterte Auflage. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1989, ISBN 3-438-06011-6, S. 109.
  3. Kurt Aland in: Theologische Realenzyklopädie 6, 1980, S. 114–131: Bibelhandschriften, Neues Testament, dort S. 120: „neuerdings scheint sich aber die Überzeugung durchzusetzen, daß das Jahr 125 die Endgrenze darstellt.“
  4. Brent Nongbri: The Use and Abuse of P52: Papyrological Pitfalls in the Dating of the Fourth Gospel. HThR 98, 2005, S. 23–48.
  5. C. H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 24.
  6. C. H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 27.
  7. C. H. Roberts, Unpublished Fragment, S. 5.
  8. Der Papyrus stammt über Umwege wahrscheinlich aus Oxyrhynchos; zur allgemein angenommenen ägyptischen Herkunft vgl. Ingo Broer: Einleitung in das Neue Testament. Band 1, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Würzburg 2006, S. 206.
  9. Roberts, “An Unpublished Fragment of the Fourth Gospel in the John Rylands Library”, Bulletin of the John Rylands Library XX, 1936:45-55.
  10. Ingo Broer: Einleitung in das Neue Testament. Studienausgabe. Echter, Würzburg 2006, ISBN 3-429-02846-9, S. 207.
  11. Ingo Broer: Einleitung in das Neue Testament. Studienausgabe. Echter, Würzburg 2006, ISBN 3-429-02846-9, S. 206–213.
  12. Tuckett 2001:544; New Testaments Manuscripts: Papyri; "The oldest New Testament: P52".