„Palladianismus“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Monticello 2.jpg|mini|Das als palladianische Villa errichtete Herrenhaus von Monticello, dem Landsitz [[Thomas Jefferson]]s]]
Ausgehend von Italien beeinflusste der palladianische Stil ab dem 17. Jahrhundert auch die Baukunst in den protestantischen Ländern Nordwesteuropas und Amerikas. Im [[England]] des frühen 17. Jahrhunderts wurde er vor allem durch die Bauten von [[Inigo Jones]] (1573–1652) bekannt. Dazu gehören unter anderem das [[Banqueting House]] in London und das [[Queen’s House]] in [[Greenwich (London)|Greenwich]]. In der Zeit der [[Spätrenaissance]], als Englands Neubauten noch von der [[Elisabethanische Architektur|elisabethanischen Architektur]] und deren Weiterentwicklung, der [[Jakobinische Architektur|jakobinischen Architektur]] geprägt wurden, erschienen die Formen des Banqueting House, das bereits den [[Klassizistischer Barock|klassizistischen Barock]] ankündigt, und des Queen’s House, das den Startschuss für den angelsächsischen Palladianismus setzt, den Zeitgenossen als revolutionär. [[Jacob van Campen]] (1596–1657) gilt als Begründer des Palladianismus in den Niederlanden.
Ausgehend von Italien beeinflusste der palladianische Stil ab dem 17. Jahrhundert auch die Baukunst in den protestantischen Ländern Nordwesteuropas und Amerikas. Im [[England]] des frühen 17. Jahrhunderts wurde er vor allem durch die Bauten von [[Inigo Jones]] (1573–1652) bekannt. Dazu gehören unter anderem das [[Banqueting House]] in London und das [[Queen’s House]] in [[Greenwich (London)|Greenwich]]. In der Zeit der [[Spätrenaissance]], als Englands Neubauten noch von der [[Elisabethanische Architektur|elisabethanischen Architektur]] und deren Weiterentwicklung, der [[Jakobinische Architektur|jakobinischen Architektur]] geprägt wurden, erschienen die Formen des Banqueting House, das bereits den [[Klassizistischer Barock|klassizistischen Barock]] ankündigt, und des Queen’s House, das den Startschuss für den angelsächsischen Palladianismus setzt, den Zeitgenossen als revolutionär. [[Jacob van Campen]] (1596–1657) gilt als Begründer des Palladianismus in den Niederlanden.


Im frühen 18. Jahrhundert griffen liberale Landbesitzer auf palladianische Villen-Modelle zurück, so der [[Richard Boyle, 3. Earl of Burlington|Earl of Burlington]] mit [[Chiswick House]], einer ziemlich getreuen Nachempfindung der [[La Rotonda|Villa Rotonda]] in [[Vicenza]], die Palladio um 1566 erbaut hatte und die der junge Architekt [[William Kent (Architekt)|William Kent]] gemeinsam mit Burlington 1720–30 in [[Chiswick]] an der Themse nahe London errichtete. Die klare, an der Antike geschulte Formensprache Palladios gewann vor allem in der angelsächsischen Welt Vorrang gegenüber dem französischen oder italienischen Spätbarock und dem vor allem mitteleuropäischen [[Rokoko]]. Zeitgleich übersetzte der Schriftsteller [[Alexander Pope]] klassische Autoren wie [[Horaz]], [[Vergil]] und [[Homer]] und wählte sie als literarische Vorbilder.
Im frühen 18. Jahrhundert griffen liberale Landbesitzer auf palladianische Villen-Modelle zurück, so der [[Richard Boyle, 3. Earl of Burlington|Earl of Burlington]] mit [[Chiswick House]], einer ziemlich getreuen Nachempfindung der [[La Rotonda|Villa Rotonda]] in [[Vicenza]], die Palladio um 1566 erbaut hatte und die der junge Architekt [[William Kent (Architekt)|William Kent]] gemeinsam mit Burlington 1720–30 in [[Chiswick]] an der Themse nahe London errichtete. Die klare, an der Antike geschulte Formensprache Palladios gewann vor allem in der angelsächsischen Welt Vorrang gegenüber dem französischen oder italienischen Spätbarock und dem vor allem mitteleuropäischen [[Rokoko]]. Zeitgleich übersetzte der Schriftsteller [[Alexander Pope]] klassische Autoren wie [[Horaz]], [[Vergil]] und [[Homer]] und wählte sie als literarische Vorbilder.


[[Datei:Monticello 2.jpg|mini|Das als palladianische Villa errichtete Herrenhaus von [[Monticello (Virginia)|Monticello]], dem Landsitz [[Thomas Jefferson]]s]]
Erneut von Bedeutung wurden palladianische Motive im [[Klassizismus]] in der Zeit um 1800 und in der sogenannten [[Revolutionsarchitektur]]. In den jungen USA, deren Gründergeneration die [[Römische Republik]] als Vorbild ihres neuen Staates sah, fielen palladianische Ideen auf fruchtbaren Boden. Beispiele dafür sind die von Thomas Jefferson entworfenen Bauten für seinen Landsitz [[Monticello (Virginia)|Monticello]] und die [[University of Virginia]]. In der Folge beeinflusste der Palladianismus die Entwicklung der [[Kolonialarchitektur in Nordamerika|amerikanischen Kolonialform]] des [[Georgianische Architektur|georgianischen Stils]], auch [[Greek Revival]] oder [[Antebellum-Architektur]] genannt. In der Gegenwart hat der Brite [[Quinlan Terry]] viel beachtete palladianische Villen und Landhäuser entworfen.
Erneut von Bedeutung wurden palladianische Motive im [[Klassizismus]] in der Zeit um 1800 und in der sogenannten [[Revolutionsarchitektur]]. In den jungen USA, deren Gründergeneration die [[Römische Republik]] als Vorbild ihres neuen Staates sah, fielen palladianische Ideen auf fruchtbaren Boden. Beispiele dafür sind die von Thomas Jefferson entworfenen Bauten für seinen Landsitz [[Monticello (Virginia)]] und die [[University of Virginia]]. In der Folge beeinflusste der Palladianismus die Entwicklung der [[Kolonialarchitektur in Nordamerika|amerikanischen Kolonialform]] des [[Georgianische Architektur|georgianischen Stils]], einer aufs Schlichte reduzierten Version des klassizistischen Barock. Parallel zum europäischen Klassizismus entstand nach dem [[Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg]] eine Variante, die man [[Federal Style]] nennt. Das [[Greek Revival]] ist eine ursprünglich englische Spielart des Klassizismus, zu deren Hauptwerken das [[British Museum]] in London zählt (durch [[Robert Smirke (Architekt)|Smirke]] 1825–50 erbaut). In den [[Südstaaten]] der jungen Vereinigten Staaten zählten Palladianismus und Greek Revival zu den Spielarten der sogenannten [[Antebellum-Architektur]].


In [[München]] errichtete [[Karl von Fischer (Architekt)|Karl von Fischer]] in den Jahren 1804–1806 das [[Prinz-Carl-Palais]] im Stil des [[Frühklassizismus]], angelehnt an den von ihm bewunderten Palladio.<ref>Crescenzio, Daniela: Italienische Spaziergänge in München, 2012, Band 1, Seite 87</ref>
In [[München]] errichtete [[Karl von Fischer (Architekt)|Karl von Fischer]] in den Jahren 1804–1806 das [[Prinz-Carl-Palais]] im Stil des [[Frühklassizismus]], angelehnt an den von ihm bewunderten Palladio.<ref>Crescenzio, Daniela: Italienische Spaziergänge in München, 2012, Band 1, Seite 87</ref>

In der Gegenwart hat der Brite [[Quinlan Terry]] viel beachtete palladianische Villen und Landhäuser entworfen.


== Vertreter ==
== Vertreter ==

Version vom 10. Mai 2024, 19:24 Uhr

Die von Andrea Palladio entworfene Villa La Rotonda bei Vicenza

Palladianismus bezeichnet einen klassizistisch geprägten Baustil, der sich am Werk des Architekten Andrea Palladio und seiner Nachfolger wie Vincenzo Scamozzi orientiert. Palladio entwarf und baute um die Mitte des 16. Jahrhunderts Paläste und Villen in Venetien sowie Kirchen in der Stadt Venedig selbst. Großen Einfluss auf die Nachwelt übte er zudem mit dem architekturtheoretischen Werk I quattro libri dell’architettura aus, das im Jahr 1570 in Venedig erschien.

Stilmerkmale

Inigo Jones entwarf 1616 das Queen’s House in Greenwich.

Aufgrund ihrer vergleichsweise klaren Formgebung, einfacher Kompositionsprinzipien und gut fassbarer Regeln fand eine Architektur nach dem Vorbild Palladios seit dem 17. Jahrhundert weite Verbreitung. Dazu trugen besonders die Quattro libri bei, die 1715 durch den in England arbeitenden Giacomo Leoni ins Englische übersetzt wurden. Selbst Laien und Liebhaberarchitekten konnten sich mit Erfolg an Entwürfen in Palladio-Art versuchen. Vor allem in den protestantischen Ländern Nord- und Westeuropas prägte der Palladianismus das Architekturgeschehen. Er grenzt sich durch strengere, klassizistischere Formen vom als „katholisch“ empfundenen römischen Barock ab und ist damit eine Spielart des Klassizistischen Barock. Im Gegensatz zum süd- und mitteleuropäischen Hochbarock und Rokoko kennt der Palladianismus kein konkav-konvexes Fassadenrelief, keine triumphale Aufgipfelung und keine bewegten Umrisse. Charakteristisch ist für den Palladianismus eine klare, betont antikisierende Verwendung der klassischen Bauformen, etwa durch Tempelfronten und Kolossalordnungen. Oft wird bei Wandöffnungen das Palladio-Motiv verwendet, bei dem eine höhere mittlere Bogenstellung von zwei schmalen, gerade abschließenden Öffnungen flankiert wird.

Verbreitung

Chiswick House, London

Ausgehend von Italien beeinflusste der palladianische Stil ab dem 17. Jahrhundert auch die Baukunst in den protestantischen Ländern Nordwesteuropas und Amerikas. Im England des frühen 17. Jahrhunderts wurde er vor allem durch die Bauten von Inigo Jones (1573–1652) bekannt. Dazu gehören unter anderem das Banqueting House in London und das Queen’s House in Greenwich. In der Zeit der Spätrenaissance, als Englands Neubauten noch von der elisabethanischen Architektur und deren Weiterentwicklung, der jakobinischen Architektur geprägt wurden, erschienen die Formen des Banqueting House, das bereits den klassizistischen Barock ankündigt, und des Queen’s House, das den Startschuss für den angelsächsischen Palladianismus setzt, den Zeitgenossen als revolutionär. Jacob van Campen (1596–1657) gilt als Begründer des Palladianismus in den Niederlanden.

Im frühen 18. Jahrhundert griffen liberale Landbesitzer auf palladianische Villen-Modelle zurück, so der Earl of Burlington mit Chiswick House, einer ziemlich getreuen Nachempfindung der Villa Rotonda in Vicenza, die Palladio um 1566 erbaut hatte und die der junge Architekt William Kent gemeinsam mit Burlington 1720–30 in Chiswick an der Themse nahe London errichtete. Die klare, an der Antike geschulte Formensprache Palladios gewann vor allem in der angelsächsischen Welt Vorrang gegenüber dem französischen oder italienischen Spätbarock und dem vor allem mitteleuropäischen Rokoko. Zeitgleich übersetzte der Schriftsteller Alexander Pope klassische Autoren wie Horaz, Vergil und Homer und wählte sie als literarische Vorbilder.

Das als palladianische Villa errichtete Herrenhaus von Monticello, dem Landsitz Thomas Jeffersons

Erneut von Bedeutung wurden palladianische Motive im Klassizismus in der Zeit um 1800 und in der sogenannten Revolutionsarchitektur. In den jungen USA, deren Gründergeneration die Römische Republik als Vorbild ihres neuen Staates sah, fielen palladianische Ideen auf fruchtbaren Boden. Beispiele dafür sind die von Thomas Jefferson entworfenen Bauten für seinen Landsitz Monticello (Virginia) und die University of Virginia. In der Folge beeinflusste der Palladianismus die Entwicklung der amerikanischen Kolonialform des georgianischen Stils, einer aufs Schlichte reduzierten Version des klassizistischen Barock. Parallel zum europäischen Klassizismus entstand nach dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg eine Variante, die man Federal Style nennt. Das Greek Revival ist eine ursprünglich englische Spielart des Klassizismus, zu deren Hauptwerken das British Museum in London zählt (durch Smirke 1825–50 erbaut). In den Südstaaten der jungen Vereinigten Staaten zählten Palladianismus und Greek Revival zu den Spielarten der sogenannten Antebellum-Architektur.

In München errichtete Karl von Fischer in den Jahren 1804–1806 das Prinz-Carl-Palais im Stil des Frühklassizismus, angelehnt an den von ihm bewunderten Palladio.[1]

In der Gegenwart hat der Brite Quinlan Terry viel beachtete palladianische Villen und Landhäuser entworfen.

Vertreter

Grundriss von Chiswick House des Earl of Burlington

Zu den Architekten, die dem Palladianismus zugerechnet werden, zählen:

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Palladianismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Crescenzio, Daniela: Italienische Spaziergänge in München, 2012, Band 1, Seite 87