„Lohnarbeit“ – Versionsunterschied
[gesichtete Version] | [ungesichtete Version] |
K →Neuzeit: -bkl |
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
'''Lohnarbeit''' bezeichnet abhängige menschliche [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] gegen Geld (Lohn, d. |
'''Lohnarbeit''' bezeichnet die abhängige menschliche [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] gegen Geld (Lohn, d.h. [[Arbeitsentgelt]]). Sie unterscheidet sich von anderen Arbeitsformen wie [[Selbstversorgung|Subsistenzarbeit]], [[Haus- und Familienarbeit]], [[ehrenamt]]licher Arbeit und [[Sklavenarbeit]]. Lohnarbeit wird auf der Grundlage [[Arbeitsvertrag|vertraglicher]] Vereinbarungen zwischen [[Arbeitgeber]] und [[Arbeitnehmer]] entlohnt. Aufgrund der relativ schwachen Verhandlungsposition der ahängig Beschäftigten („Arbeitnehmer“) gegenüber den Arbeitgebern wurden zum Schutz der Arbeitnehmer gesetzliche Regelungen eingeführt, die die Vertragsfreiheit bei Arbeitsverträgen einschränken. Diese Regelungen sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt. In Deutschland finden sie sich vor allem im [[Arbeitsrecht|Arbeits-]] und [[Tarifrecht]]. |
||
== Geschichte der Lohnarbeit == |
== Geschichte der Lohnarbeit == |
||
{{Überarbeiten}} |
{{Überarbeiten}} |
||
=== |
=== Antike === |
||
Die folgenden Informationen |
Die folgenden Informationen stammen überwiegend aus dem ''[[Lexikon der Antike]]''.<ref>''[[Lexikon der Antike]]'', Johannes Irmscher (Hg.), Digitale Bibliothek Bd. 18, Directmedia, Berlin 1999, S. 3346 (Artikel: Lohnarbeit)</ref> |
||
Lohnarbeit war bereits in den Hochkulturen [[Mesopotamien|Mesopotamiens]] üblich. Lohnarbeiter wurden hier noch mit Naturalien – in [[Antikes Griechenland|Griechenland]] bereits mit Geld – entlohnt und vor allem in der Landwirtschaft, genauer im Ackerbau eingesetzt. |
|||
Sowohl im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] als auch im [[Römisches Reich|antiken Rom]] lastete ein Großteil der schweren und eintönigen Arbeit – z.B. auf dem Feld, in Bergwerken und Steinbrüchen, auf Werften, als Bauarbeiter, Transportarbeiter, Ruderer, handwerkliche Hilfsarbeiter usw. – auf den Schultern zweier sozialer Gruppen: |
|||
* [[Sklaverei|Sklaven]] – sie wurden ( |
* [[Sklaverei|Sklaven]] – sie wurden (von Ausnahmen abgesehen) von ihren Besitzern als verkäufliche und rechtlose Objekte betrachtet, als bloße Werkzeuge zur Verrichtung von Arbeit. |
||
* [[Freigelassene]] Lohnarbeiter |
* [[Freigelassene]] Lohnarbeiter - sie waren zwar rechtlich frei, wirtschaftlich aber – mangels Eigentum an Produktionsmitteln und Grund und Boden – gezwungen, ihre Arbeitskraft an die Besitzenden zu verkaufen. |
||
Sklaven |
Sowohl Sklaven als auch Lohnarbeiter wurden oft in großer Zahl eingesetzt. So arbeiteten in einem Bergwerk oft mehr als 1000 von ihnen, ebenso viele auf den Feldern eines einzigen Großgrundbesitzers. |
||
Die Lohnarbeiter wurden |
Die Lohnarbeiter wurden in der Regel nach [[Tagelöhner|Tagelohn]] bezahlt. In der Landwirtschaft war [[Saisonarbeit]] während der Erntezeit üblich. Da Sklaven billiger waren als Lohnarbeiter, konnten sie bei Bedarf deren Arbeit übernehmen (z.B. als Ruderer). In Rom wurden Kleinbauern, die ihre Existenz verloren hatten, zu besitzlosen Freien und zählten dann zu den ''[[Proletariat#Das Proletariat im alten Rom|proletarii]]''. In Griechenland gehörten die Lohnarbeiter zumeist dem Stand der [[Theten]] an. Zu den Lohnarbeitern zählten in der Antike häufig auch Schreiber, Gerichtsdiener, Marktaufseher, Lehrer, Ärzte etc. |
||
=== Mittelalter === |
=== Mittelalter === |
||
Bereits im [[Frühmittelalter]] wurden neben unbezahlten Frondiensten für den Grundherrn auch Arbeiten für darüber hinausgehende Leistungen gegen Tages- oder Stücklohn verrichtet. Bis zum [[Spätmittelalter]] nahm die Bedeutung der Lohnarbeit zu, z.B. durch die zunehmende Produktvielfalt in der [[Landwirtschaft]], die einen höheren Arbeitsaufwand erforderte<ref>siehe [https://www.mittelalter-lexikon.de/wiki/Lohnarbeit Lohnarbeit (''mittelalter-lexikon.de'')]</ref>. |
|||
=== Neuzeit === |
=== Neuzeit === |
||
Nach den [[Bauernkriege]]n und der |
Nach den [[Bauernkriege]]n und der anschliessenden [[Bauernbefreiung]] in Teilen Europas kam es nach einem Bevölkerungsrückgang durch die Kleine Eiszeit ab 1300 und die Pestwellen ab 1348 ab etwa 1500 zu einem massiven Bevölerungswachstum, das in der europäischen [[Bevölkerungsexplosion]]<ref>Gunnar Heinsohn, Otto Steiger, Rolf Knieper: ''Menschenproduktion – allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit''. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979</ref> mündete. Parallel dazu entwickelte sich der moderne [[Kapitalismus]], zunächst als Agrar- und Manufakturkapitalismus über die [[Einhegung]]en ([[Enclosure Movement|Enclosures]]) und die Schaffung von Grundeigentum (in Preußen z.B. durch das Edikt vom 9. Oktober 1807 über den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie der persönlichen Verhältnisse der Landbewohner). Mit dem Aufkommen der Montanindustrie und der Erfindung der [[Dampfmaschine]] wandelte sich dieser ab dem 18. Jahrhundert zunehmend zum Industriekapitalismus.<ref>Brenner, Robert. "[https://www.unc.edu/courses/2005fall/geog/160/001/GEC'05/brenner.pdf Agrarian Class Structure and Economic Development in Pre-industrial Europe]". ''[[Past and Present (journal)|Past and Present]]'' 70 (1976), pp. 30–74</ref> Ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts traten in Europa zunehmend Lohnarbeiter auf, die kein Eigentum an den Produktionsmitteln besassen. So führte der [[Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein|Freiherr vom Stein]] ab 1784 im späteren [[Ruhrgebiet]] einen festen Lohn für die Lohnarbeiter ein.<ref>''aufbruch ins revier'', Hoesch 1871–1961, Seite 45</ref> Schließlich entstand ein Industrie[[proletariat]] und damit die [[soziale Frage]] bzw. der [[Pauperismus]]. Der sogenannte „[[Arbeitsmarkt]]“ gehört zu den wichtigsten sozialen Strukturmerkmalen der europäischen [[Neuzeit]]. |
||
All |
All dies führte mit der Herausbildung absolutistischer Staaten auch zur Entstehung der folgenden spezifisch neuzeitlich-[[Westliche Welt|westlichen]] Phänomene:<ref>Robert Castel: ''Die Metamorphosen der sozialen Frage''. UVK Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz) 2008 ([https://www.socialnet.de/rezensionen/6340.php Inhaltsangabe])</ref> |
||
'''Staatliche Bevölkerungs-, Sozial- und Beschäftigungspolitik:''' |
'''Staatliche Bevölkerungs-, Sozial- und Beschäftigungspolitik:''' |
||
* [[Bevölkerungspolitik]]<ref>Gunnar Heinsohn, Otto Steiger, Rolf Knieper: ''Menschenproduktion – allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit''. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979</ref> und [[Bio-Macht|Biomacht]] |
* [[Bevölkerungspolitik]]<ref>Gunnar Heinsohn, Otto Steiger, Rolf Knieper: ''Menschenproduktion – allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit''. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979</ref> und [[Bio-Macht|Biomacht]] |
||
* |
* Wohlfahrtsstaat mit gesetzlicher [[Gesetzliche Krankenversicherung|Kranken-]] und [[Gesetzliche Rentenversicherung|Rentenversicherung]] und [[Sozialpolitik]] |
||
* [[Arbeitsrecht]], beginnend mit den britischen [[Fabrikgesetz]]en |
* [[Arbeitsrecht]], beginnend mit den britischen [[Fabrikgesetz]]en |
||
* Sozialrecht |
* Sozialrecht |
||
* [[Arbeitspolitik]] |
* [[Arbeitspolitik]] mit [[Arbeitsmarktpolitik]] und [[Arbeitsamt|Arbeitsämtern]] |
||
* staatliches [[Bildungssystem| |
* staatliches [[Bildungssystem|Bildungs-]] und [[Gesundheitssystem|Gesundheitswesen]] |
||
* [[Arbeitshaus|Arbeitshäuser]] |
* [[Arbeitshaus|Arbeitshäuser]] |
||
* [[Zuchthaus|Zuchthäuser]] |
* [[Zuchthaus|Zuchthäuser]] |
||
Zeile 34: | Zeile 34: | ||
* [[Armenhaus|Armenhäuser]] |
* [[Armenhaus|Armenhäuser]] |
||
'''Arbeiterorganisationen:''' |
|||
'''Organisationen der Arbeiterschaft:''' |
|||
* [[Arbeiterbewegung]] |
* [[Arbeiterbewegung]] |
||
* [[Gewerkschaft]]sbewegung |
* [[Gewerkschaft]]sbewegung |
||
* [[Arbeiterpartei]]en |
* [[Arbeiterpartei]]en |
||
* [[Genossenschaftsbewegung]] |
* [[Genossenschaftsbewegung]] |
||
* [[Frauenbewegung |
* [[Frauenbewegung]]<ref>Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper: ''Theorie des Familienrechts.'' Frankfurt/M.: Suhrkamp 1974</ref> |
||
* [[Arbeiterverein]]e |
* [[Arbeiterverein]]e |
||
'''Weitere spezifisch moderne, parallel |
'''Weitere spezifisch moderne Phänomene, die parallel zur Massenlohnarbeit entstanden sind:''' |
||
* Abschaffung der [[Sklaverei]] (Aufhebung des französischen ''[[Code Noir]]'' 1848, zuletzt auch [[Sklaverei in den Vereinigten Staaten#Sezessionskrieg und Abschaffung der Sklaverei|in den USA 1865]]) |
* Abschaffung der [[Sklaverei]] (Aufhebung des französischen ''[[Code Noir]]'' 1848, zuletzt auch [[Sklaverei in den Vereinigten Staaten#Sezessionskrieg und Abschaffung der Sklaverei|in den USA 1865]]) |
||
* [[Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte]] von 1789 und |
* [[Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte]] von 1789 und [[Allgemeine Erklärung der Menschenrechte]] 1948 |
||
* [[Nationalismus]] |
* [[Nationalismus]] |
||
* [[Internationalismus]] und |
* [[Internationalismus]] und [[Sozialistische Internationale]] |
||
* [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]] und Massen[[propaganda]] durch mächtige staatliche und private Akteure (vgl. [[Propagandamodell]]) |
* [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]] und Massen[[propaganda]] durch mächtige staatliche und private Akteure (vgl. [[Propagandamodell]]) |
||
* |
* weltanschaulicher Gegensatz zwischen [[Liberalismus]] und [[Sozialismus]] |
||
* [[Marxismus]] |
* [[Marxismus]] |
||
* [[Oktoberrevolution]] und „[[Diktatur des Proletariats]]“ |
* [[Oktoberrevolution]] und „[[Diktatur des Proletariats]]“ |
||
Galt die soziale Frage während des „Goldenen Zeitalters“ des Kapitalismus in den 1950er und 1960er Jahren<ref>"Eric Hobsbawm: ''Das Zeitalter der Extreme: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts 1914–1991''. München 1998, Zweiter Teil: ''Das Goldene Zeitalter''</ref> als weitgehend gelöst, so erlebte sie seit der [[Neoliberalismus|neoliberalen]] Wende Mitte der 1970er Jahre auch in den westlichen Industriestaaten ein Comeback, in denen sich die Polarisierung zwischen Arm und Reich seither wieder zunehmend vertieft hat, wie Untersuchungen der Bundesregierung ([[Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung|Armuts- und Reichtumsbericht]]), der EU ([[EU-SILC]]<ref>Marc Röhlig: [https://www.tagesspiegel.de/politik/armutsbericht-der-eu-jeder-zwoelfte-deutsche-kann-sich-keine-regelmaessigen-mahlzeiten-leisten/9955456.html ''Armutsbericht der EU: Jeder zwölfte Deutsche kann sich keine regelmäßigen Mahlzeiten leisten''], Der Tagesspiegel vom 27. Mai 2014</ref>), der ILO (Weltsozialbericht<ref>[https://www.stern.de/panorama/gesellschaft/bericht-der-un-arbeitsorganisation-ilo-warnt-vor--armut-und-sozialer-ausgrenzung--in-europa-3159618.html ''Bericht der UN-Arbeitsorganisation: ILO warnt vor „Armut und sozialer Ausgrenzung“ in Europa'']. Der Stern vom 3. Juni 2014</ref>) oder von [[Oxfam]]<ref>Oxfam-Armutsbericht: [http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-01/oxfam-armutsbericht-ein-prozent-der-weltbevoelkerung-reicher-als-der-rest ''Ein Prozent der Weltbevölkerung hat mehr als alle anderen … zusammen'']. Die Zeit vom 19. Januar 2015</ref> belegen. Während sich der Lebensstandard der meisten Menschen in den Schwellenländern in diesem Zeitraum verbesserte, verschlechterte sich der Lebensstandard vor allem der weniger qualifizierten Lohnarbeiter in den traditionellen Industrien der europäischen und angloamerikanischen Welt. Diese Industrien litten unter anderem unter der qualitativ immer besser produzierenden Konkurrenz vor allem aus den asiatischen Schwellenländern, die auch aufgrund ihrer [[Demografische Dividende|demographischen Dividende]] hohe Wachstumsraten aufwiesen, während in den traditionellen europäischen und angloamerikanischen Industrieländern eine säkulare Stagnation einsetzte. |
|||
== Lohnarbeit in der marxistischen Theorie == |
== Die Lohnarbeit in der marxistischen Theorie == |
||
[[Datei:ICC Logo.svg|mini|[[Kommunismus|Kommunistisches]] [[Symbol]] für Arbeiter]] |
[[Datei:ICC Logo.svg|mini|[[Kommunismus|Kommunistisches]] [[Symbol]] für den Arbeiter]] |
||
Der Begriff wird im [[Marxismus]] verwendet, um die Lage der [[Arbeiterklasse]] zu |
Der Begriff wird im [[Marxismus]] verwendet, um die Lage der [[Arbeiterklasse]] zu charakterisieren: Diese besitze als Ware, mit der sie regelmäßig wirtschaften könne, nur ihre eigene [[Arbeitskraft]] und keine [[Produktionsmittel]]. Sie müsse ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf dieser Arbeitskraft gegen „[[Arbeitsentgelt]]“ (''Lohn'') bestreiten. Aus der Sicht des [[Kapitalist]]en lohne sich der Kauf von Arbeitskraft und anderen Produktionsmitteln nur, wenn anschließend durch den Verkauf der produzierten Güter mehr Geld eingenommen werde, als ursprünglich für Arbeitskraft und Produktionsmittel ausgegeben worden sei. Da die Arbeiter vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen und die Kapitalistenklasse auf ein ständiges Angebot an Arbeitskräften angewiesen ist, werden im Durchschnitt Lohnvereinbarungen getroffen, die die Reproduktionskosten der Arbeitskraft decken. Damit einher geht die [[Arbeitswertlehre|Arbeitswerttheorie]], nach der alle Waren im Verhältnis zu der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung erforderlich ist, getauscht werden. Dies heisst, nur die Arbeit ist wertbildend. Die Differenz zwischen dem Wert der von den "freien" Lohnarbeitern verkauften Arbeitskraft (Lohn, [[variables Kapital]]) und dem insgesamt geschaffenen Wert eignet sich der Kapitalist als [[Mehrwert (Marxismus)|Mehrwert]] an. Maschinen, Arbeitsmaterial usw. als [[konstantes Kapital]] übertragen nach der Arbeitswerttheorie anteilig nur die in ihnen bereits vergegenständlichte Arbeitszeit. Aus der verwerteten Arbeit entspringt also der gesamte Profit der Kapitalistenklasse. |
||
Daraus ergeben sich nach Marx drei Dimensionen der [[Ausbeutung]] der Lohnarbeiter durch die Kapitalisten: |
|||
* Produktion: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern |
* Produktion: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern lohnt sich nur, wenn von den produzierten Gütern ein Teil, das [[Mehrprodukt]], bei den Kapitalisten verbleibt. |
||
* Arbeitszeit: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern |
* Arbeitszeit: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern lohnt sich nur, wenn die Lohnarbeiter nicht nur für die Herstellung der von ihnen selbst benötigten Produkte arbeiten (notwendige Arbeitszeit), sondern darüber hinaus für die Kapitalisten unentgeltlich arbeiten (Ausbeutung). Diese unentgeltlichkeit ist jedoch im [[Kapitalismus]] verschleiert, nicht ohne weiteres sichtbar, da der Lohn vordergründig die gesamte Arbeitszeit abdeckt. |
||
* Wert: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern |
* Wert: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern lohnt sich nur, wenn ein Teil des geschaffenen Wertes als Mehrwert bei den Kapitalisten verbleibt. |
||
Karl Marx charakterisierte die soziale Lage der Arbeiter nach der siegreichen [[Bürgerliche Revolution|bürgerlichen Revolution]] mit dem Begriff des „doppelt freien Lohnarbeiters“. Nach der Erlangung der [[Bürgerrecht|bürgerlichen Recht]]e mussten die Arbeiter ihre Arbeitskraft auf dem Markt anbieten und konnten ihren Lohn nach den Bedingungen des Marktes frei aushandeln. Der Begriff des „doppelt freien Lohnarbeiters“ soll auf den [[Doppelcharakter|doppelten Charakter]]<ref>{{Webarchiv|url=http://marjorie-wiki.de/wiki/Doppelcharakter |wayback=20160204071343 |text=Marjorie-Wiki:Doppelcharakter |archiv-bot=2022-12-08 05:33:47 InternetArchiveBot }}</ref> der [[Freiheit]] hinweisen, dem der Lohnarbeiter im Kapitalismus ausgesetzt ist. Durch die Befreiung von [[Feudalismus|feudalen]] und [[Ständeordnung|ständischen]] Fesseln hätten die Arbeiter zwar bürgerliche Rechte und Freiheiten gewonnen, seien aber auch vom [[Eigentum]] an den Produktionsmitteln „befreit“ und daher unter kapitalistischen [[Produktionsverhältnisse]]n zur „[[Lohnsklaverei]]“ gezwungen. |
|||
== Lohnarbeit in |
== Lohnarbeit in den Wirtschaftswissenschaften == |
||
In der [[Wirtschaftswissenschaft]] |
In der [[Wirtschaftswissenschaft|Volkswirtschaftslehre]] werden [[Arbeitnehmer]] als Beschäftigte bezeichnet, die auf Stellenangebote von [[Arbeitgeber|Arbeitgebern]] reagieren und mit diesen Arbeitsverträge mit in der Regel festem Entgelt abschliessen. Bis zur Einführung des [[Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen|Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen]] in Deutschland im Jahr 1999 wurden sie als „abhängig Beschäftigte“ bezeichnet. |
||
== Lohnarbeit in der Wirtschaftspraxis == |
== Lohnarbeit in der Wirtschaftspraxis == |
||
Im |
Im der wirtschaftlichen Praxis kann der Begriff ''Lohnarbeit'' eine andere Bedeutung haben: Unternehmen lassen gelegentlich Arbeiten außerhalb des Unternehmens gegen Entgelt ausführen. In den Büchern des Unternehmens wird dies dann als „in Lohnarbeit hergestellt“ oder ähnlich bezeichnet. |
||
Der auftraggebende Unternehmer übergibt das zu bearbeitende oder zu verarbeitende Material einem [[Subunternehmer]], der diese Arbeiten aufgrund eines [[Werkvertrag]]s<ref>{{Toter Link | url=http://www.linksnet.de/de/artikel/28008 | date=2024-03-09 | bot=2024-03-09 17:17:21 TabellenBot}}</ref> durchführt und dann Werklohn bekommt. Das Subunternehmen bekommt vom Auftraggeber Pläne und/oder ein Muster des zu fertigenden Teils. Der Subunternehmer benutzt dann seine eigene Produktionsstätte, Maschinen, Geräte und Belegschaft, um die Teile zu fertigen, manchmal auch mit Leihmaschinen. Der Subunternehmer haftet nur für die Qualität seiner Arbeit, nicht für Materialfehler. Manchmal sind das auch [[Scheinselbstständigkeit|Scheinselbstständige]], die ihren Lohn brutto ausgezahlt erhalten und dann sich selbst versichern und Steuern zahlen müssen, so dass die Ausbeutung für sie Formen annehmen kann, die mit dem [[Frühkapitalismus|Früh-]] oder auch dem [[Kapitalismus#Wahrnehmung|Hochkapitalismus]] vergleichbar sind.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.woz.ch/1334/neoliberalismus/die-rueckkehr-der-leibeigenschaft |titel=Neoliberalismus: Die Rückkehr der Leibeigenschaft {{!}} WOZ Die Wochenzeitung |werk=woz.ch |datum=2024-03-07 |abruf=2024-03-09 |zitat=Und dass zunehmend regulär Angestellte durch ArbeiterInnen mit Werksverträgen ersetzt werden – durch Selbstständige, die ihre Sozialversicherungsbeiträge selber bezahlen müssen, keinen Anspruch auf bezahlte Ferien oder Lohnersatz im Krankheitsfall haben, manchmal nicht einmal krankenversichert sind, keine Mitbestimmungsrechte haben und für die nicht einmal die in manchen Branchen ausgehandelten Mindestlöhne gelten. Auf der Basis solcher Werksverträge arbeiten osteuropäische Schlachter in deutschen Fleischfabriken (für einen Stundenlohn von drei Euro), Hotelbeschäftigte, das Personal in Backwarenfabriken, VerkäuferInnen und (etwas besser bezahlt) BandarbeiterInnen bei Daimler, VW und BMW. Oder Monteure im Schiffsbau. Allein die profitable Meyer-Werft, bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe, deckt rund 45 Prozent ihres Personalbedarfs durch Arbeitskräfte ab, deren Verträge jederzeit storniert werden können. Bisher hatten all diese Firmen auf LeiharbeiterInnen zurückgegriffen. Doch seit manche Gewerkschaften für die rund eine Million temporär Beschäftigten tarifliche Verbesserungen erzielen konnten und gesetzliche Mindestanforderungen gelten (Mindestlohn: 8,19 Euro), setzen immer mehr Unternehmen, völlig legal, auf die noch billigeren Werksvertragsbeschäftigten. Und mit ihnen – durch das Ausgliedern öffentlicher Aufgaben – auch staatliche Institutionen.}}</ref> |
Der auftraggebende Unternehmer übergibt das zu bearbeitende oder zu verarbeitende Material einem [[Subunternehmer]], der diese Arbeiten aufgrund eines [[Werkvertrag]]s<ref>{{Toter Link | url=http://www.linksnet.de/de/artikel/28008 | date=2024-03-09 | bot=2024-03-09 17:17:21 TabellenBot}}</ref> durchführt und dann Werklohn bekommt. Das Subunternehmen bekommt vom Auftraggeber Pläne und/oder ein Muster des zu fertigenden Teils. Der Subunternehmer benutzt dann seine eigene Produktionsstätte, Maschinen, Geräte und Belegschaft, um die Teile zu fertigen, manchmal auch mit Leihmaschinen. Der Subunternehmer haftet nur für die Qualität seiner Arbeit, nicht für Materialfehler. Manchmal sind das auch [[Scheinselbstständigkeit|Scheinselbstständige]], die ihren Lohn brutto ausgezahlt erhalten und dann sich selbst versichern und Steuern zahlen müssen, so dass die Ausbeutung für sie Formen annehmen kann, die mit dem [[Frühkapitalismus|Früh-]] oder auch dem [[Kapitalismus#Wahrnehmung|Hochkapitalismus]] vergleichbar sind.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.woz.ch/1334/neoliberalismus/die-rueckkehr-der-leibeigenschaft |titel=Neoliberalismus: Die Rückkehr der Leibeigenschaft {{!}} WOZ Die Wochenzeitung |werk=woz.ch |datum=2024-03-07 |abruf=2024-03-09 |zitat=Und dass zunehmend regulär Angestellte durch ArbeiterInnen mit Werksverträgen ersetzt werden – durch Selbstständige, die ihre Sozialversicherungsbeiträge selber bezahlen müssen, keinen Anspruch auf bezahlte Ferien oder Lohnersatz im Krankheitsfall haben, manchmal nicht einmal krankenversichert sind, keine Mitbestimmungsrechte haben und für die nicht einmal die in manchen Branchen ausgehandelten Mindestlöhne gelten. Auf der Basis solcher Werksverträge arbeiten osteuropäische Schlachter in deutschen Fleischfabriken (für einen Stundenlohn von drei Euro), Hotelbeschäftigte, das Personal in Backwarenfabriken, VerkäuferInnen und (etwas besser bezahlt) BandarbeiterInnen bei Daimler, VW und BMW. Oder Monteure im Schiffsbau. Allein die profitable Meyer-Werft, bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe, deckt rund 45 Prozent ihres Personalbedarfs durch Arbeitskräfte ab, deren Verträge jederzeit storniert werden können. Bisher hatten all diese Firmen auf LeiharbeiterInnen zurückgegriffen. Doch seit manche Gewerkschaften für die rund eine Million temporär Beschäftigten tarifliche Verbesserungen erzielen konnten und gesetzliche Mindestanforderungen gelten (Mindestlohn: 8,19 Euro), setzen immer mehr Unternehmen, völlig legal, auf die noch billigeren Werksvertragsbeschäftigten. Und mit ihnen – durch das Ausgliedern öffentlicher Aufgaben – auch staatliche Institutionen.}}</ref> |
Version vom 16. Mai 2024, 21:56 Uhr
Lohnarbeit bezeichnet die abhängige menschliche Arbeit gegen Geld (Lohn, d.h. Arbeitsentgelt). Sie unterscheidet sich von anderen Arbeitsformen wie Subsistenzarbeit, Haus- und Familienarbeit, ehrenamtlicher Arbeit und Sklavenarbeit. Lohnarbeit wird auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entlohnt. Aufgrund der relativ schwachen Verhandlungsposition der ahängig Beschäftigten („Arbeitnehmer“) gegenüber den Arbeitgebern wurden zum Schutz der Arbeitnehmer gesetzliche Regelungen eingeführt, die die Vertragsfreiheit bei Arbeitsverträgen einschränken. Diese Regelungen sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt. In Deutschland finden sie sich vor allem im Arbeits- und Tarifrecht.
Geschichte der Lohnarbeit
Antike
Die folgenden Informationen stammen überwiegend aus dem Lexikon der Antike.[1] Lohnarbeit war bereits in den Hochkulturen Mesopotamiens üblich. Lohnarbeiter wurden hier noch mit Naturalien – in Griechenland bereits mit Geld – entlohnt und vor allem in der Landwirtschaft, genauer im Ackerbau eingesetzt.
Sowohl im antiken Griechenland als auch im antiken Rom lastete ein Großteil der schweren und eintönigen Arbeit – z.B. auf dem Feld, in Bergwerken und Steinbrüchen, auf Werften, als Bauarbeiter, Transportarbeiter, Ruderer, handwerkliche Hilfsarbeiter usw. – auf den Schultern zweier sozialer Gruppen:
- Sklaven – sie wurden (von Ausnahmen abgesehen) von ihren Besitzern als verkäufliche und rechtlose Objekte betrachtet, als bloße Werkzeuge zur Verrichtung von Arbeit.
- Freigelassene Lohnarbeiter - sie waren zwar rechtlich frei, wirtschaftlich aber – mangels Eigentum an Produktionsmitteln und Grund und Boden – gezwungen, ihre Arbeitskraft an die Besitzenden zu verkaufen.
Sowohl Sklaven als auch Lohnarbeiter wurden oft in großer Zahl eingesetzt. So arbeiteten in einem Bergwerk oft mehr als 1000 von ihnen, ebenso viele auf den Feldern eines einzigen Großgrundbesitzers. Die Lohnarbeiter wurden in der Regel nach Tagelohn bezahlt. In der Landwirtschaft war Saisonarbeit während der Erntezeit üblich. Da Sklaven billiger waren als Lohnarbeiter, konnten sie bei Bedarf deren Arbeit übernehmen (z.B. als Ruderer). In Rom wurden Kleinbauern, die ihre Existenz verloren hatten, zu besitzlosen Freien und zählten dann zu den proletarii. In Griechenland gehörten die Lohnarbeiter zumeist dem Stand der Theten an. Zu den Lohnarbeitern zählten in der Antike häufig auch Schreiber, Gerichtsdiener, Marktaufseher, Lehrer, Ärzte etc.
Mittelalter
Bereits im Frühmittelalter wurden neben unbezahlten Frondiensten für den Grundherrn auch Arbeiten für darüber hinausgehende Leistungen gegen Tages- oder Stücklohn verrichtet. Bis zum Spätmittelalter nahm die Bedeutung der Lohnarbeit zu, z.B. durch die zunehmende Produktvielfalt in der Landwirtschaft, die einen höheren Arbeitsaufwand erforderte[2].
Neuzeit
Nach den Bauernkriegen und der anschliessenden Bauernbefreiung in Teilen Europas kam es nach einem Bevölkerungsrückgang durch die Kleine Eiszeit ab 1300 und die Pestwellen ab 1348 ab etwa 1500 zu einem massiven Bevölerungswachstum, das in der europäischen Bevölkerungsexplosion[3] mündete. Parallel dazu entwickelte sich der moderne Kapitalismus, zunächst als Agrar- und Manufakturkapitalismus über die Einhegungen (Enclosures) und die Schaffung von Grundeigentum (in Preußen z.B. durch das Edikt vom 9. Oktober 1807 über den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie der persönlichen Verhältnisse der Landbewohner). Mit dem Aufkommen der Montanindustrie und der Erfindung der Dampfmaschine wandelte sich dieser ab dem 18. Jahrhundert zunehmend zum Industriekapitalismus.[4] Ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts traten in Europa zunehmend Lohnarbeiter auf, die kein Eigentum an den Produktionsmitteln besassen. So führte der Freiherr vom Stein ab 1784 im späteren Ruhrgebiet einen festen Lohn für die Lohnarbeiter ein.[5] Schließlich entstand ein Industrieproletariat und damit die soziale Frage bzw. der Pauperismus. Der sogenannte „Arbeitsmarkt“ gehört zu den wichtigsten sozialen Strukturmerkmalen der europäischen Neuzeit.
All dies führte mit der Herausbildung absolutistischer Staaten auch zur Entstehung der folgenden spezifisch neuzeitlich-westlichen Phänomene:[6]
Staatliche Bevölkerungs-, Sozial- und Beschäftigungspolitik:
- Bevölkerungspolitik[7] und Biomacht
- Wohlfahrtsstaat mit gesetzlicher Kranken- und Rentenversicherung und Sozialpolitik
- Arbeitsrecht, beginnend mit den britischen Fabrikgesetzen
- Sozialrecht
- Arbeitspolitik mit Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsämtern
- staatliches Bildungs- und Gesundheitswesen
- Arbeitshäuser
- Zuchthäuser
- Arbeitslager
- Arbeitsdienst
- Armenhäuser
Arbeiterorganisationen:
- Arbeiterbewegung
- Gewerkschaftsbewegung
- Arbeiterparteien
- Genossenschaftsbewegung
- Frauenbewegung[8]
- Arbeitervereine
Weitere spezifisch moderne Phänomene, die parallel zur Massenlohnarbeit entstanden sind:
- Abschaffung der Sklaverei (Aufhebung des französischen Code Noir 1848, zuletzt auch in den USA 1865)
- Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948
- Nationalismus
- Internationalismus und Sozialistische Internationale
- Massengesellschaft und Massenpropaganda durch mächtige staatliche und private Akteure (vgl. Propagandamodell)
- weltanschaulicher Gegensatz zwischen Liberalismus und Sozialismus
- Marxismus
- Oktoberrevolution und „Diktatur des Proletariats“
Galt die soziale Frage während des „Goldenen Zeitalters“ des Kapitalismus in den 1950er und 1960er Jahren[9] als weitgehend gelöst, so erlebte sie seit der neoliberalen Wende Mitte der 1970er Jahre auch in den westlichen Industriestaaten ein Comeback, in denen sich die Polarisierung zwischen Arm und Reich seither wieder zunehmend vertieft hat, wie Untersuchungen der Bundesregierung (Armuts- und Reichtumsbericht), der EU (EU-SILC[10]), der ILO (Weltsozialbericht[11]) oder von Oxfam[12] belegen. Während sich der Lebensstandard der meisten Menschen in den Schwellenländern in diesem Zeitraum verbesserte, verschlechterte sich der Lebensstandard vor allem der weniger qualifizierten Lohnarbeiter in den traditionellen Industrien der europäischen und angloamerikanischen Welt. Diese Industrien litten unter anderem unter der qualitativ immer besser produzierenden Konkurrenz vor allem aus den asiatischen Schwellenländern, die auch aufgrund ihrer demographischen Dividende hohe Wachstumsraten aufwiesen, während in den traditionellen europäischen und angloamerikanischen Industrieländern eine säkulare Stagnation einsetzte.
Die Lohnarbeit in der marxistischen Theorie
Der Begriff wird im Marxismus verwendet, um die Lage der Arbeiterklasse zu charakterisieren: Diese besitze als Ware, mit der sie regelmäßig wirtschaften könne, nur ihre eigene Arbeitskraft und keine Produktionsmittel. Sie müsse ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf dieser Arbeitskraft gegen „Arbeitsentgelt“ (Lohn) bestreiten. Aus der Sicht des Kapitalisten lohne sich der Kauf von Arbeitskraft und anderen Produktionsmitteln nur, wenn anschließend durch den Verkauf der produzierten Güter mehr Geld eingenommen werde, als ursprünglich für Arbeitskraft und Produktionsmittel ausgegeben worden sei. Da die Arbeiter vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen und die Kapitalistenklasse auf ein ständiges Angebot an Arbeitskräften angewiesen ist, werden im Durchschnitt Lohnvereinbarungen getroffen, die die Reproduktionskosten der Arbeitskraft decken. Damit einher geht die Arbeitswerttheorie, nach der alle Waren im Verhältnis zu der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung erforderlich ist, getauscht werden. Dies heisst, nur die Arbeit ist wertbildend. Die Differenz zwischen dem Wert der von den "freien" Lohnarbeitern verkauften Arbeitskraft (Lohn, variables Kapital) und dem insgesamt geschaffenen Wert eignet sich der Kapitalist als Mehrwert an. Maschinen, Arbeitsmaterial usw. als konstantes Kapital übertragen nach der Arbeitswerttheorie anteilig nur die in ihnen bereits vergegenständlichte Arbeitszeit. Aus der verwerteten Arbeit entspringt also der gesamte Profit der Kapitalistenklasse.
Daraus ergeben sich nach Marx drei Dimensionen der Ausbeutung der Lohnarbeiter durch die Kapitalisten:
- Produktion: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern lohnt sich nur, wenn von den produzierten Gütern ein Teil, das Mehrprodukt, bei den Kapitalisten verbleibt.
- Arbeitszeit: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern lohnt sich nur, wenn die Lohnarbeiter nicht nur für die Herstellung der von ihnen selbst benötigten Produkte arbeiten (notwendige Arbeitszeit), sondern darüber hinaus für die Kapitalisten unentgeltlich arbeiten (Ausbeutung). Diese unentgeltlichkeit ist jedoch im Kapitalismus verschleiert, nicht ohne weiteres sichtbar, da der Lohn vordergründig die gesamte Arbeitszeit abdeckt.
- Wert: Die Beschäftigung von Lohnarbeitern lohnt sich nur, wenn ein Teil des geschaffenen Wertes als Mehrwert bei den Kapitalisten verbleibt.
Karl Marx charakterisierte die soziale Lage der Arbeiter nach der siegreichen bürgerlichen Revolution mit dem Begriff des „doppelt freien Lohnarbeiters“. Nach der Erlangung der bürgerlichen Rechte mussten die Arbeiter ihre Arbeitskraft auf dem Markt anbieten und konnten ihren Lohn nach den Bedingungen des Marktes frei aushandeln. Der Begriff des „doppelt freien Lohnarbeiters“ soll auf den doppelten Charakter[13] der Freiheit hinweisen, dem der Lohnarbeiter im Kapitalismus ausgesetzt ist. Durch die Befreiung von feudalen und ständischen Fesseln hätten die Arbeiter zwar bürgerliche Rechte und Freiheiten gewonnen, seien aber auch vom Eigentum an den Produktionsmitteln „befreit“ und daher unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen zur „Lohnsklaverei“ gezwungen.
Lohnarbeit in den Wirtschaftswissenschaften
In der Volkswirtschaftslehre werden Arbeitnehmer als Beschäftigte bezeichnet, die auf Stellenangebote von Arbeitgebern reagieren und mit diesen Arbeitsverträge mit in der Regel festem Entgelt abschliessen. Bis zur Einführung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen in Deutschland im Jahr 1999 wurden sie als „abhängig Beschäftigte“ bezeichnet.
Lohnarbeit in der Wirtschaftspraxis
Im der wirtschaftlichen Praxis kann der Begriff Lohnarbeit eine andere Bedeutung haben: Unternehmen lassen gelegentlich Arbeiten außerhalb des Unternehmens gegen Entgelt ausführen. In den Büchern des Unternehmens wird dies dann als „in Lohnarbeit hergestellt“ oder ähnlich bezeichnet.
Der auftraggebende Unternehmer übergibt das zu bearbeitende oder zu verarbeitende Material einem Subunternehmer, der diese Arbeiten aufgrund eines Werkvertrags[14] durchführt und dann Werklohn bekommt. Das Subunternehmen bekommt vom Auftraggeber Pläne und/oder ein Muster des zu fertigenden Teils. Der Subunternehmer benutzt dann seine eigene Produktionsstätte, Maschinen, Geräte und Belegschaft, um die Teile zu fertigen, manchmal auch mit Leihmaschinen. Der Subunternehmer haftet nur für die Qualität seiner Arbeit, nicht für Materialfehler. Manchmal sind das auch Scheinselbstständige, die ihren Lohn brutto ausgezahlt erhalten und dann sich selbst versichern und Steuern zahlen müssen, so dass die Ausbeutung für sie Formen annehmen kann, die mit dem Früh- oder auch dem Hochkapitalismus vergleichbar sind.[15]
Es ist Sache der Betriebswirtschaft festzustellen, ob es vorteilhafter ist, bestimmte Arbeiten im eigenen Betrieb selbst auszuführen oder durch einen Werkvertragspartner durchführen zu lassen (siehe Outsourcing). Betriebe mit freier Kapazität können durch Annahme von Lohnarbeit besser ausgelastet werden und mit Teilkostenrechnung für sich einen Deckungsbeitrag und für den Abnehmer günstige Preise kalkulieren.
Beispiele:
- Hersteller X hat die Kunststoffteile von Wäscheklammern gegossen und die Drähte zu Schenkelfedern gedreht. Er gibt diese Einzelteile sowie Verpackungsmaterial an Y (zum Beispiel eine Behindertenwerkstatt oder eine Justizvollzugsanstalt), wo jeweils zwei symmetrische Kunststoffteile in eine Schenkelfeder gesteckt werden und diese Klammern dann auf Pappdeckel geklemmt und in Kartons verpackt werden. X erhält das Fertigprodukt zurück, zahlt Y für die geleistete Arbeit (= Lohnarbeit) einen bestimmten Lohn und verkauft die Ware an seine Kunden. Y hat dann für X „in Lohnarbeit gefertigt“.
Oder:
- Bekleidungseinzelhändler A bietet seinen Kunden den Service, an bei ihm gekauften Kleidungsstücken Hosenbeine, Jackenärmel, Röcke usw. gegen einen bestimmten Aufpreis auf die passende Länge kürzen zu lassen. Wenn nicht ein(e) Mitarbeiter(in) von A diese Änderungsarbeiten durchführt, gibt A die Ware an die Änderungsschneiderei B, die diese (Lohn-)Arbeiten durchführt, die Ware an A zurückgibt und von diesem für die Änderungsarbeiten bezahlt wird. A berechnet seinen Kunden diese „in Lohnarbeit durchgeführten“ Änderungen weiter.
Dokumentarfilme
- Ein Arbeiterclub in Sheffield, Regie: Peter Nestler, BRD 1965
- La Reprise du travail aux usines Wonder, realisiert von Studierenden der IDHEC, Frankreich 1968 – Regie: Jacques Willemont und Pierre Bonneau, Kurzfilm über die Wiederaufnahme der Arbeit in den Wonder-Fabriken nach dem Mai 68.
- Nicht löschbares Feuer, Regie: Harun Farocki, BRD 1969
- Chircales – Ziegeleiarbeiter, Regie: Marta Rodríguez y Jorge Silva, Kolumbien 1966–1972
- Salesman, Regie: Albert and David Maysles, USA 1969
- Basic Training, Regie: Frederick Wiseman , USA 1971
- es kommt drauf, an sie zu verändern, Regie: Claudia von Alemann, BRD 1973 – Film über die doppelte Ausbeutung von Fabrikarbeiterinnen
- Humain, trop humain, Regie: Louis Malle, Frankreich 1974 – Arbeit in der Automobilindustrie
- Lebensgeschichte des Bergarbeiters Alphons S., Ein Film von Alphons Stiller, Gabriele Voss und Christoph Hübner, BRD 1978
- Ein Bild, Regie: Harun Farocki, BRD 1983 – Farocki zeigt nüchtern die Herstellung eines Bildes für die Zeitschrift Playboy[16]
- Besprechung, Regie: Stefan Landorf: , Deutschland 2011
- Work Hard – Play Hard, Regie: Carmen Losmann, Deutschland 2011
- Leviathan, Regie: Lucien Castaing-Taylor, Véréna Paravel, USA 2012
Siehe auch : Streik, Liste politischer Dokumentarfilme
Siehe auch
Literatur
- Robert Castel: Die Metamorphosen der sozialen Frage. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2008 (Inhaltsangabe).
- Arne Eggebrecht / Jens Flemming / Gert Meyer / Achatz v. Müller / Alfred Oppolzer / Akoš Paulinyi / Helmuth Schneier: Geschichte der Arbeit. Vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1980.
- Gunnar Heinsohn, Otto Steiger, Rolf Knieper: Menschenproduktion – allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979.
- (Inhaltsangabe, aus: Herz, Dietmar; Weinberger, Veronika (Hrsg.): Das Lexikon der ökonomischen Werke. Düsseldorf: Verlag Wirtschaft und Finanzen 2006. ISBN 3-87881-158-6).
- Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper: Theorie des Familienrechts. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1974.
- Andrea Komlosy: Arbeit. Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert. Promedia, Wien 2014, ISBN 978-3-85371-369-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Lexikon der Antike, Johannes Irmscher (Hg.), Digitale Bibliothek Bd. 18, Directmedia, Berlin 1999, S. 3346 (Artikel: Lohnarbeit)
- ↑ siehe Lohnarbeit (mittelalter-lexikon.de)
- ↑ Gunnar Heinsohn, Otto Steiger, Rolf Knieper: Menschenproduktion – allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979
- ↑ Brenner, Robert. "Agrarian Class Structure and Economic Development in Pre-industrial Europe". Past and Present 70 (1976), pp. 30–74
- ↑ aufbruch ins revier, Hoesch 1871–1961, Seite 45
- ↑ Robert Castel: Die Metamorphosen der sozialen Frage. UVK Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz) 2008 (Inhaltsangabe)
- ↑ Gunnar Heinsohn, Otto Steiger, Rolf Knieper: Menschenproduktion – allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979
- ↑ Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper: Theorie des Familienrechts. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1974
- ↑ "Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts 1914–1991. München 1998, Zweiter Teil: Das Goldene Zeitalter
- ↑ Marc Röhlig: Armutsbericht der EU: Jeder zwölfte Deutsche kann sich keine regelmäßigen Mahlzeiten leisten, Der Tagesspiegel vom 27. Mai 2014
- ↑ Bericht der UN-Arbeitsorganisation: ILO warnt vor „Armut und sozialer Ausgrenzung“ in Europa. Der Stern vom 3. Juni 2014
- ↑ Oxfam-Armutsbericht: Ein Prozent der Weltbevölkerung hat mehr als alle anderen … zusammen. Die Zeit vom 19. Januar 2015
- ↑ Marjorie-Wiki:Doppelcharakter ( des vom 4. Februar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2024. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (
- ↑ Neoliberalismus: Die Rückkehr der Leibeigenschaft | WOZ Die Wochenzeitung. In: woz.ch. 7. März 2024, abgerufen am 9. März 2024: „Und dass zunehmend regulär Angestellte durch ArbeiterInnen mit Werksverträgen ersetzt werden – durch Selbstständige, die ihre Sozialversicherungsbeiträge selber bezahlen müssen, keinen Anspruch auf bezahlte Ferien oder Lohnersatz im Krankheitsfall haben, manchmal nicht einmal krankenversichert sind, keine Mitbestimmungsrechte haben und für die nicht einmal die in manchen Branchen ausgehandelten Mindestlöhne gelten. Auf der Basis solcher Werksverträge arbeiten osteuropäische Schlachter in deutschen Fleischfabriken (für einen Stundenlohn von drei Euro), Hotelbeschäftigte, das Personal in Backwarenfabriken, VerkäuferInnen und (etwas besser bezahlt) BandarbeiterInnen bei Daimler, VW und BMW. Oder Monteure im Schiffsbau. Allein die profitable Meyer-Werft, bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe, deckt rund 45 Prozent ihres Personalbedarfs durch Arbeitskräfte ab, deren Verträge jederzeit storniert werden können. Bisher hatten all diese Firmen auf LeiharbeiterInnen zurückgegriffen. Doch seit manche Gewerkschaften für die rund eine Million temporär Beschäftigten tarifliche Verbesserungen erzielen konnten und gesetzliche Mindestanforderungen gelten (Mindestlohn: 8,19 Euro), setzen immer mehr Unternehmen, völlig legal, auf die noch billigeren Werksvertragsbeschäftigten. Und mit ihnen – durch das Ausgliedern öffentlicher Aufgaben – auch staatliche Institutionen.“
- ↑ enthalten in. Harun Farocki: Filme 1967–2005, Berlin: absolut Medien, 2009